Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Johann Arany (1817-1882)
ungarischer Dichter



Katalin
Eine poetische Erzählung

I.
Verstummt ist nun der Zechertroß,
Und düster ruht das alte Schloß,
Gleich Mönchen, müd vom Lebenslauf;
Nichts hellt die trübe Laun' ihm auf,
In die es wiederum verfiel,
Nicht Becherklang, noch Geigenspiel.
Auf Zinnen, hoch wie Wolken fast,
Halten Kanonen träge Rast,
Um zu erkalten in der Nacht
Von Eljen's, donnernd dargebracht;
Ihr Erzmund ist jetzt stumm und kalt,
Ihr letzter Donner ist verhallt.
Sogar das Echo schweigt und sinnt,
Das in der Berge Labirinth
- Durch deren Thal der Waldstrom saust,
Und toll auflachend niederbraust, -
Den Eljendonner auf und ab
Gerollt, und grollend wiedergab.
Die Ruhe, fortgescheucht vom Saus,
Kam wieder in ihr altes Haus,
Um in dem Moos des finstern Bau's
Zu ruhen, da der Lärm verschwand,
Der am Verlobungsfest entstand. -
Die Wachen kommen ohne Schreien,
Und schreiten still auf den Basteien;
Das Volk, das in dem Schlosse lebt,
Schleicht auf den Zehn, und lispelt nur,
Obwohl des Bechergeistes Spur
Noch in dem Geist der Zecher webt.
Wer wagte heut' ein lautes Wort?
Der Rausch sogar zieht schüchtern fort,
Erstickend seinen Uebermuth,
Weil jetzt der Herr des Schlosses ruht. -
(S. 1-2)
_____



II.
Schlaf, Szunyog, stolzer Krieger Du,
Du greiser Held, und finde Ruh;
Wer viel gekämpft, der ist es werth,
Daß ihm die Ruhe sei beschert.
Nicht wecke des Gewissens Schrei'n
Dich auf, weil Du Dein Töchterlein
Dem Stolz und Deiner Eitelkeit
Grausam als Opfer hast geweiht.
Wie sollte sie nicht glücklich sein,
Dies Weib voll Laun' und Phantasie?
Um hohen Preis gabst Du sie hin;
Verlassen soll sie Budetin,
Und treues Volk verehre sie,
Als Herrin im Schloß Löwenstein,
Auf hohem Berg ragt dieses Schloß,
Sein Schemel ist ein Steinkoloß,
Ein riesig großer Fels, wohin
Selbst huldigend die Wolke zog,
Dieselbe, die noch kurz vorhin
Die Felder und das niedre Thal
Mit finstrer Stirne überflog;
Und ihren Zorn verkündend stahl
Sich aus dem schwärzlichen Talar
Hervor mit blendend hellem Strahl
Der Dolch, der dort verborgen war.
Gleich einem König hoch zu Roß
Schaut Löwenstein, das stolze Schloß,
Hernieder auf der Zwerge Troß,
Die Bergesspitzen, welche kahl
Und barhaupt vor dem Herren stehn,
Trotz Sonnengluth und Sturmeswehn.
Was nahe liegt und steht, was fern,
Den Schloßherrn nennt es seinen Herrn;
Jedweder Berg rings, dessen Herz
Enthält des Goldes edles Erz,
In dessen gottgefügtem Schrein
Verborgen liegt der Edelstein;
Der finstre Tann, auf dessen Grund
Kein andres Pflänzchen je erstund;
Tiefer der stämmige Buchenwald,
Wo mancher Quell der Erd' entwallt,
Und tiefer noch die Eiche, die
Gleich einem ungeheuern Aar
Die knorr'gen Schwingen breitet, wie
Zu schützen jener Sträuche Schaar;
Die Ebne, deren grüne Flur
Der Bach durcheilt mit heller Spur,
Der bald in Günsterbüsche schlüpft,
Bald wieder sichtbar weiter hüpft;
Im tiefen Thal der stille Teich,
Der, ob er auch dem Spiegel gleich,
Doch nur der Sonne Farbengluth
Rückstrahlt, wenn sie am Mittag ruht;
Die Wiesen und der Hügelhain,
Die Saat, vom thau'gen Rain begrenzt,
Der, wenn die Sonne ihn beglänzt,
Erstrahlt im Regenbogenschein;
Endlich, wie Schlackensatz am Grund,
Im breiten, zauberschönen Thal,
Dunkelnder Dörfer große Zahl,
Wo schlichtes Volk von Jammer wund,
In rauchumflorten Hütten wohnt;
Kurz, bis zum fernen Horizont
Hat Alles einen Herrn allein,
Den Herrn des Schlosses Löwenstein.
Dort, Vater Szunyog, schweift Dein Geist,
Vom Glück entzückt, das ringsum gleißt,
Während der Schlaf mit weichem Arm,
Dich selbst entrückt dem Erdenharm;
Du siehst den Schwiegersohn im Traum,
Den Mann des Kriegs, den Eichenbaum,
In dessen Laub kein Vogel singt,
Von dem kein Duft sich aufwärts schwingt,
Wo keine Blüth' ins Laub sich schlingt,
Der aber riesig hoch gestreckt,
Mit Schatten selbst ein Haus bedeckt;
Und trägt er auch ein rauhes Kleid,
Die Rinde wie der Stahl so stark,
So mehr ist er voll Kraft und Mark,
Und trotzt Gewittern jederzeit; -
Ob hundertmal die Stürme wehn,
Sieht man ihn ungebrochen stehn.
So siehst du Jakusics im Traum,
Den zwar nicht mehr der Jugend Flaum,
Doch Stolz und Heldenstärke schmückt,
Dem, ob ihn auch das Alter drückt,
Du doch dein Kind hast anvertraut,
Dein junges Kind, als seine Braut, -
Wähnend, sie sei ein Diamant,
Der den bereichert, der ihn fand,
In dessen Glanz des Feuers Gluth,
Bei hellem Wasser friedlich ruht,
Und der, ob er auch blendend strahlt,
Doch nur mit falschem Feuer prahlt,
Und nichts verlangt, als theures Gold,
Das würdig ihn umfassen sollt'. -
Du siehst sie jetzt im Traumesschwung,
Die Tochter stolz, und schön, und jung,
Umringt von Pracht und Huldigung;
Du freust dich, wie der Schiffer, sehr,
Der heil entkam dem wilden Meer,
Und fragst: Mein Kind, was willst du mehr?
(S. 3-7)
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III.
Was mehr? Das Blümchen zauberhaft,
Das lieblich im Verborg'nen sprießt,
Und in der Menschen Pilgerschaft
Ein einzig Mal sich nur erschließt, -
Das Blümchen, das im freien Wald
Sogar trotz rohen Tritts Gewalt
Erhebt die liebliche Gestalt,
Und das auf Erden keine Macht
An einem Ort erblühen macht,
Wo's nicht von selbst zum Blüh'n erwacht.
Du, erste Liebe, bist gemeint,
Die einmal, einmal nur erscheint,
Du Geist vom Geist, nicht erdenhaft,
Du ewig untheilbare Kraft,
Du heil'ge Macht, der Gottheit gleich,
Die in des All endlosem Reich
Schafft und zerstört, ein Weltgericht! -
Weh, warum währst du ewig nicht?
(S. 8)
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IV.
Der Vollmond zieht mit hellem Schein
Ueber der Fatra Spitzen hin,
Und aus dem offnen Fensterlein
Schaut Szunyog's Tochter Katalin.
Gebreitet liegt der Landschaft Pracht
Vor ihr, als wie des Malers Nacht,
Ein Bild, drin zauberisches Licht
- Da, wo des Mondes Strahlenkranz
Hindringt mit seinem zarten Glanz -
Sich in die tiefen Schatten flicht.
Im Osten ragt mit krummem Grat
Gebirg, von dessen steilem Pfad
Der Schatten Flor allmälig sinkt,
Bis Budetin im Lichte blinkt;
Im Norden ragt ein Wald empor,
Dran finster klafft manch Thales Thor;
Und höher noch ein Felsen winkt,
Der fast bis an die Sterne reicht,
Und hell und weiß, der Wolke gleicht,
Durch die der Strahl der Sonne dringt.
Auf diesem Fels steht Löwenstein,
Verschwimmend fast im Mondenschein,
Und Schloß und Grund, erhellt zugleich,
Gemahnen fast ans Nebelreich.
Westwärts erhebt dort, wo beengt
Die Waag sich durch die Felsen zwängt,
Und nebst des Thales schmalem Steg
Mit Hast ins Freie sucht den Weg, -
Der Oblaczow das hohe Haupt,
Ein Felsen, alles Grüns beraubt.
Das ist der Rahmen, der umspannt
Schloß Budetins romantisch Land,
Den Thalgrund, den die Waag durcheilt,
Und schwertgleich in zwei Theile theilt,
Der, üppig grün am hellen Tag,
Vor Katalin jetzt dunkelnd lag.
Es scheint, daß ihr all' diese Pracht
Der mondbeglänzten Zaubernacht,
Das weiche Weh'n der milden Luft,
Der weite Raum voll Sommerduft
Vergebens in die Seele lacht.
Gleich einem Steinbild starr und stumm,
Starrt sie hinaus ins Heiligthum
Der Nacht, kaum zeigt dir, daß sie lebt,
Die Thräne, die im Aug' ihr bebt.
Der Schatten ihres Haars umflicht
Mit schwarzem Flor ihr weiß Gesicht;
Die Hände ruh'n am Fensterrand,
Wie Flöckchen Schnee's auf dunklem Stein,
Ein flatternd Tuch hält eine Hand,
Das soll der Liebe Banner sein,
Die heimlich sie ins Herz verschloß;
Des Bräut'gams heller Diamant,
Und Thränen, die sie drauf vergoß,
Erglänzen an der andern Hand;
Sie starrt und schaut, und sieht doch nichts,
Gleich Armen, die beraubt des Lichts;
Von Thränen ist ihr Auge feucht,
Ihr Denken ist vom Gram verscheucht, -
Gedankenlos und kummermüd
Hält ihre Seele träumend Rast,
Ein Vogel der meerüber zieht, -
Und müde sinkt auf einen Mast, -
Ins Leere schweift ihr Blick hinaus;
Am Fuß des Thurmes, drin sie weilt,
Rauscht eines Wirbels Wogenbraus, -
Die Waag ist's, die mit toller Wuth
Los stürzt auf eines Bergbachs Fluth,
Und grollend dann vorübereilt;
Und auf dem krausen Wogentanz
Zerschlägt des Mondes Silberglanz
In Tausende von Funken sich,
Und zittert fort in langem Strich.
Gen Westen flieht der Mond den Tag,
Und ostwärts stürmt die wilde Waag,
Und Katalin, im Geist erregt,
Glaubt, daß sich auch der Thurm bewegt,
Gleich einem Schiff, das meergewiegt,
Die Segel lustig aufgebläht,
Von steter Hoffnung angeweht,
Ostwärts zu sel'gen Inseln fliegt.
Fort, Schifflein, fort auf hohem Meer,
Sonst sinke in des Meeres Schlund,
Begrabend in dem grausen Grund
Die Lieb' und ihrer Schmerzen Heer.

Doch horch, als ob was plätschernd käm',
Sie hört es durch die Nacht herauf!
Sie endet den geträumten Lauf,
Der Thurm steht fest wie ehedem.
Das Mädchen schaut, und horcht, und lauscht,
Und schwenkt das Tuch in ihrer Hand,
Hinwinkend nach dem Uferrand,
An dem entlang ein Nachen rauscht.
Sie ruft: "Er ist's!" und all ihr Blut
Entzündet ihr der Wangen Gluth,
Gleich Einem, der erstaunt, entzückt,
Was er am meisten liebt, erblickt -
Doch Augenblicks die Freude schwand;
Kaum blitzt des Brautrings Diamant,
Erbleicht die Wange, sinkt die Hand,
Denn ach, der Treue, der nun kam,
Bringt Hoffnung nicht, nur neuen Gram.
Doch Forgach strengt die Kräfte an,
- Sei Hoffnung oder keine mehr -
Und nöthigt durch die Wellen quer
Zu strengem Lauf den schwachen Kahn.
Die wilde Waag erbraust und schäumt
Gleich einem Roß, das scheu sich bäumt,
Und bald sich dreht, bald vorwärts fleugt,
Jedoch umsonst nur schnaubt und keucht, -
Der starke Reiter überwand
Es, nimmer stürzt er in den Sand;
Mit Macht besiegt den Strom der Kahn,
Und legt schon bei dem Thurme an,
Von dem ein Seil herniederreicht;
Der Jüngling knüpft den Kahn daran,
Und klimmt alsbald auf schwanker Bahn
Zu seinem Liebchen kühn und leicht.
(S. 9-13)
_____



V.
Sprachlos, entzückt, und lange Zeit
Drückt Forgach sie an seine Brust;
Vergangenes und künft'ges Leid
Schwand alles vor der jetz'gen Lust.
Wer malt der Wonne Ueberschwang,
Mit der nach Trennung, grausam lang,
Ein selig Paar sich nun umschlang!
Die Lippe schweigt, ein Seufzer drängt
Sich aus der Brust, gefühlbeengt.
Jedoch die Herzen sich verstehn;
Wie Kinder, wie ein Mädchenpaar,
Die lange schon sich nicht gesehn,
All was geschehn in einem Jahr,
Im Augenblick sich vorgeschwätzt,
So ist's mit diesen Herzen jetzt;
Sie klagen sich in raschem Schlag,
Antwortbereit schon vor der Frag',
Einander all das herbe Leid,
Das sie gequält die lange Zeit; -
Wenn nun das Herz von Last befreit,
So stürmisch nicht mehr ist bewegt,
Und um die Antwort seltner frägt,
Und wenn das Blut nun tropfenweis'
Zurücktritt ins gewohnte Gleis,
Wenn Brust an Brust vertrauend ruht,
Vereinend der Gefühle Gluth, -
Wo find' ich Worte, wohlgereiht,
Zu schildern diese Seligkeit!
Sie ist ein Traum, so zart und rein,
Wie Duft, und wie der Sonne Strahl;
So ruhig wallt im sel'gen Hain
Der Geist, befreit von Erdenqual;
So froh ist selbst der Wandrer nicht,
Der, da er fast zusammenbricht,
Zu einer grünen Au gelangt,
In der das Laub voll Blüthen prangt,
Wo Lüftchen ihn umfächeln mild,
Wo kühle Fluth hellperlend quillt,
Wo dunkelgrün, und sammetweich
Sich unter ihm der Rasen schmiegt,
Wo über ihm das Laub sich wiegt,
Und Schatten spendend sich durchschlingt,
Wo ihm die Landschaft, farbenreich,
Als bunte Augenweide winkt,
Und Vogelsang und Blumenduft
Ihn labend, rings erfüllt die Luft; -
Nicht ein Genuß ist, der erreicht
Die Wonne, die - sich selbst nur gleicht,
Und die, wenn einmal sie verglüht,
Zu schildern man umsonst sich müht.
(S. 14-16)
_____



VI.
Wie Einer, den ein Schreckbild neckt,
Oder ein Brand vom Schlaf erweckt,
Wie Einer, der in Krankheit ächzt,
Und hört, wie Nachts das Käuzlein krächzt, -
So schrickt die Braut nun auf, und bebt;
Die Wangen, erst noch gluthbelebt,
Sind weiß und kalt, wie Marmelstein;
Die Stirn umwölkt ein tiefes Leid,
Und ihre Augen, offen weit,
Sie starren wild verzweifelt drein.
"O fliehe, flieh, du Unglückssohn!"
Ruft flehend aus das arme Weib,
Und bebt voll Angst am ganzen Leib, -
"Unglück ist uns beschieden schon,
Denn zwischen uns ein Abgrund klafft;
Nicht werd' ich dein, nicht wirst du mein,
Und unsre süße Leidenschaft
Ist Sünde, sei sie noch so rein;
Ach weißt du nicht, Geliebter heiß,
Was selber Erd' und Himmel weiß, -
Denn dieser hüllt' in Wolken sich,
Und jene bebte fürchterlich,
Als ich das Wort aussprach voll Schmerz,
Schau diesen Ring -" "Ha, schnödes Erz!
Ist das das Unglück, das du meinst,
Das Los, das, Arme, du beweinst?
Ist's das, weshalb ich zittern soll?
Es war!" - so ruft er zornesvoll;
Und mondbeglänzt, im Fallen blinkt
Der Ring, der in die Waag versinkt,
Schnell eh' das Mädchen ward gewahr,
Daß ihres Rings der Finger bar; -
Nicht so, noch ist's zum Abschied Zeit,
Nicht dich zu lassen kam ich her;
Die Treu' ist ewig, die ich schwor,
Und wenn zu meiner Seligkeit
Den Weg mir wehrt ein Demantthor,
Ich brech' es auf mit meiner Wehr.
Komm', komm' mit mir, still ist die Nacht,
Und die Gefahr noch nicht erwacht.
Sieh, jenseits dieser wilden Fluth
Stehn meine Reiter auf der Huth;
Der Nachen harrt, die stolze Waag
Ist, wenn sie meinen Arm fühlt, zag,
Und trägt uns, dienend mir als Herrn,
Hinüber wohl, wenn auch nicht gern.
O zittre nicht, noch winkt uns Heil, -
Wir lassen uns hinab am Seil;
Wie Wasserspinnen ihre Bahn,
Legt schnell den Weg zurück der Kahn,
Und mit der Waag ist die Gefahr
Auch hinter uns, - ist das nicht wahr?"
Er sprichts und gürtelgleich umspannt
Die Braut er mit der linken Hand,
Jedoch sie bebt, und fließt ihm fast
Wie Wellen aus dem Eisenarm.
"O weh, noch nicht, nicht solche Hast!
Mein Kopf ist wirr, mein Herz voll Harm,
Ich kann nicht mehr - mich schüttelt Frost,
Laß mich noch ruhn, - o Mutter mein,
Muß ich von hier ohn' Abschiedstrost!
Wenn sie erwacht beim Morgenschein,
Vergebens lang nach mir verlangt,
So denkt sie wohl, ich sei erkrankt;
Sie eilt zu mir in's Kämmerlein,
Und, sieh, mein Bett, noch unberührt,
Verräth ihr, daß ihr Kind entführt,
Und noch bevor es völlig klar,
Bringt sie dies Räthsel auf die Bahr;
Und glücklich, wenn durch Schreck sie fällt,
Den ersten Vortrab der Gefahr!
Denn später kommt, von Wuth entstellt,
Mein Vater, wie ein wildes Thier,
Und sucht das Leben noch in ihr,
Um es zu tödten tausendmal; -
Ach wenn du wüßtest, welche Qual
Dies zarte Frauenherz erlitt,
Dies Blümchen, das die Kluft umschließt,
Drein nie ein Strahl der Sonne glitt,
Wo ewig nicht der Schnee zerfließt,
Wo nie ein Gras, ein grüner Ast
Mit ihm getheilt der Oede Last! -
Du standst als Zeuge nicht dabei,
Wie vor des Vaters Tyrannei
Sich treue Lieb' im Staube wand,
Und wie der Vater, wuthentbrannt,
Mit Füßen trat die hehrste Glut
Der Jungfrau, die sein eigen Blut. -
Und nun? Muß denn ein Opfer sein,
So sei das Opfer ich allein;
Wir müssen scheiden, Jüngling, geh,
Vergiß mich, und ertrag dein Weh.
Nur eine Hoffnung sei mein Halt
Auf meiner schmerzgetrübten Bahn:
Wenn am Altar man mit Gewalt
Mir legt der Ehe Fessel an,
So tödt' ich und befreie mich!
Nun lebe wohl -" "Wie, ohne dich! -
Nun will's dein Herz, so bleibe hier!"
"Forgach! - O Gott, sei gnädig mir!"
"So willst du denn mir folgen?" "Nein!"
"Was trag' ich länger diese Pein!
Fort!" "Mutter - Nun ich folge Dir!"
Sie wollen fort im Mondenschein,
Da kommt der Page schnell herein,
Der blickt so wirr, und spricht mit Noth,
Und meldet, daß Gefahr hier droht.
"Flieh, Ritter, flieh, nicht nützt dein Muth,
Schon kommt der Herr, der Rache schnaubt,
Im Arm den Stahl, im Auge Glut,
Im Rohr das Blei, das Leben raubt,
Nah dröhnt sein Tritt im Flure schon!"
"Geliebter, willst du noch verziehn? -
Barmherziger Gott!" - ruft Katalin,
"Vereitle des Gewitters Drohn!"
Forgach entgegnet, muthbeschwingt:
"Soll ich dich lassen in Gefahr!" -
"Flieh!" wiederholt die Braut und ringt
Verzweiflungsvoll der Hände Paar,
"Noch schimmert uns ein Hoffnungsstrahl,
Du rettest mich ein ander Mal, -
Nein! ich, ich komme selbst zu dir!" -
"So nehm' ich denn nur Hoffnung mit?
Und laß ich dich, Geliebte, hier?"
Sie drängt ihn, und der Jüngling glitt
Hinunter an dem schwanken Seil,
Während die Thür von starker Faust
Getroffen, wie von einem Beil,
Geöffnet wird, und Szunyog mit
Dem blanken Schwert in's Zimmer tritt,
Und hinter ihm sein Dienstvolk braust,
Das er bewaffnet und behaust;
Unsteten Blitzen gleich durchirrt
Sein Blick das Zimmer überall,
Doch bald darauf die Büchse klirrt,
Die jähe Glut des Schusses loht,
Und in die Tiefe dröhnt der Knall,
Den bald das Echo wiederdröhnt.
"Barmherz'ger Gott!" das Mädchen stöhnt;
Und sinkt zur Erd', als wär' sie todt. -
(S. 17-22)
_____



VII.
Heran, und fort zog Mitternacht,
Und wieder herrscht die Ruh' im Thal,
Und unter zarter Pfleg' erwacht
Die arme Braut zur Lebensqual.
Und sie erkennt die Mutter gut,
Die sie bewacht mit treuer Huth,
Und gibt es durch ein Lächeln kund,
Das ihr umspielt den bleichen Mund;
Bei Sinne ist sie, doch nicht ganz,
Und wie ein Kind den Flammenglanz,
Sieht jetzt sie nur der Liebe Licht,
Und denkt noch ihres Jammers nicht.
Die Mutter möchte, zartgesinnt,
Gern lächeln mit dem kranken Kind,
Doch sie erzwingt, erfüllt von Pein,
Den Lippen nur des Lächelns Schein, -
Sie krümmen sich, doch krümmt sich auch
Ein Rosenblatt am Gluthenhauch;
Sie weiß, daß die Gefahr nicht weit,
Die ihrem Kinde furchtbar droht,
Und was sie ahnt, voll Mutterleid,
Es ist verzweiflungschwang're Noth.
Was kündet wohl die Todtenruh?
Wohin ging ihr Gemahl, wozu?
Warum verließ er schnell das Haus?
Und warum brach sein Zorn nicht aus?
Warum verhielt er seine Wuth,
Warum erschien er ruhig, kalt?
Gleicht doch dem Lavastrom sein Blut,
Der droht mit tödtender Gewalt.
O wär' er, wie gewöhnlich, jetzt,
Rauh, trotzig, leicht vom Zorn gehetzt,
Für alles Bitten ohne Gunst,
Der Wolke gleich, voll Wetterdunst,
Die ihre Blitze niederzückt,
Und ob der Wurf ihr sei geglückt,
Ob nicht, entladen weiter rückt, -
Auflodernd jäh im Zornesbrand,
Und bald beruhigt vom Verstand.
Doch jetzt, was wird wohl jetzt geschehn?
Du arme Mutter bangst mit Recht;
Die grimme Ruh in ihren Wehn
Gebiert ein fürchterlich Geschlecht.

In ries'ger Brust ein riesig Herz -
Im Burgverließ, im Dunkeln, stöhnt,
Und pocht des Hammers schweres Erz
Felsen zertrümmernd, und es dröhnt
Die Wand, die immer weiter klafft.
Von einer Lampe kurzem Schein
Wird matt das dunkle Werk erhellt,
Dabei im Takt der Hammer gellt;
Nur manchmal hält, von Arbeit heiß,
Der Arbeitsmann im Hämmern ein,
Wischt von der Stirne sich den Schweiß,
Und blickt zu Szunyog fragend auf:
Doch dieser donnert: "weiter!" drauf,
Und starrt, als wie von Stein umhüllt;
Und regungslos, und festgebannt
Ruht an des Raumes breiter Wand
Sein riesig großes Schattenbild;
Zur Seite wird sein Angesicht
Von fahlem Lampenschein erhellt,
Jedoch am hellsten ist das Licht,
Das auf der Züge Kanten fällt,
Und wie es abgeschnitten glänzt,
Die Schatten zeigt, die es begrenzt.
Auf diesem Antlitz, erzgegossen,
Regt sich die kleinste Fieber nicht,
Sogar die Lippe scheint geschlossen,
Wenn er mit dumpfer Stimme spricht;
Nichts regt sich als das Aug' voll Gluth,
Wie das des Tigers, der nach Blut
Lechzt, und auf Beute lauernd ruht, -
Mit Gier verfolgt es jeden Block,
Der krachend springt vom Felsenstock,
Und folgt dem Mann, der rastlos schafft.
Die Arbeit wirkt, die Lücke klafft,
Der Hammer und der Arm erglühn,
Auf jeden Schlag die Funken sprühn,
Dem Eisen weicht der harte Stein,
Und Szunyog ruft: Genug, halt ein!
(S. 23-26)
_____



VIII.
Sei mir der Schleier anvertraut,
Der dunkelste sternloser Nacht,
Daß ich verhülle, was erschaut,
Das Blut vor Schreck erstarren macht.
O möge Niemand sehn jetzund,
Wie Szunyog, einem Tiger gleich,
Sein Kind hinunter schleppen läßt,
Wie sie, das Haar gelöst, und bleich,
Die Hände ineinand gepreßt,
Und mit verschloss'nem bleichen Mund,
Gelegt wird in den Mauerschlund,
Den schließend, bald sich hebt empor
Die Wand, aus Steinen so gefügt,
Daß sie zu langem Trutz genügt.
O grauenvoll! - Den Schleier vor!
(S. 27)
_____



IX.
Der Hammer pocht mit Schallgewalt,
Der letzte Schlag ist's, der nun schallt;
Begraben sind jetzt in der Gruft
Die bleiche Braut und Kerkerluft.
"So lebe!" ruft der Greis hinein, -
"Bis du gebüßt den frevlen Trutz;
Der Ahnen Gruft, sie bleibe rein
Von deines sünd'gen Leibes Schmutz!"
Er rief es, und sein Angesicht,
Draus starr und kalt sein Hochmuth spricht,
Zeigt, wie er sich zu bergen müht
Die Pein, die ihm im Herzen glüht.
Er wähnte sich durch Schmach verhöhnt,
Und meint nun auch, er sei versöhnt
Durch seines Kindes Todesqual.
Befriedigt will er nun den Saal
Verlassen, als er murren hört
Das Dienervolk, das sich empört.
Manch kühnes Wort dringt ihm in's Ohr,
Die Diener raffen sich empor
Vom Joch der Unterwürfigkeit,
Und lauter stets und zornbefreit,
Erschallt die Stimme der Natur:
Empörter Menschheit Mitgefühl,
Und wild ertönt es im Gewühl:
"Ist's wirklich so, kein Schreckbild nur?"
- "Sehn wir dem Frevel ruhig zu?" -
- "Ihr Freunde, Sünd' ist hier die Ruh!"
- "Herr, dreißig Jahre dient' ich dir
In Treue, doch -" "Wer wagt das hier?!"
- "Ich, Herr, ich wag' es nicht allein!"
- "Auch ich!" - "Und ich!" so Alle schrei'n,
Und Szunyog dringt mit blankem Schwert
Auf die empörten Diener ein.
"Ha, Sklavenvolk, ihr trotzet mir!
Entflieht, sonst wird mein Stahl entehrt
Durch eu'r gemeines, schlechtes Blut!"
Er ruft's, und gleicht dem Wolf an Wuth,
Der heulend in die Heerde dringt.
Stets trifft sein Schwert, wie er's auch schwingt;
Den schlägt er wund, den weiht's dem Grab,
Bald nimmt die Zahl der Gegner ab,
Der eine flieht, der andere sinkt,
Je wie der Streich des Schwerts gelingt;
Der Lärm verläßt den wüsten Raum,
Und wieder herrscht drin stille Nacht,
Man hört das Röcheln derer kaum,
Die Szunyog nah dem Tod gebracht.
(S. 28-30)
_____



X.
"Dies Mädchen war mein Augenstern,
Doch ausgerissen hab' ich gern
Das Auge, das mein Aerger war,
Und meiner Ehre mit Gefahr
Gedroht, - gedroht? - Sie traf mich schon!" -
"Wer wagt's, und spricht dafür mir Hohn?
Wer klagt mich an? Wer ist so kühn?
Wer wagt's und spricht mir frech darein? -
Mein Schmerz gehört nur mir allein,
Ich tödt' ihn und begrabe ihn!" -
"War's Sünde? - Glaub' es, Graukopf, nicht,
Sie lügen! - und das Herz dadrin,
Dies thöricht alte Kind, es spricht
Von Sünde wohl, doch ohne Sinn." -
"Ich reiß' dich aus, Fleischklumpen, du!
Du Schlange, die da lag in Ruh,
So lang von Frost erstarrt sie war,
Doch kaum erwärmt, mir bringt Gefahr;
Brauch' deinen Zahn, ich fühl' ihn nicht,
Mein Wille ist mein starker Schild,
An dessen Erz dein Zahn zerbricht. -
Rein ist noch meiner Ehre Bild! -
Mich schmerzt nicht, daß ich sie verlor,
Mir ist wohl größ'rer Schmerz bekannt; -
Ich hab' kein Kind, und wenn zuvor
Ein Kind vielleicht ich mein genannt,
So ist es todt, - verflucht, - verbannt! -"

"O laßt vom alten Szunyog ab,
Er sinkt befreit von Schmach in's Grab,
Ein Baum, der, da er fällt im Sturm,
Fort wirft die Frucht, dran nagt ein Wurm." -

"Warum verfolgt ihr, Schreckgedanken,
Mich stets? Nicht fürcht' ich euer Walten,
Mich schützt mein Schwert! - doch Blut daran?
Wo klafft die Wunde, draus es rann?
Hab' den Verführer ich erreicht?
Traf ihn mein Schwert, bis er erbleicht?
Dort eilt er, dort! - ich kenn' ihn gut,
Ha, wie er flieht, wie ohne Muth,
Ihm nach! - -"

So schreiend irrt' im dunkeln Flur
Szunyog umher voll Seelenpein,
Doch nimmer kann er die Natur,
Nicht das Gewissen überschrei'n. -
Da stürmt es wild im stillen Schloß;
Denn treuer Hand Verrath erschloß
Das schwere Thor, - das treue Herz,
Der Page, und der Mutter Schmerz,
Sie riefen Forgach im Verein.
Die Eingesargte zu befrei'n.
Denn Forgach war getödtet nicht; -
Der wilde Zorn, sein blöd Gesicht,
Das schwere Rohr in schwanker Hand
Bewirkten, daß Szunyog verfehlt,
Das Herz, das er zum Ziel gewählt,
Und daß sein Blei das Grab im Sand
Der Waag, statt in dem Jüngling fand. -
Er stürmt herein in kühnem Lauf,
Und führt die treuen Reis'gen an;
Erzhuf'ge Rosse donnern auf
Des Burghofs steinbedecktem Plan.
Der Kampf erwacht mit einem Mal,
Das Tosen wächst, Stahl klirrt an Stahl,
Das Volk in dichtem Knäuel drängt
Sich hin und her nach allen Seiten, -
So wird die Saat allseits gelenkt,
Wenn Stürme miteinander streiten;
Die überraschten Wachen schreien,
Daß es vom Himmel widerhallt,
Wirr, wuthentbrannt, und dicht geballt
Zum Knäuel, kämpfen die Parteien;
Der Freund stürzt auf den Freund da los,
Ertheilend ihm den Todesstoß;
Der Eine kennt, der Andre nicht
Des Kampfes Ziel, - der Eine spricht
Davon, der Andre will's nicht glauben,
Und nun belehrt das Schwert den Tauben.
Und während so der Kampf erbraust,
Und mitten drin mit seinem Stahl
Szunyog gleich einem Kriegsgott haust, -
Erdröhnt der Hammer noch einmal
Tief unten in dem Burgverließ.
Und mit den schweren Schlägen stieß
Er immer tiefer in die Wand.
"Gib sie zurück, gib sie hervor,
Die du dem Leben hast entwandt!"
So klingt es, was der Hammer ruft.
Geöffnet ward das Felsenthor
Der gestern erst gebauten Gruft,
Und bleich entsteigt dem Grab die Braut;
Jedoch ihr Herz ist freuderfüllt,
Ihr Auge leuchtet, thränumhüllt,
So wie den Helden sie erschaut.
Der hebt sie starken Arms empor,
Und schnell, wie Blitz und Meteor
Entflieht er nun mit Katalin.
Es braust der Wind, das Pferd fliegt hin,
Stets ferner grollt die wilde Schlacht -
Die beiden fliehn in stiller Nacht,
Und all umsonst war's, daß der Alte
Fluchend daheim die Fäuste ballte.
(S. 31-35)
_____



XI.
"Halt, Räuber!" - ruft der Alte gell,
"Halt Leichen raubender Vampyr!"
Er folgt dem Reiter für und für,
Matt keuchend, - doch das Pferd ist schnell;
Daß er's erreich', ist toller Wahn,
Und dennoch läuft er drauf und dran. -
Verschwunden ist der Kämpfer Wuth,
Da klirrt kein Schwert, der Lärmen ruht,
Und Alles will den Alten seh'n,
Der läuft, und ruft: "Bleib, Räuber, steh'n,
Und gib die Tochter mir zurück,
Du stahlst mein wohl vergrabnes Glück,
Ich bin der Vater jener Bleichen,
Wohin willst du mit ihr entweichen?
Bleib stehn, ich bring', was sie vergessen
Den Fluch, den ich ihr zugemessen,
Ich bring ihn hin, o welche Last!
Ich sink' ob seiner Schwere fast,
Ich sinke, - nein, ich stehe wieder,
Ich komme hin und reiß' dich nieder,
Und raube dir, was du geraubt.
Hast du mir zu entfliehn geglaubt?" -
So eilt er über Stock und Stein,
Von Strauch und Dorn im Lauf verletzt!
Doch eilt er fort, von Wuth gehetzt,
Und fühlt jetzt nicht die arge Pein;
Was die Natur ihm hat gespendet,
Was sie an Kraft ihm hat gespart,
Und für sein Alter aufbewahrt,
Vom Wahnsinn wird es nun verschwendet.
Jedoch umsonst! So wie im Schleier
Der Wolken sich der Mond versteckt,
So schwindet auch der kühne Freier,
Auf weißem Roß die weiße Last
Entführend mit des Räubers Hast,
Im Schatten, der die Thale deckt.
Nicht sieht mehr Szunyog, die er sucht,
Nicht hört er mehr des Rosses Huf, -
Da schreit er noch mit schrillem Ruf
Das Schreckenswort, das sie verflucht,
Die seine Tochter war, - und sinkt,
Wie Einer, dem der Tod schon winkt. -
"Fort, fort!" - Schnell greift das Rößlein aus,
Die Bäume flieh'n vorbei im Saus,
Die Waag braust wie ums Wetten mit,
Und bleibt zurück doch hinterm Ritt;
"Fort, fort!" so schrillt im Thal der Wind,
Und weicht nach links, und weicht nach rechts,
Und küßt im Fliehn dem bleichen Kind
Die Fülle seines Haargeflechts.
Der Hufschlag tönt, und Funken sprüh'n,
Die kaum geseh'n, auch bald verglühn
Wie Bläschen Schaum's im Wellentanz
Erstehn, vergehn im Sonnenglanz.
Es rauscht das Laub, das Wild schrickt auf,
Und sucht den Wald in bangem Lauf;
Das Vöglein selbst im trauten Nest
Wird durch den Lärm vom Schlaf erweckt;
Die Todteneule glotzt und läßt
Den Fraß, und fliegt davon erschreckt;
Die stille Einsamkeit erwacht,
Und fragt erschreckt im Wiederklang:
Wer reitet in so später Nacht,
Wer weckt mich aus dem Schlaf so bang?
Und wie der Huf stets weiter hallt,
Ruht auch das Echo gleich im Wald;
Dann wacht ein andres wieder auf,
Und folgt des Pferdes fernem Lauf,
Und endlich herrscht die alte Ruh.
"Fort, fort!" Wozu die Hast, wozu?
Der Reiter sieht, daß Alles still,
Daß Niemand ihn verfolgen will,
Und zwingt das Pferd zu trägerm Schritt
Von dem der Schweiß in Tropfen glitt.
Doch Katalin drängt: "Weiter, weiter!"
Die Arme sieht noch die Gestalt,
Den nimmer weichenden Begleiter,
Deß weißes Haar im Winde wallt,
Der sie verfolgt und nie erreicht,
Der niemals naht, und doch nicht weicht;
Sie wendet sich nach allen Seiten,
Sie schließt sogar die Augen zu,
Und sieht den Greis sie doch begleiten,
Den schrecklichen, ohn' Rast und Ruh.
Der Augen Weißes weit erschlossen,
Starrt er sie an, sein Angesicht
Ist fahl wie das der Grabgenossen,
Und aus dem starren Auge bricht
Anstatt der Thränen Blut hervor,
Und färbt der Wangen weißen Flor;
Die Züge sind entstellt und dräu'n,
Wie Einer, der verflucht, zu Stein
Ward mitten in des Wahnsinns Pein;
In seiner Hand das lange Schwert,
Das schwingt er hoch, und droht damit, -
Mag rennen, oder gehn das Pferd,
Stets hält er mit ihm gleichen Schritt,
Und wo er sich mag hin bewegen,
Da hebt und schwingt er seinen Degen.
Manchmal verwandelt die Gestalt
Sich, wie durch zaub'rische Gewalt;
Bald ist's ein Strauch, - und bald ein Ast, -
Bald ist's ein ausgeriss'ner Stamm, -
Und bald ein Fels, der starr und stramm
Erstaunt die nächt'gen Wandrer sieht, -
Bald auch die Waag, die schäumend flieht:
Doch bald ist's wieder die Gestalt
Mit ihrer früheren Natur,
Die ohne Laut und ohne Halt
Verfolgt des armen Mädchens Spur.
"O eilen wir!" - so fleht sie bang,
Und inniger und zag umschlang
Des Jünglings Leib die Maid die bleiche.
"Wer sollte uns erreichen?" fragt
Der Ritter treu, "es folgt uns nichts;
Es quält dich, da du so verzagt,
Wohl eine Täuschung des Gesichts;
Blick nur herum, die Burg ist ferne,
Niemand verfolgt uns, nur die Sterne
Sind es, die treulich mit uns fliehn, -
Der Himmel folgt uns üb'rall hin,
Und dem vertrau', lieb Katalin;
Der Stern dort, der die Nacht erhellt,
Der schönste an dem Himmelszelt,
Er leitet uns auf unsrer Bahn,
Sieh, wie er strahlt, o schau' ihn an!" -
Sie schaut hinauf, - ein Sternlein sinkt,
Das fallend noch so freundlich winkt,
Und schnell erlischt, und nie mehr blinkt.
(S. 36-41)
_____



XII.
Im Augenblick kommt wildes Schrei'n
Ihnen, und Roßgetrab entgegen,
Die kommen dort auf steilen Wegen
Herab vom stolzen Löwenstein.
Jakusics ist's, der sie erschreckt,
Den ein Gerücht hat aufgeweckt;
Denn niemals schläft es, immer wacht's,
Auf schnellen Flügeln flog es Nachts
Zu ihm, zur Stunde der Gespenster,
Und rief hinein, und klopft an's Fenster:
"Auf, auf, du Ritter, nicht ist's Zeit
In träger Ruhe dich zu laben;
Im Grabe seufzt die schöne Maid,
Dein liebes Bräutlein liegt begraben, -
Erhebe dich, dein Bräutchen ruft,
Das lebt, und doch liegt in der Gruft;
Die Ruhe laß du jetzt den Feigen,
Steh' auf, um dich als Mann zu zeigen!
Hörst du im Burghof nicht die Knappen,
Wie sie in Zorn und Kampflust toben,
Hörst du nicht wiehern deinen Rappen,
Das Klirren nicht des Schwert's dort oben?
Heraus will's aus der engen Scheide,
Heraus, und mit der guten Schneide
Will es die schöne Jungfrau rächen
Wider der Unnatur Verbrechen;
Um Rache schreien sie, - und du?
Frisch auf, laß schmettern die Trompeten,
Dem Horn gleich, das aus Grabesruh
Erweckt und aus des Todes Nöthen." -
Und eh' ein Augenblick verschwand
Im Strom der Zeiten, stand
In Reih'n geschlossen Mann an Mann,
Und aufbrach, Jakusics voran,
Der Reis'gen Trotz vom Löwenstein. -
"Mein Vater!" schluchzt die Braut voll Pein;
"Still!" ruft Forgach, und spornt das Pferd,
Und sprengt vom offnen Weg waldein,
Wo dichtes Strauchwerk Schutz gewährt.
Ein Adleraug', ein flinkes Roß,
Die folgen ihm durch Strauch und Busch,
Und hinterdrein der Reis'gen Troß
Mit gellendem Trompetentusch.
"Wer bist du," - ruft mit rauhem Ton
Herr Jakusics, - "du finsterr Ritter,
Der du mit dieser Maid entflohn?
Erschließ vor mir des Helmes Gitter!"
Der Wiederhall gibt Antwort drauf,
Der Ritter flieht im wilden Lauf, -
Und scheint sein Rößlein auch beschwingt,
Wer weiß, ob ihm die Flucht gelingt!
Vor ihm erhebt ein Fels sich jach,
Dabei ein dicht verschlung'ner Wald, -
Und in der Erd' ein tiefer Spalt
Zeigt, wo gerast ein wilder Bach;
Und hinter ihm, zur Rechten, Linken
Braust schon die Reiterschaar einher.
Die Schilde klirren, Lanzen blinken,
Zur Flucht ist da kein Ausweg mehr,
Als Hoffnung bleibt Verzweiflung nur; -
Die ruft Forgach um Beistand an,
Und eilt umher auf krummer Bahn,
Und ruft: "Habt ihr denn keine Spur
Von tapferm Sinn, weil's Keiner wagt,
Allein mit mir zum Kampf zu gehn,
Weil ihr einher wie Strolche jagt,
Und viele gegen Einen stehn?!" -
"Feigling! - flieht so ein Tapfrer mich?
Bleib' muthig stehn und wehre Dich!"
Ruft Jakusics, und spornt sein Pferd,
Und eilt zum Ritter, stahlbewehrt.
Die beiden Gegner stehn beisammen,
Aufloht der Kampf in hellen Flammen,
Die wild geschwungnen Degen klirren,
Sie werden stumpf, und Funken schwirren,
Und während hoch der Sturm erdröhnt, -
Duckt sich die Taube tief und stöhnt;
Sie fühlt, der Becher sei nicht voll,
Daß sich ihr Unglück mehren soll, -
Noch ist von Angst beherrscht ihr Schmerz,
Doch bricht er los, so bricht ihr Herz. -
Sieh! - jetzund naht der Kampf dem Ende,
Stets näher drohen sich die Degen,
Von gleicher Kraft sind Beider Hände,
Und beide Kämpfer gleich verwegen.
Doch der geruht hat, muß nun siegen,
Der treue Forgach unterliegen;
Sein Auge bricht beim letzten Stoß,
Er sinkt herab vom treuen Roß,
Und mit ihm sie, die er umschlungen,
Um die im Kampf er treu gerungen; -
Sie schloß, wie er, die Augen zu,
Und endlich fand ihr Herz nun Ruh.
So, wenn die Pappel stürzt, die schlanke,
Stürzt mit die treue Windlingranke; -
Die mit den schönen Glockenblüthen
Den Baum im Leben hielt umwunden,
Sie folgt ihm auch im Sturmeswüthen,
Und bleibt ihm selbst im Tod verbunden. -
"Helft, helft! - ich seh' die Dam' erbleichen!"
Ruft Jakusics zu seinem Troß,
Und läßt, um Hilf' ihr schnell zu reichen,
Die Zügel los, und springt vom Roß,
Und schmerzlich banger Ahnung voll
Tritt er zu ihr und beugt sich nieder.
Im Tode ruh'n der Schlanken Glieder,
Und auf ihr Antlitz niederquoll
Des bleichen Mondes fahles Licht;
Der Busen ruht, sie athmet nicht,
Und die sie schloß, die Augenlider,
Sie kann sie nun nicht öffnen wieder.
Jakusics glaubt, sie schlafe nur,
Weil ihr der Tod, der dritte Freier,
Der Sieger blieb, die kleinste Spur
Nicht aufgedrückt; - den schönen Schleier
Der schönen Seele ließ er ganz,
Und ließ darauf des Lebens Glanz.
"Sie lebt, sie lebt, sie wird noch leben!"
Ruft Jakusics voll Jubel aus;
Er läßt die schöne Leich' auf's Roß,
Auf dem er selber reitet, heben,
Und sprengt mit ihr durch Nacht und Graus
Nach Löwenstein, dem starken Schloß.
(S. 42-47)
_____



XIII.
Der Platz, auf dem gefochten worden,
War bald belebt von neuen Horden;
Es sind Forgach's und Szunyog's Streiter,
Welche dem Greis, dem wahnbethörten,
Nachfolgten weit und immer weiter.
Jetzt kamen sie zu spät; sie hörten
Den Kampf wohl, als sie ferne schritten,
Doch war er jetzt schon ausgestritten.
Und als sie angekommen waren,
Sah'n sie schon fern die Reiterschaaren,
Die eine Dame wohl entführen,
Grad' in den Weg zum Schlosse biegen;
Man sah das weiße Kleid noch fliegen,
Und als ob Blitze niederführen,
So mocht' des Kleides blanker Schein
Den wahnverwirrten Greis berühren.
Er lief nun wieder hinterdrein,
Und hinter ihm mit wildem Schrei'n
Folgten des Dienertrosses Banden;
Und Einige von ihnen fanden
Den Jüngling bar der Lebenskräfte,
Und hoben ihn voll Schmerz empor
Auf ihrer Hellebarden Schäfte. -
So dringt die düstre Menge vor,
Und hält, wie sturmgerüstet, Wacht
Vor dem geschloss'nen hohen Thor
Des Löwenstein, - vor solcher Macht!
Ein Haufe, dessen zwei Hauptleute
Des Todes, und des Wahnsinns Beute!
Was wollen sie, was suchen sie?
Stehn sie vielleicht nur deshalb hie,
Um schaudernd sich daran zu weiden,
Wie Szunyog in des Wahnsinns Leiden,
Barhaupt, voll Blut im Angesicht,
Gegen den steingefügten Wall,
Und gen das Thor aus Eisen ficht;
Er ruft mit weitgehörtem Schall,
Und gellend ruft's der Widerhall:
"Ihr, Erz und Steine, berstet all!"
Doch dröhnt nur dumpf das Eisenthor,
Und Funken sprühn vom Wall hervor,
Die splittern ihm in's Angesicht,
Bis endlich gar sein Schwert zerbricht,
Und er mit seiner Hand allein,
Sich selbst verwundend, schlägt den Stein.
Da wird das Thor aus schwerem Eisen
Mit lautem Dröhnen aufgespannt,
Und alle Hallen drin erweisen
Von Waffenvolk sich dicht bemannt.
"Sieh, Szunyog, deine Tochter hie,
Dies Antlitz hold, du mußt es kennen,
Und schöner, als zuvor noch nennen, -
Nun nimm sie, und begrabe sie!" -
Ruft Jakusics im Ton der Klagen,
Und deutet auf den Ahnenschild,
Drauf Katalin, das holde Bild,
Von Knappen wird herbei getragen. -
Der Alte weint zugleich und lacht;
Aus seinem Aug' die Thräne bricht,
Und ein Gelächter, schmerzentfacht,
Verzerrt, zerwühlt sein Angesicht;
Bald blickt er stumm und starr umher,
Mit Augen gluth- und lebenleer,
Bald quillt ein Strom von wirren Reden
Aus seinem Mund, die lassen fühlen,
Ob sie auch bar der Geistesfäden,
Die Schmerzen, die den Greis zerwühlen.
"Barmherz'ger!" ruft der Bräutigam,
"Ist's so!" - und schaut sie an voll Graun,
Die heut' zerstörten drei Ruinen,
Den Greis, den Jüngling und die Maid.
"Du armer Greis, mit welchem Leid
Mußt dein Verbrechen du nun sühnen, -
Ach ihr zwei Edlen mußtet sterben,
Und weh mir! ich war eu'r Verderben!
Vergebt, vergebt, ihr edlen Seelen,
Laßt euch im Tod von mir vermählen; -
Der ich im Leben euch bedroht,
Verein' euch jetzt im bittern Tod!" -
Er seufzt, und eine Thräne bricht,
Aus dessen Aug', der sonst so rauh, -
Der erst' und letzte Thränenthau,
Der je benetzt sein Angesicht.
Er sprach noch, und im grauen Morgen
Ward lächelnd jetzt die Sonne wach, -
Als ob sie enden wollt' die Sorgen
Der Nacht, und alles Ungemach.
Beim rothen Schein der Fackeln ziehn
Die Krieger fort zum Trauergang,
Und die Trompete gellt so bang,
Als weinte sie um Katalin, -
Jakusics bringt auf Einer Bahr'
Nach Budetin das treue Paar,
Und seitdem ruh'n, um nie zu scheiden,
In einem Grab vereint die Beiden.
Nun sage noch, mein Trauersang,
Wie bald das Herz der Mutter brach; -
Ausriß der Sturm auf seinem Gang
Den Baum im Wald, das Rohr am Bach,
Und als er ganz die Wuth gestillt,
Lag öd' das Feld, - ein treues Bild
Des Greises, der verwaist, verwirrt
Noch lang und bang umhergeirrt.


O Wandrer, lenken Deine Schritte
Dich in die Berge von Trentschin,
So kommst Du durch des Waaglands Mitte
Wohl nach der Burg von Budetin;
Da klafft die Nische moosumschlungen,
Von der ich in der Mähr' gesungen.
(S. 48-52)
_____


übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Johann Arany
Deutsch von Adolf Dux
Pest Lauffer & Stolp 1861



 

 


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