Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Samuel Benöfy (1821-?)
ungarischer Dichter


Das süsse Mündchen

Wie so selig ich mich fühle!
Gestern träumte mir, zum Spiele
War mein Liebchen hoch im Himmel,
Drehte froh sich im Getümmel.

Die Musik St. David machte,
Ung'risch tanzt man, dass es krachte,
Und jed' Engelein im Glanze
Bat mein Lieb' zu einem Tanze.

Aus der Heil'gen Chor liess Keiner
Ungeküsst sie, ja nicht Einer;
Und wie Schwestern sah'n die Sterne
In die Aeuglein ihr von Ferne.

Fast nicht mehr liess man herab sie,
Doch so fest zur Antwort gab sie:
Dass ich unten sie erwarte,
Und mich ängst'ge um die Zarte.

Denn der Ungargott voll Freuden
Rieth ihr selber, nicht zu scheiden,
Doch sie meinte voller Freud' noch:
"Dazu kommt wohl auch die Zeit noch."

Dann glitt leis' auf einer Wolke
Sie herab vom Himmelsvolke,
Zu mir eilend ohne Säumen,
Da zerfloss sogleich mein Träumen.

Und erwacht, mit heissen Küssen
Eilte ich sie zu begrüssen,
Denn wohl süss ein Mündchen ist,
Das im Himmel man geküsst.

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 269-270)

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