Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Pierre-Jean de Beranger (1780-1857)
französischer Dichter




Wie schön ist sie!

O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Die ewig mir im Herzen thront!
Wie träum'risch unter dunkeln Brauen
Die Lieb' in ihrem Auge wohnt!
Noch weilt ein Stral aus Edens Auen
In ihrer Seele keusch und rein.
O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Und ich, wie häßlich muß ich sein!

O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Und zwanzig Lenze zählt sie kaum!
Ihr Haar ist Gold; von Honig thauen
Die Lippen ihr, wie Blütenflaum.
Wie ihr die Grazien Stirn und Brauen
Gesegnet, sieht nur sie nicht ein.
O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Und ich, wie häßlich muß ich sein!

O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Die mich unendlich reich gemacht!
Lang irrt' ich ohne Selbstvertrauen,
Weil nie die Schönheit mir gelacht;
Nun scheucht der Zauber ihrer blauen
Schalkhaften Augen jede Pein.
O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Und ich, wie häßlich muß ich sein!

O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Für mich voll Lieb' und Treue ganz!
Um meiner Scheitel frühes Grauen
Flicht sie den frischen Rosenkranz.
Wie fass' ich nur mein Glück! Der Frauen
Liebreizendste für immer mein!
O Gott, wie schön ist sie zu schauen,
Und ich, wie häßlich muß ich sein!
(S. 144-145)

Übersetzt von Heinrich Leuthold (1827-1879)
Aus: Fünf Bücher französischer Lyrik
vom Zeitalter der Revolution bis auf unsere Tage
in Übersetzungen von Emanuel Geibel und Heinrich Leuthold
Stuttgart Cotta'sche Verlag 1862

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Verwünschter Frühling

Nach ihrem Fenster sah ich von dem meinen,
So lang der Eiswind durch die Gassen fuhr;
Wir liebten uns, doch einzig vom Erscheinen,
Wir küßten uns, doch in Gedanken nur.
Durch die entlaubten Linden hin und wieder
Uns anzuschau'n war unsrer Tage Glück;
Du giebst den Bäumen ihre Schatten wieder,
Verwünschter Frühling, kehrst du stets zurück?

Entrückt ist mir, vom dichten Grün verborgen,
Der Engel nun, deß Lächeln mich erfreut,
Den ich begrüßt an jedem Rauhreifmorgen,
Wenn er den Vöglein Futter ausgestreut.
Sie riefen ihm, und sah'n wir um die Brocken
Sie flattern, ward auch unsre Liebe flück;
Nein, nichts so lieblich doch als Reif und Flocken!
Verwünschter Frühling, kehrst du stets zurück?

Ach, ohne dich würd' ich sie stets noch schauen,
Wenn sie sich Morgens frisch vom Lager hebt,
Auroren ähnlich, die mit ros'gen Brauen,
Des Tages Vorhang lüftend, aufwärts schwebt.
Und spät, wenn ihres Lämpchens Schein zerflossen,
Versenkt noch spräch' ich in mein stilles Glück:
Sie schläft, mein Stern hat seinen Lauf beschlossen.
Verwünschter Frühling, kehrst du stets zurück?

Warum doch kann's nicht ewig Winter bleiben?
Dem Liebenden erschien die Zeit so schön.
Wie gerne hört' ich wieder an den Scheiben
Des leichten Hagels springendes Getön!
Was hilft dein alter Hoffstaat mir, dein Fächeln,
Dein Balsam, deiner Sprosser Flötenstück?
Ach, die Geliebte seh' ich nimmer lächeln.
Verwünschter Frühling, kehrst du stets zurück?
(S. 117-118)

Übersetzt von Heinrich Leuthold (1827-1879)
Aus: Fünf Bücher französischer Lyrik
vom Zeitalter der Revolution bis auf unsere Tage
in Übersetzungen von Emanuel Geibel und Heinrich Leuthold
Stuttgart Cotta'sche Verlag 1862

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Rosette

Wie? Deinem Jugendlenz zum Hohn
Vermöchtest du für mich zu fühlen,
Für mich, dem vierzig Jahre schon
Genaht, sein heißes Blut zu kühlen?
Einst fachte meine Flamme an
Selbst die bescheidenste Grisette -
O, daß ich dich nicht lieben kann,
So wie ich einst geliebt Rosette!

In glänzend reichem Schmuck erblickt
In prächt'gem Wagen man dich täglich,
Indeß Rosette, leicht geschmückt,
Zu Fuß ging, lachend und beweglich;
Doch wo sie nur erschien, begann
Ein Streit von Blicken um die Wette -
O, daß ich dich nicht lieben kann,
So wie ich einst geliebt Rosette!

Wie stralt von Spiegeln dein Boudoir,
Und deine Schönheit stralt darinnen!
Rosetten's kleine Scherbe war
Der Grazien Spiegel meinen Sinnen.
Kein Purpurvorhang glüht' uns an;
Das Morgenroth beschien ihr Bette -
O, daß ich dich nicht lieben kann,
So wie ich einst geliebt Rosette!

Zwar deines Geistes hohes Wehn
Beseelte manche Dichterharfe;
Rosette konnt', ich muß gestehn,
Kaum lesen so zum Nothbedarfe.
Doch sprach die Liebe dann und wann,
Was Tiefsinn nie gesprochen hätte -
O, daß ich dich nicht lieben kann,
So wie ich einst geliebt Rosette!

Nie ward ihr diese Allgewalt,
Mit der aus sehnsuchtsvollen Blicken
Das Feuer deiner Seele stralt,
Mein Herz verlangend zu bestricken.
Doch meine eigne Jugend spann
All ihren Reiz um unsre Kette.
O, daß ich dich nicht lieben kann,
So wie ich einst geliebt Rosette!
(S. 128-129)

Übersetzt von Heinrich Leuthold (1827-1879)
Aus: Fünf Bücher französischer Lyrik
vom Zeitalter der Revolution bis auf unsere Tage
in Übersetzungen von Emanuel Geibel und Heinrich Leuthold
Stuttgart Cotta'sche Verlag 1862

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Die Flucht der Liebe

Schon regst du, Liebe, wie zur Flucht die Schwingen.
Fahr wohl! Dahin ist meine schöne Zeit;
Es spotten, die mich lächelnd sonst umfingen,
Die Grazien treulos meiner Einsamkeit.
Einst wagt' ich wider dich mich aufzulehnen,
Nun spür' ich wohl, du hast mir's nie verziehn;
Ach, Liebe, wenn du nichts uns gabst als Thränen,
Mit tieferm Schmerz nur sehn wir dich entfliehn.

Ein träumend Kind noch kannt' ich kein Begehren,
Da hat dein Hauch den Blick mir aufgethan;
Im Liebreiz lernt' ich deine Macht verehren
Und deine Fesseln legt' ich selbst mir an.
Wie konnt' ich, jung, dich schon so grausam wähnen,
Den Pfeil so giftig, der so glänzend schien!
Ach, Liebe, wenn du nichts uns gabst als Thränen,
Mit tieferm Schmerz nur sehn wir dich entfliehn.

Vielleicht Rosettens Küss' und süße Possen
Vergess' ich all, wenn einst mein Blut gefror,
Doch nie die Zähren, die um Lila flossen,
Die Seufzer, die um Ninon ich verlor.
Zur Treu zu schön war jene, gleich Helenen,
Für diese glüht' ich hoffnungslos dahin -
Ach, Liebe, wenn du nichts uns gabst als Thränen,
Mit tieferm Schmerz nur sehn wir dich entfliehn.

Flieh denn, o Liebe, vom verwaisten Bette,
Flieh hin! Dein Mitleidslächeln dünkt mich Hohn.
Es naht, daß sie aus meiner Qual mich rette,
Mit offnen Armen mir die Freundschaft schon.
Doch nein! Kehr' um! Noch einmal glühn und sehnen
Laß deinen Sänger, wär's auch Tod für ihn! -
Ach, Liebe, wenn du nichts uns gabst als Thränen,
Mit tieferm Schmerz nur sehn wir dich entfliehn.
(S. 137-138)

Übersetzt von Heinrich Leuthold (1827-1879)
Aus: Fünf Bücher französischer Lyrik
vom Zeitalter der Revolution bis auf unsere Tage
in Übersetzungen von Emanuel Geibel und Heinrich Leuthold
Stuttgart Cotta'sche Verlag 1862

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Was unsre Mädchen träumen

Der Vogel sucht des Waldes Kühle,
Sein süßes Lied der Liebe schweigt,
Indeß sich in der Mittagsschwüle
Die zarte Lilie schmachtend neigt;
Der Vogel sucht des Waldes Kühle,
Sein süßes Lied der Liebe schweigt.

Auf sammtnen Kissen in der Fülle
Der Schönheit schläft ein Mädchen hier,
Vom Leib nur halb gelöst die Hülle,
Ein Spiegel trauert neben ihr;
Auf sammtnen Kissen in der Fülle
Der Schönheit schläft ein Mädchen hier.

Noch lächeln ihre Lippen selig
Vom letzten Bild, an dem sie hing,
Eh sie beim Lieblingsspiel allmählich
Des Schlummers weicher Arm umfing;
Noch lächeln ihre Lippen selig
Vom letzten Bild, an dem sie hing.

Ihr dämmernd Auge, halb geschlossen,
Umfloren dunkle Wimpern leicht,
Liebreizend liegt sie hingegossen,
Wie's Farb' und Meißel nie erreicht;
Ihr dämmernd Auge, halb geschlossen,
Umfloren dunkle Wimpern leicht.

Nun streift ein Traum mit leisem Flügel
Liebkosend diesen stillen See,
Nun heben sich die Wellenhügel
Des Busens, wie im Sturme, jäh;
Nun streift ein Traum mit leisem Flügel
Liebkosend diesen stillen See.

Vielleicht schwingt sie ein Ritter eben
Entführend auf sein weißes Roß
Und seufzt: "O flieh mit mir, mein Leben!
Mein Herz ist treu und fest mein Schloß!"
Vielleicht schwingt sie ein Ritter eben
Entführend auf sein weißes Roß.

Vielleicht, daß ein Petrarca schmachtend
Vor dieser zweiten Laura kniet,
Die, reich durch seinen Sang, verachtend
Auf alle Erdengüter sieht;
Vielleicht, daß ein Petrarca schmachtend
Vor dieser zweiten Laura kniet!

Vielleicht, daß sie zu Himmelsauen
Der Fittich der Erinn'rung hebt,
So wie die Schwalbe durch die lauen
Lenzlüfte wieder heimwärts strebt;
Vielleicht, daß sie zu Himmelsauen
Der Fittich der Erinn'rung hebt!

Sie ist erwacht, die Pulse pochen,
Ihr Busen sprengt die Fesseln fast.
"Sag, was dein Engel dir versprochen,
Was du im Traum gesehen hast?"
Sie ist erwacht, die Pulse pochen,
Ihr Busen sprengt die Fesseln fast.

"Das Glück hat mir mit seinem Kusse
Entlockt der Freude hellsten Schrei,
Denn Gold ward mir im Ueberflusse
Und ein bejahrter Mann dabei;
Das Glück hat mir mit seinem Kusse
Entlockt der Freude hellsten Schrei." -

"O Blume, die nur Anmuth kleidet,
Ist das der Thau, den du gewollt?" -
"Ja, ja, von aller Welt beneidet
Stand ich bis an die Knie' in Gold!" -
O Blume, die nur Anmuth kleidet,
Ist das der Thau, den du gewollt? -

Fahr hin mein Traumbild denn, mein holdes
Von Liebe, die um Liebe liebt,
Wenn von der Allgewalt des Goldes
Ein träumend Kind schon Zeugniß giebt;
Fahr hin mein Traumgebild, mein holdes
Von Liebe, die um Liebe liebt!
(S. 149-152)

Übersetzt von Heinrich Leuthold (1827-1879)
Aus: Fünf Bücher französischer Lyrik
vom Zeitalter der Revolution bis auf unsere Tage
in Übersetzungen von Emanuel Geibel und Heinrich Leuthold
Stuttgart Cotta'sche Verlag 1862

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Die Bacchantin

Geliebter, ich willfahre dir!
Komm, komm, und neue Freuden plane!
Es wirkt der wilde Sekt in mir,
Die Liebe wächst zu süßem Wahne.
Reich' mir das Freudengift,
Doch sollst auch du es nehmen!
Müßt' mich des Rausches schämen,
Wenn er dich nüchtern trifft.

Glänzt nicht mein Auge wunderbar?
Heiß rollt das Blut durch meine Glieder.
Sieh! Blumen lösen sich vom Haar,
Mein Kranz fällt auf dein Lager nieder.
Das Glas zerbrach! - Vorbei!
Mein Busen lechzt nach Küssen.
Soll ich sie länger missen?
Komm, und die Lust gieb frei!

Hemmt deine Küsse dieser Putz?
Dich soll ein größ'rer Reiz ergreifen!
Knüpf' auf das Band. - Was soll der Schutz?
Ich zitt're nicht, ihn abzustreifen.
Der Glieder nackte Pracht
Sei ganz dir überlassen - - -
Will dich die Glut nicht fassen,
Die du in mir entfacht?

Bezwing' die Mattigkeit in dir!
Komm, ich will selbst den Feind bekämpfen.
- Wie kalt dein Kuß! - Trink' nicht! laß mir
Die Tropfen, die dein Feuer dämpfen.
Und meine Leidenschaft,
Die du nicht kannst besiegen, -
Wie sie dem Wein entstiegen,
Verlösch' im selben Saft.
(S. 24-25)

Übersetzt von Sigmar Mehring (1856-1915)
Aus: Die französische Lyrik im 19. Jahrhundert
Mit eigenen Übertragungen von Sigmar Mehring
Grossenhain und Leipzig Verlag von Baumert & Bonge 1900

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Hannchen

Fort, ihr Koketten, ihr überlackierten,
Fort mit dem heuchlerisch-blendenden Glanz!
Mehr gilt, als all' ihr Gezierten, Blasierten,
Meine Johanna, mein Hannchen, mein Hans!

Artig, jung und schön gestaltet,
Frisch ist sie und voll entfaltet,
Und ihr schwarzes Auge blitzt.
Rügt nicht, daß des Kleides Hülle
Zu gewölbten Busen schützt!
Ahnt ihr, Tadler dieser Fülle,
Wie mein Arm den Fehler nützt?

Reizvoll tritt sie stets entgegen,
Gut ist sie und nie verlegen,
Und beständig lächelt sie.
Mag sie manchmal thöricht reden, -
Sprechen lernte Hänschen nie!
Dennoch überzeugt sie jeden,
Daß Natur ihr Witz verlieh.

Wenn ich wo beim Festgelage
Allzu freie Reden wage,
Lenkt mein Schelm behende ein.
Sie versteht auch was vom Sange,
Lustig klingt ihr Lied und rein.
Glaubt! sie flucht, wenn ich's verlange,
Und sie trinkt von jedem Wein.

Schön durch Liebe und durch Freude,
Thut's nicht not, daß sie vergeude
Gold und Sammt für Hals und Brust.
Siege hat sie stets erworben,
Wenn sie auch nicht prunkte just.
Und am Kleid wird nichts verdorben,
Drück' ich sie nach Herzenslust.

- Nachts - allein, bin ich der Meister!
Meine Wünsche werden dreister,
Und ihr Widerstreben ruht.
Mit dem Mund und beiden Händen
Schürt sie heißer Liebe Glut,
Und das Bett an allen Enden
Kracht bei unserm Uebermut.

Fort, ihr Koketten, ihr überlackierten,
Fort mit dem heuchlerisch-blendenden Glanz!
Mehr gilt, als all' ihr Gezierten, Blasierten,
Meine Johanna, mein Hannchen, mein Hans!
(S. 25-27)

Übersetzt von Sigmar Mehring (1856-1915)
Aus: Die französische Lyrik im 19. Jahrhundert
Mit eigenen Übertragungen von Sigmar Mehring
Grossenhain und Leipzig Verlag von Baumert & Bonge 1900

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Hymens Weihe

Zwei, die zur Kammer zieh'n,
Will Hymen heut empfangen.
Rings schwirren Melodien.
Wie niemals süß're klangen.

Ein Spalt erlaubt uns, traun!
Die Szene aufzufangen:
Sie ist voll Reiz zu schau'n,
Er zähmt kaum sein Verlangen.

Noch sucht sie zu entflieh'n
Und sträubt sich beim Umfangen.
Er läßt den Schatz nicht zieh'n
Und hält sie wie mit Zangen.

Er löst ihr das Gewand,
Und sie erfaßt ein Bangen.
Schon triumphiert der Fant,
Bald giebt sie sich gefangen.

Doch eh' die Wünsche, die
Er hegt, ihr Ziel errangen,
Entschlüpft dem Lager sie, -
Der Fang ist ihm entgangen.

Halt! Er erhascht sie schon,
Sie läßt das Köpfchen hangen,
Bis endlich Fleh'n und Droh'n
Die Schöne doch bezwangen.

Nun brummt er einen Fluch.
Und - was auch vorgegangen:
Der Ehe seltsam' Buch
Hat jetzt erst angefangen!
(S. 29-30)

Übersetzt von Sigmar Mehring (1856-1915)
Aus: Die französische Lyrik im 19. Jahrhundert
Mit eigenen Übertragungen von Sigmar Mehring
Grossenhain und Leipzig Verlag von Baumert & Bonge 1900

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Wie schön ist sie

O Gott, wie wunderschön ist sie,
Sie, die ich ewig lieben werde!
Des großen Aug's Melancholie -
Nichts Gleiches giebt's auf dieser Erde!
Ihr Wuchs, ihr Gang, so herrlich, schön!
Und ich - so häßlich anzusehn!

O Gott, wie wunderschön ist sie!
Sie zählet jetzt kaum zwanzig Jahre.
Nie blühten schön're Lippen, nie;
Und blond und lockig sind die Haare.
Sie nicht den eignen Werth bekennt,
Uebt sie gleich jegliches Talent.
Dazu ist sie so sanft, so schön!
Und ich - so häßlich anzusehn!

O Gott, wie wunderschön ist sie!
Wie kam es nur, daß sie mich liebte?
Voll Neid stand ich oft spät und früh,
Wenn Männerschönheit Wunder übte.
Ach, Amor floh vor meinem Bild -
Jetzt hat sein Zauber mich umhüllt.
Sieg ohne Gleichen! sie so schön!
Und ich - so häßlich anzusehn!

O Gott, wie wunderschön ist sie!
Die mich so treu, so zärtlich küsset.
Die Stirn kränzt sie, voll Sympathie,
Die jung schon viele Haare misset.
Geheimniß berge noch mein Loos,
Denn ach, mein Glück ist allzugroß!
Sie mein! so hold, so wunderschön!
Und ich - so häßlich anzusehn!
(S. 46-47)

Übersetzt von Philippine Engelhard geb. Gatterer (1756-1831)
Aus: Lieder von Beranger
Nach dem Französischen treu übersetzt von
Philippine Engelhard geb. Gatterer
Cassel Verlag von J. J. Bohne 1830
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Viele Liebe

Trotz allen Weisen ernsten Tönen,
Wünscht' ich jetzt Goldesüberfluß.
Zu Füßen legt' ich's meiner Schönen;
Mich lohnte dann ihr süßer Kuß.
O, von Adelens Wünschen bliebe
Nichts unerfüllt, sie winkte nur.
Ich fühle nicht des Geizes Triebe;
Ach viele, viele Liebe nur!

Um sie Adelen auch zu geben,
Wünscht' ich mir nur Unsterblichkeit.
Könnt' ich doch auf dem Pindus schweben,
Ihr wäre nur mein Lied geweih't.
Vereint sollt' unser Name prangen,
Nur schwinden mit der Welten Spur.
Die Ruhmsucht weckt nicht dieß Verlangen,
Ach viele, viele Liebe nur!

Würd' ich aus meinem dunkeln Leben
Doch auf den höchsten Thron gebracht!
Adele würd' ich d'rauf erheben,
Ihr schenkt' ich meine Kron' und Macht.
Nur mehr zu ehren meine Liebe,
Empfieng' ich gern der Huld'gung Schwur.
Mich füllen nicht des Stolzes Triebe;
Ach viele, viele Liebe nur!

Doch, wie hat Wahn mich hingerissen!
Macht nicht Adele ganz mein Glück?
Glanz, Ruhm und Gold muß sie vermissen,
Gönnt doch mir holden Liebesblick.
Sie giebt mir freundliche Gesetze -
Ihr Herz ist groß, wie die Natur!
Sie will nicht Ruhm, nicht Rang, nicht Schätze;
Ach viele, viele Liebe nur!
(S. 61-62)

Übersetzt von Philippine Engelhard geb. Gatterer (1756-1831)
Aus: Lieder von Beranger
Nach dem Französischen treu übersetzt von
Philippine Engelhard geb. Gatterer
Cassel Verlag von J. J. Bohne 1830
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Die gute Alte

Auch du wirst altern, reizende Geliebte,
Und bist du alt, so werd' ich nicht mehr seyn.
Der schnelle Flug der Zeit mich oft betrübte;
Es tritt das Ende plötzlich bei uns ein.
Du überlebe mich! Das Alter schrecke
Dich nicht. All' meiner Lehr' gedenke lang.
Und, gute Alte in Kamines Ecke,
Ach, wiederhole deines Freund's Gesang!

Dich selbst zu seh'n wird Jünglings Sehnsucht walten,
Weil süß in meinem Lied dein Bild erscheint.
Sie forschen nach versunk'ner Pracht in Falten;
Und fragen: Ward er würdig so beweint?
Dann schild're meine Liebe, und verstecke
Nicht Glut, nicht Trunkenheit, nicht Argwohnshang.
Und, gute Alte in Kaminesecke,
Ach, wiederhole deines Freund's Gesang!

War er so liebenswerth? wird man dich fragen,
Und unerröthend sprich: Ich liebt' ihn sehr!
War nie ein schlechter Zug ihm nachzusagen?
Mit Stolz antworte drauf: O nimmermehr!
Nun schild're, daß es ihren Geist erwecke,
Die Stärk' und Süße von der Leier Klang.
Und, gute Alte in Kaminesecke,
Ach, wiederhole deines Freund's Gesang!

Du, die ich lehrte über Frankreich weinen,
Sprich Heldensöhnen, still von Muth entbrannt,
Sein Sang ließ immer Ruhm und Hoffnung scheinen,
Zu trösten sein unglücklich Vaterland.
Dann sprich noch lauter, daß es Wuth erwecke,
Wie unser Lorbeer fand den Untergang.
Und, gute Alte im Kaminesecke,
Ach, wiederhole deines Freund's Gesang!

Geliebte! wird mein Ruhm unsterblich glänzen,
Dieß Tröstung dir in Altersschmerzen seyn;
Wird deine schwache Hand mein Bild bekränzen;
Im Lenze ihm die ersten Blümchen streu'n:
Dann blick' empor zur hohen Himmelsdecke!
Ein Stern eint dort uns Ewigkeiten lang!
Und, gute Alte im Kaminesecke,
Ach, wiederhole deines Freund's Gesang!
(S. 73-74)

Übersetzt von Philippine Engelhard geb. Gatterer (1756-1831)
Aus: Lieder von Beranger
Nach dem Französischen treu übersetzt von
Philippine Engelhard geb. Gatterer
Cassel Verlag von J. J. Bohne 1830
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Verwünschter Frühling

Den Winter konnt' ich gütig nennen;
Er bracht' an's Fenster sie und mich.
Wir liebten uns, ohn' uns zu kennen;
Und unsre Küsse kreuzten sich,
Das Anschau'n macht uns froh wie Götter,
Jetzt unser Auge heimlich weint!
Die Linden hüllten sich in Blätter -
Verwünschter Frühling! o du kommst als Feind!

Ach, mir erschien, als lang' es schnei'te,
Der Engel, schön, voll Fühlbarkeit,
Der armen Vögeln Futter streute
In ihrer strengsten Fastenzeit.
Sie riefen ihr! das Vögelschreien
Ward Liebesaufruf bald für mich.
O möcht' es lieber immer schneien -
Du böser Frühling, ich verwünsche dich!

Ich seh' sie nicht am Fenster stehen,
Von süßem Schlummer neu belebt;
Wie rosig wir Aurora sehen,
Wenn sie des Tages Vorhang hebt.
Kann nicht mir Abends leise flüstern:
Mein Stern vollbrachte seinen Lauf.
Sie schläft - das Fenster ist im Düstern.
Verwünschter Frühling, warum trat'st du auf.

Könnt' ich den Winter nur verschreiben!
Ach, warum seh' ich doch nicht mehr
Den Hagel an den Fensterscheiben,
Laut klingend, hüpfen hin und her.
Nach altem Recht sind eingezogen
West, Blumen, langer Tagesschein.
Ihr Lächeln hätt' euch aufgewogen!
Verwünschter Frühling, warum trat'st du ein!
(S. 98-99)

Übersetzt von Philippine Engelhard geb. Gatterer (1756-1831)
Aus: Lieder von Beranger
Nach dem Französischen treu übersetzt von
Philippine Engelhard geb. Gatterer
Cassel Verlag von J. J. Bohne 1830
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Die Nachtigallen

Die Nacht verlängert schon die Stunden;
Der Schlummer senkt sich auf Paris.
Ich will von seinem Lärm gesunden,
Und eil' in's Frühlings Paradies.
Erwacht in euren Blüthenzweigen,
Dann öffnet Herz und Seele sich.
Ach, in der Nacht lieb' ich zu schweigen.
Ihr Nachtigallen singt für mich!

Ihr weih't der treuen Liebe Lieder,
Das Weibchen tröstend auf dem Nest.
Laßt in der Stadt euch niemals nieder,
Wo man schnell liebt und schnell verläßt.
Wo manches Opfer schnöder Triebe
Vor Scham und Kummer schon erblich.
Ich theile unverfälschte Liebe -
O, Nachtigallen, singt für mich!

Zwar würd' euch Stadtkritik nicht strafen;
Doch wer wird dort durch euch beseelt?
Etwa das Herz des Geizes-Sclaven,
Der jetzo Gold und Silber zählt?
Er zittert, wenn die Nacht beginnet,
Horcht stets, ob ihn kein Dieb beschlich;
Wenn meine Armuth Reim' ersinnet.
O, Nachtigallen, singt für mich!

Ihr Freien dürft euch ja nicht wagen
Zu hohem, herrlichen Pallast;
Dort wohnen, die gern Ketten tragen,
Zu geben Kleinern gleiche Last.
Wenn sie an Königslagern stehen
Als Hüter, bis die Nacht verstrich;
Kann ich im Grünen mich ergehen -
O, Nachtigallen, singt für mich!

Wohl mir, es füllt mit Wechselschlägen
Ein ganzer Chor die milde Luft.
Sie dringt mir, sanft bewegt, entgegen,
Und mischt den Ton mit Frühlingsduft.
Natur! in deinem Göttergarten
Schwör' ich dir Treu' jetzt feierlich!
Hier will ich Morgenroth erwarten -
O, Nachtigallen, singt für mich!
(S. 105-106)

Übersetzt von Philippine Engelhard geb. Gatterer (1756-1831)
Aus: Lieder von Beranger
Nach dem Französischen treu übersetzt von
Philippine Engelhard geb. Gatterer
Cassel Verlag von J. J. Bohne 1830
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Die Zeit

Ich spielte mit der schönsten Locke,
Und wand ihr Gold um meine Hand,
Als plötzlich bei dem Schall der Glocke
Die Zeit vor unsern Augen stand!
Ach, Nina wie die Taube zittert,
Auf die des Habichts Kralle fuhr.
Sie rief mit Thränen, tief erschüttert:
Zeit! schone unsre Liebe nur!

Die Runzelnstirn - der Blicke Schießen -
Macht beben uns wie Espenlaub.
Sie trat' mit ihren raschen Füßen
Jahrhunderte in Asch' und Staub!
Zerknickte grinsend jede Krone
Der Blumen auf der Gartenflur.
Ach, bat die zarte Nina: Schone,
Verschone unsre Liebe nur!

Nichts schon' ich! rief mit Donnerstimme,
Die Zeit, Erd' und den Himmel nicht!
Viel Sterne riß ich weg im Grimme,
Daß ewig ihre Spur gebricht.
Ihr seht in eurem Spannenleben
Nur meine Macht in der Natur.
In Alles will ich mich ergeben,
Sprach Nina, schon' mein Lieben nur!

Zu hundert Völker Ruhmerglänzen
Warf ich noch hundert Größ're hin,
In einen Abgrund ohne Grenzen.
So wird auch euer Daseyn fliehn!
Nur eins, bat Nina, laß mich werben,
Vergeh'n muß jede Kreatur,
Ach, laß uns Arm in Arm nur sterben!
Verschone unsre Liebe nur!

Ja, sprach die Zeit, der Erde Leiden
Wiegt nur der Liebe Lächeln auf.
Des Lebens Baum erwächst in Freuden
Und blüht, und Vöglein singen drauf.
Die Früchte reiß' ich ab im Grimme,
Doch stets erneu't sie die Natur.
Ach, flehte Ninas holde Stimme
Verschone unser Lieben nur!

Die Zeit verschwand! gleich Bienenschwarme
Floh'n tausend Freuden mit ihr fort.
Da sanken wir uns in die Arme,
Und tauschten manches süße Wort.
Dumpf schallten wieder Glockentöne -
Der Dichtertraum schwand ohne Spur.
Doch rief ich laut mit meiner Schöne:
Zeit, schone unsre Liebe nur!
(S. 115-117)

Übersetzt von Philippine Engelhard geb. Gatterer (1756-1831)
Aus: Lieder von Beranger
Nach dem Französischen treu übersetzt von
Philippine Engelhard geb. Gatterer
Cassel Verlag von J. J. Bohne 1830
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Die Flucht der Liebe

Ich seh' dich schon die Flügel halb entfalten -
Leb', Amor, wohl! die schöne Zeit ist aus!
Es meiden ja die Graziengestalten
Spottlächelnd mich, wie ein gesunknes Haus.
Wie oft hab' ich verflucht dein wüthend Streben;
Doch nie dacht' ich mich ganz dir zu entziehn.
Je mehr die Liebe Thränen uns gegeben,
Um desto trauriger sieht man sie flieh'n!

Ach, nur so lang' der Kindheit Schlummer währte,
War deinem Ruf mein Ohr nicht aufgethan.
Bald deine Macht ich in der Schönheit ehrte;
Und bot mich selber deinen Fesseln an.
So jung noch, kannt' ich nicht dein banges Beben,
Dein dunkles Feuer, dein verderbend Glüh'n.
Je mehr die Liebe Thränen uns gegeben,
Um desto trauriger sieht man sie flieh'n!

Durch Alter kalt, kann ich wohl einst vergessen
Die Küsse, die Eulalia mir gab.
Nicht, wie mir Nina Thränen konnt' erpressen -
Bei Rosa nicht verlorner Seufzer Grab.
Die war zu schön, für einen nur zu leben;
Und für die Andre mußt' ich heimlich glüh'n.
Je mehr die Liebe Thränen uns gegeben,
Um desto trauriger sieht man sie flieh'n!

So flieh denn, Amor, meine kleine Zelle,
Flieh nur! dein Mitleidslächeln stößt zurück.
Es tritt die Freundschaft schon an deine Stelle,
Mit off'nem Arm, mit Theilnahm' in dem Blick.
Doch nein! Ich möchte gern noch mit dir leben -
Dich wiegt nicht auf der Freunde fromm Bemüh'n.
Je mehr die Liebe Thränen uns gegeben,
Um desto trauriger sieht man sie flieh'n!
(S. 159-160)

Übersetzt von Philippine Engelhard geb. Gatterer (1756-1831)
Aus: Lieder von Beranger
Nach dem Französischen treu übersetzt von
Philippine Engelhard geb. Gatterer
Cassel Verlag von J. J. Bohne 1830
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Jäger und Milchmaid

Die Lerche ist erwachet wieder,
Sie singet froh dem jungen Tag;
Komm mit mir, Schätzchen, in den Flieder,
Komm mit mir in den grünen Haag,
Daß ich im Thau dir Blumen lese,
Daß ich dir klag' mein Liebesleid.
Nein, meine Mutter wäre böse,
Herr Jäger, ich hab' keine Zeit.

Wer kann's der Mutter hinterbringen?
Wir sind hier heimlich und entfernt;
Ich will ein neues Lied dir singen,
Das hab' ich auf dem Schloß gelernt.
Die Schöne, die es singet wieder,
Sie wird bezaubernd und gefeit.
Ich kann sie schon, die schönen Lieder,
Herr Jäger, ich hab' keine Zeit.

So komm und höre die Geschichte
Von jenem todten Rittersmann,
Den hat geholt beim Mondeslichte
Sein Weib, gar schön und tugendsam.
Es schaudern alle, die es hören,
Erzählst du das zur Abendzeit.
Ich kenn' sie schon, die schönen Mähren,
Herr Jäger, ich hab' keine Zeit.

Ich kann dir auch Gebete sagen,
Wie man sich vor dem Wolfe wahrt,
Wie man den bösen Blick kann tragen
Von Hexen, dürr und grau behaart,
Daß deinem jungen Schönheitsglanze
Nie schade grimmer Hexenneid.
Ich traue meinem Rosenkranze,
Herr Jäger, ich hab' keine Zeit.

Sieh, wie die Edelsteine funkeln
An diesem Kreuzchen, sieh dies an;
Dein Busen würde sich verdunkeln,
Wenn du sie dorten hingest dran;
Daß dieser Schmuck dir nicht entgehe,
Sei mir zu liebem Dienst bereit.
Wie schön es ist, ach, ich verstehe,
Herr Jäger, ja, ich habe Zeit.

Aus: Beranger's Lieder
Übertragen von Dr. Silbergleit
[Ludwig Georg Silbergleit 1824-1880]
Berlin Verlag von A. Hofmann u. Comp 1854 (S. 13-14)

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Die zwei barmherz'gen Schwestern

Es steht geschrieben:
Ihr sollt euch lieben.
Ich sag', ich sag', in Wahrheit euch,
Durch Liebe gewinnt ihr das Himmelreich.

Von jungfräulicher Klosterfrauen
Erzähl' ich, die gestorben ist.
Mit ihr an's Himmelthor ist kommen
Ein Bühnenliebling vielgeküßt.
Die Eine that die Kranken pflegen,
Die Andre auch war lieb und gut.
Die Eine kam auf Engelswegen,
Die Andre unter Amors Hut.

St. Peter, der steht Schildwach droben,
Läßt voll Respekt die Nonne ein,
Thut auch das Bühnenmädchen loben,
Und spricht: mein Schätzchen, tritt nur ein.
Die aber klagt: Ach, Herr Sankt Peter,
Der Pfarrherr hat mich schwer betrübt,
Schrie über mich nur Mord und Zeter:
Der arme Mensch hat nie geliebt.

In Hütten, Schlössern gab den Wunden,
So spricht die Nonne, zart und lind
Ich Trost und Labe, und Gesunden
Bracht' ich manch armem Menschenkind.
Auch ich hab' Liebes thuen dürfen,
Die Andre spricht: Mein Lebelang
Ließ ich manch armen Schächer schlürfen
Am Becher, wo der Reiche trank.

Und wieder spricht die heil'ge Taube:
So gut wie mancher Seelenhirt,
Bracht' Liebe ich und Fried' und Glaube
In Herzen groll- und schmerzverwirrt.
Die Andre spricht: Gar Vielen, Vielen
Gab Hoffnung liebend ich zurück,
Ließ sie die Lust des Lebens fühlen:
Die Lust giebt Glauben an das Glück.

Die Nonne spricht: Ward von der Habe
Des Guten mir ein Theil gesandt,
Gern legte ich des Reichen Gabe
Beglückend in des Armen Hand.
Die Andre: Wenn dem Schicksalneide
Den Braven ich erliegen sah,
Labt' ich mit einer Liebesfreude
Die Tugend dem Erliegen nah.

Willkommen denn, ihr lieben Frauen,
So ruft der Himmelspförtner drauf,
Gott, der vermag das Herz zu schauen,
Er schließet euch den Himmel auf.
Gern ist gesehn vor seinem Throne,
Wer Thränen je gestillet hat,
Sei's in des Dulders Dornenkrone,
Sei's in der Weltlust Flitterstaat.

Es steht geschrieben:
Ihr sollt euch lieben.
Ich sag', ich sag' in Wahrheit euch,
Durch Liebe gewinnt ihr das Himmelreich.

Aus: Beranger's Lieder
Übertragen von Dr. Silbergleit
[Ludwig Georg Silbergleit 1824-1880]
Berlin Verlag von A. Hofmann u. Comp 1854 (S. 17-18)

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Die rothe Hanne

Sie hat ein Kind am Busen ruhen,
Ein zweites hinten aufgepackt;
Ihr Erster, in durchlaufnen Schuhen,
Kommt frierend nach, erschöpft, halbnackt.
Sie will's erbitten, ihrem Manne
Am Halse einmal noch zu hangen.
Beschütze Gott die rothe Hanne,
Man hat den Wilddieb eingefangen.

Wie freundlich Alle sie einst grüßten,
Sie lebte froh, sie sang, sie las.
Sie war das Kind des Organisten;
Der Vater liebt' sie ohne Maaß.
Oft tanzt' ich mit ihr bei der Tanne,
Sie hat an meinem Arm gehangen.
Beschütze Gott die rothe Hanne,
Man hat den Wilddieb eingefangen.

Ein Bursch mit Geld und Gut gesegnet,
Der wollt' sie nehmen über's Jahr.
Er ließ sie sitzen. Ach, es regnet
So vielen Spott auf rothes Haar.
Es ist mit manchem Freiersmanne
Der Pfenniglosen so gegangen.
Beschütze Gott die rothe Hanne,
Man hat den Wilddieb eingefangen.

Ein Vagabunde kommt und frägt sie:
Willst du mein Weib sein? Sag' es frei.
Sieh' meine Flinte, weithin trägt sie,
Hab gut Versteck und Büchsen drei.
Willst, daß ein Trauring Dir umspanne
Den weißen Finger? Willst 's erlangen?
Beschütze Gott die rothe Hanne,
Man hat den Wilddieb eingefangen.

Marie und Christel sind schon Mütter,
Denkt sie und seufzt und giebt ihm nach,
Und dreimal, o wie süß und bitter,
Gebar sie ihm im öden Hag.
So frisch und schlank, wie Aehr' und Granne
Ist in die Höh' die Brut gegangen.
Beschütze Gott die rothe Hanne,
Man hat den Wilddieb eingefangen.

Sie liebt den Mann, sie liebt die Kleinen;
Die Liebe tröstet wunderbar.
Sie lächelt oft nach vielem Weinen,
Die Jungen haben Vaters Haar.
Sie hat's erbeten, ihrem Manne
Am Halse einmal noch zu hangen.
Beschütze Gott die rothe Hanne,
Man hat den Wilddieb eingefangen.

Aus: Beranger's Lieder
Übertragen von Dr. Silbergleit
[Ludwig Georg Silbergleit 1824-1880]
Berlin Verlag von A. Hofmann u. Comp 1854 (S. 19-20)

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Die gute Alte

Auch Du, Geliebte, wirst zur Greisin werden,
Dann lebe froh, lieg ich auch längst im Grab.
Mir laufen auf der jähen Bahn der Erden
Gedoppelt schnell die Lebensstunden ab.
Daß nie Dir in des Alters Frost erkalte
Das treue Herz, das einst so licht erglüht!
In jenes Heerdes Ecke, gute Alte,
Gelehnet, singe des Verblichnen Lied.

Wohl wird man unter Runzeln noch erspähen
Die Spur der Anmuth, die mich einst entzückt;
Dann frägt vielleicht ein Jüngling Dich mit Flehen,
Wer war der Mann, den einstens Du beglückt?
Mein Bild dann ihm Du vor die Augen halte,
Wie ich geliebt, geargwöhnt und geglüht;
In jenes Heerdes Ecke, gute Alte,
Gelehnet, singe des Verblichnen Lied.

Man fragt: war Jener würdig solcher Gluthen?
Und frei erwiederst Du: er weckte sie.
Und konnte je man Niedres ihm zumuthen?
Du sagst, von edlem Stolz gehoben: nie.
Bezeug', wie froh und wild mein Lied auch hallte,
Wohl zart're Klänge kannte mein Gemüth.
In jenes Heerdes Ecke, gute Alte,
Gelehnet, singe des Verblichnen Lied.

Manch Klagelied um Frankreich ist gedrungen
Aus meiner Seele in Dein edles Herz.
Bezeug', daß Ruhm und Hoffnung ich gesungen,
Zu lindern meines Vaterlandes Schmerz.
Erzähle, wie der Nord, der tödtend kalte,
Hin über zwanzigjähr'gen Lorbeer zieht,
In jenes Heerdes Ecke, gute Alte,
Gelehnet, singe des Verblichnen Lied.

Und wenn einst meines Namens eitler Schimmer
Des Alters Dämmerdunkel Dir erhellt,
Wenn Du zu meinem Bildniß, treu wie immer,
Im Lenze neue Blumen hingestellt;
Dann fest und fester jene Hoffnung halte,
Daß einst ein ew'ger Frühling uns erblüht:
In jenes Heerdes Ecke, gute Alte,
Gelehnet, singe des Verblichnen Lied.

Aus: Beranger's Lieder
Übertragen von Dr. Silbergleit
[Ludwig Georg Silbergleit 1824-1880]
Berlin Verlag von A. Hofmann u. Comp 1854 (S. 36-37)

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Wär' ich solch ein Vöglein

Nimmer will es mir gelingen,
Treu zu sein der einen Maid,
Flöge gern auf leichten Schwingen,
Wie das Vöglein, hoch und weit.
Vöglein taucht in Aethers Welle,
Weilet nie an einer Stelle,
Himmelsluft ist lind und rein.
Schwirre! flög' ich schnelle, schnelle,
Wär' ich solch ein Vögelein.

Hätte bald den Nachtigallen
Abgelernt ihr schönstes Lied,
Und des Dorfes Dirnen allen
Säng' ich's in der Lindenblüth'.
Vor des Seelenhirten Zelle,
Dessen Sinn so klar und helle,
Dessen Herz so mild und rein,
Schwirre! flög' ich schnelle, schnelle,
Wär' ich solch ein Vögelein.

Bärge dann mich tief im Flieder,
Nah' bei Zechern, froh und laut,
Und erweicht durch meine Lieder
Dächte mancher seiner Braut.
Mancher wunde Kriegsgeselle
Sollt' mich hören tröstend helle
Auf dem stillen Wiesenrain.
Schwirre, flög' ich schnelle, schnelle,
Wär' ich solch ein Vögelein.

Dann auf düstern Mauerzinnen
Säng' ich Klagen, säng' ich Trost;
Hätte den Gefang'nen drinnen
Hoffnung bald in's Herz gekos't,
Und wenn klar mein Lied erschölle,
Fern dann von des Kerkers Schwelle
Zög' ihr Geist zur Heimath ein.
Schwirre! flög' ich schnelle, schnelle,
Wär' ich solch ein Vögelein.

Manchem prunk- und kampfesmüden
Fürsten, wenn er einsam ruht,
Säng' in's Herz ich süßen Frieden,
Und er würde mild und gut.
Leuchtend zu verborgner Stelle,
Hin zu des Verbannten Zelle,
Dräng' der Krone Gnadenschein.
Schwirre! flög' ich schnelle, schnelle,
Wär' ich solch ein Vögelein.

Miede dann das Weltgetriebe
Und der Lüge Honigseim,
Wenn ich nicht wo hangen bliebe
An der Liebe süßem Leim.
Wo ein Lippenpaar nur schwölle,
Vogelbeeren roth und helle,
Liebesschlingen, hold und fein,
Schwirr! da flög ich schnelle, schnelle:
Wär' ich doch ein Vögelein.

Aus: Beranger's Lieder
Übertragen von Dr. Silbergleit
[Ludwig Georg Silbergleit 1824-1880]
Berlin Verlag von A. Hofmann u. Comp 1854 (S. 81-83)

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Liebe hab' ich viel, gar viel

Was auch die Weisen drüber sagen,
Ganz eitel ist es nicht, das Gold.
Zu meinem Liebchen wollt' ich's tragen
Als Weihgeschenk, als Minnesold,
Ich spräche: freu dich dran und spar' nicht,
Folg' jedem kleinen Launenspiel;
Nein, Habsucht hab' ich wirklich gar nicht,
Doch Liebe hab' ich viel, gar viel.

Und wäre mir der Gang gegeben,
Ich feierte Adelen drin,
In allen Zeiten würd' ich leben,
Säng' ihrer würdig ich darin.
Mit dir unsterblich sein auf Erden,
Das wäre mir ein hohes Ziel,
Ruhmsüchtig könnt' ich nimmer werden,
Doch Liebe hab' ich viel, gar viel.

Und sollte Gott mich gar erheben
Empor zu einem Fürstenthron,
Gern wollte ich Adelen geben
Das Scepter und die güldne Kron'.
Für ihre Lieb', mir unentbehrlich,
Gäb' Hofstaat ich, Turnier und Spiel,
Ja, Ehrgeiz habe ich wohl schwerlich,
Doch Liebe hab' ich viel, gar viel.

Doch eitel ganz ist mein Verlangen,
Adele ist mir lieb und hold,
Ich mag mit Gold und Ruhm nicht prangen,
Die Lieb' macht glücklicher als Gold;
Was sollt' ich weiter noch begehren?
Ich trotz' des Zufalls Launenspiel,
Ich hab' nicht Geld, noch Gut, noch Ehren,
Doch Lieb' genieß ich viel, gar viel.

Aus: Beranger's Lieder
Übertragen von Dr. Silbergleit
[Ludwig Georg Silbergleit 1824-1880]
Berlin Verlag von A. Hofmann u. Comp 1854 (S. 115-116)

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Die Wissenschaften

Ich wollte tief mich unterichten,
Nicht folgen mehr dem eitlen Schein;
Wollt nicht mehr lieben, nicht mehr dichten,
Ich wollt' gar ein Gelehrter sein.
Doch seht, ich irr' von Stätt' zu Stätte,
Mein Träumerhirn ist wie ein Sieb.
Bleib Lafontaine mir und Lisette,
Ihr Lieder bleibet, bleibe Lieb'!

Mich fesselt zaubrisch wie Armide
In ihren Gärten die Natur.
Des Wissens, Sonderns nimmer müde,
Sieht mancher Forscher Trümmer nur,
Muß alles schmelzen, wägen sehen;
Er folgt der Gase flücht'gem Trieb',
Schmölz gar den Ring mir meiner Feen;
Ihr Lieder bleibet, bleibe Lieb'!

Für eine todte Hülle vor ihm
Ein Andrer seine Messer wetz';
Der Todte raunt doch nie in's Ohr ihm
Des Lebens unerforscht Gesetz.
Der Lampe Form kann er nachmalen,
Den Docht, die Nahrung, das Getrieb'.
Ich seh' nur ihres Lichtes Strahlen;
Ihr Lieder bleibet, bleibe Lieb'!

Ein Andrer rechne, schaue, luge,
Man irrt so leicht am Firmament;
Wohl mancher schon verfiel dem Truge,
Der seinen Cirkel führt behend'.
Der Wissenschaften Throne wanken,
Wohl selten einer aufrecht blieb,
Laßt mir die Sonne nicht abdanken,
Ihr Lieder bleibet, bleibe Lieb'.

Drum leb' ich fort nach alter Weise,
Mich laben Lieb' und Poesie,
Die Reste jener Götterspeise,
Die einst dem Menschen Gott verlieh.
Doch weh, schon greift die Hand zum Stabe,
Es kommt der Lebensabend trüb',
Verheißet einen Traum dem Grabe,
O bleibt mir Lieder, bleibe Lieb'!

Aus: Beranger's Lieder
Übertragen von Dr. Silbergleit
[Ludwig Georg Silbergleit 1824-1880]
Berlin Verlag von A. Hofmann u. Comp 1854 (S. 163-165)

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Der Doppelrausch

Schlummernd unter kühlen Schatten
Lag ich, als mein Mädchen kam.
Ihr im Antlitz sah ich gatten
Liebe sich mit holder Scham.
Um die Stirne frisch und duftig
Weht ihr Laub und Rosenflor.
Unterm Tüchlein leicht und luftig
Drang des Busens Schnee hervor.

Ihr zur Seit' ein Bübchen - glauben
Macht sie mich, ihr Bruder sei's -
Preßt sich Most aus süßen Trauben
In die Schale tropfenweis.
Und indem sie zum Entzücken
Singt und tänzelt, denkt daran,
Hat das Kind in ihrem Rücken
Gift in seinen Most gethan.

Und sie nimmt die Schale, kostet,
Gibt sie mir: "Verschmitzter Kopf,
Leider ist der Kniff verrostet,
Weiß ich ja den Tod im Topf!
Doch du willst, da werd' ich müssen.
Nun ich wage keck den Tausch;
Kann ich nur den Weinrausch büßen
Selig in der Liebe Rausch."

Meine Lust war unermessen,
Aber ach! ein kurzer Schmaus.
Nun, ich habe sie vergessen,
Und sie macht sich nichts daraus.
Nehm' ich, was mir blieb, zusammen:
Ist's ein Uebel, ist's ein Gut?
Seitdem zu den Liebesflammen
Misch ich gern des Weines Glut.

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Erster Band Bern 1839 Druck und Verlag von Chr. Fischer
(S. 65-66)

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Liebe die Fülle

Ich wünschte Haufen mir von Golde,
Säh' auch die Weisheit scheel dazu;
Zu Füßen legt' ich dir, o Holde,
Den ganzen reichen Schatz im Nu.
Mariens kleinster Laune müßte
Tagtäglich werden freies Spiel:
Nicht Habsucht ist es, daß ich wüßte,
Nur Liebe, Liebe hab' ich viel.

Verew'gen sollten meine Töne,
Maria, dich, und mein Gesang,
Der einzig klänge deiner Schöne,
Forthallen manch Jahrhundert lang.
Tief unsrer beiden Namen Zierde
Grüb' in der Nachwelt Herz mein Kiel:
Mein Herz ist frei von Ruhmbegierde,
Nur Liebe, Liebe hab' ich viel.

Auf stolzem Königsthrone - dächte
Mir einen zu des Himmels Schluß -
Du süße Kön'gin, alle Rechte
Trät' ich dir ab um einen Kuß.
Dich müßt' ein Hof mit Glanz umgeben,
Wofern ich dir darin gefiel':
Ich bin nicht gar zu eitel eben,
Nur Liebe, Liebe hab' ich viel.

Doch fern sei thörichtes Begehren!
In dir ist jeder Wunsch gestillt.
Kann Glück und Glanz und Ruhm gewähren
Die Lust, die treuer Lieb' entquillt.
Mein Glück trotzt jedem Ungefähre,
Begleitet mich ans fernste Ziel.
Mein ist nicht Gold noch Pracht noch Ehre,
Nur Liebe, Liebe hab' ich viel.


Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Erster Band Bern 1839 Druck und Verlag von Chr. Fischer
(S. 84-85)

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Lisettchens Treulosigkeiten

Nun will Lisettchen schalten
Gar über meinen Wein,
Will ich ein Tröpfchen Alten:
"Oho, was fällt dir ein?"
Daß man mir zählt die Schlücke,
Seh ich mich so gequält,
Weil deine Schelmenstücke
Ich nie dir nachgezählt?

Lisettchen, ja kein Stäubchen
Von Treue wohnt in dir!
Du liebes, loses Weibchen,
Prosit, mein Täubchen,
Komm und trink mit mir!

Dein Lindor unverholen
Verderbt dein schlaues Spiel,
Bald nannt' er dich verstohlen,
Bald laut, wie's ihm gefiel.
Daß ihm's bei dir nicht fehle,
Drauf gab er mir die Hand.
Damit ich drob nicht schmähle,
Schenk ein bis an den Rand.

Lisettchen, ja kein Stäubchen
Von Treue wohnt in dir!
Du liebes, loses Weibchen,
Prosit, mein Täubchen,
Komm und trink mit mir!

Clitander war so süße,
Mit dem ich dich erwischt,
Ihr zähltet just die Küsse,
Wie viel er weggefischt.
Ich sah dich unverdrossen
Verdoppeln noch die Zahl:
Für's Küssen vollgegossen
Mein Gläschen noch einmal.

Lisettchen, ja kein Stäubchen
Von Treue wohnt in dir!
Du liebes, loses Weibchen,
Prosit, mein Täubchen,
Komm und trink mit mir!

Herr Mondor, stets mit Ringen
Und Bändern bei der Hand,
Darf schäkernd dich umschlingen
Vor mir, als wär's nur Tand.
Und glitt nicht bis zum Herzen
Sein Finger ungeklopft?
Für solch verruchtes Scherzen
Schenk ein, so lang es tropft.

Lisettchen, ja kein Stäubchen
Von Treue wohnt in dir!
Du liebes, loses Weibchen,
Prosit, mein Täubchen,
Komm und trink mit mir!

Bei Nacht in deine Stube
Komm' ich einmal geschlüpft,
Da seh' ich, wie ein Bube
Aus deinem Fenster hüpft.
Ich kam ihm wohl schon ehe
In solcher Stunde quer:
Daß ich nicht Alles sehe,
Nur noch ein Fläschchen her.

Lisettchen, ja kein Stäubchen
Von Treue wohnt in dir!
Du liebes, loses Weibchen,
Prosit, mein Täubchen,
Komm und trink mit mir!

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Erster Band Bern 1839 Druck und Verlag von Chr. Fischer
(S. 101-103)

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Der gestohlene Krug

In meine arme Zelle
Schlich sich gestern Amor ein,
Entfloh mit Blitzesschnelle:
Weggestohlen war mein Wein.
Seit der Zeit lieg' ich darnieder,
Bin verstimmt und ohne Klang.
Amor, gib den Krug mir wieder,
Meinen Krug und meinen Sang.

Iris voll Neckereien
Rieth ihm an den argen Scherz;
Wo find' ich nun Arzneien
Für mein liebewundes Herz.
Und so schmacht' ich, seit die Hyder
Bittern Aergers mich umschlang.
Amor, gib den Krug mir wieder,
Meinen Krug und meinen Sang.

Ein alter, lust'ger Zecher
Mahnt mich, einzuschenken frisch,
Entgegen mir den Becher
Hält er singend übern Tisch.
Der und Jener plagt um Lieder
Mich verstohlen, mir wird bang.
Amor, gib den Krug mir wieder,
Meinen Krug und meinen Sang.

Schön Iris war nicht sauber
An der frechen Dieberei;
Mich hielt der Liebeszauber
Eines Mädchens toll und frei.
Suschen hübsch im lockern Mieder
War ein gar zu süßer Fang.
Amor, gib den Krug mir wieder,
Meinen Krug und meinen Sang.

Der Schelm kommt selbst geloffen
Lachend, wie ich ihn berief,
Von meinem Wein besoffen:
Denn er trank zwei Finger tief.
Iris, wart, dein Schelmgefieder
Stutz' ich, treibst du mir's zu lang.
Amor, gib den Krug mir wieder,
Meinen Krug und meinen Sang.


Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Erster Band Bern 1839 Druck und Verlag von Chr. Fischer
(S. 112-113)

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Eilfer und Lisette

Liebchen, Freunde, Eilferwein!
Ha, wie lebt sich's da so fein:
Weg mit aller Etikette!
Tirlirette, tirlirette,
Eilfer und Lisette!

Amor stimmt bei uns den Ton,
Nimmt der großen Welt zum Hohn
Tischtuch auch für Serviette.
Tirlirette, tirlirette,
Eilfer und Lisette!

Speis't auf Gold, ihr reichen Herrn!
Ein Glas, Eine Schüssel, gern
Leert's ein Pärchen um die Wette.
Tirlirette, tirlirette,
Eilfer und Lisette!

Kann ein Thron erfreun, wo man
Nicht selbander sitzen kann:
Ei, da lob' ich Bank und Bette,
Tirlirette, tirlirette,
Eilfer und Lisette!

Wenn bei uns die Armuth spuckt,
Aus des Rockes Löchern guckt,
Ziert ein Strauß die Toilette,
Tirlirette, tirlirette,
Eilfer und Lisette!

Oder nein, in solchem Fall
Lieber weg die Fetzen all;
Noch so reizend ist die Nette.
Tirlirette, tirlirette,
Eilfer und Lisette!


Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Erster Band Bern 1839 Druck und Verlag von Chr. Fischer
(S. 118-119)

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Die beiden barmherzigen Schwestern

Liebestriebe
Will der Gott der Liebe;
So seid barmherzig, liebet euch,
Die Liebe macht den Engeln gleich.

Dem Klosterfräulein, fromm und heilig,
Begegnet unterm Himmelsthor
Ein Mädchen, leichtgeschürzt und eilig,
Das, ach, die Oper hier verlor.
Sie kommen an, nach schönen Tagen,
Ein Paar, das würdig aufwärts fliegt,
Auf Engelsschwingen die getragen,
Und die von Amors Arm gewiegt.

Liebestriebe
Will der Gott der Liebe;
So seid barmherzig, liebet euch,
Die Liebe macht den Engeln gleich.

Sankt Peter, der am Thor den Segen
Der frommen Klosterschwester reicht,
Spricht zu der Nymphe: Meinetwegen,
Geh ein zu uns auch ohne Beicht!
Ach, ruft sie, kaum erlaubt man eben,
Daß man ein ehrlich Grab mir gibt.
Mag's meinem Pfarrer Gott vergeben,
Der arme Schelm hat nie geliebt.

Liebestriebe
Will der Gott der Liebe;
So seid barmherzig, liebet euch,
Die Liebe macht den Engeln gleich.

Die Erste: "Hütten wie Palläste
Besucht' ich, wo der Gram sich häuft,
Und Balsam hab' ich stets auf's Beste
In Menschenwunden eingeträuft."
Die Zweite: "Mir gelang's, zu wecken
Der Großen Herz, die mir gelauscht.
Gab Armen oft den Trank zu schmecken,
In dem sich Könige berauscht."

Liebestriebe
Will der Gott der Liebe;
So seid barmherzig, liebet euch,
Die Liebe macht den Engeln gleich.

Ja, sprach die makellose Taube,
Oft besser als durch Priesterwort
Erhob durch meines sich der Glaube
Des Sterbenden zum ew'gen Hort.
Dem holden Wahne, sprach im Feuer
Die Zweite, gab ich sie zurück,
Das Leben macht' ich ihnen theuer,
Denn wer genießt, der glaubt an Glück.

Liebestriebe
Will der Gott der Liebe;
So seid barmherzig, liebet euch,
Die Liebe macht den Engeln gleich.

Oft, sprach die Nonne, ging um Gaben
Ich bettelnd milde Herzen an,
Und meine vollen Hände haben
Dankbaren Armen wohlgethan.
Die Zweite: "Sah ich dem Verdrusse
Erliegen einen Ehrenmann,
Erlöst' ich ihn mit einem Kusse
Von der Verzweiflung finstrem Bann."

Liebestriebe
Will der Gott der Liebe;
So seid barmherzig, liebet euch,
Die Liebe macht den Engeln gleich.

Herein, herein, ihr zarten Seelen,
Begann der Pförtner, kommt herein,
Auf Gottes Gnade könnt ihr zählen,
Die Liebe macht von Sünden rein.
Das Himmelreich wird dem zum Lohne,
Der Thränen trocknet, fromm bemüht,
Ob auf dem Haupt die Dornenkrone,
Ob rosenroth die Stirn umblüht!

Liebestriebe
Will der Gott der Liebe;
So seid barmherzig, liebet euch,
Die Liebe macht den Engeln gleich.


Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Erster Band Bern 1839 Druck und Verlag von Chr. Fischer
(S. 171-173)

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Wie wunderhübsch sie ist!

Wie wunderhübsch sie ist, die Kleine,
Die ich auf ewig mir erkor.
Wie träumt sich's hold im Dämmerscheine,
Der diese Augen hüllt in Flor!
Frisch aus des Himmels klarster Reine
Sog ihre Brust den Athem ein.
Wie wunderhübsch sie ist, die Kleine,
Und ich muß, ach! so häßlich sein!

Wie wunderhübsch sie ist, die Kleine,
Im schönsten Lenz, kaum zwanzig Jahr!
Wie Knospen quillt ihr Mund, der feine,
In goldnen Ringeln wallt ihr Haar.
Daß tausend Reize sie vereine,
Entgeht der Lieblichen allein.
Wie wunderhübsch sie ist, die Kleine,
Und ich muß, ach! so häßlich sein!

Wie wunderhübsch sie ist, die Kleine,
Und dennoch hat sie mich beglückt.
Lang hat die Holde, nun die Meine,
Mit Sehnsucht mir das Herz berückt.
Fern von der Liebe Zauberhaine
Stand ich, bis sie mich zog hinein.
Wie wunerhübsch sie ist, die Kleine,
Und ich muß, ach! so häßlich sein!

Wie wunderhübsch sie ist, die Kleine,
Und, treu wie Gold, mein süßes Licht,
Die ihren Frühlingskranz um meine,
Des Dreißigjährgen, Glatze flicht.
Weg mit es Schleiers trübem Scheine,
Schenk ein der Wonne klarsten Wein!
Wie wunderhübsch sie ist, die Kleine,
Und ich muß, ach! so häßlich sein!


Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 7-8)

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Träumerei

Dem falschen Mädchen ferne,
Das ein Baron mir stahl,
Gab ich dem Träumen gerne
Mich hin im Schattenthal.
Fahr wohl, du Ungetreue!
Träumend sah ich eine Neue,
Schön, wie die Feen sind.
Komm, o komm, o komm, mein süßes Kind!

Sie war so zart, die Schöne,
So zart und stolz zumal,
Mir schien es fast, sie stöhne
In ihres Herzens Qual.
Die Königstochter schmachtet
Einsam, vom Gehölz umnachtet,
So fern dem Hofgesind.
Komm, o komm, o komm, mein süßes Kind!

Ich hörte sie beklagen
Der Hoheit schwere Last;
Ich wagt es ihr zu sagen,
Welch Feuer mich erfaßt.
Mein Auge floß in Thränen,
Und mein Mund in heißem Sehnen
Berührt ihr Händchen lind.
Komm, o komm, o komm, mein süßes Kind!

So sah ich traumumfangen
Das schönste Zauberbild;
Zu meinem Ohre drangen
Jetzt Töne süß und mild.
Kommst du mit mir zu kosen?
Fürstin, deiner Liebe Rosen
Gib mir zum Angebind.
Komm, o komm, o komm, mein süßes Kind!

Doch nein, es ist die Lose,
Des Dorfes schönstes Kind;
Für solche frische Rose
Bin ich fürwahr nicht blind.
Prinzessin, müßt vergeben!
Ha, das ist ein Kind voll Leben,
Ihr Röckchen fliegt im Wind.
Komm, o komm, o komm, mein süßes Kind!

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 9-10)

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Ach, wenn ich ein Vöglein wär!
1817

Laßt mich kommen, laßt mich scheiden,
Flüchtig selbst im Lieben sein:
O wie muß ich euch beneiden,
Leichtbeschwingte Vögelein.
Diesem Erdengrund entstiegen
Lustig schwärmen, frei sich wiegen
In der Lüfte blauem Meer!
Fliegen wollt ich, fliegen, fliegen, fliegen,
Ach, wenn ich ein Vöglein wär!

Euch, ihr süßen Nachtigallen,
Lauscht ich ab den schönsten Klang,
Und, dem Hirten zu gefallen,
Stimmt ich ein in seinen Sang.
Säh ich wo am Stab sich biegen
Einen Klausner, der verschwiegen
Wohlthut, singend eilt ich her.
Fliegen wollt ich, fliegen, fliegen, fliegen,
Ach, wenn ich ein Vöglein wär!

Dann zu grünen Laubengängen,
Wo ein Tisch mit Gläsern blinkt,
Wo man lauschend meinen Klängen
Nur auf's Wohl der Schönen trinkt!
Kämpfern, müd von langen Kriegen,
Dürfte nie der Muth versiegen,
Wären auch die Taschen leer.
Fliegen wollt ich, fliegen, fliegen, fliegen,
Ach, wenn ich ein Vöglein wär!

Dem Gefangnen naht ich leise,
Der im Thurm mich gern vernimmt,
Tröstend säng ich meine Weise,
Die zu seinen Klagen stimmt.
Seinen Kummer zu betriegen,
Säng ich ihm der Kindheit Wiegen
Und der Freiheit frohe Mähr.
Fliegen wollt ich, fliegen, fliegen, fliegen,
Ach, wenn ich ein Vöglein wär!

Zu dem König flög ich nieder,
Den des Oelbaums Schatten kühlt,
Und ich säng ihm fromme Lieder,
Daß er menschlich wieder fühlt.
Keiner soll dem Gram erliegen,
Des Verbannten Recht muß siegen,
Hoffen darf er Wiederkehr.
Fliegen wollt ich, fliegen, fliegen, fliegen,
Ach, wenn ich ein Vöglein wär!

Fliehen würd ich niedre Seelen,
Fliehn zum fernsten Morgenroth.
Doch was bleibt mir dann zu wählen,
Wenn der Liebe Schlinge droht?
Mich an eine Brust zu schmiegen,
Und mich selig einzuwiegen,
Weiter hätt ich kein Begehr.
Dahin möcht ich fliegen, fliegen, fliegen,
Ach, wenn ich ein Vöglein wär!

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 16-18)

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Die Wissenschaften

Wollt ihr noch länger mich bethören,
Verworrne Träume? Laßt mich doch!
Ja, Lieb und Lied will ich verschwören,
Was Rechtes lernen will ich noch.
Doch ach dem ruhelosen Geiste
Schmeckt Wissenschaft wie dürres Heu.
Ein Jeder bleib bei seinem Leiste,
O Lied und Liebe, bleibt mir treu!

Natur war mein Armidasgarten,
In dem ich staunend mich verlor;
Ein Chemikus nimmt alle Arten
Zerstörter Wunder ruhig vor;
Im Tiegel läßt er Alles schmoren,
Und trennt der Stoffe bunt Gebräu.
Mir ging mein Feenstab verloren,
O Lied und Liebe, bleibt mir treu!

Ich denk an meiner Amme Mähren,
Beschwört mir eines Arztes Mund:
Die Todten müssen ihm erklären,
Was an dem Leben sei im Grund.
An meiner Lampe das Reelle
Entwickelt er - mir leere Spreu!
Ich sehe Nichts als Licht und Helle.
O Lied und Liebe, bleibt mir treu!

Berechnet nur des Himmels Bahnen,
Seht euch die blöden Augen blind.
Wer kann den Irrthum allen ahnen,
Von dem wir rings umfangen sind?
Physik durchbricht noch alle Wände,
Und neu wird alt und alt wird neu.
Abdanken muß die Sonn' am Ende.
O Lied und Lieder, bleibt mir treu!

Wir wandeln gern im Morgenrothe
Vom Thau der Poesie getränkt,
Wir essen gern vom Himmelsbrote,
Das uns der Götter Huld geschenkt.
Vor Alter fröstelt mich: ich habe
Gelebt! Ich sterb auch ohne Scheu,
Schenkt ihr mir einen Traum im Grabe,
O Lied und Liebe, bleibt mir treu!

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 104-105)

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Lisettchens Tugend

Hofdamen, schmäht ihr mir Lisette,
Sprecht ihr von ihrer Tugend schief?
Sie ist viel mehr nicht als Grisette,
Das ist der Liebe Adelsbrief.
Ein Hundert Schönheitskenner geizen
Nach ihrer schwarzen Augen Licht.
Sie spricht ja nicht von euren Reizen,
Sprecht auch von ihrer Tugend nicht!

Daß selbst die Reichsten, selbst die Besten
Ihr hold sind, wird ihr nicht verziehn.
Doch sah man euch an Judenfesten
Gerührt vor goldnen Kälbern knien.
Wenn euch des Kaisers Thaler flossen,
Galt's eurem heimlichen Gericht:
Sie spielt der Polizei nur Possen;
Sprecht mir von ihrer Tugend nicht!

Oft in der Asche glühn noch Funken:
Vielleicht bei Hof ein frommer Mann
Sieht sie, in seinen Gott versunken,
Und bringt sie gar beim Fürsten an.
Ihm blüht vielleicht noch Glück auf Erden,
Wenn sie dem Herrn ins Auge sticht,
Sie könnte Favorite werden.
Von Lischens Tugend sprecht mir nicht!

Wie dann, ihr holden Lästerzungen?
Da wärt ihr Basen allzumal,
Da würd' ihr Lob von euch gesungen,
Nie fehltet ihr in ihrem Saal.
Doch, schiene sie und ihre Suite
Der Kirche selber von Gewicht,
Und wär ihr Beicht'ger Jesuite,
Sprecht mir von ihrer Tugend nicht!

Gesteht nur, hochgeborne Damen,
Die Tugend ist euch Wind und Duft,
Ist mehr nicht als die stolzen Namen,
Die vor euch her der Diener ruft.
Auf Stelzen hoher Etikette
Ein niedrig Herz, geschminkt Gesicht -
Gott wahre mir vorm Hof Lisette,
Sprecht mir von ihrer Tugend nicht!


Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 123-124)

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Frühlingsverwünschung

Vom Fenster aus sah ich den Winter
An Ihrem stets das schöne Kind.
Wir fragten nicht, wer wohl dahinter,
Die Küsse kreuzten sich im Wind.
Durch kahle Linden flogen Träume
Und Blicke stündlich hin und her.
Du hüllst in neues Laub die Bäume,
Verwünschter Lenz mit deiner Wiederkehr.

Verschwunden hinter grüner Wolke
Ist mir der Engel, der, so scharf
Der Morgen blies, dem Federvolke,
Dem hungrigen, sein Futter warf.
Und wie die Tauben auf ihr Locken,
Kam ich auch nicht von ungefähr.
Ach, schön ist Nichts wie Winterstocken!
Verwünschter Lenz mit deiner Wiederkehr.

Wärst du nicht, säh ich Sie noch immer,
Wenn Sie sich aus dem Schlafe regt,
Frisch wie Aurora, die dem Schimmer
Den Vorhang auseinanderschlägt.
Noch seufzt' ich Nachts in süßem Kummer;
Mein schöner Stern erglänzt nicht mehr.
Die Lamp' erlischt, Sie sinkt in Schlummer!
Verwünschter Lenz mit deiner Wiederkehr.

Ach, daß für mich es Winter bliebe,
Und wie er luftig tobt' und sprang,
Der Sturm mir an die Scheiben triebe
Schneekörner noch mit hellem Klang!
Nicht Sonnenschein, nicht Zephyrs Fächeln,
Nicht Blumenduft ist mein Begehr.
Gestohlen hast du mir Ihr Lächeln,
Verwünschter Lenz mit deiner Wiederkehr!

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 140-141)

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Noch immer Liebe!

Ich sprach: Der Jugend frohe Genien ließen
Mich all im Stich, alt bin ich und allein.
Sie würden mir dereinst das Auge schließen,
Versprachen mir die Falschen. Mag es sein!
Ein schönes Kind mit zauberischen Zügen
Nimmt mir im Flug mein trunknes Herz davon;
Noch eine Falsche kommt mich zu betrügen,
Die Liebesgötter sind nicht all entflohn.

Noch einmal soll ich diese Pein erfahren?
Und doch, ich hab es satt das Einerlei!
Als ich einst Ketten trug mit dreißig Jahren,
Unglücklich war ich, aber froh dabei.
Noch eine Herzenskön'ginn will mich grüßen,
Wie viel Erinnrung weckt ihr Blick und Ton!
Herbstrosen, streut ihr euren Flor zu Füßen.
Die Liebesgötter sind nicht all entflohn.

Noch ist mein Auge nicht entleert von Zähren,
Noch ist der Quell der Lieder nicht versiegt.
Ich liebe, singe, Schönheit soll mich lehren,
Wie man des Winters strengen Frost besiegt.
Die Fluren lachen, Blumen stehn und lauschen,
Mit neuen Sternen schmückt die Nacht den Thron;
In Lüften hör ich ihre Flügel rauschen,
Die Liebesgötter sind nicht all entflohn.

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 208)

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Der galante Fischer

Auf Poesie und Liebelei,
Doch mehr noch leg ich mich aufs Fischen;
Nur leider mußten alle drei,
Fisch, Weib und Muse, mir entwischen.

Ihr Fischlein, keines Angels Zahn
Soll euch durch mich Verderben bringen.
Heran, ihr Fischlein, kommt heran,
Horcht auf, ich will ein Liedchen singen.

Sonst war ich auch ein Jägersmann,
Doch Finken, Amseln, Drosseln pfiffen
Mich aus vor Neid, wenn ich begann;
Ihr seid schon etwas mehr geschliffen,
Ihr hört mich ruhig an, euch kann,
Ich seh's, mein Lied zu Herzen dringen.
Heran, ihr Fischlein, kommt heran,
Horcht auf, ich will ein Liedchen singen.

Im Grunde fisch ich ganz allein,
Damit ich mich im Bach bespiegle.
Nicht wahr, mein Antlitz hold und fein
Gefällt euch, wenn ich so mich schniegle?
Euch hält mein Zauberreiz im Bann,
In dem sich hundert Schöne fingen.
Heran, ihr Fischlein, kommt heran,
Horcht auf, ich will ein Liedchen singen.

Die Damen werden roth und bleich,
Wenn meine süßen Lieder schallen.
Ich schwör es euch, ihr seht sogleich
Die Karpfen selbst in Ohnmacht fallen.
Bei manchem Mädchen wohlgethan
Gelang mir's, soll mir's hier mißlingen?
Heran, ihr Fischlein, kommt heran,
Horcht auf, ich will ein Liedchen singen.

Ihr gähnt bei meinem Lied, ich schau's;
Ihr Schelmen, will denn keiner packen?
Vernehmt denn, ist mein Liedel aus,
Laß ich euch in der Pfanne backen.
Ist das mein Lohn? Ihr denkt im Wahn
Wohl gar zum Fasten mich zu zwingen?
Heran, ihr Fischlein, kommt heran,
Horcht auf, ich will ein Liedchen singen.

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Zweiter Band Bern 1840 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 232-233)

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Vorbei, ihr Mädchen!

Gott, welch' ein Mädchenschwarm, wie zierlich
Er meinem Aug vorüber wallt!
Hübsch sind sie allesammt, manierlich,
Ja allesammt, doch ich - bin alt!
Wie oftmal sag ich mir: sie heißen
Dich albern, laß die Tändelei,
Hüll in den Mantel dich des Weisen,
Vorbei ihr Mädchen, nur vorbei!

Ha, Zoe hier, die aufgeräumte!
Die Mutter, Kind, wie schmählte die,
Wenn ich zur rechten Stunde säumte,
Ein Fehler, den sie nie verzieh.
"Wer nicht zu viel liebt, liebt zu wenig!"
Da war sie streng und sagt' es frei;
Sei ihren Lehren unterthänig!
Vorbei, ihr Mädchen, nur vorbei!

O Laura, Enkelin der Schönen,
Die mich geschult im Liebesspiel!
Noch kann sie deß sich nicht entwöhnen,
Zehn Jahre mehr als ich - gleich viel!
Drehst du im Tanz dich flink und flüchtig,
Laß ungeneckt mich - 's gäb Geschrei:
Großmütterchen ist eifersüchtig,
Vorbei, ihr Mädchen, nur vorbei!

Du lächelst, Röschen, kann dich plagen
Ein Ungemach, verbärgst du's gern?
Man hat heut Nacht, so hör' ich sagen,
Dich überrascht mit einem Herrn.
Das Dunkel scheucht der Tag, der klare;
Du gehst auf Männerjagd, ei, ei!
Für dich hab' ich zu wenig Jahre.
Vorbei, ihr Mädchen, nur vorbei!

Vorbei, ihr Schönen, die ihr trunken
Den Alten macht und sinnverwirrt;
Gebt Acht, daß nicht von euch ein Funken
Zu mir herüber sich verirrt.
Am Pulverthurm vorbei, dem alten,
Den bald die Zeit wohl bricht entzwei,
Geht sacht, die Hand vors Licht gehalten,
Vorbei, ihr Mädchen, nur vorbei!

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Dritter Band Bern 1841 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 25-26)

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Das Mädchen aus dem Volke

Mein Liebchen, Kind des Volks, dem Volkspoeten
Weih'st du, was dir an Reiz der Lenz beschied.
Als Morgenlüfte deine Wieg' umwehten,
Schweigt' einst dein erstes Schrei'n mein erstes Lied.
Ihr Edelfräulein lockt mich nicht, und trautet
Ihr jeden Sieg in eurem Putz euch zu;
Denn mein und meiner Muse Wahlspruch lautet:
Wir sind vom Volk, mein Liebchen, ich und du.

Als ich mich jung, noch ruhmlos umgetrieben,
Sah ich manch altes Schloß auf hohem Berg.
Doch bat ich, mir den Riegel wegzuschieben,
Am Eisenthor nie einen Wunderzwerg.
Nein, Lieb' und Poesie sind hier geschieden,
Den Bau umschwirrt nur Käutzchen und Uhu.
Wo anders leb' ich bürgerlich zufrieden,
Wir sind vom Volk, mein Liebchen, ich und du.

Pfui über Säle, wo die Langeweile
Sich streckt und gähnt, nur Eckel füllt die Brust!
Ein Feuerwerk, daß nur die Zeit enteile,
Vom Regen schnell gelöscht, ist hier die Lust.
Du wanderst all' acht Tag' im schmucken Hute
Auf's Land, im weißen Kleid, im feinen Schuh;
Sonntäglich wird mir nur bei dir zu Muthe,
Wir sind vom Volk, mein Liebchen, ich und du.

Wo ist die Schöne, die sich dir vergliche
An Reiz und Adel, selbst im Fürstensaal?
Wo Eine, die nicht deiner Anmuth wiche,
Wo glänzt ein Aug' wie dein's im Jugendstrahl?
Das Volk hat endlich sich sein Recht errungen,
Zwei Höfen ließ ich seinethalb nicht Ruh,
Ich habe dich vom Volke mir ersungen,
Wir sind vom Volk, mein Liebchen, ich und du.

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Dritter Band Bern 1841 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 40-41)

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Häßlichkeit und Schönheit

Sie ist zu schön, ich muß vergehen,
Wenn sie so hold, die Falsche schaut;
Ja, häßlich, möcht' ich gern sie sehen,
Recht häßlich, so daß Jedem graut.
Wie viel hab' ich um sie gelitten!
O Schönheit, Himmelsgab', entweich!
Die Hölle selber will ich bitten:
"Mach häßlich sie, mein Herz liebt sie noch gleich!"

Da steigt der Teufel aus der Erden,
Der Vater aller Häßlichkeit:
"Entsetzlich häßlich soll sie werden,
Dann fliehn die Nebenbuhler weit.
Ich liebe die Metamorphosen.
Da kommt dein Lieb, wie anmuthreich!
Verschwindet, Perlen, welkt, ihr Rosen!
Nun ist sie häßlich, liebst du sie noch gleich?"

"Ja häßlich?" hör' ich schnell sie raunen,
Sie geht zum Spiegel, sieht, will fliehn,
Und zum Entsetzen wird ihr Staunen,
Sie sinkt verzweifelt, sterbend hin;
"Mir schwurst du ja, nur mir zu leben!"
Rief auf den Knien ich schreckensbleich.
"Nun bist du einzig mir gegeben,
Noch häßlicher, ich liebe doch dich gleich!"

Und Thränen strömen ihr hernieder,
Da ward mein Mitleid doch entfacht.
"Ach, gib ihr ihre Schönheit wieder!"
"Es sei", sprach Satanas und lacht.
Aufblüht sie gleich der Morgenröthe,
Aufsteigend aus dem Schattenreich.
Mich dünkt, daß sich ihr Reiz erhöhte;
Sei schöner noch, mein Herz liebt stets dich gleich.

Zum Spiegel eilt sie voll Verlangen,
Ob all ihr Reiz ihr aufgefrischt.
Noch stehn ihr Thränen auf den Wangen,
Die sie mit leisem Murren wischt.
Satan entflieht. Auch sie will gehen,
Und ruft erbost ob falschem Streich:
"Kein hübsches Mädchen wirst du sehen,
Das eine Lieb' erwiedert, deiner gleich."

Aus: Beranger's Lieder
in den Versmassen des Originals verdeutscht
durch L. S. Rubens
[Ps. von Ludwig Seeger (1810-1864)]
Dritter Band Bern 1841 Druck und Verlag von Chr. Fischer (S. 47-48)

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Viel Liebe

Was auch die Weisheit möge sagen,
Es steht nach Gold mir jetzt der Sinn,
Zu der Geliebten würd' ich's tragen,
Ich legt' es ihr zu Füßen hin;
Ich huld'ge ihren Launen allen,
Sie zu befried'gen ist mein Ziel,
Von Habgier bin ich nicht befallen,
Doch Liebe, Liebe hab ich viel!

Ihr die Unsterblichkeit zu bringen,
Wollt, Musen, mir Begeist'rung leihn,
Die Lieder, die von ihr erklingen,
Sie werden stets bewundert sein.
Ihr Nam' und meiner, eng verschlungen,
Erreichen so der Nachwelt Ziel,
Von Ruhmsucht bin ich nicht durchdrungen,
Doch Liebe, Liebe hab' ich viel.

Wird mich die Gunst des Schicksals krönen,
Werd' ich dereinst ein König sein,
Dann soll sie diesen Traum verschönen,
Werd' ich ihr all' mein Anrecht leihn.
Ein Hof für sie in prächt'gen Hallen
Wär' meiner Wünsche höchstes Ziel,
Von Ehrgeiz bin ich nicht gefallen,
Doch Liebe, Liebe hab' ich viel.

Jedoch welch' eiteles Begehren,
Da mich Adele herzlich liebt?
Die Liebe wird ein Glück gewähren
Wie's Ruhm und Reichthum nimmer giebt.
Kein Zweifel braucht mich mehr zu quälen,
Ich steh' an meiner Wünsche Ziel,
Wenn mir auch Ruhm und Reichthum fehlen,
Hab' ich doch Liebe, Liebe viel!

Aus: Lieder und Chansons von Beranger
Übertragen von Adolf Laun [1808-1881]
Bremen Verlag von J. Kühtmann's Buchhandlung 1869 (S. 10-11)

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Wie ist sie schön

Wie ist sie schön im Jugendprangen,
Ihr Götter, ach wie schön ist sie.
Wie hält mir Herz und Sinn befangen
Des dunklen Augs Melancholie!
Der Himmel goß um Stirn und Wangen
Den vollsten Hauch des Lebens hin.
Wie ist sie schön im Jugendprangen
Und ich, wie ich so häßlich bin!

Wie ist sie schön im Jugendprangen,
Sie, die kaum zählet zwanzig Jahr,
Gleich Rosen blühen Mund und Wangen,
Wie voll, wie reich ihr blondes Haar!
Daß hohe Gaben sie empfangen,
Nicht ahnt es ihr bescheid'ner Sinn,
Wie ist sie schön im Jugendprangen
Und ich, wie ich so häßlich bin!

Wie ist sie schön im Jugendprangen,
Sie, die mit Liebe mich beglückt,
Wie hatt' ich sonst nach dem Verlangen
Womit der Mann das Weib berückt.
Denn eh' ich ihre Gunst empfangen,
Floh Liebe stets vor mir dahin,
Wie ist sie schön im Jugendprangen
Und ich, wie ich so häßlich bin!

Wie ist sie schön im Jugendprangen,
Sie bleibt mir treu auf immerdar,
Ist auch die Jugend mir vergangen,
Sie kränzt noch mein ergrauend Haar.
Mein ist der Sieg; die sie umfangen,
Ihr neid'schen Schleier, sinket hin.
Wie ist sie schön im Jugendprangen
Und ich, wie ich so häßlich bin!

Aus: Lieder und Chansons von Beranger
Übertragen von Adolf Laun [1808-1881]
Bremen Verlag von J. Kühtmann's Buchhandlung 1869 (S. 44-45)

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Die Zeit

Ich saß bei meiner holden Schönen
Und glaubte Göttern gleich zu sein,
Da trat mit dumpfen Glockentönen
Der Gott der Zeit zu uns herein;
Und zitternd wie die Turteltaube,
Wenn sie des Geiers Krall umflicht,
Sprach sie: "O Greis, verschon' uns, raube,
O raub uns unsre Liebe nicht!"

Vor seiner Stirn, der runzelvollen,
Verneigt' erschreckt sich unser Aug';
Wir sahn vor ihm vorüberrollen
Jahrhunderte wie Staub und Rauch;
Doch wie er aus der Blüthenlaube
Mit rauher Hand die Rose bricht,
Fleht sie: "O Greis, verschon' uns, raube
O Raub' uns unsre Liebe nicht!"

Ich schone Nichts auf dieser Erde
Und Nichts selbst in des Himmels Flur,
Erwidert er mit Zorngebärde,
Ihr kennt mich als den Alten nur;
Was für vergangen hält der Glaube,
Mir strahlt's in Eines Tages Licht;
Sie aber fleht: "Verschon uns, raube,
O raub' uns unsre Liebe nicht!"

Auf hundert Völker, glanzumhüllet,
Stürz' ich noch hundert Völker hin,
Nie ist der dunkle Schlund gefüllet,
Und ihr wie sie verschwindet drin;
Vor mir zerfällt zum Aschenstaube
Der Stern mit seinem stolzen Licht.
Sie aber fleht: "Verschon' uns, raube,
O raub' uns unser Liebe nicht!"

Zum Trotz mir, spricht er, scheucht noch immer
Die Lust bei Euch der Uebel Graus,
Und die Natur, sie feiert nimmer,
Streckt fruchtbar ihre Wurzeln aus;
Stets neue Früchte glühn im Laube,
Die meine Hand auf's Neue bricht.
Die Schöne fleht: "Verschon' uns, raube,
O raub' uns unsre Liebe nicht!"

Drauf flieht der Gott; die ihn umschweben,
Die Freuden leihn uns ihr Geleit,
Und wir, der Liebe hingegeben,
Vergessen gern die Flucht der Zeit.
Da aber tönt an's Ohr, das taube,
Die Glocke, die den Zauber bricht,
Und Beide flehen wir: "O raube,
O raub' uns unsre Liebe nicht!"


Aus: Lieder und Chansons von Beranger
Übertragen von Adolf Laun [1808-1881]
Bremen Verlag von J. Kühtmann's Buchhandlung 1869 (S. 59-60)

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Die Wissenschaften

Beim ew'gen Träumen ward mir bange,
Ich sah's, wie sich mein Geist verlor,
Der Lieb' entsagt' ich, dem Gesange,
Und stieg zur Wissenschaft empor.
Doch Freude nicht, noch Ruhestätte
Bot mir des Wissens Prunk und Zier.
D'rum Lafontain', und Du, Lisette,
O Mus', o Liebe, bleibt bei mir.

Mir war Natur Armidas Garten,
Wo ich entzückt umhergeirrt,
Dieweil dem Physiker, dem harten,
Sie nur des Wissens Beute wird;
Im Tiegel läßt er Alles schmoren;
Metall und Stein und Pflanz' und Thier,
D'rob geht der Fee der Stab verloren;
O Mus', o Liebe, bleibt bei mir.

Gern flücht' ich zu der Kindheit Mähren,
Will eines Doctors weiser Mund
Am todten Körper mir erklären
Das Leben und des Lebens Grund.
Wie lernt er gründlich mich verstehen
Den innern Bau des Lämpchens hier,
Doch ich will nur das Leuchten sehen.
O Mus', o Liebe, bleibt bei mir.

Ja, häufet Zahlen nur auf Zahlen,
Ihr meint, daß d'rauf der Himmel hört,
Wenn auch zu wiederholten Malen
Der Sterne Lauf die Rechnung stört;
Schon bricht Physik durch alle Schranken,
Sie zwingt, allmächtig dort und hier,
Noch einst die Sonne, abzudanken;
O Mus', o Liebe, bleibt bei mir. -

Daß wir uns um so inn'ger lieben,
Bleib' Poesie uns immer nah,
Sie ist den Sterblichen geblieben,
Der Götterwelt Ambrosia. -
Ein Frösteln zieht durch meine Glieder,
Naht schon des Lebens Abend hier?
Weht Träum' auf meine Gruft hernieder;
O Mus', o Liebe, bleibt bei mir.


Aus: Lieder und Chansons von Beranger
Übertragen von Adolf Laun [1808-1881]
Bremen Verlag von J. Kühtmann's Buchhandlung 1869 (S. 72-73)

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Die Flucht der Liebe

Schon seh' ich, Amor, dich die Schwingen heben,
Leb' wohl, die schönen Jahre sind dahin,
Die ungetreuen Grazien entschweben
Und höhnen mich, daß ich nun einsam bin.
Verwünscht' ich deine Macht in frühern Tagen,
Da wußt' ich nicht, was sie mir einst beschied.
Je mehr die Liebe Thränen bringt und Klagen,
Je größer ist der Kummer, wenn sie schied.

Noch lag ich in der Kindheit Schlaf gebunden,
Da riefst du, und das Auge ward mir klar,
Da hab' ich dich, die Schönheit da empfunden,
Da bot ich selbst mich deiner Kette dar.
Ich ahnte, noch so jung, nicht deine Plagen,
Das Gift, das Fieber, das die Brust durchzieht.
Je mehr die Liebe Thränen bringt und Klagen,
Je größer ist der Kummer, wenn sie flieht.

Die Küsse, die mir Rosa einst gespendet,
Vergaß ich, doch ich habe stets gedacht
Der Seufzer, an Eulalia verschwendet,
Der Leiden, welche Nina mir gebracht.
Der einen durft' ich meine Gluth nicht sagen,
Die andre war so schön, daß sie mich mied.
Je mehr die Liebe Thränen bringt und Klagen,
Je größer ist der Kummer, wenn sie schied.

Drum flieh nur, Amor, flieh nur, meinetwegen,
Ich seh's, ich werde ja von dir verlacht,
Die Freundschaft streckt mir ihre Hand entgegen,
Sie kennt mein Leid und ist auf Trost bedacht.
Sie steht mir bei in meinen alten Tagen,
Wo was mich einst beglückte, von mir schied.
Je mehr die Liebe Zähren bringt und Klagen,
Je größer ist der Kummer, wenn sie flieht.


Aus: Lieder und Chansons von Beranger
Übertragen von Adolf Laun [1808-1881]
Bremen Verlag von J. Kühtmann's Buchhandlung 1869 (S. 86-87)

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Verwünschter Frühling

Stand sie zum Fenster hingebogen,
War ich an's Fenster wie gebannt,
Wo Küsse durch die Lüfte flogen;
Wir liebten uns, ob unbekannt.
Dort durch der Linde kahle Zweige
Hinüberblicken, welch ein Glück!
Doch ach der Winter ging zur Neige!
Verwünschter Frühling kehrst du stets zurück?

Dein dunkles Laub, das sich erneuet,
Birgt mir die himmlische Gestalt,
Die armen Vöglein Futter streuet,
Wenn's schneit und stürmt, wenn's rauh und kalt;
Und kommen sie, dann ist's ein Zeichen,
Ein Ruf für uns're Liebe Glück.
Schön ist der Winter ohne Gleichen!
Verwünschter Frühling kehrst du stets zurück?

Wenn du nicht wärst, säh' ich noch immer,
Wie sie vom Lager sich erhebt,
Frisch wie Aurora, deren Schimmer
Hellleuchtend durch die Dämm'rung bebt.
Und wenn's an ihrem Fenster dunkelt,
Sagt' ich: Schlaf' wohl, mein süßes Glück,
Du Stern, der mir am Tage funkelt. -
Verwünschter Frühling, kehrst du stets zurück?

O holder Winter, kehre wieder,
Ach hört' ich doch den Hagel schon,
Wenn an den Scheiben auf und nieder
Er klopft und klirrt mit leisem Ton.
Der Blumen Schmuck, des Zephyrs Wehen,
Der lange Tag sind mir kein Glück,
Ich kann sie ja nicht lächeln sehen. -
Verwünschter Frühling, kehrst du stets zurück?


Aus: Lieder und Chansons von Beranger
Übertragen von Adolf Laun [1808-1881]
Bremen Verlag von J. Kühtmann's Buchhandlung 1869 (S. 92-93)

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Noch immer Liebe

Ich sprach zu mir: Der Jugend Götter ließen
Dich hier zurück, du, Alter stehst allein;
Sie sollten einst dein brechend Auge schließen,
Doch täuschte dich der Hoffnung falscher Schein.
Ich sprach's, da stand vor den entzückten Blicken
Ein schönes Weib, sie wußte Herz und Sinn
Mit eines Wortes Zauber zu umstricken:
Nicht alle Liebe floh für mich dahin!

Nun werd' ich neuen Kummer noch erfahren,
Die Ruhe aber wird mir auch zum Joch;
Als Liebe mich bezwang mit dreißig Jahren,
Da seufzt' ich schwer, und froher war ich doch;
Bei ihr, die mir genaht auf Himmelswegen,
Tritt manch entschwund'ner Reiz mir vor den Sinn.
Ihr Herbstesrosen, duftet ihr entgegen:
Nicht alle Liebe floh für mich dahin!

Noch hat mein Aug' der Thränen Quell zu spenden,
Es singt mein Mund das Lied der Liebe noch;
Ich sing' und lieb' auf's Neu', und von mir wenden
Lehrt Schönheit mich des Winters rauhes Joch.
Jetzt winkt die Blume mir mit holdern Düften,
Die Nacht ist lau und hellrer Glanz darin,
Ich höre Flügelschlag in rein'ren Lüften:
Nicht alle Liebe floh für mich dahin!

Aus: Lieder und Chansons von Beranger
Übertragen von Adolf Laun [1808-1881]
Bremen Verlag von J. Kühtmann's Buchhandlung 1869 (S. 100)
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Die Sirene

Die Wogen fließen sacht . . .mit Funken
Hat sie bestreut das Abendroth -
Kein Ton mehr - still, in Schlaf gesunken
Sind Wind und Arbeit, Lust und Noth.
Da tönt ein Wort, so wonnetrunken,
Das mit der Welle auf und nieder trieb:
O Lieb! O Lieb!

Wer ruft so süß? Am Uferhange
Harrt die Sirene auf den Raub.
Weh Dem, den sie mit Zauberklange
Ins Röhricht lockt, ins Binsenlaub.
Und sieh, schon naht mit schwankem Gange
Ein schöner Jüngling ihrem Element . . .
Die Wange brennt!

O komm, so spricht sie, heiß Entzücken
Gewährt mein Arm, gewährt mein Kuß.
Ich weiß die Jugend zu beglücken
Ich trage Dich durch wilden Fluß.
Laß Dich von Weisheit nicht erdrücken,
Die ihre Opfer, bleich von Schmerz umglänzt,
Mit Lilien kränzt.

Die Liebe macht die Wogen blinken,
Darin wir schaukeln sorgenlos.
Du siehst sie steigen, siehst sie sinken,
Und Du erwachst in meinem Schooß.
Die schönste Welt, Du siehst sie winken,
Der ew'ges Licht und ew'ge Wärme leiht
Die Seligkeit.

Schlürf' denn die Lust in vollen Zügen,
Ruh' mir am Busen, voll und weich -
Kann Dir der kurze Rausch genügen,
Die Glut, die Asche wird sogleich?
Das Leben, Kind, und das Vergnügen,
Hier unten wohnt's - denn hier ist der Genuß
Ein langer Kuß!

Der Knabe stürzt sich in die Wogen -
Wer sah ihn wieder? Niemand mehr!
Nachts schallt noch von den Uferbogen
Das Singen der Sirene her.
Und eine Stimme kommt gezogen
In Klagetönen trüb und bitterlich:
O fleht für mich!

Aus: P. J. de Beranger's Letzte Lieder 1834-1851
Deutsch von Julius Rodenberg [1831-1914]
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 101-102)

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