Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Dimitrie Bolintineanu (1819-1872)
rumänischer Dichter




Aus: Wettgesang der Hirten

Nur die holden Grazien sollen
Mir den Freudenbecher kränzen
Trübes will ich nimmer hören,
Seh' ich Wein im Glase glänzen.

Denn ein Mädchen, das wir lieben,
Und das uns liebt, ist ein Glas,
Vollgeschenkt zu süßer Labe;
Schlürft es aus, das edle Naß! -

Alba Dora von Castritza,
Teufel mit dem goldnen Haar,
Die das Röckchen hoch empor hebt
Ob den Waden wunderbar,

Wenn sie übers Bächlein schreitet,
Das sechs Monde trocken liegt,
Daß kein Falter sich die Schwingen
Netzen kann, der drüber fliegt!

Ruft mir winkend, und im Umsehn
Ist sie ins Gebüsch hinein;
Doch von ferne seh' ich schimmern
Ihres Haares goldnen Schein. -

Daß man doch oft das Leichteste
Nicht recht zu sagen weiß!
Jüngst schlich ich mich zur Liebsten hin
Und sagt' ins Ohr ihr leis:

Du hast in deinem Busen da
Zwei Täubchen, weiß und fein;
Und jedes hält im Schnäbelchen
Ein frisches Erdbeerlein!
_


Eine Jungfrau reichte neulich
Mir im Traume ihre Hand;
Zwischen Licht und tiefem Schatten
Sie wie Morgenröte stand;
Gold ihr Haar, ob ihrem Busen
Flatterte ein leicht Gewand.

Ach, er war wie eine Rose,
Wenn sie sich erschließt zur Nacht -
Weiter kann ich nichts euch sagen,
Da ich plötzlich aufgewacht.
_


Nein, nichts vergehet hier auf Erden:
Endlos der Strom des Lebens wallt;
Wir, die wir heute sind, wird werden
Noch erben andere Gestalt.

O, würde ich zum Sonnenstrale!
O, möchtest du ein Tröpfchen sein,
Daß ich aus duft'ger Blumenschale
Dich liebedürstend schlürfte ein!
_


Der Wolf verfolgt das Rehlein,
Das Reh das Gras der Au;
Und ich ein Hirtenmädchen
Mit Augen maulbeerblau.

Wolf will das Rehlein fressen;
Das Rehlein nagt das Gras.
Ich will vom Rosenmunde
Der Liebsten - ratet, was?
_


Liebste, weißt du wie der Mensch
Die Unsterblichkeit erwirbt?
Wer vom Götternektar trinkt,
Weißt du, daß er nimmer stirbt?

Liebste komm! dein roter Mund
Ist so süßen Nektars voll;
Laß mich trinken, weil ich, ach!
Heut vielleicht noch sterben soll.
_


Viele starben für den Glauben:
Lebend wurden sie verbrannt;
Andre siechten hin im Kerker,
Fesseln schwer an Fuß und Hand.

Da ist mir es eingefallen:
Ich auch will Märtyrer heißen;
Um den Nacken statt des Stranges
Legt mir Lilias Arm, den weißen!


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 91-93)

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Festmahl

Laßt nach der Woche Schweiße uns heut' am frohen Sonntag
Einmal in Frieden ruhn;
Im Schatten jener Ulmen, da wollen wir uns lagern
Und uns an süßem Weine und Scherzen gütlich thun.

O sag mir an, Geliebte, ob deines Busens Lilien
Von ihm die Weiße leihn?
Wie, oder er von ihnen? - Aus deinem vollen Kelche
Fiel auf den Arm dir eben ein roter Tropfen Wein.

Abwischen? Was? Ein Tüchlein? - Brauchst dich ja nicht zu zieren,
Nimm meinen Flammenmund!
Wie, schlürft nicht auch die Sonne den Tau aus Rosenknospen,
Der in den Kelchen glitzert in früher Morgenstund'?

Geliebte, du bist Herrin jetzt meines ganzen Lebens!
O thu mir den Gefallen
Und öffne deine Zöpfe, daß ihre goldnen Wogen
Vom Scheitel bis zur Sohle den schönen Leib umwallen!

O Liebste, zeig den Freunden den Fuß, mit dem sich's immer
So reizend tändeln läßt!
Zeig ihnen deine Wade, damit sie schaun und glauben,
Beseligt, wie einst Thomas am Auferstehungsfest,
Doch hüte dich zu zeigen die beiden Rosenäpfel,
So süß, so zart, so weich,
Daß selbst Frau Venus' Finger sie mit Vergnügen streicheln,
Und deren Duft dem Dufte der Walderdbeere gleich!


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 94-95)

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Cilia sich legend

Ergießt euch, meines Liedes heil'ge Ströme,
Und hüllt euch in ein süß Geheimniß ein,
Wie erste Küsse und die Jugendliebe,
Die nur in schatt'ger Einsamkeit gedeihn.

Von einer schönen Hirtin will ich singen,
Um deren Hals ich schlang ein weißes Band;
Ich will sie singen, wenn die holden Grazien
Ihr abends dienend lösen das Gewand.

Im Mondenscheine wandelt sie durch Büsche
Und legt das Kleid auf einen Buchenzweig,
Wie eine Lilie ihre Blätter ablegt,
Nur noch ihr Haar umwallt sie schleiergleich,

Als wär's ein Aar mit wolkengrauem Fittich,
Der aus der Schmach der engen Haft entfloh;
Er schüttelt sich und breitet weit die Schwingen,
Und über Gletscherschnee entschwebt er froh.

Sie wirft das Haar zurück jetzt in den Nacken,
Stemmt auf den Stein den Fuß - welch reizend Bild
Und zieht den Schuh aus, der sie etwas drückte;
Ein Heer von Wünschen flattert um sie wild.

Sie zieht das Hemd hoch über ihren Busen
Wie Apfelblüten wird sie rot dabei -
Die weißen Arme tauchen aus dem Linnen:
Jetzt ist ihr ganzer Oberkörper frei.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 95-96)

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Das Weib

Das Weib ist gleich der Blume,
Von Himmelsduft umweht,
Sie leuchtet wie die Sonne,
Wenn sie im Mittag steht.

Wie an des Falters Rüssel
Der Staub der Lilie klebt,
Also mich ihres Busens
Duft immer noch umschwebt.


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 96)

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Aus: Laßt uns fröhlich sein

Die Liebe, die sich selber achtet;
Ein hoher, heldenhafter Geist,
Der durch erhabne, schöne Thaten
Sich seines Ursprungs wert erweist:

Das ist ein Quell stets junger Freuden;
Wenn sich des Unglücks Sturm dann hebt,
Mag er auch alles, alles rauben,
Das eine nicht: ich hab' gelebt!


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 96)

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Die närrischen Weisen

Sag, was redest du von Größe
Greisenweisheit, grau von Haar?
Mädchenschönheit, Küsse, Liebe
Willst du wohl verachten gar?

Größe, Reichtum, Rang und Namen
Zu erwerben leichter glückt,
Als man auf der Liebsten Busen
Einen einz'gen Kuß nur drückt.

Jede Stadt, die man belagert,
Ist gefallen, jede Eiche:
Sie bleibt kühl und unbeweglich,
Was ich auch gemacht für Streiche.

Auf des Ruhmes Lorbeerkissen
Hat geruht mein junges Haupt,
Doch auf ihrem Busen hat sie
Mir zu ruhn noch nicht erlaubt.

Sagt, was nützt mir alle Größe?
Mag ich auch die ganze Welt
Mir erobern - wenn trotz allem
Mich ein Weib als Sklaven hält?

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 96-97)

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Schüchternheit

Zum erstenmale sprach ich ihr
Von Liebe und Verlangen;
Da neigte sie das Angesicht
Errötend und befangen.

Sie flüsterte: "Jetzt darf ich nichts,
Nichts mehr zu hoffen wagen." -
"Ich wollte nach fünf Jahren dir
Ein süß Geheimnis sagen."

Sie frug: "Warum sagst du's nicht gleich,
Wenn du mich glaubst zu lieben?
Du weißt doch, unsre Tage sind
Auf Lilienduft geschrieben."

Ich sagte drauf: "Ich habe dich
Geliebt seit langen Tagen;
Doch hab' ich meine Liebe still
Im Herzen tief getragen."

Darauf erwiderte sie lächelnd:
"Du thatest recht daran;
Geheime Liebe ist das Schönste,
Was man hier finden kann."

Ich frug: "Glaubst du, daß wahre Liebe
Auf Erden kann vergehn?" -
"O liebe mich wie eine Schwester!"
Hört' ich sie hastig flehn.

Doch Lügen straften ihre Blicke
Das kaum gesprochne Wort,
Ob sie auch ihre Hand errötend
Von meiner Brust zog fort.

Als ich sie enger dann umarmt,
Hob sie verschämt die Lider;
Doch als ich ihre Stirn geküßt,
Da senkte sie sie wieder.

Und flüsterte: "O, liebst du mich,
So geh, laß mich alleine,
Und schütz mich vor mir selbst, daß ich
Die Liebe nicht beweine!" -

Und ich gutmüt'ger Narr, ich ging!
Um erst zu spät zu sehen:
Dem Kühnen nur ist hold das Weib,
Den Feigen läßt es gehen.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 97-99)

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Träumereien

Aus: Des Menschen Ziel

"Soll diese Handvoll Staub im Wind verwehen?
Wie - oder stammt aus höherem Geschlecht
Des Geistes Funke, welcher, ach! hienieden
Dem rohen Stoff gegeben ward zum Knecht?"

So frag' ich oft, und Gott erwidert freundlich:
"Was lebt, hat all' sein Recht und tiefern Grund;
Die Blume soll mit ihrem Duft entzücken;
Ein Strahl erhellt den bodenlosen Schlund.

Die Thräne soll das schwere Herz erleichtern,
Des Mittags Glut kühlt sich im Tau der Nacht.
Und du, du laß dich von der Freude küssen -
O lieb', so lange dir die Liebe lacht!"

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 100-101)

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Ein Leiden

Weh, ich muß verbrennen; wie im Wind die Lilie
Bebt mein Herz, mein Auge bittre Thränen weint;
Jetzt ist alles um mich trüb und wolkendüster,
Und auf einmal wieder hell die Sonne scheint.

Bald verwünsch' ich alles, bald gefällt es mir;
Heute möcht' ich sterben, morgen wieder leben.
Doch ein Ende hätte all mein schweres Leid -
Wollte meine Liebste mir ein Küßchen geben.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 102)

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Lieder und Küsse

Nimm deine goldne Harfe, junger Dichter.
Sieh, wie im Auge mir die Thränen glänzen!
Sing mir ein Lied, so will ich deine Stirne
Mit Lilien kränzen. -

Vergebens wirst du mir die Stirne kränzen,
O reines Herz, verstummt sind mir die Lieder;
Kein Tau erweckt die einmal welke Blume
Zum Leben wieder. -

Nimm deine goldne Harfe, junger Dichter,
Mit deiner Lieder Klang uns zu entzücken!
Zum Lohne werde ich auf deine Stirne
Dir Küsse drücken!

Da greift der Sänger mächtig in die Saiten.
Die Jungfrau küßt ihn wiederum und wieder;
Und sieh, mit jedem Kusse werden süßer
Des Jünglings Lieder. -


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 102-103)

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An . . .

Wenn die Zeit der Lilienblüte
Ihre süßen Düfte raubt,
Fallen ihre Blätter nieder,
Neigt sie matt und welk das Haupt.

Du verlorest deine Liebe;
Doch dich beugt der Kummer nicht:
Keine Thränenspuren finde
Ich auf deinem Angesicht.

Jugendlicher nur und heitrer
Lächelst du die Freude an,
Und dein Mund sucht einen andern,
Daß er wieder küssen kann.


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 103-104)

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Aus: Esme

Wenn sie durch das Haus hin tänzelt
Fällt ihr Haar verlockend keck.
Tausendstränig hüpfend nieder
Auf den Sirmali-Jeleck.

Wenn sie ausgeht auf die Straße,
Schlingt sie es zum Knoten kühn;
Steckt hinein die Demantnadeln,
Deren Steine Flammen sprühn.

Wehe dem, der unverschleiert
Esme sah ein einzigmal!
Weher dem, den auch nur flüchtig
Streifte ihres Auges Stral!

Von der Sohle bis zum Scheitel
Wie berückend, anmuthreich!
Ihre Seele eine Sonne,
Und ihr Leib der Lilie gleich!


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 105)

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Aus: Die Giaurin

Im kühlen Schatten auf Blumenmatten
Dahingestreckt, da möcht' ich liegen,
Mich an sie schmiegen, die glühende Stirne
Mit duft'gem Gezwirne der Locken bedeckt.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 105)

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Der Kuß

Sieh, wie friedevoll im Mondlicht,
Ruht der weite Bosporus!
O schwarzäugige Geliebte,
Gieb mir einen einz'gen Kuß! -

Bootsmann, spare deine Worte,
Weißt, daß ich nicht küssen darf.
Liebst du mich, so sei vernünftig -
Wohin blickst du denn so scharf? -

Sehe eine Sturmeswoge
Nahen, andre folgen ihr;
Doch was ist mir dran gelegen!
Um so schneller fahren wir. -

O kehr um! Vor Schrecken sterb' ich -
Wie das Boot sich hebt empor!
Thu mit mir nach deinem Willen -
Schließen werd' ich Aug' und Ohr!

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 105-106)

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Aus: Leili

Sie liebt, sie liebt! das Wort sagt alles, alles!
Ihr Hochgelahrten, neigt vor ihr das Haupt!
Werft eure Schmöker fort und laßt sie schimmeln,
Drin ihr der Weisheit Kern zu finden glaubt.

Hat Gott auf unsre Stirne nicht geschrieben
In Flammenzeichen, unverlöschlich tief:
"Gott ist die Liebe" - also laßt uns lieben!
Da uns der Vater selbst hierzu berief.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 106)

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Der Bootsmann

Bootsmann komm! die Thäler rauchen,
Bootsmann komm! die Nacht bricht ein.
Wie ein Halsband aus Rubinen
Liegt die See im Mondenschein.

Bootsmann komm, ergreif' das Steuer -
Wie die Woge seufzend schäumt!
Bootsmann komm! dies ist die Stunde,
Wo die Menschheit weint und träumt.

Fahr' hinüber, wo die Lampe
Matt durch grüne Büsche scheint,
Zum Kiosk, wo die Geliebte
Stille Liebesthränen weint!

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 106-107)

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Das Mädchen von Candili

Kennst du das weiße Mädchen,
Vor deren Thür Bulbul
Allnächtlich sich begeistert
Im Garten bei Stambul?

Ihr Haar ist schwarz, ihr Antlitz
So lilienweiß; sie lacht,
Wie über Meeresschlünde
Ein Licht in Sturmesnacht.

O, unter ihrem Blicke
Springt jede Knospe auf;
Die Sterne selbst am Himmel,
Sie halten an im Lauf.

So steh' auch ich jetzt stille,
Getrübt ist mir der Sinn;
Seit sie mir zugelächelt,
Weiß ich nicht mehr, wohin.

Seitdem sehnt sich mein Herze
Dorthin, wo laut Bulbul
Vor ihrer Thüre flötet
Im Garten bei Stambul.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 107-108)

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Das Gewitter

Hörst du nicht die Wogen brausen
An des steilen Felsens Rand? -
Bootsmann, lenke unser Schifflein
Schnell zurück zum sichern Strand!

Aber du Geliebte, laß mich
Schnell auf deinen Rosenlippen
Unser beider Schicksal lesen,
Ob wir scheitern an den Klippen!


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 108)

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Ihr Grab

Wo die hohe Sykomore
Ihr Gezweige trauernd neigt,
Wenn der Mond aus dunkelblauen
Wogen langsam höher steigt;

Wo am Strand die Wogen seufzen,
Bootsmann, dahin lenke deinen
Kiel, daß ich an ihrem Grabe
Trauern mag und Thränen weinen.


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 108)

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Liebeserklärung

Hier in mein Boot steig hernieder,
Daß ich dich hinüberfahre,
Schöne Paradiesesjungfrau
Mit dem rabenschwarzen Haare! -

Bootsmann, kannst du hin mich bringen,
Wo man keine Thräne weint;
Wo die Liebe nimmer endet,
Wo die Sonne ewig scheint? -

Jungfrau, ja ich kann dich führen,
Wohin du Verlangen trägst,
Wenn du, auf mich blickend, rot wirst,
Und die Augen nieder schlägst. -

Fragend blickt empor die Jungfrau -
Senkt sodann das Auge licht,
Eine holde Purpurröte
Überflammt ihr Angesicht.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 109)

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Ich komme

Liebesträumend schläft der Mond
Überm Meer und deinem Haus,
Du nur Liebste bist noch wach,
Sendest Sehnsuchtsseufzer aus.

Ruf den Schlummer, daß er dir
Küsse lind die Rosenwange,
Will er nicht, so rufe mich,
Daß ich liebend dich umfange.


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 109)

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Halalia

Singe, süße Nachtigal,
Singe deine schönste Weise!
Wandle, wandle, holder Mond,
Deine Wolkenpfade leise!

Im porphyrenen Kioske,
Dem am Fuß die Wogen schäumen,
Schlummert süß die Mondengleiche
Eingewiegt von Liebesträumen.


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 110)

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Wohin?

Freund, ich weiß ein Schlößlein,
Tief im Walde stehn,
Mit granitnen Säulen -
Hast du's nicht gesehn?

Dorthin will ich eilen,
Dorthin will ich fliegen,
Um auf ihrem Busen,
Sterb' ich, mich zu wiegen.

übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 110)

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Rufe mich

Träumend schläft der stille Mond
Auf dem steilen Felsenjoch.
Über Gärten Duft durchhaucht -
Du nur Liebste, seufzest noch.

Ruf den Schlummer, daß er küsse
Deine Stirn von Elfenbein,
Und will er nicht zu dir kommen,
Rufe mich und laß mich ein!


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 110-111)

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Aus: Eine Nacht der Liebe

4.
Wie ein Schmetterling im lichten
Sonnenstral sich fröhlich wiegt,
Wie er sonder Rast und Ruhe
Unstet hin und wider fliegt:

Also flattert sehnsuchstrunken
Meine Seele fort von hier
Durch der Liebe sonnengold'ge,
Duft'ge Wogen hin zu dir.

Woher dieser stille Zauber,
Der uns rührt im Herzensgrund?
Oder sag Geliebte, bist du
Gar ein Hauch aus Gottes Mund?

Unter deinen Füßchen springen
Rote Rosen duftig auf,
Und auf deiner weißen Stirne
Steigt ein Himmelstraum herauf.



12.
Liebestrunken schwimmt sie auf der Wonne Wogen,
"Liebe mich!" so haucht sie, schmiegt sich enger an.
Überm Meer der Mondschein, Nachtwind über Rosen -
Meine Lipp' auf ihrer, neidenswerter Mann.


13.
Horch, wie still! Es scheint, als hielte
Selbst die Nacht den Wagen an,
Balsamweiche Lüfte wehen -
Komm, daß ich dich küssen kann!

Sieh, die Stunden, deine Sklaven,
Öffnen dir schon das Gewand;
Gieße deines Busens Düfte
Auf mich aus mit offner Hand!

Liebe flicht dir Wonnekronen
Um dein königliches Haupt -
Selig, selig, dreimal selig,
Wer dir ihre Blüte raubt!

Horch: Die Nacht selbst, liebestrunken,
Haucht ein halbersticktes Ach!
Meer und Erde, Mond und Himmel
Hauchen's liebeglühend nach.

Ach! die Zeit, die nichts verschonet,
Schont auch deiner Schöne nicht!
Ach, vielleicht schon morgen, Liebe,
Ist erbleicht dein Angesicht!


14.
Komm Geliebtester, mein Busen,
Siehe, steht dir offen heut!
Komm geschwind, dich zu berauschen
An den Wonnen, die er beut!

Liebe Sonne, hör mein Flehen,
Und beschleunige den Lauf! -
Eine Blume ist die Jungfrau;
In der Liebe blüht sie auf.

Eben lacht sie dir noch zu;
Mit dem Wind muß sie sich drehen.
Heut hast du mich noch geküßt,
Morgen kannst du weiter gehen.

Meine Brüste sind zwei Gärten,
Die die Liebe dir allein
Heute nacht verstohlen öffnet;
Keinen andern läßt sie ein.

Schmerzen bringt die Zeit und Sorgen:
Liebster, laß dir Freuden geben.
Denn uns mahnt die flücht'ge Stunde:
Nur die Liebe ist das Leben!

Liebster, ich vergeh' vor Wonne;
Meine Augen füllen sich,
Und mein Leib bebt gleich der Lilie,
Wenn der Glutwind drüber strich.


übersetzt von Wilhelm Rudow (1858-1899)

Aus: Um die Erde. Eine Auswahl
der schönsten und kennzeichnendsten Dichtungen
der wichtigsten Kultursprachen,
übersetzt von W. Rudow
Leipzig Verlag von Karl Kaupisch 1891 (S. 111-113)

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Die Weberose

"Allerliebste holde Kleine
Mit so holdem Augenscheine
Werd' mein Liebchen, werd' die Meine
Seit du dich dem Knospenhaus
Still entrangest, trat'st heraus
Sprachst du keine Liebe aus.
Laß mich, laß durch Lustgesänge
Und durch ew'ger Lieder Klänge
Dich erhalten für die Länge!"

- "Kann nicht sein! nicht kann ich geben
Dir die Jugend und mein Leben
Nur für deine Lieder eben;
Hätt' ein Herz ich, einen Mund
Zu vergeben, jede Stund'
Tät' ich's einem Kaiser kund!"
Sagt' es und fleugt rasch von dannen
Wie ein Stern oft von den Bahnen,
Doch der Bursch von dieser Frist
Heiße Träume nur vergisst,
Bis ihn Gott in seiner Kraft
Rasch in einen Quell umschafft
Und das Mädchen über Nacht
Schon zu einer Rose macht;
Einer Blume schön und blendend
Aber keine Düfte spendend.

Alle Mädchen seit der Stunde,
Ohne Liebe in der Brust,
Sind auf diesem Erdenrunde
Blumen ohne Duft und Lust!


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 55-56)

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Gesänge und Küsse

"Die Harfe zur Hand, laß die Saiten sich regen
Daß freudig mir schwimmen die Augen im Glanz,
Ich werde dafür auf die Stirne dir legen
Den Lilien-Kranz!"

""Und willst du die Stirne o teures Leben
Mit Blumen mir kränzen: einst zieh' ich doch fort;
Denn nie kann Verjüngung der Tau wieder geben
Den Blumen verdorrt!""

"O nimm nur die Harfe und laße ertönen
Den trauten Palast von manch' heimischen Lied,
Dafür soll dir liebend die Stirne krönen
Ein Kranz meiner Küsse, der niemals verblüh't!"

Verbat sie ihm später auch Spiel und Gesang
Das Lied ihres Teuern ohne Ende erklang.


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 56)

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An ein junges Mädchen

Ich vergehe wie ein dorrendes Blättchen
Das unter den Baum fällt traurig und bang;
Ich vergehe wie ein murmelndes Bächlein
In einem melodisch leisen Gesang.

So ziehet singend der einsame Wand'rer,
Tränen vergießend am Weg früh und spät,
Das süße Flüstern im verhallenden Echo
Sein banges schmerzvolles Seufzen verrät.

Ich bin eine Blume des singenden Frühlings
Welche der Abendwind dorrt und bricht;
O du geliebtes viel schönes Mädchen
Auch dann noch liebend vergiss' mich nicht!

Wol jeder im Tode wird endlich vergessen,
Auch ich werd' vergessen bin ich einst fort:
O Jungfrau schmück dich mit Blümchen des Frühlings
Doch wirf sie vom Busen sind sie verdorrt!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 57-58)

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Klagelied eines gefangenen Romanen

Turteltaube, traurig', liebe,
Bin dahier so fremd wie du,
Singst im fernen Land nur trübe
Und ich seufze ohne Ruh.

Du hast Flügel, mit den kleinen,
Kannst zurück du unverwandt:
Aber ich - ich kann nur weinen
Tief im Kerker um mein Land.

Dir vielleicht im Liebesfeuer
Winket eine Schwester süß:
Aber mir ein Liebchen teuer
Das in Tränen ich verließ.

Du hast Flügel mit den kleinen
Kannst du hin wo sie verblieb:
Aber ich - ich kann nur weinen
Tief im Kerker um mein Lieb.

Fliege Vögelein du reines,
Kehr' zurücke in dein Land:
Ich, verschmähter Blümchen eines
Muß verdorr'n auf fremden Sand!


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 58)

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Gesänge

1.
Singe Nachtigall o singe
Ihren Schlaf verlängre mild;
In die Wolken Mond nur dringe
Unter Wolken sei verhüllt!

Denn im Tal so grün und blühend,
Nur dem schönsten Eden gleich,
Schläft die Holde liebeglühend,
Anmutsvoll und lockenreich!


2.
Dort im Wäldchen auf den Höhen
Drüber dunkler Nebel zieht
Saht ihr nicht ein Häuschen stehen
Wol mit Säulen von Granit?

Dorthin, dorthin möcht' ich gehen
Fliegen hin in süßer Lust,
Froh mein Leben enden sehen
Eingewiegt auf ihrer Brust!


3.
Wol verjüngt der Tau des Abend
Lilien auf dem Gestein,
Nur die Liebe kommt nicht labend
Meine Jahre zu erfreu'n.

Komm' o Freude, komm' und stille
Meine Sehnsucht, meinen Schmerz;
Komm' o Kuß, o komm und fülle
Mit der Liebe süß mein Herz!


4.
Dünste an dem Himmel wehen,
Hinter Wolken schleicht der Mond,
Laß im Schritt die Pferde gehen
Daß ich sag' was in mir wohnt.

Schöne folge mir zur Stunde
Denn folgst du nicht alsogleich:
Wie viel Blumen du am Munde
Alle werd' ich küssen gleich!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 59-60)

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Das Mädchen
Elegie

Ich weint' ein bittres Weinen am Busen meiner Liebe
Und meine Tränen flossen mit ihren im Verein,
Drauf sprach in leisem Flüstern sie ein Gebet so trübe
Viel trüber als im Sterben erglänzt der Lampe Schein.

Es war ein süßer Engel der Nachts in meinen Träumen
Seit jener Zeit stets weinend entgegen mir geschwebt,
Gleich einem teuern Traumbild auf öden Friedhofsräumen
Das zwischen Gräbern schreitet und seufzt: Ich hab gelebt!

Es war am frühen Morgen, da süß die Sonnenröte
Sich über Tau und Blumen ergisst auf Berg und Tal
Da froh selbst der Gedrückte wol unter seiner Kette
Am wolkenlosen Himmel begrüßt den ersten Stral.

Ich gieng zu ihr, betrachtend den Mond im falben Glanze
Der von dem Himmel scheidend in's Frührot still versank;
Das schöne Kind saß träumend und flocht an einem Kranze,
Es spielten seine Blumen auf ihrem Busen schlank.

So wie vom Licht der Himmel, umkränzt von dunklen Rosen
Hob sie zur matten Leuchte den Blick in banger Lust
Indeß die breiten Flechten im kind'schen Stolz sich goßen
Herab vom Blumenhimmel auf ihre weiße Brust.

O komm' zu mir, denn siehe, es wird der Wind verheren
Die Blume, die so blühend im lichten Morgenschein!
Wirst du von fernen Orten dereinstens wiederkehren
Umsonst wirst du sie suchen, denn sie wird nicht mehr sein!

Es wünschte noch im Sterben, der mir einst gab das Leben
Daß ich mich jener binde der nie mein Herz ich gab,
Nun bleibt mir nichts auf Erden als trauriges Ergeben
Und daß ich selbst mir grabe dafern ein stilles Grab!

Doch komm zu mir Geliebte, denn süß wird mir das Sterben
Wenn ich in deine Arme mein Haupt leg fromm bewegt;
So ist der Wand'rer glücklich kann er sich Nachts erwerben
Auf ödem Feld ein Blümchen, drauf er die Stirne legt!

Dort wo der Mond will halten in wehmutsvollem Sehnen
Durch Blicke frommer Liebe die Gegend still verschönt,
Dort wo die bange Mirte erblüht in heißen Tränen
Will ich nun geh'n und weinen auf ihrem Monument.

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 60-61)

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An eine Geliebte

Seliges Traumbild wo ist dein Weilen?
Nahmst du den Flug zum Himmel empor,
Gleich einem Falter, der sich erkohr
Wehende Luft zu seinem Verweilen?
Seliger Engel ach! meines Lebens,
Traum meiner Jugend flüchtig und schön!
Bist auf dem Ball des Schmerzes zu seh'n
Bist unter Sternen Ziel meines Strebens?
Hast du entsagt dem Leben, betrübt,
Laße davon die Kunde mir geben,
Daß ich verlasse die Welt und das Leben
Fliegend zu dir, die heiß ich geliebt!


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 64)

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Die Pappel

Eine Pappel grün und blühend
Hatt' ich einst besessen wol,
Wandrer ihres Weges ziehend
Blickten an sie liebevoll;
Kaum daß nur der Sommer fort:
Meine Pappel war verdorrt!

Hätt' ein Prinz sie wollen erstreben
Und zum Tausche gar so gern
Seine Krone mir gegeben
Glänzend gleich dem lichten Stern:
Hätt' ich nicht gegeben fort
Meine Pappel, die verdorrt!

Ihren Wipfel konnt' ich finden
Mocht ich selbst von ferne seh'n
Und des Nachts in steilen Gründen
Konnt' ich recht nach ihm nur geh'n.

Hätt' mein Liebchen, hätt' mein Leben
Jene Pappel selbst begehrt,
Und der Mund mir hold gegeben
Drei der Küsse mir gewährt:
Ja auch dann nicht wäre fort
Meine Pappel längst verdorrt!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 68-69)

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Das Erraten

Das Mädchen
"Rat du meines Lebens Sonne!
Spiegelt sich das Feld mit Wonne
Nicht in ferner Himmelszone?
Oder spiegeln nah und ferne
Nicht in Blümchen sich die Sterne
Rat' o Liebster! rate gerne!"

Der Dichter
"Kind, dem Lieder sollten schallen!
Rate ob sich nicht die Stralen
Hold auf deinen Lippen malen?
Oder ob dein holdes Mündchen
Sich nicht spiegelt manch ein Stündchen
Auf den Blüten? - Rat' mein Kindchen!"

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 69-70)

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Das Waldhorn

Langsam kam die Nacht mit ihrem Sternenschein
Unser Wagen hielt auf einem Berge ein.
Eine Jungfrau herrlich und von Reiz getragen
Gieng mit mir tief seufzend bis zu meinem Wagen;
Weit zu fremden Ufern mußt den Schritt ich lenken,
Wo nicht eine Sele mochte mein gedenken.
Sie war lieb' und lieblich wie des Glückes Triebe
Und trug in der Sele süße Jugendliebe.

Lieblich tanzt' der Mondstral auf dem Har der Schönen
Und in ihren Augen glänzten holde Tränen.
Fern von einem Felsen hört' ich leise hallen
Durch die Nacht des Waldhorns wehmutsvolles Schallen.
Seufzend sprach, die weinend mir zur Seite stand:
"Wenn du diesen Ton hörst fern im fremden Land,
O so woll', wenn niemals du mochst meiner denken
Wenigstens mir dießmal dein Erinnern schenken!"

Zehn der Jahre sind es, alles ist dahin,
Trüb' nur und in Tränen meine Jahre zieh'n.
Nicht mehr kennt mich jene die mein einzig Leben,
Fremden Armen hat sie treulos sich ergeben!

Weiß nicht was ich fühle hör' ich Waldhornklang
Reiche Tränen feuchten meinen Busen bang.

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 72)

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Täler wo Rosen . . .

Täler wo Rosen und Glockenblümchen sprießen,
Bäche von blinkendem Gold und Brillant;
Endlos will der Tag heut' ergießen
All seine Lust von der Liebe gesandt.

Süß und hell seh' die Sonne ich steh'n
Möge sie ewig so wärmend erglühen,
Möge das grünende Feld stets erblühen
Möge der Himmel stets stralen so schön!

Doch ich gleich der Blume verwelkt und zertreten
Neige die Stirne von Sorgen umwallt,
Und meine Sele so fremd und so kalt
Fühlt keine Sehnsucht und kann nicht mehr beten!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 72-73)

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Ein junges Mädchen auf dem Sterbebette

So wie der Gefang'ne stets singet im Turme
In Ketten geschlossen 'nen trüben Gesang,
Und so wie das Bächlein stets seufzet im Sturme
So sing' ich am Sterbebett traurig und bang.

Es senket die Lilie den Kelch und verblühet
Wenn trübe der Himmel und frostig der Tag,
Wenn Winde sie schrecken, die Sonn' sie durchglühet,
Wenn über die Blumen fällt Hagelschlag:

So hat mich betroffen viel schmerzlich und bitter
Ein Schicksal im heitersten Lebenssinn,
Und so wie die Lilie gefällt vom Gewitter
Bin ich nun gefallen auf's Krankenbett hin.

So zart wie der Tau, der vom Himmel sich schwinget
Und kaum, daß im Lenz meiner Wünsche ich steh',
Da zwischen den Blumen die Nachtigall singet
Ergriff mich o Gott! ein grausames Weh.

Ach bitter ist das Sterben in der Jugend Tagen
Wenn das Dasein so freundlich, die Tage hell steh'n,
Wenn Vögelein singen und Blumen uns sagen
Das Leben ist seufzerlos, lieblich und schön!

Es sterbe der Greis, dessen Stirne sich neiget,
Der müde der Last seiner Jahre oft weint;
Es sterb' der Gefang'ne, der seufzend sich beuget
Der Kette; es sterb', wer zerschmettert erscheint.

Doch ich gleich der Blume geboren im Regen
Wuchs auf in der Vögelein süßen Gesang;
Auch mich einst küssend mit inn'rem Bewegen
Mit Lippen von Tau die Liebe umschlang.

Wie tief im Herbste wenn Flocken schon schweben
Vom Winde geschüttelt das Blättchen fällt ab,
Ach seh' ich nun enden mein jugendlich Leben
Und sinke der Blume gleich traurig in's Grab.


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 73-74)

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Fürst Radu und sein Kammerfräulein

"Komm' zum frohen Kusse Kind und süßes Leben
Will dafür dir freudig Schmuck und Kleidchen geben!"

""Hab für frohes Küssen nie in meinen Tagen
Schmuck und schönes Kleidchen Fürst an mir getragen.""

"Küss' mich holdes Mädchen, laß mich Lieb' empfinden,
Oder soll ich kläglich an ein Roß dich binden!"

""An ein wildes Rößlein wirst mich binden müssen,
Denn ich werde nimmer strenger Fürst dich küssen!""

Hört das Rößlein kommen, wiehern, springen, schlagen;
"Wirst mir liebes Mädchen deinen Kuß versagen?"

""Ja an dieses Rößlein wirst mich binden müssen,
Denn ich werde niemals strenger Fürst dich küssen.""

Allen Hofstat ruft er Männer jetzt und Frauen
Und Fürst Radu läßt sich mit dem Mädchen trauen.


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 74)

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Das Mädchen

Einst im süßen Abendglanze
Spielt im Tal' ich nah' dem Bach;
Mit dem Blatt der Pomeranze
Eilt' ich Schmetterlingen nach.

Unter einem Weidenbaume,
Wo das Bächlein rauschte bloß,
Pflückt' ein Mädchen wie im Traume
Blumen traut in ihren Schoß.

Auf des Busens weiße Hügel
Senkten ihre Flechten sich,
So der Rabe senkt die Flügel
Wenn es schneiet winterlich.

Aus dem Schoß das holde Kindchen
Gab mir Blumen süß und schön,
Und von ihrem roten Mündchen
Küsse, Küsse zum Vergeh'n.

Seit der Zeit da spielen, fliegen
Munt're Falter froh umher,
Wenn sie sich auf Zweigen wiegen
Trüb' ich ihre Ruh' nicht mehr.

Denn für mich ist aller Frieden
Untergangen und verweht;
Bitter seufzt mein Herz hiernieder
Tränen wein' ich früh' und spät!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 75)

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Der Verbannte

Ihr Täler und ihr Wälder, die alle nur vergebens
Die Stunden meiner Kindheit mir froh gemacht und schön,
Und du o süßer Engel, du Liebste meines Lebens,
Nur einen Kuß dann geh' ich auf Nimmerwiederseh'n.

Zum Vaterland nicht werd' ich je meine Schritte wenden,
Mein Auge schließt ein Fremder, so will es das Geschick;
Doch all mein Dichten, Denken zu euch werd' ich es senden
Und euern Namen flüstern im letzten Augenblick!

Sieh eine holde Blume vom Stengel abgerissen,
Sie kann nicht länger leben, sie welkt und stirbt sogleich,
So ist auch der Verbannte dem Vaterland entrissen,
Auf der Betrübnis Busen neigt er die Stirne bleich!

O Zeit der süßen Jugend die meine Stirn umschlungen
Nicht wünsch' ich, kämst du wieder, dein süßes Morgenrot,
Denn fühllos ist mein Inn'res seit drein das Weh gedrungen
Und fern von meinem Lande wünsch' ich mir nur den Tod.

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 76)

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Die Nimpfenkönigin

I.
Nimpfchen zart wie Schneesflocken!
Mit so hellen, gold'nen Locken!
Komm aus deiner Himmelsluft
Rasch zur Erde reich an Duft;
Denn die Seufzer süß und bitter
Dringen bis zu mir herein
Durch die Stralen, durch die Wolken
In mein Blumenkämmerlein.

So sprach eine holde Nimpfe
Zu der Nimpfenkönigin
Die man rasch mit andern Nimpfen
Sah zur schönen Erde zieh'n.
Aber auch dem Weg der Wand'rung
Zwischen Sternen Wind und Tau
Ließ vom Himmel bis zur Erde
Sie der Füße Spur zur Schau.


II.
Auf des Abends dunkeln Treppen
Steigt hinab sie in ein Tal,
Schüttelt ab von ihren Flügeln
Mondesküsse ohne Zahl.
Nehmt von ihrem blüh'nden Munde
Maulberberen zart behart
Und von ihren hellen Locken
Schmetterlinge bunt und zart;
Nehmt von ihren gold'nen Wimpern
Jeder holde Veilchen gern,
Und aus diesen lieben Veilchen
Nehmt euch einen süßen Stern;
Nehmt die Beren euch, die zarten,
Die auf ihrem Busen blüh'n
Nehmt die hellen roten Ströme
Die auf ihrem Busen zieh'n;
Nehmt ihr ab den holden Gürtel
Den sie um die Mitte schlägt
Und der in die flücht'gen Schatten
Gold'ne Feuerstralen trägt.

Zwischen farb'gen Lichterwellen
Die so herrlich, lieb und hold
So auch unter ihren Füßen
Sprangen Lilien auf von Gold.
Tausend Stralen blieben hangen
An den Locken üppig, weich,
Die sich in der Morgenröte
Wiegten lieb und anmutsreich.

Tausend muntre Vögel sangen
In dem Sale der Natur,
Hier auf Früchten reicher Bäume,
Dort auf grünen Zweiglein nur.
Doch wohin sie irrend wandert
Hier durch Fluren, dort durch's Tal
Vöglein singen, Knospen springen
Süßer munt'rer überall.
Während sie durch's Gärtchen schreitet:
Gärtchen glüht im Stralenschein,
Und dem Falter gleich im Lichte
Neigt den Blick sie süß und rein.

Unter einer Silberpappel
Sitzt ein Nimpfchen hold und schön,
Lauscht dem Säuseln sanfter Weste
Die durch ihre Locken weh'n.
Über ihre bleichen Wangen
Sich ein Tränenpar ergoß
Während ihre Blumenhände
Läßig spielten in dem Schoß.
Abseits in geringer Ferne
Klang ein süßer Liebessang
Der durch Busch und Bäume schmeichelnd
Tief in's Herz der Nimpfe drang.
"Süße Sterne, liebste Sterne
Wo ist meine Nimpfe hin,
Die euch tragt in ihren Flechten,
Stets mit liebesfreud'gem Sinn?

Sagt es mir ihr lieben Veilchen
Die ihr ihr im Auge glüht
Sagt mir's liebe Perlen, die ihr
Unter ihrer Lippe blüht.

Wie der farb'ge Regenbogen
Glänzt ihr Har in mildem Schein
Und auf ihrem Antlitz reifen
Röschen zart und Röschen klein.
Stolz ist sie, ihr zartes Wesen
Einem Schmetterlinge gleicht,
Der den süßen Tau des Morgens
Abstreift von den Flügeln leicht."

So sang in dem nahen Garten
Sehnsuchtsvoll ein junger Hirt
Dessen Busen manche schöne
Taugeschmückte Blume ziert.

"Sagt mir doch ihr lieben Blümchen
Saht ihr einen Hirten nicht,
Der im Gürtel tragt die Flöte,
Blumen in den Locken dicht.
Er ist meines Lebens Leben,
Seinetwegen kam ich her
Aus dem Äter zwischen Blumen
Und dem ganzen Sternenher."

Einen Hirten sieht man schreiten
Bei des Tages hellem Licht,
Der im Gürtel tragt die Flöte
Blumen in den Locken dicht.
- "Komm' zu mir nur o Geliebte
Und erfreue meine Brust
Schütt'le mir aus deinen Flechten
Lebensblumen, Glück und Lust.

Sinnverwirrt weilt da die Nimpfe
Deren Antlitz roter wird,
Während durch die goldnen Hare
Anmutsvoll ihr Händchen irrt.

- "Geh' nur, geh' von mir, nicht glaube
Daß mein Herz dir Liebe zollt!"
Spricht die Nimpfe, während eine
Träne ihrem Aug' entrollt.
Unter Seufzern, unter Tränen
Spricht sie doch im Augenblick:
"Komm berausch' an mir dich Liebster,
Du bist ja mein einzig' Glück!"

Sprachs und gab mit süßem Kosen
Ihm den schönsten Schatz zur Stund,
Ihren Busen zum Entzücken,
Zum Beglücken ihren Mund.

Zwischen Schatten ziehen Stralen,
Manche licht und manche bleich,
Fliegen wie geliebte Träume
In der Zukunft finst'res Reich.
Sterne hell und Sterne funkelnd
Wiegen sich in leichtem Tanz,
Löschen aus und schimmern wieder
In dem schönsten Himmelsglanz.

In balsamisch süßen Düften
Ziehen Falter her und hin,
Wiegen sich auf tau'gen Blumen
Die so schön und lieblich blüh'n.
Zwischen Tau und Blumen fliegen
Nimpfen frei und ungehemmt,
Welchen aus den Augenwimpern
Hell ein gold'ner Bach entströmt.

Im Moment der Liebesfreude
Nimpfe sprach fast im Verdruß:
"Ach mein Liebster, sag' warum denn
Ist so eisig kalt dein Kuß?"
"Fürchte nicht!" so sprach der Knabe
Zu der Nimpfenkönigin
Und auf seinen breiten Locken
Sterben alle Veilchen hin.

Alle seine Formen schwinden
Und es wechselt die Gestalt,
Von den Blumen, von den weißen,
Wurm und Erde niederfallt.

An die Brust zieht er die Nimpfe,
Ruft: "Du bist mein einzig Glück!"
Und der Nimpfe Lippe blutet,
Gläsern wird ihr banger Blick.

Mit der Nimpfe eilt er jetzo
Rasch durch Schatten ungezählt,
Während er die schöne Beute
Fest in seinen Krallen hält.

Und in wilden heißen Küssen
Auf den Mund so wonniglich,
Auf den Busen, auf die Locken,
Süß berauscht, betäubt er sich!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 76-81)

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Die Dämonen

I.
Ei sagt mir Sonne, wo mögen denn wohnen
Die freundlichen Geister, die schönen Dämonen?
Ach küssen in Lust
Möcht' ich Nacken und Brust!
Denn wer sie zum Kuß hat, dem werden sie geben
Was Augen nur wünschen und Herzen erstreben;
Ich erbäte, mir genug:
Der Mutter Augenpaar,
Das sie halten im Krug
Geschmückt so wunderbar.
Sie fragt jetzt die Stralen, die liebevoll schauen
Auf Blumen und Blüten, auf Wälder und Auen
Der freundliche Hirt
Mit goldenem Har,
Dem Führer wird
Ein Stral so klar.


II.
Aus dem Himmel steigen nieder
Die Dämonen in den Hain,
Schütteln ab die weißen Sterne
Von den Flügeln zart und klein.
Auf den weißen Hemden blinken
Gold- und Silberblumen bunt,
Um die Mitte glänzen Gürtel
Nur aus Rosen voll und rund.
Von den Köpfchen wallen nieder
Locken von dem reinsten Gold,
Während süße Tauestropfen
Spielen auf dem Busen hold.
Es beginnt nun ihre Hora,
Über'm Hirten tanzt man hin,
Der sich stellt, als ob er schlafe
In der Wiese dunklem Grün.
"Spiel' uns blonder Hirtenknabe
Einen Tanz auf der Schalmei,
Daß wir zwischen Blumen, Sternen
Tanzen wonniglich dabei!"
- ""Werd' euch spielen holde Jungfrau'n
Wenn ihr mir nur nicht versagt
Froh zu küssen jene Blumen,
Die ihr auf den Wangen tragt -""
"Kann nicht sein mein Hirtenknabe
Bist ja nur ein Erdenkind!"
Rufen die Dämonen lächelnd
Wiegen sich in Luft und Wind.
Willst du spielen, so erhältst du
Gold'ne Zügel sammt dem Roß,
Wie das neue Licht so glänzend,
Das vom Himmel jemals floß."
""Kann nicht sein ihr lieben Nimpfen,
Hab' verloren die Schalmei,
Doch wollt ihr, daß ich euch spiele,
Kommt zur Pappel nur herbei,
Daß wir alle sie zerspalten
Und ich mir 'ne Flöte mach'!""
Munter folgen die Dämonen
Jetzt dem Hirtenknaben nach,
Bald darauf beginnt die Arbeit,
Endlich ist der Spalt gemacht.
""Steckt hinein die Hände Nimpfen!""
Ruft der schlaue Hirt und lacht,
Arglos folgen ihm die Geister,
Aber schon im selben Nu
Zieht er rasch heraus die Hacke
Und der Spalt springt wieder zu.
Lärmend klagen jetzt die Nimpfen,
Aber keine Gnade fand,
Alle sind zu Sklaven worden,
Und die Pappel drückt die Hand!

Doch auf ihre holden Lippen
Auf die Busen voll und rund
Drückt jetzt tausend heiße Küsse
Sein verliebter loser Mund.

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 81-84)

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Zeila

Erster Gesang
I.
Goldne Mondesstralen Liebesküsse streuen
Auf des stillen Bosfor's weiten Wasserplan,
Die mit hellen Farben, die das Aug' erfreuen
Über dunkle Fluten zeichnen eine Bahn.
Auf der Bahn, wo solcher stralenreicher Schimmer
Tausend Reize webt zum Schmuck der stillen Nacht
Ziehen bunte Fischlein, wie in Träumen immer
Teure Freuden ziehen, die uns einst gelacht.
Junge Odalisken sieht man freudig eilen
Auf das schäum'ge Mer aus des Serailes Sal,
Wie ein Vogelschwarm, der niergend im Verweilen
Freudig fliegt im hellen Maiensonnenstral.
Ihr Geräusch erfüllt mit selig süßer Freude
Eine Nachtigall, zu der das Rauschen dringt,
Die mit Sängerglut von Liebeslust und Leide
Fern in den Zipressen von Skutari
* singt.


II.
Bosfor! stiller Zaub'rer, der du stets gewesen
Wand'rern auf dem Weg ein milder süßer Traum!
Jeder Keim des Guten, jede Sat des Bösen
Zogen über deinen Busen, deinen Schaum
Fremde Schönheit übertraf die deine nimmer,
Gleichst du doch o Bosfor einem Diamant
Der in Blut von unlöschbarem Schimmer
Seinen hellen Glanz behält in jeder Hand!
Mancher fand sein einsam Grab in deinen Wellen,
Der im sichern Port heut' keine Ahnung trug
Daß schon morgen ihm ein Sturmwind wird zerschellen
Schiff und Mast, der ihn zum Abgrund schlug.
Neue Stürme können wieder zum Verderben
An die Ufer donnern, die heut' friedlich steh'n,
Neue Völker können diese Ufer erben
Drauf mit süßer Liebe meine Blicke seh'n:
Aber wie der Falter zu des Lichtes Flammen
Unermüdet strebt und drinnen qualvoll stirbt:
So fällt jedes neue Volk in dir zusammen
Das um deine Schönheit edler Bosfor wirbt!


III.
Aus den Fenstern des Serailes blickt im Harme
Eine Jungfrau auf das Mer, das vor ihr wallt;
Traurig stützt das Haupt sie auf die weißen Arme
Sterne küssen sanft die blühende Gestalt.

Blüh'nde Säulenhallen, die sich lustig baden
In den weißen Wellen des Marmoramer:
Können euch zu keinem größer'n Lobe laden
Als das schöne Kind, das schönste rings umher.

Eines Nachens Ruderschläge hört man fallen,
Unter dem Seraile bleibt das Fahrzeug steh'n,
Hinterm Berg versteckt der Mond jetzt seine Stralen;
Wessen Liedchen mochte durch die Nacht jetzt weh'n?

Kein Serail hab' ich am Mere
Schön mit Säulen von Porfier
Daß ich dich gewinn du Hehre,
Bin kein Pascha, kein Vezier.

Was kann uns durch Ehren werden
Die wir wünschen spät und früh?
Wer hat sie geerbt auf Erden
Daß auch wir woll'n erben sie?

Wie ein Kuß von süßem Munde,
Wie die Well' im Windesweh'n,
Hat auf diesem Erdenrunde
Auch der Mensch ach! kein Besteh'n.

Laß in deinem tiefsten Herzen
Heute alle Freuden glüh'n,
Morgen werden Leid und Schmerzen
Schon in deinen Busen zieh'n.

Wie ein Blümchen süß und prächtig
Heute blüh't und morgen dorrt:
So wird unser Leben nächtig
Ist die Liebe in uns fort.

Komm' darum o Schöne, Süße,
Laß uns trinken jede Lust,
Laß uns tauschen heiße Küsse
Blumen nur und uns bewußt!

Der Gesang verstummte, rasch mit leisen Tritten
Vom Serail zum Strande jetzt die Jungfrau kam,
Zwei der Worte bebten und mit leichten Schritten
Flog in's Fahrzeug sie, das lustig vorwärts schwamm.


IV.
Leise wogt das Mer, es schlingt um seinen Spiegel
Einen Stralengürtel, drin viel Blumen glüh'n,
Süßer Zefier küsst mit aufgebläh'tem Flügel
Sanft das dunkle Har der weißen Wanderin.
Ihre Rechte barg die Stirne die in Falten
Und beschattete die freundliche Gestalt,
Während ihre Blicke süß und liebend stralten
Wie ein Stral der Sonne, der auf Wogen wallt.
"Alibei!"
** so flüstert jetzt die Jungfrau bange
"Glaube mir heut läg' ich gern vor dir entselt,
Gerne weil ich glücklich . . . aber nein noch lange
Wollt' ich leben, ach noch lang' auf dieser Welt!" . .
- ""Liebst du wirklich mich, o sag es mir Geliebte?""
Fragt von Liebe trunken Alibei verwirrt;
"Alibei!" so spricht Zeila
*** die betrübte
"Hab' ich recht gehört? ist's Täuschung die mir wird?
Bist nicht du Geliebter meines Lebens Sonne
Die die Tage mir auf dieser Erde gibt?
Bist nicht du die einz'ge wahre Lebenswonne
Wenn der Kreis der Wackern, Schönen dich umgibt?
Ach, ich liebe dich? . . . Es äußert seine Liebe
Rose durch den Duft, das Vöglein durch Gesang,
Sternchen wüßte nichts von Liebe, glänzt es trübe;
Nur mir Armen fehlt der Liebessprache Klang." -
Hinter Bergen sah der Mond im stillen Leuchten
Einmal noch auf's Angesicht der Wanderin
Und verriet, was dem Aug', dem schönen, feuchten
Unter Tränen, Rosen mochte süßer glüh'n. -
"Zeigt es nicht von Liebe, wenn bei dir ich weile? . .
Glaubst, ich wüßte gar nicht, was von mir du willst? . . .
Willst du, daß ich meine Spiele mit dir teile?
Liebst du mich, o sag' mir, ob du nichts verhüllst?"
""Ich? . . . o sieh Geliebte, alles, Jugend, Leben,
Was das Auge sieht, das Ohr vernimmt,
Alles ohne dich wär' nur von Nacht umgeben,
Ohne dich wär' ich zum Sterben selbst verstimmt!""
- "Ali-Bei welch' Worte! wiederhol' sie wieder,
Nie vernahm ich solche, seit mein Geist nur denkt!"

So Zeila, doch ihr zittern alle Glieder
Während sie zur Jünglingsbrust ihr Antlitz senkt.
Hinter zwei Gestaden laßen sich jetzt sehen
Dem Fantome ähnlich Säulen schmuck und weiß,
Während sich Delfine in den Fluten drehen
Und dem Schiffe folgen rasch im weiten Kreis.


Zweiter Gesang

I.
Einem Wächter ruft Mustafa jetzt im Grimme. -
- "Sieh ein Weib weilt im Palaste hier" -
Schmerz und Traurigkeit liegt in des Sultans Stimme,
- "Eine Sultanin vielleicht, die treulos mir!
Seit drei Nächten seh' ich auf dem Mere streifen
Einen Unbekannten zu gewisser Stund',
Seine Blicke auf den Hügeln forschend schweifen
Während süße Liebeslieder singt sein Mund.
Heute Nacht, wer weiß, kommt er zum Strand nicht wieder
Glaube drum, daß sich verratet jene gleich
Der dieß Alles gilt, vernimmt sie nur die Lieder
Forschen will ich auf dem Antlitz farblos, bleich.

Du versteckst am Strand' dich und hörst du mein Pfeifen
Das zur Zeit erschallt und dir das Zeichen bringt:
Dann springst du hervor und mußt den Mann ergreifen,
Der verwegen bis zu diesem Ufer dringt."


II.
In dem Sale des Serails zum "gold'nen Horne"****
Leuchtet wie am Festtag heller Lampenschein;
Weiße Odalisken, d'runter manch' Erkor'ne,
Büßen ihre Formen unter Myrten ein.
In marmornen Vasen, golden ihre Säume,
Spielt des Wassers Woge hell und silberrein,
Während Türkenfrauen, schön wie sonst nur Träume,
Schmuck gegürtet, schauen süß und lieblich drein.
And're Frauen singen süße Liebeslieder
Zwischen Blumen auf dem Tamburin von Gold,
Wieder and're blicken auf das Mer hernieder
Mit verweinten Augen und doch lieblich, hold.
Zwischen d'rin Zeila sitzt, so bleich und trübe,
Ihren Blick voll Wehmuth auf das Meer gewandt,
In den dunkeln Locken, Reize süßer Liebe,
Spielt, als wär's mit Falter, ihre kleine Hand.

Eine weiße Sklavin schön, mit gold'nen Locken
Küsst die weiße Brust ihr, die so göttlich schön,
Wischt die trüben tränenfeuchten Augen trocken
Mit dem Seidenhar so prachtvoll anzuseh'n.
"Sultanin so lieb und teuer
Sag' was du dich grämst und kränkst?
Sag' warum des Auges Feuer
Du in süßen Tau nur senkst?"
Also fragt die Sklavin und zur selben Stunde
Meldet ein Eunuch die Ankunft des Allah,
Schrecken füllt die Herzen in der blü'nden Runde
Und die Sklaven grüßen ernst den Padischah.
Nun beginnt das Fest, die Gäste rings im Kreise
Stehen bald berauscht von Tanz und Musikklang,
Aber horch, vom stillen Bosfor klingt jetzt leise
Wie ein Liebeslied ein lieblicher Gesang.

"O trügerische Hoffnung, o gönne mir die Wonne
Verlaß mich endlich einmal, nicht lab' ich mich an dir
Denn ach! im bitter'n Wehe, des Todes schwarzer Sonne
Gefällt das Leben mir!

O geh' betrüge immer ein Herz das an dich glaubte
Das eingewiegt in Freuden ich arglos schlafen seh,
Und neige deinen Fittig stets über ihrem Haupte
Doch ich verbring' mein Leben in Tränen und im Weh.
Nur eine Reihe Leiden war meine ganze Jugend
Nicht einen Tag des Glückes vermag zu zählen ich
Die Einsamkeit, stets saß sie seit meiner zarten Jugend
An meinem stillen Lager und nie verläßt sie mich.
Und niemand kennt die Schmerzen, die meine Brust bewegen,
O Seufzer trag' mich sternwärts, entreiß mich meinem Leid,
Hinab in trübe Wellen senk' sich mein Tränensegen
Zu jeder, jeder Zeit!"


III.
Aber kaum war dieser Liebessang verklungen
Stand Zeila bebend, gleich 'nem Schreckensbild;
Nicht verbarg den Schmerz sie, der in sie gedrungen,
Kannt sie doch den Sang. Mustafa lächelt wild.
Sie ist's sprach er bang mit schmerzlichen Geberden,
Drauf durch alle Lüfte hell sein Pfiff erklingt;
Und die Odaliske sieht man bleicher werden
Bis sie in die Arme eines Sklaven sinkt.


Dritter Gesang

I.
Eine Stunde gibt es, da die süße Rose
Vom Gesang des Zefiers lieblich noch bewegt
Ihre Stirn nach Zefiers freundlichem Gekose
Senkt, als ob sie sich zu mildem Schlafe legt.
Und in ihrem Uebermut, im holden, süßen,
Läßt, als Königin der Blumen, die da blüh'n:
Sie für eine Wonne, für ein heißes Küssen
Gern das flücht'ge Leben mit den Wolken zieh'n.
Stralen gold'ner Sterne sieht man im Wellentanze
Mit dem eig'nen Glanz liebäugeln lustbeselt,
Aus des Meres Busen schwingt mit stillem Glanze
Sich des Mondes Scheibe, die den Plan erhellt,
Die nach kurzem Schwinden wieder kommt gezogen
Wie ein Lächeln süß auf einem Trauerbild;
Unter ihrem Lichte ziehen Wasserwogen
Deren Saum in dunklem Meresschaum sich hüllt.
Zehn Eunuchen, schwarz von Antlitz, frech und lüstern,
Führen dort im Schiff ein Weib so süß und schön,
Ach! die Wogen selber, die es tragen, flüstern:
"Sieh des Bosfors Blume, lieblich anzuseh'n!"
Auf den weißen Armen stützt sie das Haupt, das schöne,
Lauscht dem Seufzer, der sich leis der Nacht entringt,
Oder hört des Vögleins sanfte Trauertöne
Das im Garten zu dem gold'nen Horne singt.
Über tausend Wellen schweift ihr Blick voll Sehnen,
Ihn zu seh'n, an dem in treuer Lieb' sie hieng,
So wie ein Gedanke flieht zur Zeit der Tränen
Um das Glück zu suchen das verloren gieng.
Auf dem Schiffe hört man jetzt Befehle geben
Rasch zu ziehen östlich in's Marmoramer.
"Kehrt zurück!" Zeila ruft's in Angst und Beben,
"Nicht mehr will ich zieh'n lustfahrend hin und her!
Wolltest doch, Gebieter dieses Schiff's, mich leiten
Zu dem Padischa, zu süßem Liebesglück?
Hörst du nicht den dumpfen Sturm in fernen Weiten!
Sieh, er ist im Anzug! . . laß' uns zieh'n zurück!" . .


II.
"O Chanime"***** ruft das Haupt des Schiffes traurig
Und berührt das Eisen, das zur Seit' ihm hängt;
"Hast geträumt du heute jenen Traum so schaurig,
Daß man auf Befehl dich gleich im Mer ertränkt?"
""Ängstlich machst du mich, wem tat ich was zu Leide
Weiß nicht was du sagst, o sage alles mir,
Laß das Eisen Mann nur auch in seiner Scheide!"" . .

"O Chanime teure, du, du bleibst dahier . . .
Leider ist's kein Scherz . . . Mit deinen Bitten, Tränen
Mehrst die Schmerzen nur und nicht erweichst du mich!"
""Welche Schuld ist mein, o laß sie mich vernehmen!""
"Mein Befehl gebietet zu ertränken dich!"
""Mann, vernimm mich! bitter sind des Todes Bande,
Nicht reich mir den Becher, drein du Gift gesenkt, . .
Laß mich zieh'n zur Fremde, fern aus diesem Lande . . .
Morgen kannst du sagen, daß du mich ertränkt! . . .
Sieh wie jung ich bin, wie schön sind meine Glieder . . .
O bedenke dieß, und wenn ich sterben soll
Wird der Morgen schon nicht fröhlich leuchten wieder,
Wird die Sonne nicht mehr stralen wonnevoll.
Hast du keine Mutter, Schwestern lieb und süße:
Mach' zur Sklavin mich, erlaß mir nur die Pein,
Meine Tränen sollen waschen ihre Füße,
Oder bist allein, will ich dir Schwester sein.
Wenn durch Alter sollte dir das Leben enden,
Will ich Blumen legen auf dein stilles Grab!""
Doch der Schwarze spricht die Arme an den Lenden
"Sieh den Sturm! . . . zur Welle mußt du jetzt hinab!" . . .
""Soll in deiner Sel' mir kein Erbarmen werden
O so laß mich hören, wo weilt Ali-bei? . .""
"Ali-Bei o Weib? der weilt nicht mehr auf Erden
Längst fiel ihm das Haupt!" Der Schwarze seufzt dabei.
""Tot!"" so ruft jetzt aus das Weib in Schmerz und Beben,
""Tot! und ich weil lebend noch auf Erden hier! . . .
Wirf mich in die Fluten, will nicht länger leben
Jetzo will ich sterben . . . ich befehl' es dir! . . .""


III.
In die Mereswellen blickt der Mond jetzt nieder,
Der dem Bild des Todes bleich und traurig, gleicht,
Dann versteckt sein Antlitz er in Wolken wieder.
Jedes Schiff sieht, daß es rasch den Port erreicht.

Weiße Wellen auf dem Mere sind zu schauen
Die Gespenstern gleich auf ihrem Grabe zieh'n,
Bange seufzt der Sturmwind in des Schiffes Tauen
Ängstlich hört man Möven vor dem Sturme flieh'n.

Ferne an dem Ufer, tief im dunkeln Haine
Lauscht dem dumpfen Seufzer eine Nachtigal,
Während sich ein Fahrzeug zeigt im Mondenscheine
Einem Troste gleich an einem Tag der Qual.

Jeder Laut verstummt . . . und jedes Herz erkaltet . . .
Nur ein Seufzer noch, . . . nur ein Gebet, ein Blick . . .
Und durch's dichte Dunkel, das am Mere waltet
Kehrt das Schiff ohne Zeila still zurück.


* Skutari oder türkisch Skudar, ist ein Teil Konstantinopels,
gegenüber dem alten Palast zum goldenen Horne
gelegen, auf dem asiatischen Ufer
** Ali-Bai oder Kublei-Zade, ein Neffe des berühmten Veziers Kiupruli.
Dieser junge Muselmann ward von Mustafa II. zum Tode verurteilt
und hingerichtet, obgleich sein Oheim von sehr mächtigem Einfluss gewesen.
Sein Verbrechen bestand in der Kühnheit, um die Liebe der Sultanin zu werben.
*** Zeila ist die Heldin des Gedichtes. Sie war eine begünstigte Sultanin.
**** das goldene Horn - das Tor zum kaiserlichen Serail in Konstantinopel
***** Chanime - das Wort bedeutet eine türkische Frau.

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 84-93)

_____



Hial

I.
So war sie: gleich einem teuern Angedenken
Das uns schön're Tage in die trüber'n schenken,
Wie ein Traum so süß;
Wie ein Traum, gesponnen nur aus Lust und Wonne
Wie ein Traum, der uns empor schwingt zu der Sonne,
Und in's Paradieß.

Üppig, lieblich, gleich dem Marmormere sinnig,
Das den Kuß der Liebe drückt so warm und innig
Auf der Jungfrau Brust;
Rein, dem Lichte ähnlich, das in farb'gen Gluten
Gold'ne Sterne senden auf des Meres Fluten,
Hohe Himmelslust!

So nur könnt' Begriffe ihr davon euch bilden,
Wie ein Weib, auf Bosfor's reizenden Gefilden
Schön und herrlich war,
Das auf diese Ufer, drauf das Glück nur lachte,
An der Freude Wagen Liebesträume brachte,
Süß und wunderbar!

So wie eine Blume, die gepflückt im Garten
Lange noch bewahret ihren Duft, den zarten,
Und der Farbe Glanz:
So laßt ihre Sele süßen Tau entfließen
Der den ew'gen Himmeln Blumen laßt entsprießen
Wol zu manchem Kranz.

Glänzend ist ihr Gürtel, süß die Rosenwange
Und in sanften Wellen wallt das Har, das lange,
Lieblich niederwärts
Ihre blauen Augen wecken süßen Schauer
Leuchten doch aus ihnen Freude, Wehmut, Trauer
Liebesgram und Scherz.

Nicht fragt nach dem Lande, drin sie mochte wohnen!
Haben Engel der Poeten Nazionen?
Jene Sterne dort,
Träume rosig, golden, die uns sanft umschweben,
Süße Seligkeiten, die uns mild umgeben
Haben einen Ort?


II.
Eines Abends war es, als wir Beide zogen
Auf des blauen Bosfor's mondbeglänzten Wogen
Ziellos her und hin.
Rasch trug uns das Schifflein durch die Wasserwüsten,
Rasch sah'n Felsgestein, Lusthäuser, ferne Küsten
Wir vorüber zieh'n.

In der nächt'gen Stille hört' ich sanft und lüstern
Durch das Har der Schönen leise Weste flüstern,
Und das Sternenher
Goß auf's ferne Ufer seine Lichterwellen,
Formte schmucke Gärten, traute Liebesstellen
Und der Wunder mehr!

Rauschend sich die Woge unterm Strande windet,
Wo jetzt hinter Lorbern ein Serail verschwindet
Hell im Lichterglanz,
Wo viel tausend Vöglein lust'ge Lieder singen
Die in allen Gärten immer wieder klingen
Wie zu heit'rem Tanz.

Manchmal nur erscholl des Schiffmann's Liedchen leise
Und erweckte Wehmut mit der trüben Weise:
Seufzend rief ich laut:
"Mensch! Geschöpf der Erde, drüber Gott ergrimmte,
Rätselhaft wie die vom Schicksal dir bestimmte,
Holde, süße Braut!"

"Sag' warum denn mischt du deine eitlen Sänge
In so wunderbare süße Liederklänge?
Ist dein Schicksal nicht:
Still zu weinen auf der ganzen Lebensreise
Und zu dienen Armer! Würmern einst zur Speise
Wenn dein Auge bricht?"

"Laß Geschöpf des Elend's, laß sie lustig singen!
Laß in ew'gen Liedern die Natur erklingen!
Wem war der Genuß
Nachzuahmen den Gesang der Morgenröte,
Welche weiße Veilchen auf das Mer, das stete
Streut mit einem Kuß? -"

""O Poet!"" so sprach das Kind mit holden Zügen;
""Der Natur Musik, sie kann fürwahr uns trügen;
Zwar ihr Himmelsschall
Haucht uns Lieder ein, die dir nur eitel scheinen,
Ob sie aber auch befried'gen mag nur einen
Forsche überall!

Erst die Kunst vermag's, sie kommt mit zartem Walten
Mit der heil'gen Kraft, die wir von Gott erhalten,
Sammelt und versöhnt
Sind die Blumen, die im Felde steh'n verloren,
Schön zum Strauß gebunden, nicht wie neugeboren,
Hundertfach verschönt!""

Sprach's, indeß mein Aug' in weite Fernen blickte,
Wo der Mond das Mer mit gold'nen Blumen schmückte
Weit bis an den Strand;
Wo gleich einer Blume, einem süßen Sterne
Jetzt die holde Jungfrau in der dunkeln Ferne
Meinem Blick entschwand. - - -

So als hätt' erraten sie mein tiefstes Denken
Sah ich sie errötend ihre Blicke senken.
Welch' ein holdes Bild!
Wie ein Leben liebt ich's, wie ein teures Leben,
Das noch alle Wonnen uns vermag zu geben
Nur von Lieb' erfüllt.


III.
Glücklich träumt ich. Schütteln sah ich sie die Locken
Die im leisen Windhauch bebten wie erschrocken
Einer Woge gleich,
Die im Mere schäumt und zitternd sich erhebet,
Oder wie wenn unter Tränen steht und bebet
Eine Lilie bleich.

"Wer bist du Geliebte, die in meinem Weinen
Mir zu süßem milden Troste will erscheinen
Und mit heil'ger Lust
Ach! mein schmerzerfülltes Herz mir will verjüngen
Und die Wonne heißer Liebesküsse bringen
Meiner armen Brust."

"Tränen gleich dem Tau seh' ich im Aug' dir lauschen,
Die mit süßen Seligkeiten mich berauschen;
Auf dem Busen rein
Seh' des Lebens Frühlingsrose ich erblühen,
Während in dem Dunkel deiner Locken glühen
Sel'ge Träumerei'n."

Zitternd sprach ich's aus, da floß zur Wange nieder
Sanfte Himmelsröte, die in Blässe wieder
Lieblich sich verlor.
""Bin dein Ideal, mein Bräut'gam ist der Himmel,
Meine Wohnung ist entfernt vom Weltgetümmel
Die ich mir erkor! -""

"Hast du Milde, Güte in der Sel' der süßen
O so laß mich die betauten Rosen küssen
Dir vom holden Mund;
Komm berausch mich Kind mit deiner heil'gen Liebe
Mit dem Traum der Jugend, mit des Glückes Triebe,
Sei mein Gott zur Stund'!"

Träum'risch aber schien das Wesen meiner Schönen,
Über ihre Wangen flossen sanfte Tränen
Und ihr Blick, so schön,
Flog zum Himmel, wo in Wüsten-Regionen
Gottesblumen sind gesät in Millionen
Prachtvoll anzuseh'n.

Augensterne baden in dem Glanz so lüstern,
Während sanft durch uns're Locken Lüfte flüstern
Lüfte weich und lind;
Freude weckt das Murmeln und das Spiel der Wellen,
Hoffnungswonnen meinen armen Busen schwellen
Die berauschend sind.

Bei der Glut der Sterne, die so prachtvoll scheinen
Ach, ertränk' ich ihre Sehnsucht mit der meinen
In der Tränen Flut,
Raube in der Stille jener nächt'gen Stunde
Bebend einen Kuß von ihrem Rosenmunde
Und vergeh' vor Glut!

"O ihr reinen Tränenströme meiner Wonnen
Fallt hernieder Sterne, die ihr gleich den Sonnen
Hoch am Himmel kreist!" . . .
Als sie mir entschwunden, sie, die mich entzückte,
Flog sie in den Himmel, der so trübe blickte
Und ich stand verwais't.

Zwischen Schatten, Sternen sah ich sie voll Sehnen
Doch in ihrem Auge lagen Furcht und Tränen,
Ach und von da ab
Ist mein Sein getrübt, der Himmel ohne Sterne,
Und es gleicht der dunkle Bosfor nah und ferne
Einen stillen Grab'!


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 93-98)

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