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      Charles Mackay (1814-1889)
 englischer Dichter
 
 
 
 Sterb' ich zuerst
 
 Sterb' ich zuerst, Geliebte,
 Dann soll mein Geist dereinst
 Am Himmelsthore warten
 Und harren, bis Du erscheinst! -
 Ja, harren und warten auf Dich, Lieb,
 Und durch die weite Nacht
 Mit Menschensehnsucht spähen,
 Bis mir Dein Auge lacht!
 
 Von allen Himmelssternen
 Seh dann nur Einen ich,
 Die Erde, Stern meiner Liebe,
 Halb Himmel, er trägt ja Dich; -
 Ganz Himmel, er trägt ja Dich, Lieb,
 Und hellste aller Sphären,
 Von Deinem Lächeln durchleuchtet,
 Geheiligt durch Deine Zähren.
 
 Sterb' ich zuerst, Geliebte,
 Ich fühl', daß es mich ereilt -
 Doch der Himmel ist mir nicht Himmel
 Bis einst mit Dir getheilt, -
 Bis einst mit Dir getheilt, Lieb,
 Vor dem Thor ich harren will,
 Als Schutzgeist Dich umschweben,
 Dich lehren, zu warten still.
 
 Und kommt dann Deine Stunde,
 Und durch die schwindende Nacht
 Seh' Deinen seligen Geist ich
 In Licht emporgebracht -
 Dann eilt mein Geist Dir entgegen
 Und durch das ew'ge Thor
 Steigt, Eins mit Dir auf ewig,
 Er jubelnd licht empor! 
      (S. 271-273)
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 Gute Gesellschaft
 
 Und sitz' ich allein, wenn der Abend sich neigt,
 Das Zwielicht in wechselnden Tinten sich zeigt -
 Mit Gedanken so flimmernd und vag wie ein Stern,
 Und ihm gleich, dem Jammer des Lebens so fern, -
 Dann steht nach dem Glück nicht mein Trachten, mein Sinn,
 Denn ich fühl', daß ich in sehr guter Gesellschaft bin.
 
 Und sitz' ich am Heerd' an des Freundes Seit',
 Und kämpfen wir heiter den Meinungsstreit,
 Und lockt mancher Hieb aus dem Panzer den Witz,
 Rasch folgend dem Pfeil des Gedanken, gleich Blitz, -
 Dann zieht es zu keinem Vergnügen mich hin,
 Denn ich weiß, daß ich in prächtiger Gesellschaft bin.
 
 Und sitz' ich beim Lieb, das so hoch mich beglückt,
 Und ihr Blick sagt was Sprache nie ausgedrückt,
 Oder folg' auf den Lippen, vom Lächeln umwiegt,
 Dem süßen Geheimnisse, das in ihm liegt -
 Dann steht selbst im Traum nicht nach Eden mein Sinn,
 Denn ich fühl', daß ich in himmlischer Gesellschaft bin. 
      (S. 273)
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 Die beiden Bücher
 
 Zwei Liebende die lasen
 Einst liegend auf dem Rasen
 Ein Buch voll alter Sage
 Von Lieb' und Liebesklage. -
 Des Mädchens Augen schau'n
 Voll wonnigsüßem Graun
 Nicht auf vom Zauberblatt,
 Das sie gefesselt hat -
 Sie blicken dann und wann
 Den Liebsten selbst nicht an; -
 Die Lippen wogten bang,
 Als sie die Kunde las, die ihr das Herz durchdrang.
 
 Des Burschen Augen, beid',
 Stahl'n schelmisch sich beiseit -
 Bald auf die weiße Brust,
 Ach, jedes Blickes Lust! -
 Zum Aug' voll Sonnenschein,
 Hellblau, wie Aether rein,
 Zu Locken, Lipp' und Mund,
 Der voller Perlen stund
 Und süßern Athem spendet
 Als milder Süd uns sendet -
 Dann hin zur zarten Hand,
 Zum kleinen Feenfuß, leicht tanzend über's Land!
 
 "Ei, sagt er, 's ist genug,
 Deins ist für mich kein Buch -
 Die jetzt ich les', die Seiten,
 Sind schöner ja bei Weitem!
 Dein Buch enthält, weiß Gott,
 Nur düst're Liebesnoth -
 Doch meins nur laut're Wahrheit,
 Nur Schönheit, Jugendklarheit,
 Gefühle, süß und zart,
 Und Freuden tiefster Art.
 Laß ruhn Dein Buch im Schrein -
 Mein Buch ist mir Dein Aug' - mein Lied, nur Du allein! 
      (S. 275)
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 Was die Welt verschönt
 
 Sag' wogend Laub, sprich Meeres Pulseschlagen,
 Du blüh'nde Landschaft, Hügel, Ströme, sprecht:
 Wie könnt ihr mir ins glüh'nde Herze tragen
 Die neue Regung - Himmelswelten sprecht:
 Welch tiefes, namenloses Wonnegraun
 Kommt über mich, wie nie, bei euerm Schau'n?
 
 Und auf mein sinnend Fragen Antwort scholl es,
 Als sie ihr quellend, lichtes Auge zart
 Zu mir erhob! Voll Offenbarung quoll es,
 Als süßer Dollmetsch jeder Schönheitsart;
 Sie sprach - - ich küßt' den Mund der Perlen hält;
 Da wußt' ich's: Liebe nur verschönt die Welt! 
      (S. 279)
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 Übersetzt von August Boltz 
      (1819-1907)
 
 Aus: Beiträge zur Völkerkunde aus Wort und Lied
 Acht Abhandlungen und erweiterte Vorträge ethnographisch-linguistischen 
      Inhaltes
 nebst einer Sammlung von über hundert Dichtungen in zwanzig Sprachen und 
      Dialekten,
 im Urtexte nebst metrischer Übersetzung in den Original-Versmaßen
 von Dr. August Boltz
 Oppenheim am Rhein Verlag von Ernst Kern 1868
 
 
 
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