Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik


 

Christobal de Castillejo (1491-1556)
spanischer Dichter

 


Lida und Amor

Durch den Blumengarten hüpfte
Lida, in der Schönheit Glanze;
Duft'ge, kaum der Knosp' entschlüpfte
Rosen, weisse Liljen knüpfte
Sie zu einem blüh'nden Kranze.
Als geschäftig so die Hand,
Unvermuthet Amorn fand
Liegend sie dort in den Rosen;
Und sie fesselte den Losen
Schnell mit ihrem Blumenband.

Als der wilde Knabe findet,
- Nie von Fesseln mocht' er hören -
Dass ihn eine Kette bindet,
Dass gefangen er: da windet
Er sich trotzig, will sich wehren,
Sucht - vertrauend seinen Schwingen,
Die ihm Freiheit sollen bringen,
Weil er völlig ohne Waffen -
Sich der Kette zu entraffen,
Die ihn hält in ihren Schlingen.

Aber als sein Aug' er wendet
Auf den Busen, dessen Schimmer
Zart wie Milch, dess Weisse blendet,
Der den Vorrang sicher spendet
Dem der schönen Mutter nimmer;
Als er Augen, Stirn und Wangen
Sieht in solchem Reize prangen,
Dass selbst Götter zu entzücken
Fähig sie, und zu berücken -
Gern da giebt er sich gefangen.

Und er wendet an Cythere
Eiligst mit den Worten sich:
"Mutter, Königin, o höre,
Einen neuen Amor köre
Nur ins künftige für Dich!
Zürn' auch nicht und wolle klagen;
Denn, es offen Dir zu sagen:
Wenn gebührt zu herrschen mir,
Ist das schönste Plätzchen hier,
Meinen Thronsitz aufzuschlagen."
(S. 112-113)
_____



Auf die Krankheit seiner Geliebten

Diese Krankheit, die entzündet
Fieberglut in Euer Gnaden,
Die an das Gemach Euch bindet,
Ich bin's, der sie mehr empfindet,
Den mit Kummer sie beladen.
Und mir brechen will das Herz
Vor Betrübniss, dass Euch fehlet
Jede Freud' und jeder Scherz.
Euch bedrückt nur eigner Schmerz,
Mich der Eur' und meine quälet.
(S. 116)
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Übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)

Aus: Blüthen spanischer Poesie
Metrisch übertragen von Friedrich Wilhelm Hoffmann
Dritte, stark vermehrte Auflage
Magdeburg und Leipzig
Verlag der Gebrüder Baensch 1857
 



 

 


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