Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


René De Clercq (1877-1932)
niederländischer Dichter




Aus: "De bloem der heide"

I.
Mein Arm hielt ihn umfangen
um Hals und Haupt,
und was ich konnt' verlangen,
ward mir erlaubt.

Ihr Schwestern, mit Zieraten
habt ihr genug.
Wie könntet ihr da raten,
was ich ihn frug?

Nicht gold-gewundne Spenden
für Arm und Hals.
Sein Haupt in meinen Händen
war mir mein All's.

Doch mußt' er Lieb und Leben,
was er besaß,
das mußt' er ganz mir geben:
das wollt' ich, das.


II.
Wo irrst durch Tal und Gründe
doch, Liebste du?
- Ich geh, bis ich dich finde
ohn Rast und Ruh.

Ich geh bis an die Höhen,
ans Hügelblau,
wo kosend Winde wehen
so wonnig lau.

Ich geh, wo Bäche blinken
dein Bild empor,
wo Silbertröpflein sinken
von Schilf und Rohr.

Wo irrst du, fragt die Linde,
doch immerzu?
Ich geh, bis ich dich finde
ohn Rast und Ruh!


III.
Ich hab den Trunk genommen,
der rauscht und rett't,
und seh dich kommen, kommen
bis vor mein Bett.

Es sind wie die der Tauben
die Augen dein,
blau-feucht sind sie wie Trauben
voll Liebeswein.

Wie Knospen sind die Lippen,
die offen gehn,
wie Rosen, die zum Nippen
halb offen stehn.

Aus deinen Augen sprießen
mir Lust und Licht,
auf deine Lippen schließen
sich meine dicht.


IV.
Die starren Buchestämme
stehn blutig rot,
es lohn der Berge Räume
in Sonnentod.

Und von den Höhen hallen
herab Schalmein,
süß klingt der Nachtigallen:
Vergiß nicht mein.

Muß ich einst, Liebster, sterben
mit wehem Mut,
dann wird kein Berg sich färben
mit Sonnenblut.

Nicht Nachtigall wird klagen,
noch Hirtenstimm.
Mein brechend Aug wird fragen
nach ihm! nach ihm!

übersetzt von Wilhelm Schölermann (1865-1923)

Aus: Vlaemische Dichtung Eine Auswahl im Urtext und in Übersetzung
[Wilhelm Schölermann]
Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1916 (S. 13-19)
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