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      Erik Sjöberg (Vitalis) (1794-1828)
 schwedischer Dichter
 
 
 
 Liebeslieder
 
 1.
 Noch hörst du in des Sanges Heiligthume
 Mein flehend erst Getön.
 Dein Bild ist meines Herzens schönste Blume,
 Mein Lohn, und o wie schön!
 
 Die Hoffnung malt die Leinwand mir zu Zeiten,
 Du stehst zuerst auf ihr.
 Für alle Wonnen, die sich dort verbreiten,
 Die Farb', entleiht sie dir.
 
 Laß Herzen einmal an mein Herz mich drücken,
 Und nimmer lass' ich sie;
 Eh' kann des Schicksals Macht mich mir entrücken;
 Das, was ich liebte, nie.
 
 Wenn uns der Abend lichte Sterne sendet,
 Sucht mein Gedanke dich;
 Und wenn zu uns sein Antlitz Phöbus wendet,
 Dann denk' ich noch an dich.
 
 Sieh diese Thräne, die mein Auge feuchtet
 In der Erinnrung Hain,
 Ein Thau, - noch schöner, schöne Blume, leuchtet
 Drin deiner Krone Schein.
 
 Ob auch mein Auge nicht mehr widerstrahlet
 Dein engelschönes Bild;
 Doch aus dem Lied, worin mein Herz sich malet,
 Enttaucht es rein und mild. 
      (S. 101-102)
 
 
 2.
 Mein bist du, mein! Im Tode wie im Leben
 Leb' ich allein in dir.
 Ich trotze Allen, die mir widerstreben,
 Doch beug' ich mich vor dir.
 
 Ich kämpfe mit den zorn'gen Mächten allen
 In That wie in Gesang;
 Für dich will ich verkannt die Welt durchwallen
 In grauser Ketten Zwang.
 
 Dich lieb' ich ja. Gleich gilt drum meinem Herzen
 Der Tage läst'ge Frist.
 Leicht ist die Kett', ich kenne keine Schmerzen,
 Weil sie von dir ja ist.
 
 Gleich Wolken werden meine Tage schwinden,
 Dann eil' ich heim zu dir.
 Laß Lieb' an deinem Herzen dort mich finden,
 Versagt blieb sie mir hier. 
      (S. 103)
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 An Laura
 
 Fühlst du, wie von Sylphenschwingen
 Sich leise dir bewegt das Haar,
 Hörst Geisterklagelaut du klingen,
 Gleich einer Ahnung wunderbar:
 Das ist ein Ton von fernem Strand
 Der Leier in des Freundes Hand.
 
 Und schwillet Wehmuth dir im Herzen
 Bei des gefangnen Vogels Sang,
 Deß Töne leben nur von Schmerzen
 Trotz neuen Lenzes holdem Drang:
 Sei der Genosse theuer dir,
 Er lernte ja sein Lied von mir.
 
 Wenn du ein dunkles Irrlicht siehest,
 Das zwischen stummen Gräbern weilt,
 Und, wenn du raschen Schritts entfliehest,
 Dir nach auf deinen Spuren eilt:
 O das ist mein Gedank' an dich;
 Trennt doch von dir mein Schicksal mich.
 
 Wenn auf dem Stengel eine holde
 Und bleiche Blum' einsam sich neigt.
 Und sich auf ihrer Wangen Golde
 Dir eine stille Thräne zeigt:
 Das ist mein Ebenbild fürwahr,
 Seit ich von dir geschieden war.
 
 So magst du die Natur verstehen,
 Wenn sie dir trüb' und leidend scheint,
 So hören mich in ihr und sehen,
 Der Zephyr seufzt, die Blume weint;
 Und ich verkenn' in ihr auch nicht
 Den Strahl von deiner Schönheit Licht. 
      (S. 79-80)
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 An Laura
 
 Schöne Circe, schöne Circe,
 Feige mußt du mich nicht nennen!
 Gegen Männer lernt' ich kämpfen,
 Doch versteh' ich Zauberkunst nicht.
 
 Hätt' ich darin deines Auges
 Kunde, welches besser wäre,
 Hört' ich heut von deinen Lippen
 Als Gefangner nicht mein Urtheil.
 
 Denn fünf täuschten mich der Diener,
 Denen ich erwies nur Gutes.
 Was ich von dem Glück erbeutet,
 All' die Beute gab ich ihnen.
 
 Schweiß vergoß ich, sie zu nähren,
 Sprang vom Schlaf auf ihretwegen.
 Welcher Herr, wenn man ihn dennoch
 Täuscht, verlöre die Geduld nicht?
 
 Gegen deiner Schönheit Zauber
 Dacht' ich ritterlich zu streiten;
 Doch zu Ueberläufern machte
 Mein Gesicht ein Blick des Auges.
 
 Dem Gesicht lief das Gehör nach
 Bei dem Ton von deiner Zunge,
 Und der Mund entflieht, verlangend
 Nach dem Kuß der Rosenlippen.
 
 Und die andern weichen alle.
 Wehe, daß ich ihnen traute!
 Thoren gießen Oel ins Feuer,
 Und erstaunen, daß es brennet.
 
 Jammer! Die Vernunft schon führen
 Sie in Banden und in Ketten
 Fort mit in der Schönheit Lager -
 Ach, was soll ich Armer machen? -
 
 Mit dem Zauber mich versöhnen!
 Denn dein Zauber ist die Schönheit.
 Ich verzeihe meinen Sinnen,
 Die auf Schönheit sich verstanden.
 
 Gerne bin ich ein Gefangner,
 Deines Herzens Sklav ich selber,
 Doch mein Mund Sklav deiner Lippen,
 Auszuruhn auf ihren Rosen. 
      (S. 81-82)
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 An Laura
 
 Schon sank' die Sonn', und Luna stehet bleich,
 Wie die Entsagung, in den blauen Räumen.
 Der Sturm, dem Sieger auf dem Wahlplatz gleich,
 Reißt räubrisch alle Blüthen von den Bäumen.
 Natur stellt treu und wahr mein Innres dar:
 Mein Leben ist auch jeder Blüthe baar.
 
 Auch dieses matte Licht, schon lischt es aus,
 Dem Mond gleich, der auf Lilien träumend blicket,
 Und wie die letzte Lamp' im Trauerhaus,
 Wie Blicke, die ein Sterbender noch schicket.
 Von dir getrennt faßt so die Nacht mich wild;
 In Thränen schaut Erinnrung kaum dein Bild.
 
 Dem Blumenpfad glich meines Lebens Fluß,
 Als, Engel, deiner süßen Stimm' ich lauschte.
 Gefangen lag der Tonkunst Genius;
 Doch wenn von deiner Hand geweckt sie rauschte,
 Stieg sie erlöst in lieblichem Getön
 Empor zu Gott, wie deine Seele schön.
 
 O wie ich epheugleich mich an dich schloß,
 In jener Zeit, die deinen Blick mir schenkte!
 Wie da aus deinem Aug' ein Himmel floß,
 Wenn still mein Haupt an deine Brust ich senkte!
 Ach, alles Schön' ist rasch mit dir entflohn
 Wie Zephyrs abendlicher Seufzerton.
 
 Mich führte sie zum holden Sitz der Kunst
 Dein milder Blick gleich einem Wundersterne.
 O dort gewähre mir noch eine Gunst,
 Dort fliehe nicht, dort folge du mir gerne.
 Noch oft kehrt Kuß und Blick und Liebesglück
 Dem Dichter im Gesang und Traum zurück. 
      (S. 83-84)
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 Die Spiegel
 An Laura
 
 Wenn ich einsam in des Trübsinns Schauer
 Seh', wie in den blauen Wasseraun
 Dort ein Bild erzittert bleich von Trauer:
 Kann ich dort kein Wangenröschen schaun.
 
 Wenn in deines Vaters Burg ich walle
 Zwischen Spiegelwänden manchesmal,
 Klar anglänzen dann mich die Krystalle,
 Klarer noch mein Bild so grau und fahl.
 
 Und es sieht mich an mit solchen Schmerzen
 Des dort eingerahmten Mannes Bild,
 Daß mir leis' aus meinem eignen Herzen
 Eine mitleidsvolle Thräne quillt.
 
 Doch wenn aus der Höhe du dann meinen
 Armen nahst, besänftigend mein Leid,
 Wenn sich küßt mein Auge mit dem deinen,
 O dann strahlt mein Bild von Seligkeit.
 
 Des Beglückten Stirne zu durchpflügen
 Hemmt der Zeitgott seines Pfluges Lauf.
 Rosen blühn, des Liebesgotts Vergnügen,
 Eos gleich mir auf den Wangen auf.
 
 Laß wie einen Morgenstern denn flimmern
 Mild dein Aug' auf meine dunkle Bahn!
 Nicht wird minder drum dein Auge schimmern,
 Läßt du Licht mich in der Nacht empfahn.
 
 Was mein Blick der Sonne auch entsauge,
 Ihres Reichthums Fülle schmälert's nicht,
 Gleich der Blume, die mit durst'gem Auge
 Leben trinkt und Reiz aus ihrem Licht. 
      (S. 85-86)
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 Amors Rath
 
 Sorglos saß ich eines Abends
 Und bespiegelte mein Antlitz
 In dem nektarvollen Glase.
 Und ich nahm den schönen Amor
 Auf die Knie, um ihn zu küssen.
 Wie ich diesem lieben Knaben
 Huldige vor allen Göttern,
 Liebet er auch mich vor Andern;
 Denn wenn er zum Vogelfange
 Geht, der schlaue Vogelsänger,
 Locket seiner Mutter Tauben
 Meine Leier, nicht die Pfeife.
 Hold ward drum der kleine Gott mir.
 Als ich nun gleich andern Menschen
 Wein trank, lächelte der Kleine,
 Und die Doppelrosen sagten:
 
 Schlecht hast du gelernt zu trinken,
 Dichter, weißt nicht, wie den süßen
 Nektar trinkt der Götter Vater.
 Doch du zweifelst nicht, daß Götter
 Besser sich verstehn auf Wonne.
 Wisse, Ganymed, der schöne,
 Oder Hebe, hold von Wangen,
 Füllet dort den goldnen Becher.
 Wenn nun Zeus erblickt den Schenken,
 Sei's der Jüngling, sei's die Jungfrau,
 Sieht man ihn nachdenklich werden;
 Denn bald schaut er an den goldnen
 Becher, bald die frischen Lippen,
 Die auch Nektarschalen gleichen,
 Und er weiß nicht zu beginnen.
 Doch nachdem er sich besonnen,
 Lacht er unaussprechlich freundlich,
 Und er sagt zum schönen Schenken:
 
 "Trink zuerst nun aus dem Becher,
 Daß du prüfest, ob der Nektar
 Auch hinlänglich göttlich schmecke!"
 
 Und dann merkt genau der Gott sich,
 Wo den goldnen Rand des Bechers
 Küsseten die frischen Lippen,
 Läßt dann dort die seinen weilen,
 Daß auf seinen eignen Lippen
 Freundlich sich vereinen möge
 Kusses Seligkeit und Nektars. 
      (S. 87-88)
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 Während einer Krankheit
 An Laura
 
 Wenn junge Rosen bleich und welk zerfallen,
 So seh' darin ich meines Schicksals Bild.
 Zum Abschied sollst du, fromme Laute, schallen!
 Noch einmal lass' ich eine Thräne mild
 Mit Wollust über deine Saiten wallen,
 Ein Regen ist es, der das Herz mir stillt.
 Viel Thränen weint' ich mit der Liebe Beben,
 Das ist der Schatz, den mir Natur gegeben.
 
 Des Todes Kuß fühlt meine Stirn schon lange,
 Den Arm reicht mir die Mutter Erde zu.
 Je näher ihrer Brust auf meinem Gange,
 So mehr fühlt Frieden meine Brust und Ruh'.
 Ob Rosen nicht mehr blühn auf meiner Wange,
 Wenn ich den ersten Schritt zur Grube thu',
 So färbt der Westen schon mich mit den Farben
 Der Rosen, die auf meinen Wangen starben.
 
 Ein Augenblick war's, wo ich Freud' auch kannte,
 Der, als ich mich an deinem Herzen fand.
 Als holde Blicke mir dein Auge sandte,
 Spann Gold und Seide mir der Parze Hand.
 Auf deinen Lippen glomm, was Wonn' ich nannte,
 Dein Blick, er war's, in dem mein Dasein schwand.
 Des Lebens Wüsten konnten mich beglücken;
 Von dir umarmt hatt' ich den Tod im Rücken.
 
 Du schufest mich mit deiner Blicke Flammen,
 Wozu dein Herz zu bilden mich beschloß.
 Die Tugend liebt' ich, seid ihr doch beisammen,
 Die Lippe sang, die deinen Kuß genoß.
 Du bists, von der die bleichen Lilien stammen,
 Das Erste, was der Phantasie entsproß.
 Da hat Natur mit wunderbaren Zungen
 Zuerst von Leid und Lust mir vorgesungen.
 
 O Erd', in deinem Schooße mir gewähre,
 Dem Flücht'gen, Ruhe, die ihm hier nicht ward.
 Nimm in den Arm mich, finstre Mutter, hehre!
 Des Lebens Träume haben mich erstarrt.
 An deinem Busen rinne meine Zähre!
 Wie? Läßt sie noch das Herz der Mutter hart?
 Das ekle Leben ist mir zur Beschwerde.
 O bette mich zu dir, du Mutter Erde!
 
 Doch sollst du mich nicht ganz und gar bewahren,
 Nimm deinen Theil! Er hinderte mich hie.
 Zum Licht gelüstet's mich emporzufahren,
 Wo jeder Zug des Athems Harmonie,
 Wo sich der Himmel mir wird offenbaren
 In höhrer Schönheit, meine Phantasie
 In meinem Mai bei Lebens Liederstimmen
 Das Goldthor sah im Abendlichte glimmen.
 
 Wenn du, o Laura, nahest jener Linde,
 Allwo dein Freund ausruht, geschirmt von ihr,
 Wenn Himmelsroth dich dann umwebt gelinde,
 So ists ein Liebeskuß, er kommt von mir,
 So ists mein Sang, der lieblich klagt im Winde,
 Und meine Seel' ists, welche kehrt zu dir,
 Um noch einmal von deinen schönen Lippen
 Erquickung ihres Durstes sich zu nippen.
 
 Wenn meinen Staub des Himmels Sturm zerstreuet,
 Wenn von der Erd' ich ganz geschieden mich,
 Wenn sich dein Herz mein denkend trübt und freuet,
 Und eine Thräne hold erleichtert dich,
 Birgt, wenn dein Lied am Flügel sich erneuet,
 Mein Geist in einem deiner Töne sich,
 Um, wenn sich deine letzten Klänge heben,
 Auf deinen Lippen tröstend zu verschweben. 
      (S. 89-91)
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 An die Abwesende
 
 Hätt' in Rosen hold gemalet
 Nicht dein Bild mich angeblickt,
 Nicht den Dornenpfad bestralet
 Mir dein Bild und mich erquickt,
 Führte zu der Kindheit Bühnen
 Deiner Lieder Ton mich nicht,
 Wie des Maies Kuß im Grünen
 Alle Knospen weckt zum Licht;
 
 Lächeltest du nicht vom hehren
 Himmel, wenn ich baar an Muth,
 Küßtest nicht vom Aug' die Zähren
 Mir mit heißer Liebesgluth,
 Gab nicht Tröstung meinem Herzen
 Deine Schönheit, hold erblüht;
 Todt dann weint' ich mich vor Schmerzen
 Gleich Gewölken aus dem Süd.
 
 Was auf Erden Schönes blühet,
 Gegen dich ists Wenigkeit,
 Was im Reich der Dichtung glühet,
 Hegest du, als wärs dein Kleid.
 Dir gleicht nicht der Blumen beste,
 Deren Knosp' erst eben bricht,
 Rose selbst, geküßt vom Weste,
 Hat doch deinen Athem nicht.
 
 Hör' ich holde Nachtigallen,
 Die der Dryas Arm umschlingt,
 Dann hör' ich dein Lied erschallen,
 Das mir meinen Namen singt.
 Deine Küsse, dünkt mich, schweben
 An der Wange mir gelind,
 Wenn der Bäume Wipfel beben
 In des Abends sanftem Wind.
 
 Oft am silberklaren Meere
 Geh' ich zu dem Wellenstrand,
 Suche mit dem Blick das hehre,
 Jenes sel'ge Inselland,
 Wo mich Friedenspalmen kränzen,
 Wo das Brautfest uns vereint,
 Wo der Sterne Schaar zu Tänzen
 In dem Hochzeitsaal erscheint.
 
 Und wenn einsam ich gedenke,
 Wie ich froh geträumt zuvor,
 Und das Haupt dann sorgend senke
 Gleich dem sturmgebeugten Rohr:
 Dann, wenn mit dem Abendscheine
 Sich die Sonne senkt ins Grab,
 O dann stille, stille weine
 In die Fluten ich hinab.
 
 Wenn du liebend wirst die Auen
 Wandeln jenseit an dem Strand,
 Und dort in den Spiegel schauen,
 Königin im Dichterland:
 Dann laß eine Thräne rollen
 In die tiefe Flut hinein!
 In dem Meer zum mindsten sollen
 Jene beieinander sein.
 
 Ach, vielleicht daß sie sich einen
 In der Tiefe blauem Land!
 Fern von dir wird mir erscheinen
 Oed' und blumenleer der Strand,
 Bis sich meine Seel' entschwinget
 Bei dem letzten Thränenleid,
 Und sie statt der Erd' erringet
 Dann den Lenz der Ewigkeit.
 
 Oftmals in dem nächt'gen Dunkel
 Seh' dein Bildniß ich im Traum,
 Seh', wie fern vom Lichtgefunkel
 Du versinkst in Meeresschaum:
 O dann stürz' ich sonder Weile
 Mich dir nach entbrannt von Lust,
 Daß zur Wonne, daß zum Heile
 Ich vergeh' an deiner Brust.
 
 Oftmals träumt' ich schon, ich stände
 In dem Kampf voll Kraft und Muth.
 Als dein Ritter dann verschwende
 Ich so gern mein junges Blut.
 Aber, eh' ich sterb', umfähet
 Noch mich deiner Arme Schluß,
 Und mein letzter Hauch verwehet
 Dann auf deinem Mund als Kuß.
 
 Lacht mir dieser Traum entgegen,
 Wo der Duft der Linde zieht,
 Ach, gleich einem Maienregen
 Fühl' ichs thaun vom Augenlied,
 Fühl' in Lust das Herz mir beben,
 Als vernähme dich mein Ohr,
 Fühl' aus meiner Brust entschweben
 Einen Maienseufzerton.
 
 Gleichend der Cypress' am Grabe
 Bin ich ein Gefangner hier;
 Doch es tröstet mich die Gabe,
 Jenes Abschiedslied von dir.
 Gleich schneeweißer Taube fliegend,
 Liebesheroldin hinfort,
 Bringt, des Dichters Leid besiegend,
 Es von ferne mir dein Wort. 
      (S. 92-95)
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 An eine welkende Rose
 
 Rose, sonst mir Augenweide,
 Sprich, warum dein Antlitz bleichet?
 Seit ich fern bin jener Holden,
 Bleichen deine schönen Schwestern
 Auf den Wangen auch des Sängers,
 Die gleich Fürstinnen im Purpur
 Dort in seiner Kindheit herrschten.
 Frisch und schön im Haine standst du
 Wie die Gluth auf Laura's Wangen,
 Heiter wie des Kindes Unschuld.
 Und zum Haine kam die Schöne,
 Brach dich von dem grünen Zweige,
 Und versetzte deine Schönheit
 In ein Thal von reinen Lilien.
 Holder ward da deine Röthe.
 Ros' und Lilie gewinnen
 Beide, stehn sie nah beisammen.
 Doch wie die bethaute Rose
 Bald sich niederbeugt zur Erde,
 Wenn der wilde Sturm erscheinet:
 So beim Laut der Abschiedstimme
 Sah die Schönste unter Rosen
 Nieder auf den armen Skalden
 Aus der Augen blauem Himmel,
 Weinend still gleich einer Blume.
 Da von Lilienbusens Eden
 Stahl ich weinend dich, o Blume!
 Doch wie konntest du gedeihen,
 Da bisher du selig weiltest
 Auf dem holden Lilienlager?
 Zwar nicht fehlte dir der Regen
 Aus den Wolken, die mir schwebten
 Düster um die Augen, weil sie
 Nicht mehr ihre Schönheit sahen,
 Strömten meine Thränen oftmals
 In den Purpurkelch danieder.
 Was verkündet mir dein Bleichen?
 Rose, Trauer prophezeist du.
 Wenn das Abendroth am Himmel
 Schwindet nach der Sonne Scheiden,
 Ist's ein Zeichen, daß mit schwarzer
 Dunkelheit die Nacht hereinbricht.
 Du auch härmst dich um die Schöne,
 Trauerst, liebe Rose, bleichest,
 Weil von ihr du bist geschieden;
 Doch du wirst mir drum nur lieber,
 Denn ein gleich Geschick erfaßt uns.
 An mein Herz hier komm', o Holde!
 (Eine Ros' auch ist es, bleichet
 Gleichwie du) auf daß ihr möget
 Lieblich miteinander sterben. 
      (S. 96-97)
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 Epigramme
 
 3.
 Als es im blühenden Lenz einst regnete, fragt' ich mit Lachen:
 Weshalb weinest du doch, Mai, in der lieblichen Zeit?
 Und er entgegnete drauf: Dir, Dichter, perlt ja das Auge,
 Wenn dich der zaubrische Arm deiner Geliebten umschlingt. 
      (S. 68)
 
 
 4.
 Mai, schönlockiger Knabe, verweil' auf traurigem Hügel,
 Pflanz' ein Blümchen darauf, willst du mich freundlich erfreun.
 Denn des Asche mit Leid wir dort einst bargen, der Jüngling
 War als Lebender einst lieblich und reizend wie du,
 Aber vergänglich nicht minder als du, er verschwand von der Erde;
 Ihn zu bewahren, umsonst hat es die Liebe versucht. 
      (S. 69)
 
 
 8.
 Einst saß Amor im Himmel, im Himmel von Laura's Augen,
 Schießend den Pfeil in das Herz mir mit geübeter Hand.
 Aber den Schalk gleich faßt' ich, den lachenden, eine der schönen
 Federn, den Bitten zum Trotz, raubt' ich dem Fittige schnell.
 Sie nun spitzt' ich sofort und taucht' in den purpurnen Saft sie,
 Den sein goldener Pfeil eben dem Herzen entlockt. 
      (S. 70)
 
 
 9.
 Zwei gibt's Hafen, woselbst kein Schicksalssturm dich erreichet,
 Hier das grünende Grab, dort die Umarmung der Braut. 
      (S. 71)
 
 
 11.
 Ihr, Stiefmütterchen nennet man euch, glückselige Blumen,
 Die an die Brust sich gesteckt Laura mit sorglicher Hand.
 Ihr seid von der Natur die begünstigten Töchter. Es gibt kein
 Schöneres Beet als ihr rings in der Schöpfung Revier. 
      (S. 71)
 
 
 12.
 An Laura
 Bist ein Engel du zwar, doch 
      möcht' ich mit nichten du selbst sein;
 Denn ich könnte ja nicht schließen dich dann in den Arm. 
      (S. 71)
 
 
 13.
 Nicht maßlos ist der Himmel, denn wenn mein Arm dich umschließet,
 Misset dann nicht mein Arm ganz den unendlichen Raum? 
      (S. 72)
 
 
 14.
 Tausende lieben dich zwar, gleichwol mit tausend der Herzen
 Lieben sie nicht dich, so sehr meines, das eine, dich liebt. 
      (S. 72)
 
 
 15.
 Nicht aus schneeigem Boden erblühen die glühenden Rosen,
 Solch ein köstlich Geschlecht zeugt nicht die winternde Zeit.
 Dies Phänomen doch sah ich nicht selten. Und kann es mich wundern?
 Laura's Wange ja zeigt Rosen, entblühet dem Schnee. 
      (S. 72)
 
 
 16.
 Könnt' ich den Dichtungen hier dein schweigendes Bild vorsetzen,
 Mehr als itzt es geschehn, kaufte das Publikum sie. 
      (S. 72)
 
 
 17.
 Wenn in lebendige Arme die holde Geliebte mich einschloß,
 O dann schloß sich um mich herrlich der Ewigkeit Ring. 
      (S. 72)
 
 
 18.
 Nicht zu verwundern ist es, beschaust du im Spiegel dich manchmal;
 Hätt' ich allein dein Haupt, schaut' in den Spiegel ich stets. 
      (S. 73)
 
 
 19.
 Wenn du erröthest, dieweil mein Lied dich mit Dreistigkeit schön nennt,
 Schaffst dir Hülfe du nicht; schöner ja wirst du dadurch. 
      (S. 73)
 
 
 20.
 Laß mein schwatzendes Lied dich verdrießen nicht! Reden mit schönerm
 Wort, Anmuthige, doch Spiegel und Quelle von dir. 
      (S. 73)
 
 
 21.
 An Hilma
 Wenn sich von seufzender 
      Brust mir Hilma, die weinende, losriß,
 Löst' ich mich selbst nicht von mir, aber das Herz von der Brust. 
      (S. 73)
 
 
 22.
 Trenn' ich von dir mich, so gleich ich der stummen, der ruhenden Harfe,
 Welche der Künstler nicht mehr rührt mit lebendiger Hand. 
      (S. 73)
 
 
 23.
 Schließt euch, weinende Augen, hinfort in beständigem Dunkel;
 Denn ich bedarf euch nicht, seit ich von Hilma getrennt. 
      (S. 74)
 
 
 24.
 Hell, durchsichtig bist du gleich glänzendem Spiegel der Quelle,
 Durch den verhüllenden Leib leuchtet die Seele hindurch. 
      (S. 74)
 
 
 25.
 Fern zwar bist du, jedoch es umfaßt mit Briareos' hundert
 Armen das sehnende Herz dich in der Dichtung Palast. 
      (S. 74)
 _____
 
 
 
 
 An ein schönes Kind
 
 Hellen Tags kam Venus hergezogen
 Und auf Blumen lagst du lächelnd da.
 Göttin zwar - ward dennoch sie betrogen,
 Als sie deiner Schönheit Reize sah.
 
 Küssend hob sie dich in ihren Wagen,
 Hielt für ihren Sohn dich offenbar;
 Doch sie sah dich keine Flügel tragen,
 Und ward nun den Irrthum erst gewahr.
 
 Wer verdammt dann meiner Psyche Streben,
 Wenn ermüdet sie auf ödem Pfad
 Sucht dein schönes Herz in Traumes Weben,
 Und dem Herzen ihres Amors naht?
 
 Mit dem Bogen führst du keine Kriege,
 Auf der Schulter fehlt des Köchers Zier;
 Größre Macht ist dein; denn Herzenssiege
 Ohne List und Waffen werden dir. 
      (S. 54)
 _____
 
 
 
 An die Schönheit
 
 O Schönheit, ich bin eine Blume,
 Ein zart Vergißmeinnicht bin ich,
 Der Erd' ertheilt zum Eigenthume,
 Und ihre Bande drücken mich.
 An sie geknüpft beim Windgesaus
 Erbeb' ich in dem grünen Haus.
 
 Bei Nacht schmieg' ich mich weinend nieder,
 Weil mir dann fehlt dein holdes Bild;
 Doch Morgens grüßest du mich wieder,
 Du, meine Sonn', und lächelst mild.
 Dein Strahl entküßt mir Thrän' und Schmerz,
 Und letzt mit Wärme mir das Herz.
 
 Mein Leben schätz' ich deinetwegen,
 Dein Blick ist Paradies, ist Mai;
 Ich sterb' aus Sehnsucht dir entgegen.
 Indem ich jeden Tag dir weih',
 Entflieht er still, wie in die Luft
 Dem Kelch der Ros' entschwebt ihr Duft.
 
 Ach, Blumen sind wir, itzt uns hebend,
 Dann wieder sinkend welk und bleich;
 Du aber, all' uns überlebend,
 Bleibst stets an Mild' und Wärme gleich,
 Doch schöne Blumen streuest du
 Rings auf den Hügel unsrer Ruh. 
      (S. 49)
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 Frühlingsphantasie
 
 Es gibt, gibt Liebe. Von den Lippen allen
 Entbrauset sie mit wunderbaren Tönen.
 Sie offenbaret sich in Laut und Farbe,
 Und minder schön nicht auch in allen Sprachen.
 Im grünen Heiligthum des schattgen Haines
 Da schmiegt der Zephyr sich und küßt die Erde,
 Und zeugt mit seinem Kusse holde Blumen.
 Platonisch ist die Liebe, die sie zeugte.
 Und selbst die Bäume mit den grünen Zungen
 Erzählen Jeglichem am stillen Abend
 Sanft flüsternd ihre wunderbare Liebe,
 Und senken ihre Häupter Kusses wegen
 Im Dämmerlichte, wenn sie Niemand siehet.
 Die Blumen lieben auch, wiewol es ihnen
 An Zungen mangelt, Jedem es zu sagen.
 Nur schweigend schaun sie an mit Thränen Jeden,
 Und doch versteht sie Jeglicher, die stummen.
 Und eine schönre Sprache redet Niemand
 Auf Erden, als die Liebenden erfanden,
 Weil warme Blicke da das Wort vertreten.
 Der Hügel selbst, mit treuen Armen schließend
 An seine Brust die grünende Limonie,
 Geschmückt mit Gold und lebenden Rubinen
 Seufzt in gebrochnen Tönen er um Liebe.
 Natur, wohl fass' ich deines Herzens Meinung
 Und deine Blumenschrift und Vögelsprache.
 Für sie schriebst hold' Erklärung du mit Feuer
 Aufs reine Blatt, auf dies mein Herz, ein heilig,
 Ein Flammenwort, das längst in sich erloschen,
 Wie sich der Vogel, schlüpfend aus dem Käfig
 Hoch in die freie Luft emporschwingt singend,
 Uneingedenk, wie ihm die Kette schmerzlich
 Die Sangeslust ehdem im Herzen dämpfte,
 Zum Himmel frei aufjubelt, seinem Reiche.
 Fast auf der weiten Erde nicht verstanden,
 Wird ihre Meinung doch von Gott erfasset.
 Hold will ich unter euch, ihr Blumen, träumen.
 Ein Menschenherz sollt ihr von mir empfangen,
 Auf daß ihr meine Lieb' erwidern könnet.
 So hold wie eines schönen Kindes Unschuld
 Lacht euer Blick mich an in holden Thränen.
 Ihr Engel, die ihr blüht in ewger Jugend,
 Ihr überlebt nicht eure erste Schönheit,
 Jedoch ihr seid noch schön in eurem Tode.
 Wiewohl, ihr sterbt nicht, nur zur Ruhe geht ihr,
 Sobald die wilden Stürm' aus Norden kommen.
 Ihr wollt das Leben nicht in Aufruhr sehen,
 Nur dann sehn, wenn im Zephyrhauch harmonisch
 In der Natur es spielt, gleich einem Kinde.
 Doch wenn zum Kampf dahertritt mit dem Leben
 Vergänglichkeit ins grünende Gefilde,
 Da schließt ihr euer Auge zu und schlummert,
 Und schlaft am Herzen eurer schönen Mutter,
 Bis daß der Streit vorbei ist und das Leben
 Sich siegreich in Gesang und Licht verjünget.
 Da wecket Gott euch wieder auf vom Schlummer,
 Er schickt den Mai ab, euch ins Ohr zu flüstern,
 Daß rein der Frühling blüht am hohen Himmel,
 Und daß es Zeit für euch auch sei zu blühen.
 Ihr zieht vom Antlitz dann den grünen Schleier,
 Und, wenn ihr merkt, welch lieblich Frühlingsleben
 Auf eure Wange strömt, die mit den Rosen
 Wetteifert blöde, die der Morgen pflanzet
 In Ostens Lufthain bei dem Sonnenaufgang,
 So blühen noch viel schöner eure Formen.
 Ich sterbe nicht. Der Mensch nur nennt es sterben.
 Er fliegt nur zu der Harmonien Vater,
 Der ihn dorthin trägt, wo am Horizonte
 Die Erde hold sich einet mit dem Himmel. 
      (S. 39-41)
 _____
 
 Übersetzt von Karl 
      Ludwig Kannegießer (1781-1861)
 
 Aus: Gedichte von Erik Sjöberg (Vitalis)
 Aus dem Schwedischen übersetzt von Karl Ludwig Kannegießer
 Leipzig F. A. Brockhaus 1843
 
 
        
      
      
 
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