Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 

 

Fiore della Neve (Martinus van Loghem) (1849-1934)
niederländischer Dichter




Vage Klänge . . .

Vage Klänge,
Lerchengesang und Rauschen junger Triebe
Zittern durch das Licht . . .
Hörst du nicht
Einen Seufzer, schwer von Lenz und Liebe,
Vage Klänge?

Junge Rosen
Schlummern noch, die Knospen halb geschlossen,
Doch durchwebt ihr Duft
Schon die Luft.
Sagt, was gährt und braust in euren Sprossen,
Junge Rosen?

Bange klopfend
Werden Wunder wach . . . Von Wonnen, Schmerzen,
Dringt heran ein Heer,
Mehr und mehr . . .
Liebe, bist es du, ans Thor der Herzen
Bange klopfend?
(S. 139)
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Die Monde schwanden

Die Monde schwanden, alles schwand mit ihnen.
Die Monde schwanden.
In Todesbanden wähn' ich meine Liebste,
In Todesbanden;
In stillen Landen liegt sie da begraben,
In stillen Landen.

Mit eignen Händen bracht' ich sie zu Grabe,
Mit eignen Händen,
Mit Blumenspenden kamen Gram und Reue,
Mit Blumenspenden,
Die Düfte senden in die Nacht, ins Schweigen
Die Düfte senden.

Im Auge Thränen, kommt der Schmerz sie pflücken,
Im Auge Thränen;
Er kennt kein Wähnen mehr am Grab, kein Hoffen,
Er kennt kein Wähnen,
Nur dieses Sehnen: wie die Blumen welken,
Nur dieses Sehnen.
(S. 140)
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Träumerei

So mag ein Knabe auf der Düne träumen
Bei schwüler Luft, wie ich da lag und sann . . .
Rings alles grau; man hört nur dann und wann
Am nahen Strand die schweren Wogen schäumen.

Die Wolken hängen tief, ihr fahles Täumen
Dämpft jeden Farbenfunken; Schlafesbann
Legt sich auf jeden Laut; matt wogt heran
Das Meer, berührt von matten Wolkensäumen.

Wohl sieht der Knabe, halb im Traum, verschwommen,
Von reinem Himmelsblau ein schön Gesicht,
Von Rosenpforten, die dem goldnen Licht
Sich öffnen weit, in feinem Glanz erglommen,

Wohl weiß er, daß es wilder könnte kommen
Mit weißen Kämmen legionendicht,
Ein Schwall, der donnernd sich am Strande bricht,
Doch ist ihm alles fern und nah vernommen,

Vorüber gleitet's fremd an seinen Sinn,
In ernstem Schweigen träumt er hin.
(S. 141)
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Komm ins Boot, Geliebte . . .

Komm ins Boot, Geliebte, komm zur dunklen Bucht,
Wo die weißen Rosen träumrisch überhangen,
Welkend durch der Sehnsucht ungestillt Verlangen,
Trauernd ob der Träume allzurascher Flucht;

Wo die weißen Rosen träumrisch überhangen,
Bleiche Odalisken in Palastesruh;
Langsam Blätter streuend, nicken sie uns zu,
Welkend durch der Sehnsucht ungestillt Verlangen.

Bleiche Odalisken in Palastesruh,
Kühlen sie die Halle unsrer Liebesfeier,
Weben sie in Duft uns wie in Zauberschleier,
Langsam Blätter streuend, nicken sie uns zu;

Kühlen sie die Halle unsrer Liebesfeier . . .
Komm ins Boot, Geliebte, komm zur dunklen Bucht!
Trauernd ob der Träume allzurascher Flucht,
Weben sie in Duft uns wie in Zauberschleier.
(S. 142)
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übersetzt von Otto Hauser (1876-1944)

Aus: Die niederländische Lyrik von 1875-1900
Eine Studie und Übersetzungen von Otto Hauser
Verlegt bei Baumert & Bonge in Großenhain 1901


 

 


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