Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Gaspar Gil Polo (1535-1591)
spanischer Dichter

 

Sonett

Nicht blind ist Amor, ich bin es; in Plage
Hab' ich aus freier Wahl mich ja begeben.
Kein Kind ist Amor, ich bin eins; in eben
Dem Nu ja lach' und wein' ich, hoff' und zage.

Von Amors Flammen fabelt Thorensage.
Sein Feuer ist das heisse, heft'ge Streben;
Die Flügel sind des Geistes kühnes Schweben
Und eitle Hoffnugsträume, die ich wage.

Es führet Amor Pfeile nicht, noch Bande,
Das freie Herz zu fesseln, zu verwunden;
Er hat nur die Gewalt, die wir ihm leihen.

Denn Amor lebt nur in dem Dichterlande;
Ihn träumt der Thor, ihn hat der Wahn erfunden:
Ha, welchem Götzen wir Verehrung weihen!
(S. 180)
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Amor ein Tyrann - Amor ein gütiger Gott

Sireno

Der wonnigliche Lenz mög' uns erfreuen,
Von duft'gen Blumen sei der Anger helle,
Und fröhlich grüne Thal und Busch und Weide!
Der Hirt erfreue sich der reichen Ställe,
Die Heerde möge wachen und gedeihen,
Der böse Wolf den Hungertod erleide!
In Fülle stets und Freude
Der muntre Strom die klaren Fluthen rolle!
O du, o launenvolle
Fortuna, lass von Wankelmuth und Tücke!
Bleib, und voll Huld nur blicke!
Und Du, der schlauen Trug versteht zu weben,
Lass, böser Amor, mich in Frieden leben!
Nicht dränge Dich in schlichter Hirten Kreise,
Die ruhig auf den stillen Fluren wohnen,
Und dort zu heitrer, froher Lust erwachen!
Harmloser Hirten wollest Du verschonen!
Und Deine Wuth und Stärke nicht beweise
An einem Blöden, Unbewehrten, Schwachen!
Du mögest Gluth entfachen
An stolzen Fürstenhöfen, mögest wählen
Dir starke, muth'ge Seelen!
Und dass ich, meine süsse Freiheit habend,
Ganz fühle, wie so labend
Die Lust, die Thal und Berg und Flur mir geben,
Lass, böser Amor, mich in Frieden leben!

Welch ein Gesetz hat Dir die Macht verliehen,
In Fesseln einen freien Geist zu schlagen,
Der Seele Frieden grausam zu verletzen?
Pflegst Du nicht, Schnöder! doppelt den zu plagen,
Der eifrig strebt, Dein hartes Joch zu fliehen?
O Grausamkeit, der keine gleich zu schätzen!
O Frevel voll Entsetzen!
Genügt die Macht Dir nicht, die Du erhalten,
Dass Du so streng willst schalten,
Wie sich kein Herr, nur ein Tyrann gehabe?
O blinder, eitler Knabe!
Warum bist Du so streng, so grausam eben
Ihm, der sein Herz Dir hingiebt und sein Leben?

In Trug, in argen Irrthum ist verstricket
Wem Du noch kannst für eine Gottheit gelten,
Du Flamme mächtig, grausam, wild und wüthig.
Und den muss ich sehr schwach an Geiste schelten,
Der jener Venus Sohn in Dir erblicket,
Die hier gewaltet liebend, froh und gütig.
Doch dankst Du, ränkemüthig
Gesinnter Knab', ihr wirklich Deine Tage,
Dann nehm' ich an und sage:
Die Schuld und Ursach jener Leiden alle
Zur Last euch beiden falle;
Ihr, weil Dich Wüthrich sie der Welt gegeben,
Und Dir, weil Du so martern kannst ein Leben.

Die frommen Schäfchen fliehen voller Schrecken
Vor grimmen Wölfen, die umher nur schleichen,
Ein fettes Mahl vom Raube sich zu stiften.
Die sanften Tauben suchen Ihresgleichen,
Und sind bedacht, sich sicher zu verstecken,
Wenn grause Donner rollen in den Lüften.
Der Busch, die schönen Triften,
Versagt der Himmel ihnen seinen Regen,
Flehn laut ihn an deswegen.
Kurz, Abwehr Alles an dem Gegner übet;
Der Arme nur, der liebet,
Trägt Deine Wuth, Dein feindlich wildes Streben,
Und duldet, dass Du mordest hin sein Leben.

Gefühle, die mit Worten sich erklären
Nicht können, und sich nicht verbergen lassen;
Ein Herz, stets zwischen Lieb' und Furcht im Schwanken;
Ein rastlos Jammern ohne Trosterfassen;
Ein ew'ges Brennen und sich nie Verzehren;
Ein Sterben, das nicht setzt dem Leben Schranken;
Ein Sehnen der Gedanken
Nach dem entfernten, heissgeliebten Herzen;
Und diese wilden Schmerzen,
Die Furcht und böse Eifersucht bereiten:
Das sind die Seligkeiten,
Die, Amor, als Geschenk Du pflegst zu geben,
Wenn Du zerrüttest und zerstörst das Leben.

Arsileo

Ja tausend Monden hier der Frühling walte,
Der schmückt und malt die nackte, dürre Erde,
Und Gras und Blume, Laub und Frucht gedeihe!
Der starre Boden wieder fruchtbar werde!
Der Wiederhall im Waldesaufenthalte
Den tausend Hirtenliedern Antwort leihe!
Die Lieb' erwach' aufs neue,
Sie, die verstummt beim läst'gen Winterfroste!
Und dass mein Herz ihn koste
Den Vollgenuss der Freuden und der Wonnen,
Die mit dem Lenz begonnen:
So, da Du böser Sorgen kannst entheben,
Verlass nie, güt'ger Amor, mich im Leben!

Vermeint nicht Freud', o Hirten, je zu finden
An Sängen, Blumen, Strömen, Lenzensschöne,
Wenn Lieb' und Zärtlichkeit das Herz nicht schmücken!
Wem schallen eures Liedes holde Töne?
Was wollt das Haupt mit Blumen ihr umwinden?
Wie kann der volle Strom euch wohl entzücken,
Der Wonnelenz beglücken?
Vor meiner Hirtinn meine Liebe sing' ich
Und Blumensträuss' ihr bring' ich,
Und schmecke, sitzen wir am Ufer beide,
Des holden Lenzes Freude.
Da solche Wonne Du vermagst zu geben,
Verlass nie, güt'ger Amor, mich im Leben!

Dich nannten einen Gott die weisen Alten,
Auf Deine Macht, die hohe, damit zielend,
Durch welche Wunder immerfort geschehen.
Kalt ist das Herz durch Dich und Gluten fühlend,
Durch Dich die Dummen selber Geist erhalten,
Durch Dich lässt Muth sogar der Feigling sehen.
Die Götter aus den Höhen,
Annehmend Thiergestalt aus Lieb' alleine,
Die Könige, die eine
Geberd' und ein Paar Augen überwunden:
Als Zeugen sie bekunden
Die hohe Macht, die Wunderkraft, gegeben
Dir, dem Gebieter über alles Leben.

Ohn' alle Bildung lebt' ich hin vor Zeiten,
In Einfalt und mit ungewecktem Sinne,
Zu des Erwerbs Geschäften nur gewöhnet.
Nicht Ahnung hatt' ich von der süssen Minne;
Auch hat, weil Anstand, Sitt' und Fertigkeiten
Mir fehlten, manche Hirtinn mich gehöhnet.
Anitzt bin ich gekrönet
Für tausend Siege, die im Ringerspiele,
Beim Schleudern nach dem Ziele,
Beim Wettstreit, wer das schönste Liedchen singe,
Als Kämpfer ich erringe,
Seit Du mir hingelenkt zu würd'gem Streben
Den Geist, o güt'ger Amor, und das Leben.

Was lässt vergleichen wohl sich jenem Glücke,
Den Willen in der Liebe Joch zu schmiegen,
Ihr ganz dahinzugeben unsre Herzen?
Gesetzt auch, dass uns auf Momente drücke
Ein Gram, zu tausendmalen wieder wiegen
Ihn süsse Freuden auf, die uns umscherzen.
Verzehren gleich in Schmerzen
Die Armen sich, die ohne Hoffnung lieben:
Dass Qualen sie betrüben,
Dem Schicksal und der Zeit ist's beizumessen,
Nicht Dir, o Amor, dessen
Wohlthät'ger Einfluss nur das Herz erheben,
Mit sanfterem Gefühl es kann beleben.

Der Holden Antlitz schaun, die schönen Augen,
- Dem hellsten Sternenpaare zu vergleichen -
Die in das Innre helle Blitze sprühen:
Die Händchen schaun, die zartgeformten, weichen,
Die - Ruhm und Leben legt' ich in sie - taugen,
Hinwegzuscheuchen alle Sorgenmühen:
Die Freuden, die mir blühen
Durch Lieb' und Gegenliebe: das Vergnügen,
In meiner Hirtinn Zügen
Zu lesen, wie sich hoch ihr Herz ergetze:
Dies alles so ich schätze,
Dass, bist Du manchmal gleich nicht freundlich eben,
Ich gern doch, Amor, weihe Dir mein Leben.
(S. 181-188)
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Sonett

Die Liebe, heisst es, schwur, nicht eine Stunde
Zu trennen sich von Eifersucht und Neid;
Und Schönheit schwur, sie wolle jederzeit
Mit sprödem Übermuthe gehn im Bunde.

Zwei Furien sind es auch der Hölle Schlunde,
Feindinnen jeglicher Zufriedenheit;
Die macht zur Qual der Liebe Süssigkeit,
Die raubt das Mitleid aus des Herzens Grunde.

Doch Lieb' und Schönheit brachen, was beschworen,
Bei Dir und mir, indem sie mir geschenket
Ein sel'ges Loos voll ungetrübter Freuden.

Denn seit mein Auge, Schönste! Dich erkoren,
Hast Du durch Sprödigkeit mich nie gekränket,
Noch schuf die Eifersucht mir jemals Leiden.
(S. 189)
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Übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)

Aus: Blüthen spanischer Poesie
Metrisch übertragen von Friedrich Wilhelm Hoffmann
Dritte, stark vermehrte Auflage
Magdeburg und Leipzig
Verlag der Gebrüder Baensch 1857

 


 

 


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