Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Kopf einer Thrakerin (von der Akropolis in Athen - gegen 470 v.Chr.)

 


Aus der griechischen Anthologie

(In der Übersetzung von Wilhelm Ernst Weber
und Georg Thudichum)



Eros


Zwiespalt liegt mir im Herzen, woher dein ruchbarer Stamm sey,

Ob ich den Ersten, o Eros, der ewigen Götter dich nenne,

Derer, soviel' als Kinder der Erebos zeugt' und die alte

Königin Nacht dort unter des weiten Okeanos Wassern:

Nenn' ich den Sohn dich Kypris, der sinnigen, oder der Erde,

Oder der Wind', als solcher Verderbliches sinnend und Süßes

Ziehst bei Menschen du um und bist zweischlächtiges Wesens.

Antagoras von Rhodos (um 276 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2 S. 156)

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Gewalt der Schönheit


Armer du, o Kleonikos, Thessalischer, nein, bei der scharfen

Sonn', ich erkenne dich nicht! Armer, wo hast du gesteckt?

Knochen ja bloß und Haare verblieben dir: lenkt dich der gleiche

Dämon, wie mich, und verhängt schweres Geschick dir ein Gott?

Ja, Euritheos bringet dich außer dir! sehend den Schönen,

Unglückseliger, hieltst beide die Augen du auf.


Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)


Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 170)
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Die geflohene Seele


Lediglich halb noch athmet die Seele mir: ob mir die Hälfte

Eros, ob Hades geraubt, fraget sich, kurz, sie ist fort.

Sicher zu einem der Knaben entschlüpfte sie! Warnt' ich so oft doch

Ernsthaft: "Jünglinge, nehmt nicht die Entläuferin auf!"

Da nun suche sie einer! Ich weiß es genau, sie verkehret

Dorten, wie viel sie sich auch schon in der Liebe getäuscht.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)


Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 170)
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Das entschuldigte Ständchen


Stift' ich mit Willen, Archinos, den Nachtlärm, schelte mich ernstlich

Bin unwillig ich hier, siehe den Frevel mir nach.

Lauterer Wein und Eros bedrängen mich; deren der eine

Zwang übt, jener mich nicht lässet besonnenes Muths.

So wie ich kam nun, fraget' ich nicht? wer? wessen? die Pfoste

Deckt' ich mit Küssen, und heißt fehlen das, hab' ich gefehlt.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 170)
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Warnung


Immer noch glimmt, bei'm Pan, ein verborgenes, immer ein Feuer,

Bei'm Dionysos, glimmt hier in der Asche versteckt.

Drum nicht fasse mich an, ich traue nicht: öfters ja merket

Keins, wenn heimlich ein Fluß nagend die Mauer zerstört.

Also fürcht' ich auch jetzo, Menexenos, daß mich beschleichend

Stille das Oetterchen da wieder in Liebe verwirrt.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 171)
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Liebenden hart


Geldleer sind mir die Händ', ich weiß es ja; wolle von meinem

Traum, bei den Chariten, nicht reden, Menippos, mit mir.

Schmerzlich bewegt's mich, so oft dieß bittre Wort zu vernehmen,

Aber von dir, Freund, bleibt's Allerempfindlichstes mir.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 171)
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Berufung auf Zeus


Vierfach müssest du hassen Theokritos bräunliche Schönheit,

Ist er mir gram; vierfach lieben ihn, liebet er mich,

Denn, bei'm lockigen Haupt Ganymedes, Herrscher der Welt Zeus,

Du auch glühetest einst, Weiteres sprech' ich nicht aus.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 171)
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Wandelbarkeit der Schwüre


Kallignotos beschwur der Jonis, nie ein Geliebter

Soll, nie eine Geliebt' über sie selber ihm gehn:

Schwur es; allein wohl redet man Wahrheit, daß in der Liebe

Kein Eidschwur zu dem Ohr eines Unsterblichen dringt.

Männliche Flammen anjetzo versengen ihn, aber die arme

Braut, wie die Megarer, kommt weder in Rede noch Sinn.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 171-172)
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Eigensinn der Liebe


Jeglichen Hasen erspähet im Bergwald emsig der Jäger

Und nimmt jegliches Reh's Fährt', Epikydos, in Acht,

Reifen und Schnee aushaltend mit Gleichmuth: saget ihm einer:

"Sieh, ein erlegetes Thier, nimm's!" er berühret es nicht.

So geht's mir mit der Liebe: das Fliehende regt ihr behenden

Eifer, doch was ihr im Weg lieget, bekümmert sie nicht.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 172)
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Zeichen der Liebesqual


Stille Bedrängniß leidet der Fremdling: sahest du, wie er

Schmerzvoll tief aus der Brust holte den Athem empor?

Dreimal trank er bereits: da liegen entblättert der Kränze

Rosen gesunken vom Haupt, all' an dem Boden umher.

Mächtige Gluth sengt jenen: so wahr die Dämonen, vermuth' ich

Nicht uneben; ein Dieb kenn' ich die Fährten des Diebs.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 172)
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Abhülfe der Liebe


Welch heilkräftigen Zauber erfand Polyphem, der Kyklope,

Rasender Sehnsuchtspein, als er ihr selber erlag!

Musengesang macht schwinden die Qualen der Liebe, Philippos,

Weisheit führt Arznei jegliches Uebels in sich.

Gleichwohl glaub' ich, es theilt auch Hunger die Kraft zu des Unheils

Abwehr: dieser vertreibt knabenbegehrende Lust.

Die zwei Mittelchen stehn uns reichlich zu Diensten, o Eros,

Sie sind's, Bürschchen, die dir stutzen der Flügel Gewalt.

Mehr nicht fürchten wir dich, wie ein Bläschen im Brote, wir haben

Doppelt des blutigen Weh's lindernden Zauber im Haus.

Kallimachos von Kyrene (um 305-240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 172-173)
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Preis der Schönen


Herrliche Jünglinge zieht Trözen: nicht würdest du fehlgehn,

Blicktest den letzten auch nur aller der Knaben du an.

Aber so sehr vorstrahlet Empedokles, als in den andern

Frühlingsblumen voran leuchtende Rosen erglühn.


Rhianos von Bene auf Kreta (um 240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 185)

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Katalog der Schönen


Knaben ein ausganglos Labyrinth! Wohin du das Auge

Lenkest, bekleibt es sofort, gleich wie ein Vogel im Leim.

Nun dort zieht's Theodoros heran zu der reifenden Blüthe

Seiner Gestalt und dem Reiz wonniggegliedertes Baus:

Dorten des Philokles goldige Huld, den, wenn er an Wuchse

Nicht groß, leuchtend der Glanz himmlisches Zaubers umwallt.

Siehst du nach Leptines Schöne dich hin, dann kannst du die Glieder

Nicht mehr regen: umstrickt, als von unlösbarem Stahl,

Wurzelst im Boden du fest, so sprühet der Schimmer von seinen

Augen und funkelt vom Haupt bis zu den Zehen um ihn.

Freud' euch, herrliche Knaben, und kommt zu vollendeter Jugend

Stufen und weißes Gelock decke die Häupter dereinst.

Rhianos von Bene auf Kreta (um 240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
Band 2, S. 185-186)

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Ueberirdischer Reiz


Sicherlich sind, Kleonikos, die Huldgöttinnen in engem

Steig, da du wandeltest, dir einstens entgegengewallt;

Und da haben sie dich in die rosigen Arme genommen,

Knabe, denn du bist ganz, leidend und lebend, nur Huld!

Sey mir von ferne gegrüßt: nicht ist es geheuer, der Flamme

Nahe zu kommen, o Freund, ist man ein trockener Halm!

Rhianos von Bene auf Kreta (um 240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 186)

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Der Vogelfänger


Unter der Platanos Grün fing Dexionikos die Amsel

Mittelst des Leimes und hielt solch' an den Flügeln gefaßt;

Tiefaufstöhnend nun schrie voll Aengsten der heilige Vogel:

Doch ich, Eros, und ihr, blühende Chariten, gern

Wär' ich zur Drossel und Amsel befittiget, daß ich in jenes

Hand wehklagt' und hinein fiele der Zähren Erguß.

Rhianos von Bene auf Kreta (um 240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 186)

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Des Geliebten Verlust


Fort ist das Hirschlein, das ich mir fing, und der ich mit tausend

Mühsal Gaffeln und Garn' erst so ersprießlich gestellt,

Ziehe mit ledigen Händen nun ab, doch das Meinige nehmen

Andre getrost; dafür treffe sie, Eros, dein Zorn.

Rhianos von Bene auf Kreta (um 240 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 186)

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Fürbitte


Zeus, obwaltend in Pisa, bekränze der Kypria zweiten

Sohn, Peithenor, im Kampf unter des Kronios Hang,

Und nicht reiß' an die Stelle von Dardanos reizendem Enkel

Als Mundschenken ihn fort, kommend in Adlergestalt.

Und wenn dir ich geweiht' willkommene Gaben der Musen,

Dann auch, Herrscher, verleih Huld von dem Göttlichen mir!

Alkaios von Messene (um 200 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 190)

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Keine Kunst


Mir ist Eros verhaßt: was legt er sich nicht auf die Thierjagd,

Und nimmt störrig zum Ziel seiner Geschosse nur mich?

Was will's heißen, ein Gott sengt Sterbliche? oder was hat er,

Wenn er den Kopf mir verwirrt, sonderlich Großes davon?

Alkaios von Messene (um 200 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 190)

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Auf die Statue eines gefesselten Eros


Wer hat als unziemlich Gefangenen dich in die Banden

Also gelegt? wer dir fesselnd die Hände bestrickt,

Und das Gesicht voll Wustes geformt? Wo hast du den Bogen,

Kind, und der bittere Gluth bringenden Pfeile Gefäß?

Fruchtlos schwitzte der Bildner des Steins, da er hier in die Schlinge

Dich, der zu Wahnsinnsbrand peitschet die Götter, gelegt.

Alkaios von Messene (um 200 v. Chr.)

Übersetzt von Wilhelm Ernst Weber (1780-1850)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 2, S. 193)

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Der Knabe Aster oder Stern


Sterne betrachtest du, o mein Stern! Ach daß ich der Himmel

Wäre, zu dir mit viel Augen herunterzuschaun!

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 281)

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Der schöne Agathon


Als ich den Agathon küßte, da hatt' ich die Seel' auf den Lippen,

Siehe, die arme, sie war fertig hinüberzugehn.

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 281)

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Durch Schaden wird man klug


Jetzt, wo Nichts ist Alexis, da sag' ich nur, daß er sich reizend

Ansieht, und gleich kehrt Alles die Augen nach ihm.

Herz, was zeigst du den Hunden den Knochen so? Später hernachmals

Reut es dich. War's nicht so, daß ich den Phädros verlor?

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 281)

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Sendung an die Geliebte


Ich bin ein Apfel; mich wirft dir ein Liebender; nick' ihm, Xantippe,

Ja zu; Ich und Du welken ja beide dahin.

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 281)

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Deßgleichen


Werf' ich den Apfel nach dir, und du willfahrest mir Liebe,

Nimm, und das Jungfraunthum theile zum Lohne mit mir.

Denkst du jedoch wie hoffentlich nicht, so nimm dir denselben

Dennoch, und siehe, wie kurz Tage der Jugend bestehn.

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 282)

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Lange Jugend


Archeanassa besitz' ich, aus Kolophons Lande die Buhle,

Der in den Runzeln sich noch Feuer des Eros verbirgt.

Ah ihr Unseligen, die ihr der frischaufschießenden Jugend

Nahkamt, wie fielt ihr erst in die lodernde Gluth!

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 282)

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Das Aphroditebild zu Knidos


Paphia kam, Kythereia, auf wogendem Meere nach Knidos,

Wünschend ihr eigenes Bild dorten mit Augen zu sehn.

Da sie nun Alles geschaut in dem ringsumfriedeten Raume,

Sprach sie: Wo war's daß Mich nacket Praxiteles sah? -

Nicht Praxiteles sah, was Frevel ist; sondern das Eisen

Meißelte Paphien so, wie es ihm Ares befahl.

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 283)

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Deßgleichen


Kypria, sehend in Knidos die Kypria, redete also:

Wehe, wo war's daß Mich nacket Praxiteles sah? -

Weder Praxiteles hat dich gefertiget, weder das Eisen;

Nein so stehest du da, wie vor dem Richter du standst.

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 283)

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Sappho, die zehnte Muse


Neun, so sagt man, seien der Musen es; wenig bedachtsam:

Siehe von Lesbos her Sappho die zehente nahn.

Platon von Athen (427-347 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 3, S. 283)

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Zu spät


Jetzo heischest du wohl, da zart an den Schläfen das Milchhaar

Schleicht, und ein rauherer Flaum sich auf die Schenkel dir legt;

Und sprichst: So ist Mir es gefälliger. Aber bedünkt wohl

Jemand dorrender Halm besser als Aehre zu sein?


Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 437)

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Zum Verwechseln ähnlich


Lägen dir an zwei Flügel, und Bogen und Pfeil in den Händen,

Kypria's Eros nicht, Knabe, man malete dich.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 437)

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Deßgleichen


Wenn Goldflügel du nähmest, und hoch von den silbernen Schultern

Wohl mit Pfeilen gefüllt hängtest den Köcher herab,

Und stündst neben dem Eros; - beim schönheitliebenden Hermes!

Kypria selber sodann wüßte nicht, wen sie gebar.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 437)

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Thränen sollen ihn rühren


Bleibt, ihr Kränze, mir hier an der doppelten Thüre befestigt

Hangen, und vorschnell nur schüttelt die Blätter mir nicht,

Die ich mit Thränen benetzt; gern regnen ja liebende Augen.

Aber ersehet ihr Ihn in der geöffneten Thür,

Tropfet sodann auf den Scheitel den Regen ihm, daß ihm das blonde

Haupthaar inniger so trinke die Thräne von mir.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 437)

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Eros jung und treu


Eros ich, klein der Mutter, noch leicht zu erhaschen, entflogen,

Flieg' aus Damis' Haus nicht in der Höhe davon.

Denn ich, der ich ihn lieb', und auch unbeneidet geliebt bin,

Nicht für Viele gestimmt, schließe dem Einn mich an.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 438)

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Eros lernt lesen


Noch nicht bogenbewehrt, und gereift nicht, sondern ein Kind noch,

Wird mein Eros im Haus Kypria's ruhig genährt,

Tragend ein Täflein aus Gold: von Philokrates, Sohn des Diaulos,

Stammelt er Liebesmagie auf den Antigenes her.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 438)

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Eros ist ein Künstler


Schön mit Schön weiß Eros zu einigen; nicht den Smaragdos

Etwas mit Gold, das nicht ähnlich ihm artet und blüht;

Mit Schwarzebenem nicht Weißelfenes; sondern Kleandros

Eint mit Eubiotos Er: Blüthen der Lieb' und der Huld.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 438)

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Die Eroten sind unbarmherzig


Zwanzig und zwei nicht zähl' ich, und bin schon müde des Lebens!

O ihr Eroten, was quält also, was brennet ihr mich?

Wenn mir Etwas geschieht, was thuet ihr? - Sicher, Eroten,

Rücksichtslos alsdann knöchelt ihr fort wie zuvor.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 438)

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Ermuthigung


Trink, Asklepiades, trink! Was soll dieß Weinen? Was ist dir?

Dich hat nicht ja allein Kypris mit Härte beraubt,

Nicht auf dich ja allein ein erbitterter Eros des Bogens

Pfeile gestellt. Warum, Lebender, liegst du im Staub?

Trinken wir bacchisches Feuergetränk! Daumbreit ist der Morgen.

Wollen wir warten, zum Schlaf wieder die Lampe zu sehn?

Trinken wir froh und vergnügt! Nach wenigen Tagen wie jetzo

Ist dann lange die Nacht, Thörichter, welche wir ruhn.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 439)

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Der Wein spricht die Wahrheit


Wein ist der Liebe Verräther. Nikagoras, welcher zu lieben

Leugnete, Zutrunks viel hat ihn zum Ziele gebracht.

Denn nun saß er in Thränen, und nickete, schauete vor sich

Nieder, und fest nicht mehr blieb der gedrungene Kranz.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 439)

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Witterung der Liebe


Ehmals drückt' ich ihn fest, den Archeades; jetzo, ich Arme!

Kehret er sich im Spiel nicht im Geringsten an mich.

Eros, der Süße, ist nicht stets honiglich. Aber Verdruß wohl

Macht auch Liebenden oft würziger wieder den Gott.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 439)

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Die reizende Kokette


Dorkion, jünglingliebend, versteht's, wie ein weichlicher Knabe

Kypria's hurtig Geschoß unter die Menge zu streu'n.

Sehnlicher Liebreiz blitzt' aus den Augen ihr, über den Schultern

Wehte der Hut, und nackt zeigte der Mantel das Bein.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 439-440)

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Lieber das Aeußerste


Das was noch mir von Leben, was noch mir bleibt, ihr Eroten,

Das, bei den Göttern nunmehr, lasset in Ruhe mir sein.

Oder, so trefft nicht mehr mit dem Bogen mich, sondern mit Blitzen,

Und macht Asche sogleich gänzlich und Kohlen aus mir.

Ja, ja, trefft, ihr Eroten! Im Gram schon gänzlich erhärtet,

Bin ich zu Größerem noch, gäb' es ein Solches, bereit.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 440)

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Getäuscht


Sieh, auf die Nacht heut sagte das Kommen mir zu die berufne

Nike, und schwur mir's hoch bei der Thesmophoros noch,

Und kam nicht; und vorbei ist die Wache nun. Also sie wollte

Meineid üben? So löscht, Bursche, die Lampe mir aus!

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 440)

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Vergeltung


Jenes Gebiet der Eroten, Nikareta's liebliches Antlitz,

Das in dem Giebel so oft oben am Fenster erscheint,

Hat mit funkelndem Blitz an der Vorthür, theuerste Kypris,

Kleophons zärtlicher Blick ganz zum Verwelken gebracht.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 440)

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Gemeingut


Mit der gefälligen Schönen Hermione spielet' ich einstens,

Paphia, da sie ein bunt blumiges Gürtelchen trug,

Mit Goldschrift, und beschrieben durchaus, und es lautete: Lieb mich,

Und sei ohne Verdruß, wenn mich ein Anderer hat.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 440-441)

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Uebel gefahren


Ich bin wund von der losen Philämion; ist auch die Wunde

Nicht zu bemerken, es dringt bis in die Nägel das Weh.

Todt, ihr Eroten, dahin, todt seht ihr mich! Zu der Hetäre

Gieng ich nickend, und da rührt' ich den Aides an.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 441)

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Wird wett gemacht


Nacht, ja du, sonst Keins, sei Zeuge mir, wie mich betrüglich

Pythias, Niko's Kind, meine Geliebte, verhöhnt!

Kam ich gerufen, und nicht ungerufen doch. Gleiches erduldend,

Tadle dich selbst, stehst du einst vor der Thüre bei mir.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 441)

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Zeus hat Mitgefühl


Regnerisch war's und Nacht, und ein weiterer Schmerz für die Liebe,

Wein, und frostiger Nord, aber ich selber allein.

Doch war stärker der Range, der liebliche. "Du ja auch kamest

So, und hieltest dich nicht still vor der einzelnen Thür!"

So viel rief ich daselbst, ich Veregneter. "Zeus, o wie lange?

Schweige doch, treuester Zeus! Lieben ja lerntest auch du."

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 441)

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Höchster Wunsch


Süße beim Durst im Sommer ist Schneetrunk, süße den Schiffern

Hinter dem Winter den Kranz blumigen Lenzes zu sehn;

Aber das Süßeste doch, wenn Liebende einerlei Decke

Birgt, und der Kypria wir Lob von den Beiden zu Theil.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 441-442)

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Nütze die Jugend


Sparst du das Jungfraunthum, was nützet es? Wenn du zu Hades

Eingiengst, findest du nicht, Mädchen, den Liebenden dort.

Kypris' Genuß ist nur bei den Lebenden; bei dem Kokytos

Liegen wir, Jungfrau, einst Asche dahin und Gebein.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 442)

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Refractäre


Bitto die Samierin und Nannion, zu Aphrodite

Wollen sie nicht eingehn ihren Gesetzen gemäß,

Sondern entfliehn zu Anderm, Verwerflichem. Herrscherin Kypris,

Hasse sie, die bei dir so sich dem Lager entziehn.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 442)

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Ruhelos. Feuer im Wasser


Lang ist die Nacht und stürmisch, und sinkt in der Mitte der Pleias,

Und ich geh' an der Thür' unter dem Regen einher,

Sehnsuchtwund von der Falschen, der Helena. Liebe ja hat nicht

Kypris, sie hat ein Geschoß quälenden Feuers gesandt.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 442)

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Unwiderstehlich


Hinriß ganz mit dem Zweige mich Didyme. Weh mir, ich Armer

Schmelze wie Wachs am Feur, alle die Reize zu sehn!

Ist sie auch schwarz, was thut's? Auch Kohlen ja sind es, und dennoch

Wenn wir sie glühen, so gleicht Kelchen der Rosen ihr Glanz.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 442)

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Verliebte Eide


Lampe, bei dir doch hat Herakleia zu kommen geschworen,

Dreimal, und kommt nun nicht. Lampe, wenn Göttin du bist,

Hilf mir gegen die Falsche. Wofern mit einem Geliebten

Drinnen sie spielt, lisch aus; leucht' ihr nicht ferner dazu.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 443)

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Er kann nicht anders


Schneie nur, hagele nur, mach Finsterniß, donnere, zünde,

All dein Purpurgewölk schüttle du über das Land!

Denn wenn todt du mich schlägst, dann lass' ich es. Läßt du mich leben,

Auch wenn schlimmer du's machst, geh' ich zum Ständchen hinaus.

Der mich zieht, der Gott, ist auch dein Herr, dem du gehorchend

Einstens, o Zeus, als Gold eherne Wände durchdrangst.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 443)

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Eine Collation


Nimm von den Nüssen für uns ein Beutelchen. - Wird sie den kommen? -

Und fünf Kränze dazu, alle von Rosen gemacht. -

Sprichst du, du habst nicht Münze? - Zum Henker auch! - Legt den Lapithen

Keiner auf's Rad? - Ein Dieb, nicht ein Bedienter ist das! -

Faukelst du nicht? - Nichts mehr? - Gib Rechenschaft! Bringe die Steinchen,

Kröte, zum Rechnen herbei! - O der gewaltige Fuchs! -

"Hier fünf Drachmen der Wein; ein anderer zwei, und für sieben

Eier, Makrelen, ein Haas', Honig und Sesamgebäck."

Morgen berechnen wir es mit Gemächlichkeit. - Jetzo bei Aeschra

Nimm in der Salbenbutik fünf von den silbernen aus.

Sag' als Zeichen ihr Dieß, daß er Bakchinnen fünf nach der Reihe

Liebt, wovon selbst wurde zum Zeugen bestellt.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 443-444)

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Deßgleichen


Gehe zum Marktplatz hin, Demetrios, und bei Amyntas

Hol drei Umbern, und Meergrundeln ein Zehen für mich,

Und von krummen Garnelen (er mag sie selber dir zählen)

Nimm noch zwanzig und vier mit dir und gehe sodann.

Bei dem Thauborios nimmst du dazu sechs Rosengewinde,

Und im Vorbeigehn schnell rufe die Tryphera her.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 444)

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Weihgeschenk


Purpurfarbige Geißel und firnißglänzende Zäume

Hängete Plangon auf hier an der reisigen Thür,

Da sie besiegt auf dem Renner die anmuthvolle Philänis,

Wo man abendlich just schnaubende Füllen vernimmt.

Theuere Kypria, gib ihr des Siegs unbezweifeltes Ansehn,

Und daß dieser ihr Dank stets in Erinnerung sei.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 444)

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Deßgleichen


Kypris, Lysidike hat mit dem goldenen Sporne des Reiters

Vom schönbeinigen Fuß hier dich zum Danke beschenkt,

Die auf dem Rücken das Roß oft tummelte; aber ihr selber

Färbte der Schenkel sich nie, wie sie behende sich schwang;

Denn sie bedurfte zum Laufe den Stachel nicht. Darum das Werkzeug

Hier an der mittleren Thür hängte von Golde sie auf.

Asklepiades von Samos (um 285 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Metrisch übersetzt von
W. E. Weber und G. Thudichum
Erste Abtheilung (Bändchen 1-4)
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1838-1858
(Band 4, S. 444-445)

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Künftige Gefahr


Wenn Demophilos einst an die Liebenden solcherlei Küsse,

Kypria, wendet, nachdem völlig die Jugend erblüht,

Wie anjetzt mich küßte der Kindische, dann in der Nachtzeit

Hoffe die Mutter nicht mehr ruhig die Thüre zu sehn.

Dioskorides (um 225 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 545)

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Gebrochner Liebeseid


Unseren Eid, wir weihten den Eros ihm, Eid, der die treue

Liebe Arsinoe's mir, ihrem Sofipatros, schwur.

Aber sie lügt, und der Eid ist ein nichtiger; Er hat die Neigung

Treulich bewahrt; doch wo zeigt sich die göttliche Macht? -

Mögest du Klagen am Thor der Arsinoe, o Hymenaeos,

Hören, Verdammungsruf ihrem Verräthergemach!

Dioskorides (um 225 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 545)

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Die reizende Fromme


Täuschend verwundete mich Arsinoe, lieber Adonis,

Wie sie an deinem Gezelt so sich den Busen zerschlug.

Falls sie dieselbige Gunst auch mir schenkt, wenn ich verscheide,

Nimm und führe du mich ohne Verweigerung mit.

Dioskorides (um 225 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 545)

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Deßgleichen


Kleo hat mich gefangen, die weichliche, da sie, Adonis,

Zur Nachtfeier für dich schlug an die schneeige Brust.

Falls sie dieselbige Gunst auch mir schenkt, wenn ich verscheide,

Nimm und führe du mich ohne Verweigerung mit.

Dioskorides (um 225 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 546)

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Tolle Liebesbegier


Rasend machen sie mich, die geschwätzigen rosigen Lippen,

Seelenzerschmelzendes Thor eines nektarischen Munds;

Und die unter der Brau'n herblitzenden Augen,

Für mein innerstes Herz Fallen und Netzegestell;

Und milchfarbige Brüste, die reizenden, lieblich gesellten,

Denen an schönem Gewächs keinerlei Knospe sich gleicht. -

Doch was zeig' ich den Hunden den Knochen noch? Zeuge des Mundes,

Der sein Thor nicht verschließt, ist das mideische Rohr.

Dioskorides (um 225 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 556)

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Trutz Eros


Ja, ja, schießt, ihr Eroten! Ein Ziel mit anderen Vielen

Bin Ich. Schonet mich nicht thöricht! Besieget ihr mich,

Bei den Unsterblichen seid ihr alsdann namhaftige Schützen,

Daß ihr beherrschet ein solch mächtiges Pfeilegefäß.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 607)

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Deßgleichen


Kämpfen auch will ich mit dir dem Bewaffneten, nicht mich ergeben,

Mensch zwar; Eros, und du rücke nicht ferner mir an.

Wenn du mich trunken ergreifst, so entrücke mich; während ich nüchtern,

Hab' ich entgegen für dich neben mir stehn die Vernunft.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 607)

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An Aphrodite


Die du Kythera, und Kypros, und die du Miletos besuchest,

Und, von Rossen bestampft, Syria's schönes Gefild,

Nahe dich huldreich doch der Kallistion, die den Verliebten

Niemals weg von der Thür' ihrer Behausigung strieß.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 608)

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Jeder der Liebste


Denke nicht daß du, Philaenis, mit glaublichen Thränen mich täuschest;

Weiß ich ja, Keinen durchaus liebest du höher als mich;

Nämlich so lang bei mir du gelegen bist. Wenn dich ein Andrer

Hätte, du sprächst daß Ihn höher du liebest als mich.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 608)

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Antrag


Hast du, Pythias, Einen, so troll' ich mich; schläfst du hingegen

Eben allein, bei Zeus, ruf mich ein wenig hinein.

Sage das Zeichen du nur, weil trunken ich und im Verstohlnen

Kam, und verwegenheitsvoll Eros als Führer mir dient.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 608)

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Die badende Schöne


Paphia o Kythereia, Kleandros an deinem Gestad sah

Niko, wie sie des Meers funkelnde Wellen durchschwamm,

Und von Eros entflammt im Innersten, zog er sich Kohlen,

Trockene Kohlen herbei von dem befeuchteten Kind.

Er denn, stehend am Land, litt Schiffbruch; Sie, in das Wasser

Eben getaucht, empfieng friedlich das Ufergestad.

Jetzo ist gleich in Beiden die Sehnsucht. Kein unerfülltes

Flehn war's das er um Sie an dem Gestade gefleht.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 608-609)

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Götterbezeugte Schönheit


Zärtliches Kind, dich sahn, Eirenion, selbst die Eroten,

Wie aus der Kyprierinn goldnen Gemächern sie gehn:

Heilige Blüte vom Scheitel zum Fuß, und gehauenem Marmor

Gleich jungfräulichen Reiz füllend die ganze Gestalt.

Damals haben sie hin auf die Jünglinge viele Geschosse

Ab von des Bogengewehrs purpurnem Strange geschickt.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 609)

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Keine Ruhe


Thränen und Nachtaufzug, was jagt ihr mich, der ich vom Feu'r erst

Hebe den Fuß, auf's Neu hin in der Kypria Glut?

Niemals läßt mich die Liebe. Beständig erregt Aphrodite

Schmerz, und Verlangen wovon eines das andere treibt.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 609)

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Der Gelehrte verschmäht die Liebe


Pothos will, auf Dornen gelegt, die Cikade der Musen

Bringen zu Bett, und thut unter die Seiten ihr Feur;

Aber die Seel', in Büchern beschäftiget, denkend auf andre

Ernte, verschmähet im Sinn diesen verdrießlichen Gott.

Poseidippos (um 275 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 609)

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Welche?


Thermion bringet mich um, und Demo: eine Hetaere

Demo; Jene bis jetzt nicht mit der Kypris bekannt.

Und Die rühr' ich an, Die darf ich nicht. Wahrlich ich weiß nicht,

Kypris, welche der Zwo eher ersehnen ich soll.

Eher als Demochen wähl' ich das Jüngferchen. Denn das Bereite

Mag ich nicht, sondern es reizt alles Behütete mich.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 630)

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Prädestinierter Name


Demo liebt' ich, vom Stamme der Paphier; Wunder so groß nicht;

Samische Demo sodann zweitens; ein Wunder nicht groß;

Drittens Demo darnach aus Jonien; dieses nun ist kein

Scherz mehr; Demo zuletzt viertens aus Argolis her.

Selbst wohl legten die Moeren den Namen mir bei "Philodemos",

Daß nach Demo stets heißes Verlangen mir sei.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 630)

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Ein Handel


Grüße dich. - "Grüße dich auch." - Wie nenn' ich dich? "Kümmert dich Dieses?"

Nicht so eilig! - "Auch du sei es nicht!" - Hast du schon Wen? -

"Stets den welcher mich liebt." - Willst heute du mit mir zu Abend

Speisen? - "Wofern du's willst." Wohl, und wieviel ist der Preis? -

"Zahle mir Nichts voraus." - Neu find' ich das! - "Sondern soviel dir,

Wenn du geschlafen, bedünkt, zahle mir." - Billig genug!

Wo denn bist du? Ich schicke. - "Betracht' es dir!" - Sage wann kommst du? -

"Zu was Stunde du willst." - Will es sogleich. - "Dann voran!"

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 630-631)

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Geräth nicht


Warte mir, Schmucke! Wie ist dein artiger Name? Wo ist es

Daß man dich sieht? Was du willst geb' ich dir. Aber du schweigst!

Wo denn bist du? Ich schicke dir mit. Es hat dich doch Keiner?

Spröde, gehabe dich wohl! Magst nicht erwidern den Gruß!

Wieder und wiederum werd' ich dich angehn. Härtere weiß ich

Die ich erweicht als dich. Jetzo gehabe dich wohl!

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 631)

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Vergeblich gekommen


Mitten im Laufe der Nacht, und den Lagergenossen betrügend,

Kam ich hieher, durchnäßt gänzlich vom heftigen Guß.

Liegen wir darum hier unthätig, und ohne zu reden

Schlafen wir, weil sich der Schlaf für die Verliebten geziemt?

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 631)

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Unentschlossen


Siehe du weinst, sprichst kläglich, und siehst nach unnöthigen Dingen,

Eifersüchtelst, umarmst häufig mich, küssest mich oft,

Wie ein Verliebter es macht. Doch sag' ich: Ich lege mich zu dir,

Und du ruderst nicht zu, ist nichts Verliebtes an dir.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 631-632)

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An den Mond


Nachkind, doppelgehörnt, Gernwachende, scheine, Selene,

Schein', und dringe zum wohl offenen Fenster herein.

Sieh mir die Goldige an, die Kallistion; auf der Verliebten

Werke herniederzuschaun wird ja den Göttern gegönnt.

Glücklich preisest du Sie und Mich, dieß weiß ich, Selene;

Brannte ja dein Herz auch für den Endymion einst.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 632)

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Frau und Hetäre


Warm in den Winkeln des Herzens ist mir zweifaches Verliebtsein,

Hier in die Römerin erst, in die Korintherin dort.

Die weiß sich zu erwählen Matronenmanier und Gebärde,

Oben vom Haarnetz an bis zu den Strümpfen hinab;

Die gibt rückhaltslos, zu jederlei Liebe gefällig,

Richtet die Formen ins Werk die Elephantis ersann.

Heißest du Eine von Diesen indeß mich wählen, o Peison,

Halt' ich an Ephyra mich; Der ist ein Gallos genug.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 632-633)

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Schwarz, aber liebenswürdig


Winzig und dunkelgefärbt ist Philinnion, aber als Eppich

Krauser ihr Haar, und die Haut zärter als zärtester Flaum.

Magischer ist ihr Wort als der zaubrische Gürtel, und Alles

Gibt sie, und meidet es oft etwas zu fordern dafür.

So soll lieb mir bleiben Philinnion, bis ich ein' Andre,

Eine Vollkommnere mir, goldene Kypria, fand.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 633)

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Sagt es, und thut es nicht.


Seele gebeut mir zu fliehn vor der Liebe zu Heliodoren,

Thränen und eifernde Sucht kennend aus früherer Zeit.

Spricht's wohl. Aber zu fliehen vermag ich nicht; denn es gebietet

Wohl die Verwünschte, jedoch liebt sie, indem sie's gebeut.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 633)

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Vergänglichkeit


Ich, der vormals Fünf und Neun wohl, jetzt, Aphrodite,

Eins kaum bis zum Tag von der beginnenden Nacht.

Und allmählich vergeht auch Dieses mir! Hälftig erstorben

Ist's schon oft, und es stirbt also erbärmlich dahin.

Alter, o Alter, was wirst du inskünftige, wenn du herankommst,

Dann wohl thun, wenn jetzt unsere Stärke verwelkt?

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 633)

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Weiß nicht wie ihm geschieht


Spiel der Musik, und Gespräch, und beschwatzende Blicke Xanthippe's,

Und ihr Gesang, und das Feu'r welches so eben erwacht,

Wird dich, Seele, verbrennen; jedoch wann, wie und weßwegen,

Weiß ich nicht. Wirst es sehn, wenn du, Unselige, dampfst.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 634)

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Noch Jugendsinn


Sieben so eben heran zu den Dreißigen kommen die Jahre,

Und an dem Leben für mich theilen die Blätter sich schon.

Schon auch sind mir, Xanthippe, ergrauende Haare gesäet,

Künden als Boten die Zeit klügeren Alters mir an.

Aber noch liegt mir beredte Musik und Ständchen am Herzen,

Und von Feuer noch dampft mein ungesättigtes Herz.

Wohl, so schreibt denn Dieses geschwind mir nieder zum Schlußpunkt,

Musen, die Herrinnen ihr unseres thörichten Thuns.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 634)

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Nahe Gefahr


Noch ist der Sommer dir nicht von der Knospe befreit, und die Traube,

Frühjungfräulichen Reiz kündigend, färbt sich noch nicht;

Aber es schärfen bereits, o Lysidike, junge Eroten

Schnelles Geschoß; und geheim glimmet verborgene Glut.

Laßt uns fliehn, Liebhaber, so lang auf der Sehne der Pfeil fehlt!

Einen gewaltigen Brand sag' ich sogleich uns voraus.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 634)

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Kennt keine Furcht


Immer, so oft ich im Schooß der Kydilla bin, sei es am Tage,

Sei es abendlich auch daß ich zu kommen gewagt,

Weiß ich, am Abgrund führet die Straße mich, weiß ich, den Würfel

Werf' ich jeglichesmal über mein eigenes Haupt.

Aber was bleibt mir übrig? Verwegen ist Eros, und wenn er

Zieht, so kennt er zumal nicht in dem Traume die Furcht.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 635)

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Die verschwiegene Lampe


Wenn du die schweigende, mit um die Heimlichkeit wissende Lampe

Mit ölhaltigem Thau trunken, Philaenis, gemacht,

Gehe dann. Eros allein liebt niemals einen beseelten

Zeugen. Und dicht und fest schließe, Philaenis, die Thür. -

Und du, küsse mich, Xantho; und, liebliche Lagergenossin,

Das von Paphia noch Übrige weißest du ja.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 635)

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Die Unvergängliche


Sechzig Sommer bereits vollendete Charito's Leben,

Aber es bleibt noch schwarz immer die Welle des Haars;

Immer auch stehn am Busen die marmornen Kegel der Brüste

Fest noch, nicht von umher laufender Binde gestützt;

Und die entrunzelte Haut, von Ambrosia immer, und jeder

Peitho, und Chariten auch triefet sie tausendfach noch.

Wer denn von euch Liebhabern vor üppigen Lüsten nicht fliehet,

Komm', und vergess' ein solch Dutzend von Jahren dabei.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 635)

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Vernünftige Vorsätze


War ich verliebt; wer nicht? Gieng Ständchens ich; wer ist der Ständchen

Unkund? War ich verrückt; hatte die Schuld nicht ein Gott?

Jetzt fahr' hin! Denn grau an des dunkelen Stelle bewegt sich

Schon mein Haar, und sagt klügeres Alter mir an.

Als zum Spielen die Zeit, da spielten wir; aber nachdem es

Nicht mehr, schließen wir nun bessern Gedanken uns an.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 636)

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Die Härte wird bestraft


"Dieses versteh' ich, o Holde: den Liebenden wieder zu lieben;

Dieses versteh' ich zugleich: beißen wenn Einer mich beißt.

Quäle mich nicht, den ganz dir Ergebenen, meide zu reizen

Der Pieriden auf dich heftig erbitterten Chor!"

Also rief ich dir stets und predigte; aber nicht besser

Als das ionische Meer hast du die Worte gehört.

Darum bleibe dir nur, hier lautaufweinend zu bäffen,

Aber ich selbst indeß sitze der Nais im Schooß.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 636)

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Häßlich und liebenswerth


O ein Fuß, o Wade, o Schenkel, der ganz nach Verdienst mich

Umbringt, o ein Gefäß, o und die Hüfte, der Kamm,

O und die Schulter, die Brust, und o der geschlankige Nacken,

O und die Hände, und o Augen zum Rasen für mich,

O und die arglistvollen Bewegungen, o unvergleichlich

Schnäbeln, o Stimmchengetön, das uns das Herze zerbricht! -

Ist sie Barbarin und gelb, und singt nicht die Sappho, so hatt' auch

Perseus die Indierin, seine Andromeda, lieb.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 637)

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Mit Wenigerem zufrieden


Wieder Leukoiengeflecht und Musika, wieder von Chios

Wein, und wiederum auch Myrrhe von Syrien her,

Wiederum schwärmen, und wieder ein durstiges Dirnchen besitzen

Mag ich nicht mehr; mir ist diese Verrücktheit ein Greul.

Doch mit Narkissosblumen umwindet mich, lasset mich Flöten

Schmecken, mit Krokosöl salbt die Gelenke mir ein,

Tränket die Lungen mir auch mit mytileneischem Bakchos,

Und aus einer Spelunk' hängt mir ein Jüngferchen an.

Philodemos (um 55 v. Chr.)

Übersetzt von Georg Thudichum (1794-1873)

Aus: Griechische Anthologie
Nach der Anlage von Brunck's Analekten
metrisch übersetzt
Fünftes Bändchen von Georg Thudichum
Stuttgart Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung 1867
(S. 637)

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