Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Guido Guinizelli (1230-1276)
italienischer Dichter



Lob der Liebe
(Canzone)

In edle Herzen ziehet gern die Liebe,
Wie gern das Vöglein in des Waldes Grün;
Zugleich schuf uns Natur die süßen Triebe,
Zugleich ließ sie das edle Herz erblühn.
So trat hervor die hohe Sonne,
Nicht früher als des Glanzes milder Strahl
Erglühte jen' in Pracht und Wonne.
Die Liebe thront allein auf edelm Sitze,
Da weilt sie allzumal
Wie in des Feuers hellem Glanz die Hitze.
Der Liebe Feu'r zeigt sich in edeln Herzen
Wie hoher Werth im seltnen Edelstein;
Nicht eh'r entzünden sich der Sterne Kerzen,
Eh' sie geläutert hat der Sonne Schein;
Von ihr ward erst herausgezogen
Was in den Sternen unrein war zuvor;
Vom Stern kommt edler Licht geflogen.
So wird das Herz zum Edelmuth erweitert,
Natur zog es hervor,
Und Frauenlieb' hat's gleich dem Stern geläutert.
Die Liebe weilet so in edeln Herzen
Und leuchtet blendend dort und hell und rein
Wie eine Flamme an geweihten Kerzen,
Sie kennt nicht andre Art, will so nur sein.
Doch tritt stets mit Gewalt
Natur der Lieb' wie Naß dem Feu'r entgegen,
Und wie dem Heiß das Kalt.
Ein edles Herz wählt Lieb' zum Aufenthalt,
Auf gleiche Art bewegen
Sich Diamant und Eisen stets entgegen.
Mag stets auf Koth die hohe Sonne scheinen,
Er bleibet Koth, doch sie verlieret nichts.
Will sich der Mensch durch Abkunft edel meinen,
Gleicht er dem Koth, die Sonne edeln Lichts
Dem Werth; es darf der Mensch nicht glauben,
Daß ohne Muth der Adel mag besteh'n.
Nicht wird's die Königswürd' erlauben,
Daß edeln Herzen solche Kraft sei ferne,
Wie Glanz im Quell zu sehn,
Und doch dem Himmel bleiben Strahl und Sterne.
In seiner Himmelsweisheit überglänzet
Gott, Schöpfer, seine Sonn' in unserm Blick;
Ihm leuchtet jen', wo nicht die Welt mehr grenzet,
Ihm kehrt die Welt im Kreislauf stets zurück.
Das höchste selige Vollenden
Schafft nur des hohen Gott's Gerechtigkeit;
So darf allein die Wahrheit spenden
Die holde Frau, in deren Augen glühet
Die edle Heiterkeit,
So ihrer Herrschaft nimmer sich entziehet.
Was hast, fragt Gott, du dir herausgenommen?
Wenn meine Seel' im Tod' einst vor ihm steht,
Durch Himmel drangst du, bist hiehergekommen;
Doch Lieb' ehrt'st du statt meiner Majestät,
Mir ganz allein darf Lob gebühren!
Zur Himmelskön'gin sprech' ich dann sogleich,
Die alle Tück' uns konnt' entführen:
Von einem Engel hat sie alle Züge
Aus deinem sel'gen Reich:
Ist's Sünde dann, wenn ich der Lieb' erliege?
(S. 4-6)
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Mäßigung im Glück
(Sonett)

Wem auf des Glückes Rad' zu stehn gelungen,
Der freue sich nicht, daß er so gestiegen,
Denn zeigt sich's auch in heitern, reinen Zügen,
Hat sich's zu bald nur wieder umgeschwungen.

Sei noch so frisch das Grün hervorgedrungen,
Dem Wechsel muß die Blüthe unterliegen,
Und ein Gesetz ist's, (ich kann mich nicht trügen)
Daß tiefer fällt, was höhern Stand errungen.

Es darf der Mensch zu sehr sich nimmer freuen
Erhab'ner Größ', und lange Hoffnung hegen,
Vergeblich jubeln ist ein bittrer Schmerz;

Nur Demuth sollten wir im Busen hegen,
Nicht für ein Glück das Ohr dem Stolze leihen,
Denn jede Höhe strebt einst niederwärts.
(S. 6)
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Der Gruß der Geliebten
(Sonett)

Wenn sanften Gruß und holden Blick Ihr spendet,
Begegnend mir, will mich's zum Tod verwunden;
Amor bestürmt mich, nicht kann ich bekunden,
Ob Ihr ihn haßt, ob Ihr ihm zu Euch wendet;

Denn mir ins Herz hat er den Pfeil gesendet,
Von dem durchbohrt, es öffnet tiefe Wunden;
Der Red' unfähig, kann ich nicht gesunden,
Wie, wer da sieht, daß es mit ihm sich endet.

Dem Blitze gleich, durchschwirrt' er meine Augen,
Der in des Thurmes Schallloch plötzlich fährt,
Und Alles dort zertrümmert, was er findet.

Zur ehr'nen Statue noch nur möcht' ich taugen,
Die Leben nie, noch Seele je bewährt,
Den Menschen nur in äuß'rer Form verkündet.
(S. 6)
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Aus: Handbuch der Geschichte der
Italiänischen Litteratur
Erläutert durch eine
Sammlung übersetzter Musterstücke
Herausgegeben von Dr. Fr. W. Genthe
Zweite Abtheilung: Die Italiänischen Dichter
Magdeburg Verlag von Ferdinand Rubach 1834
[Übersetzer sind nicht explizit genannt]



 

 


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