Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Johann Ludwig Heiberg (1791-1860)
dänischer Dichter




Amor bei Bacchos

Bacchos
Still! Wer klopft an die Thür? Es nähert leise sich Amor
Meiner Behausung! Gegrüßt seist Du, o seltener Gast!

Amor
Nicht als Gast komm ich hier, hatt' mich im Walde verirret,
Als ich zum Tartaros jüngst suchte den einsamen Pfad.
Doch da sprang ein Tiger empor vom Gebüsch; und ich folgte
Hierhin zu Dir, wo so schön Ranke zur Hütte sich schlingt.
Und ich hörte den jubelnden Lärm, da trat ich hinein denn,
Führ', Dionys mich hinaus, hin auf des Tartaros Pfad!

Bacchos
Kleiner, wie soll ichs versteh'n? Sag' an, was willst Du beim Pluto?

Amor
Lethes erquickenden Strom suchet mein brennender Blick!

Bacchos
Liebster, sag an, was willst Du denn da?

Amor
Will trinken die Welle!

Bacchos
Sag mir, scherzest Du?

Amor
Nein, durstig ja bin ich und heiß.

Bacchos
Nun, dann geh' zur Najade, verlang einen Becher vom Quelle.

Amor
Rinnendes Wasser nicht löscht, Werther, den brennenden Durst.
Lethes ruhige Flut allein kann mir dämpfen die Flamme,
Führ mich zum Fluß, es bedarf sehr meine Lippe des Trunks.

Bacchos
Wenn Du 's verlangst denn, wohlan, so will ich Dir weisen die Pfade.
Lang doch ist es, drum ruh jetzt in der Hütte Dich aus.
Komm, bist müde und matt. Komm, setzt' Dich hier unter das Weinlaub,
Während der brausende Wein stärke die sinkende Kraft.

Amor
Reich ihn her denn!

Bacchos
Sieh her! Du Armer, es zittert die Hand Dir!

Amor
Dank! Das schmeckte mir gut.

Bacchos
Trink' denn ein wenig noch mehr!
Eilt Mänaden herbei und deckt den Tisch in dem Schatten.
Kränzet mit Laub den Pokal, füllet ihn froh bis zum Rand
Mit dem herrlichen Saft, den der Traube Purpur geschenkt uns!
Komm, mach Spaß uns, Silen! Geht, ihr Satyre, mit ihm!
Eile Du, Faun, zum Pan und bitt ihn zu leihen die Flöte,
Komm dann baldigst zurück, blas uns ein Stückchen darauf!
Alles verherrliche jetzt das Fest des Amor, denn nimmer
Hat der beflügelte Gott sonst Dionysen besucht. -
Doch, wo hast Du den Bogen? Und wo ist Dein Köcher, Du pflegst ja
Stets ihn zu haben bei Dir, kenn' ich Dich anders noch recht?

Amor
Ach, 's ist wahr, ich vergaß sie bei meiner Mutter in Paphos;
Hing sie auf eine Cypress', denn sie belästigten mich.

Bacchos
Trink und sei lustig, mein Kind! Wandern dann morgen nach Lethe.
Laß den kommenden Tag, laß die vergangene Nacht!

Amor
Herrlich erquickt mich die Traube, nie hab' ich zuvor sie gekostet;
Nur Ambrosia genoß ich und auch Nektar zuvor,
Oder den schmelzenden Honig, wenn oft ich fing in dem Garten
Manche summende Bien', raubend das Säftchen von ihr.
Doch, je süßer die Kost, je mehr auch wuchs mir die Flamme.
Und, o Bacchos, dein Saft gießet nicht Oel noch hinein.
Nein, er stählt mir den Muth, und die Kraft, so sehr schon gesunken;
In der Ferne schon seh Hoffnung ich blinken auf's Neu.
O wie seltsam! Wenn ich lauscht' in dem Dunkel der Wälder,
Süßen Tönen, die Pan lockt aus dem Rohre hervor,
Ward betrübt mir zu Muth' und ich seufzte mehr und ich fühlte
Klopfen mächtig das Herz, weint', ach, und wußt' nicht warum.
Doch nun hör' ich so gern den Faun hier spielen die Flöte
Munter und lustig mir ward jetzo der traurige Klang.
Sieh, die Mänaden tanzen dazu, sieh die Satyre springen!
Auf, ich menge mich selbst jetzt in den festlichen Tanz!
Wartet! Bekränzet mich erst mit den Epheuranken, dem Weinlaub!
Ordnet Euch! Folget mir dann! Amor, er führt Euch den Chor!
Gebt in die Hand den Pokal! Besprengen will nach dem Takte
Ich Euch mit heiligem Saft. Füllet noch einmal ihn jetzt!
Vorwärts! Nun auf und ab! Nun wieder ein cirkelnder Rundgang!
Evoe! Evoe! Hei, Bacchos dem mächtigen Gott!

Bacchos
Armer Kleiner! Gewohnt nicht ist er zu folgen dem Thyrsos;
Hurtig wirkt er auf ihn. Seht nur, wie lustig er ist!
Seht, wie er tanzt und sich schwingt im Kreis und dann nippt von dem Becher.
Doch nun stehet er jach! Müd hat der Tanz ihn gemacht.
Denn, er setzet sich hin. Die Augenlider sich schließen;
Langsam sinket er hin matt auf das thauige Gras!
Still, er schläft! Nun rühret Euch nicht! Still, hebt ihn nun leise
Auf den Esel! - Silen, werd uns nicht böse darob!
Selbst Du mögest ihm folgen und halten den Esel am Schwanze,
Dann bist sicher Du wohl, daß er nicht ganz Dir entläuft!
Nehmt von des Kindes Haupt den Kranz von Epheu und taucht ihn
Ein in den Wein und benetzt schlinget ihn wieder um ihn,
Um die Schläfen beide, die goldig wallenden Locken!
Peitschet den Esel, hinweg! Folge mir, herrlicher Zug!
Hin zu Paphos geh'n wir und suchen im Hain die Cypresse,
Wo er den Bogen gehängt. Leise dann legen wir ihn
Unter die schattigen Zweige; und eilen dann wieder von hinnen.
Wenn er erwacht dann und sieht hängen den Bogen am Zweig
Mit dem blendenden Köcher, dann wird er glauben, ihm träume
Nur von der Stunde bei mir; oder auch denkt er vielleicht
Daß er bei Lethe war; doch, wenn er den Kranz dann gefunden,
Sagt er: "Morpheus nicht wand oder der Pluto mir den.
Hab ich geträumt, wie ward dann wirklich die Schöpfung des Traumes?
War ich bei Lethe, dann war's Lethe doch, welche uns nicht
Löschet der Herzen Flamme, nein, Schmerzen lindert und giebt uns
Muth zu ertragen auf's Neu stärker entbrennende Glut."
Ach, wie würde der Arme, sofern die Flamm' ihm gelöschet
Bei der Vergessenheit Fluß, traurig erwachen und leer!
Doch nun wird, wenn der Schlaf ihn ließ, der Gute sich trösten,
Daß er sich wieder erkennt. Jeder, so Lieb' hat gefühlt,
Will das Leben hindurch in Flammen brennen ohn' Hoffnung,
Lieber als einen Tag leben gesund und ganz frei.

übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)

Aus: Album Nordgermanischer Dichtung
von Edmund Lobedanz
Erster Band: Album Dänisch-Norwegischer Dichtung
Leipzig 1868 Verlag von Albert Fritsch (S. 106-110)

_____


 

 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite