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      John Suckling (1609-1642) 
      englischer Dichter 
      
      
       
       
      Ein Verliebter 
       
      Warum so blass, verliebtes Blut? 
      Warum so blass, sag' an! 
      Die Blässe thut, glaub' mir, nicht gut, 
      Wenn sonst nichts "sie" gewinnen kann. 
      Warum so blass, sag' an! 
       
      Warum so stumm, jung' Sünderlein? 
      Warum so stumm, sag' an! 
      Ein stummer Mund muss nutzlos sein, 
      Wenn Rede "sie" nicht reizen kann. 
      Warum so stumm, sag' an! 
       
      So wirst die Holde du wohl nicht erreichen, 
      Auf solche Weise nicht ihr Herz erweichen. 
      Will sie von selbst nicht Liebe hegen, 
      Kein Zwang wird sie dazu bewegen. 
      Am besten ist's, du wünschest ganz verstohlen: 
      "Der Teufel möge die Geliebte holen!" 
      (S. 124) 
       
      Übersetzt von Leopold Katscher (1853-1939) 
       
      Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer 
      und amerikanischer Gedichte 
      von den Anfängen bis auf die Gegenwart 
      In deutschen Übersetzungen 
      Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen 
      Notizen und einer Einleitung 
      von Julius Hart 
      Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885 
      
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      Die sonderbare Festung 
       
      Vor einer Feste sonderbar, 
      Vor einem Herzen, lag 
      Vergebens ich ein ganzes Jahr 
      Und that doch, was man mag. 
       
      Ich nahte mich, und von der Hand 
      Kam ich auch bis zum Mund, 
      Der Augen Sprache selbst verstand 
      Und lernt' ich bis zum Grund. 
       
      Und kunstvoll schritt ich weiter fort, 
      Mein Mund grub Minen vor, 
      Das Herz, dacht' ich, folgt meinem Wort, 
      Gewinn' ich erst das Ohr. 
       
      Doch das war Nichts. Da liess ich fein 
      Kanonenschwüre los, 
      Warf Bomben in die Stadt hinein, 
      Doch nichts half das Geschoss. 
       
      Aushungern wollt' ich nun den Platz: 
      Ich hielt mit Küssen ein, 
      Mit Blicken pries ich nun den Schatz 
      Und süssen Schmeichelein. 
       
      Zum Ausfall auch versucht ich sie, 
      Zog fort die Batterien 
      Und legte mich, als hätt' ich nie 
      Belagert, ruhig hin. 
       
      Nachdem nun Alles dies geschah - 
      Ich glaubte Sieger mich - 
      Da lag der Feind ganz ruhig da, 
      Lacht' aus ob Allem mich. 
       
      Ich schickt' auf Kundschaft, wer den Ort 
      Denn hält, und spionirt 
      Ward mir, die Ehrbarkeit sei dort, 
      Die das Commando führt. 
       
      Auf! rief ich, es ist an der Zeit, 
      Dass wir zum Abzug blasen! 
      Die Riesin lebt in Ewigkeit, 
      Wird nie die Feste lassen. 
       
      Zieh'n wir vor einen andern Platz, 
      Wo man umsonst nicht bleibt: 
      Ich hasse Die, die ihren Schatz 
      Durch schnöden Stolz vertreibt. 
      (S. 124-125) 
       
      Übersetzt von Alexander Büchner (1827-1904) 
       
      Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer 
      und amerikanischer Gedichte 
      von den Anfängen bis auf die Gegenwart 
      In deutschen Übersetzungen 
      Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen 
      Notizen und einer Einleitung 
      von Julius Hart 
      Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885 
      
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      Verleumdung 
       
      Verleumdung, Schlangenbrut verworfner Seelen 
      Und schmutz'gen Sinns, von böser Zung' gesäugt, 
      Krebs der Gesellschaft! konntest du nichts wählen 
      Als unsre Lieb', an der dein Haß sich zeigt? 
       
      Nie warst du, wo allein wir beiden waren, 
      Wie kannst du zeugen? Schmutz'gen Zoll von dir 
      Wußt' unser Seelenaustausch dir zu sparen: 
      Mehr als wir jemals sagten, fühlten wir. 
       
      Wer gab dir Nachricht von uns? War's die Erde? 
      Dies Theil von uns blieb unsrer Liebe bar. 
      War es die Luft? Entzücken nur gewährte 
      Der Wonneseufzer, den das Glück gebar. 
       
      Keusch, wie der Morgen wegschwebt von der öden 
      Nacht, war das Wort, das den Gedanken lieh 
      Das äußre Kleid, und wie Jungfraun-Erröthen 
      So rein, so ganz unschuldig waren die. 
       
      Das Wasser auch, es konnt' dir nichts erzählen; 
      Nie furchten Thränen ihrer Wangen Glanz; 
      Und mir? Sie liebte mich! Was konnt' mir fehlen? 
      Was konnt' ich wünschen noch, beseligt ganz? 
       
      Wir kürzten unsre Tage zu Minuten 
      Durch Liebesmacht und wußten nichts von Zeit, 
      Und wenn entzückt wir in der Liebe ruhten, 
      Ward sie ein Theil der stillen Ewigkeit. 
       
      Vom reinern Feuer konnt'st du gar nichts hören; 
      Was in uns flammte, war nicht Sinnenglut, 
      Nicht Hoffnung, Furcht, noch thörichtes Begehren, 
      Wir liebten: das war unser höchstes Gut. 
       
      Im Himmel hast du keine Botenstelle; 
      Und, sieh, die Erde gab dir nicht Bescheid; 
      Wo hast du nun dies Zungenscheusal her? Der Hölle 
      Entstammt's, in der ihr beide heimisch seid. 
       
      Weh' der geschäft'gen Zunge, die gewonnen 
      Der Theuren Ohr und all mein Glück mir stahl! 
      Sie koste für Minuten gleiche Wonnen 
      Und darbe dann in mitleidsloser Qual. 
       
      Ich flieh' hinweg, einlösend nun mit Klagen 
      Jedwede Stund', die sel'gen Traum gebar: 
      So zieh' ich die Minuten hin zu Tagen, 
      Werd' ein Methusalem in Einem Jahr. 
      (S. 129-131) 
       
      Übersetzt von Otto Leonhard Heubner (1812-1893) 
       
      Aus: Englische Dichter Eine Auswahl englischer Dichtungen 
      mit deutscher Übersetzung 
      von O. L. H ...r [Otto Leonhard Heubner] 
      Leipzig Verlag von Georg Wigand 1856 
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