Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Sandor Kisfaludy (1772-1844)
ungarischer Dichter


Himfy's Liebeslieder


Unglückliche Liebe

VII. Gesang

Wie zwei helle Feuersonnen,
So Ihr Augenpaar erglüht,
Gleich der oben, blauumsponnen,
Die den Wesen Leben sprüht.
Staunenswerth ist im Vollbringen,
Die, wie jene und die Gluth,
Die in beiden Zauberringen
Glänzet, strahlet, Wunder thut.

Was im Lenz', kehrt er zurücke,
Mit der Erd' die Sonne schafft,
Übt im Herz, bei jedem Blicke,
Ihres Auges Schöpferkraft:
Jene schmelzt des Eises Bande,
Dringet in er Erde Schoss,
Dies entflammt das Herz zum Brande,
Schnellt darein sein tief Geschoss.

Wenn sich jene stolz erhebet,
Weckt sie auf die weite Welt;
Dies erleuchtet und belebet
Jeden Kreis, auf den es fällt;
Aus dem Blau des Himmels spendet
Jene Strahlen glühend heiss;
Sichre Pfeile dieses sendet
Aus dem schön'ren Schwarz und Weiss.

Spurlos ist die Kält' verloren,
Wenn die Sonne näher glüht,
Alles ist dann neu geboren,
Gras und Blume neu erblüht;
So ihr Auge, wenn es näher
Schöpferische Funken stäubt,
In der Brust entzückter Seher
Neue Lust ins Leben treibt.

Vor der Sonne Feuerkräften
Schmilzet ein der Bäche Nass,
Dürstend nach versiegten Säften,
Dorrt der Baum, verwelkt das Gras:
Auch die Flamme dieser beiden
Augen zehrt der Seele Lust,
Trocknet aus den Quell der Freuden,
Und zerspaltet jede Brust.

Seit der Himmel den Gefilden
Ew'ger Nacht entschwunden war,
Kam aus Gottes Hand, der milden,
Noch kein ähnlich Augenpaar.
Meines Lebens Weh und Wonne
Hängt von diesen Augen ab,
So wie von dem Lauf der Sonne
Aller Wesen Seyn und Grab.
(S. 34-35)

Übersetzt von Georg Tretter

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
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100. Dal

Aus dem Leben ausgeschieden,
Mit dem Tode schon verwandt,
Welk an Seel' und Leib, den müden,
Ruh' ich hier am Bergesrand;
Aus der Pfeife steigt in Scharen
Dichter Rauch, geringelt, blau,
Während ich zu silberklaren
Meeresfluteh zweifelnd schau';
Mich erinnernd Sappho's Plage,
Und vom Schicksal dieses frage,
Ob ihr folgen hier hinein?
Und ein Echo zittert: nein.
(S. 36)

Übersetzt von Georg Tretter

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
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126. Dal

Tage kommen, Tage schwinden wieder,
Doch mein düstrer Gram entfernt sich nicht;
Stunden fliehen auf der Zeit Gefieder,
Doch nicht meines Elends Vollgewicht;
Selbst Vulkane müssen oft erliegen,
Doch nicht meines Liebesfeuers Gluth;
See'n und Flüsse müssen oft versiegen,
Doch nicht meiner Kummerthränen Fluth;
Wald und Flur erfreu'n sich neuer Preise,
Und Gestirne wandeln ihre Kreise,
Schwach und wandelbar ist selbst das Glück:
Felsenfest ist nur mein Missgeschick!
(S. 36)

Übersetzt von Wiener Lit. Zeitung

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
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172. Dal

Dich erblick' ich in des Domes
Tiefem, klaren Himmelblau;
Dich erblick' ich in des Stromes
Spiegelhellem, flüss'gem Grau;
Tags im lichten Flammenschimmer
Der dem Sonnengold entstrahlt,
Nachts, im wirren Silberflimmer
Der dem Monde sanft entwallt.
Und in jedem Punkt der Zeiten,
In des Raumes fernsten Weiten
Bist Verfolg'rin immer du -
Grausame! o schenk mir Ruh'.
(S. 37)

Übersetzt von Georg Tretter

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
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Glückliche Liebe

16. Dal

Anders ist der Welt Gestaltung,
Anders nun mein Auge sieht,
Anders ist der Dinge Waltung,
Anders nun ertönt mein Lied;
Anders fühl ich nun das Leben,
Und ein fremd' Geberdenspiel,
Anders will der Geist sich heben,
Und das Seyn zu andrem Ziel!
Fühl' mein Seyn sich neu gestalten,
Weil ich lieb' und Lieb' erhalten;
Anders fliesset nun die Zeit,
Seit ihr Daseyn mir geweiht.
(S. 37-38)

Übersetzt von Georg Tretter

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
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53. Dal

Einem Gott nur, einer Väterstätte,
Glühte einstens treu, voll rauher Lust -
Einer Braut nur, einem Ehebette
Kräftig treu die echte Ungerbrust.
Doch zu Gott nicht, nicht zum Vaterlande
Ist sich manche hohle Ungerbrust,
Nicht zum Worte, nicht zum Liebesbande,
Zu sich selbst nicht jetzt der Treu bewusst!
Einen Gott nur, und ein heimisch Rund
Fühlt mein Busen und bekennt mein Mund,
Und im Herzen ist nur eine Liebe,
Wie nur ein Herz für des Busens Triebe.
(S. 39)

Übersetzt von Georg Tretter

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
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Himfy's Liebeslieder I

I.
In verklärend mag'scher Helle
Seh ich dort ihr Angesicht,
Wenn ich an des Baches Welle
Wandle in des Mondes Licht;
Und ich träume, daß das Bild
Liebeslächeln hold umflicht,
Daß es freundlich, sanft und mild
Mit mir, dem Verlassnen, spricht:
Ach, wie ich dann glücklich bin!
Doch der Wahn ist bald dahin:
Meine Seligkeit vergeht,
Wie das Zauberbild verweht.
(S. 47)


II.
Dich erblick' ich in des Domes
Tiefem klaren Himmelsblau;
Dich erblick' ich in des Stromes
Spiegelhellem flüss'gen Grau;
Tags im lichten Flammenschimmer,
Der das Sonnengold belebt,
Nachts im wirren Silberflimmer,
Der dem Monde sanft entschwebt.
Und in jedem Punkt der Zeiten,
In des Raumes fernsten Weiten,
Ueberall nur immer Du, -
Grausam Bild, o schenk' mir Ruh!
(S. 48)


III.
Rasche Mäher auf den Wiesen,
Mähten just zum letztenmal,
Und die Schatten, lang wie Riesen,
Dehnten sich in's stille Thal;
Und nun gingen, und nun standen
Wir im hohen Wiesengras,
Bis wir uns am Bache fanden,
Schauend in das helle Naß:
Ueber uns sahn wir den Himmel,
Sahn ihn in der Fluth Gewimmel,
Fühlten in der Brust ihn, voll,
Die von heil'ger Gluth uns schwoll.
(S. 48-49)


V.
Schau als Knospe jene Rose,
Noch verschlossen ist die Brust,
Diese blüht schon im Gekose
Mit dem West in offner Lust;
Kind, Du glichst der ersten, blühend
In der jungen Mädchen Reih;
Doch der zweiten jetzt, erglühend,
Mir am Gattenherzen treu.
Blätter schon die dritte büßet,
Doch in Saamen sie wohl schießet:
So einst, Du am schönsten bist,
Schwand auch, was jetzt Jugend ist.
(S. 49)

Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Aus Himfy's Liebesliedern

Klagende Liebe

1. (7.)
Wie der Hirsch, vom Speer getroffen,
Zitternd flieht auf flücht'ger Spur,
Doch zu spät - die Wund' ist offen,
Und sein Blut färbt Wald und Flur:
So vor ihres Blick's Geschossen
Flieht auch mein verwundet Herz,
Von des Grames Thau begossen,
Trinkt die Erde meinen Schmerz.
Doch stets heisser fühl' bei'm Fliehen
Ich das Gift im Herzen glühen,
Immer tiefer dringt es ein,
Und die Flucht wird Todespein.
(S. 14)


2. (97.)
Lenzesnah'n und Lenzesprangen,
Wiesenschmuck und Wäldergrün,
Wenn die Vögel munter sangen
Und so hell die Sonne schien:
O wie konnt' ich dess mich freuen,
Eh' ich ihren Reiz geseh'n,
Wie mein Herz dem Frühling weihen,
Jede and're Lust verschmäh'n.
Wo nur hin mein Auge blickte,
Mir ein Freudenblümlein nickte;
Doch wir sah'n uns - Sie und ich:
Und - die schöne Zeit entwich!
(S. 14)


3. (79.)
Augen, himmlisch mild erglommen,
D'rin Schalk Amor's Sitz zu seh'n,
Habt mir alle Kraft benommen,
Mein Gefühl euch zu gesteh'n.
Welches Wort vermag zu künden,
Was aus euern Flammen strahlt,
Welche Sprache zu ergründen,
Was in eurem Glanz sich malt!
Ach! des Schöpfers Kraft und Würde,
Seiner Schöpfung Schmuck und Zierde
Bet' ich staunend an in euch,
Und ihr - führt den Todesstreich.
(S. 15)


4. (57.)
O wie schnell bist du verschwunden,
Meiner Kindheit gold'ner Traum,
Ihr, des Lebens hellste Stunden,
O wie gleicht ihr flücht'gem Schaum!
Blüten, die der Lenz erschlossen,
Blätter, die der Herbst gefällt,
Vogelsang, dem Hain entsprossen,
Schmuck und Glanz der Blumenwelt:
Alles, alles kehrt ja wieder,
Schwebt ein neuer Frühling nieder,
Du nur, sel'ge Kinderlust,
Stirbst auf ewig dieser Brust!
(S. 15)


5. (120.)
Tage kommen, Tage ziehen,
Doch mein Gram wird ewig neu,
Ob die Stunden auch entfliehen,
Mein Geschick, es bleibt sich treu.
Des Vulkanes Feuerquelle
Lischt, doch nicht des Herzens Glut;
Es versiegt des Baches Welle,
Nimmer meiner Thränen Flut.
Frisches Laub entkeimt den Zweigen,
Wechselnd kreist der Sterne Reigen,
Wandelnd täuscht des Glückes Schein:
Fest beharrt mein Schmerz allein.
(S. 16)


6. (173.)
"Ruhe will ich mir erjagen,
Will zu Ross' dem Leid entflieh'n."
Also wähnt' im raschen Wagen
Tröstend mein bethörter Sinn.
Alsbald mit verhängtem Zügel,
Blutig wund vom Sporneszahn,
Trug mich über Thal und Hügel
Meine Scheck' auf Sturmesbahn.
Armes, treues Thier! verklage
Zürnend nicht den Reiter, trage,
Wie's das Schicksal uns verlieh:
Du für mich, und ich für Sie.
(S. 16)


7. (71.)
O Badacsony's Traubenlesen,
O Erinn'rung, schmerzlich süss!
Ist's doch jenes Fest gewesen,
Das ihr Sklav' mich werden liess.
Dort erfuhr ich, wer die Holde,
Was der Liebe Träumerei'n,
Wie sich's lebt in Amors Solde,
Was des Herzens süsse Pein.
Ging nicht der, der ich gekommen,
Als der Abschied ward genommen;
War ein And'rer ehedem
Und nachdem ich sie geseh'n.
(S. 17)


8. (35.)
In der Blumen bunten Reichen
Prangt die Rose zart und mild,
In der Schaar der Sternenzeichen
Herrscht der Sonne Strahlenbild.
Also glänzt, als Rose blühend,
In des Lebens Gartenraum,
Also strahlt, als Sonne glühend,
Auch der Liebe Göttertraum.
Selig, wem solch' Sonne glänzet,
Solche Ros' das Haupt umkränzet!
Ohne sie verdorrt der Hain,
Schrumpft der Lenz zum Winter ein.
(S. 17)


9. (24.)
Lauter liebender Gedanken
Ist mein Geist sich still bewusst,
Bunte Liebesseufzer schwanken
Auf und nieder in der Brust.
Jene - luft'ge Traumesspiele -
Ungern nur der Geist entbehrt,
Diese - süsse Schmerzgefühle -
Sind dem Herzen lieb und werth.
Doch des Geistes sinnig Denken,
Wie des Herzens Lust und Kränken,
Nimmer kann es mich erfreu'n:
Denn es dient - zu Ihrer Pein.
(S. 18)


10. (20.)
Amor, kannst du's ruhig tragen,
Dass ein Mädchen Hohn dir spricht?
Darf sie dir ein Schnippchen schlagen
Ungestraft in's Angesicht?
Räch' die Schmach, die du erfahren,
Füll' ihr Herz mit deinem Gift,
Und, um deine Macht zu wahren,
Sorge, dass dein Pfeil sie trifft.
Doch dafern - ich denk's mit Beben -
Fremder Lieb' sie schon ergeben:
Still' dann meiner Flamme Pein,
Oder - lass' sie tödtlich sein!
(S. 18)


11. (149.)
Ueberfluss und Armuth zeugten
Amor'n, ihrer Liebe Spross,
Und die Furcht und Sorge säugten
Wiegend ihn als Ammen gross.
Giebt ja nur, um zu verlangen,
Ist so arm, und doch so reich,
Bebt, in steter Angst befangen,
Schwankem Rohr' im Sturme gleich.
Jeder fühlt sein himmlisch Walten,
Doch kein Wort kann je entfalten,
Was sein Wesen, Glück und Leid,
Seine Qual und Seligkeit.
(S. 19)


15. (75.)
Kleiner Bach, der sich den Weichen
Hoher Gletscher kühn entringt,
Und im Schatten dunkler Eichen
Einsam rauschend weiter dringt,
Schweifend dann auf bunten Stegen,
Hart an Klipp' und Felsen schlägt,
Bis nach langen Leidenswegen
Seine Well' in's Meer ihn trägt:
Bist ein Bild von meinem Leben,
Das, dem Schmerz dahingegeben,
Stets auf klippenreichem Pfad'
Schluchzend seinem Ziel' sich naht.
(S. 19)

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874
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