Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Sandor Kisfaludy (1772-1844)
ungarischer Dichter


Himfy's Liebeslieder


Klagende Liebe

7.

Wie der Hirsch, der schwer getroffen
Von des Jägers sichern Pfeil,
Flieht – zu spät – die Wund' ist offen,
Und er findet nirgends Heil;
So hab' ich mich abgewendet
Als ihr Aug in meines sah;
Doch schon war der Pfeil gesendet,
Schon das Weh im Busen da.
Aber ach! mein scheues Rennen,
Mehrt des Giftes tödtlich' Brennen!
Weh! du armes trübes Herz,
Nie enteilst du deinem Schmerz.
(S. 8)
_____



13.

Bunter Vogel, den ich neide,
Singst der Liebe süßes Joch,
Du entbehrst Verstand mit Freude,
Denn dein Pärchen rührst du doch.
In den Adern heißes Wallen,
Sing' ich kunstvoll Amors Macht;
Aber unerhört verhallen
Lieder, wunderschön erdacht.
Glücklicher! Der Liebe Freuden
Singst du, ich nur ihre Leiden;
Komm, ich gebe für dein Glück,
Gerne den Verstand zurück.
(S. 10)
_______



18.

Wo wird sie nicht Glut entfalten,
Meiner Flammen Sturmgewalt?
Was sich nicht zu Eis gestalten,
Nah't es Ihr, die streng und kalt?
Wieviel Herzen sang ich heiß,
Meiner Liebe Lodern tönend;
Wie viel Herzen wurden Eis
Wenn sie sprach, die Liebe höhnend? -
Glut und Kälte, beide dauern!
Doch nur ich bin zu bedauern!
Wird denn nie der Tag erscheinen,
Frost und Gluten zu vereinen?
(S. 12)
_____



22.

Wie das Reh, von hurt'gen Hunden
Aufgeschrecket, flieht und flieht,
Bis es eine Schlucht gefunden,
Die den Drängern es entzieht;
So will Amorn ich enteilen,
Weh', und bin doch stets mit ihm!
Denn in meinem Busen weilen
Fühl' den Gott ich wild und grimm.
Amor seine Beute faßt,
Wie der Luchs, der ohne Rast,
Aufgekauert nagt und quält,
Bis das Opfer stürzt, entseelt.
(S. 14)
_____



26.

Du, des Daseyns höchster Geber,
Der Du uns in's Leben rufst;
Du der Welten Allbeleber,
Der den Menschen Herzen schufst,
Warum hast Du mir's erlesen,
Dieses liebeglüh'nde Herz?
Besser wäre mir's gewesen,
Hättest Du's geformt aus Erz.
Vater dieses All's! nicht räche,
Wenn ich sinnverwirret spreche,
Den Verstand entriß mir sie,
Richte mich nicht, richte sie.
(S. 16)
_____



28.

Wie kann ich mein Leben tragen,
Meines Schicksals herbe Last?
Bin so weit von dir verschlagen,
Die du mich beseelet hast;
Bist die Seele meiner Thaten,
Einzig leb' ich nur in dir,
Nimmer kann ich Dein entrahten,
Und bin doch so ferne hier!
Dein geheimnißreiches Walten,
Liebe, niemand wird's entfalten!
Räthsel bleibst du ewiglich
Liebe, wer ergründet Dich?
(S. 18)
_____



33.

Alles gibt nur Sie mir kund,
Hör in jedem Ton nur Sie,
Bebt ein Laut aus meinem Mund,
Jedes Wort bekennet Sie.
Seufze Sie bei Tag und Nacht,
Meiner Seele Dürsten Sie,
Wünsch' im Traume Sie, erwacht,
Ueberall empfind ich Sie.
Sie, die meine Glutgedanken,
Sie, die meine Wünsch' umranken,
Wie ein Gott schließt sie allein
In sich auch mein ganzes Seyn.
(S. 20)
_____



42.

Könnt' ich meines Geist's Bewegung
Nach der Dichtkunst Zaubernormen,
Aeußern meines Herzens Regung,
In der Rede schönen Formen,
Wie ich auf der Liebe Wort
Jene muß im Haupt gebähren,
Die, im Busen fort und fort
Eingeschlossen muß ernähren,
Süße Leiden tausendfach,
Kündend meines Herzens Ach!
Müßte jede Brust empfinden,
Und Gefallen an mir finden.
(S. 22)
_____



47.

Groß und viel ist was ich dulde,
Und, mein Kummer ist so schwer!
Doch ich trag' ihn für die Hulde,
Ist darum nicht Freudenleer.
Lockte mit des Reichthums Fülle,
Mich das Glück in seinen Arm,
Blieb mir dennoch fest der Wille;
Nie verließ ich meinen Harm.
Wenn darinn sie Freude findet,
Daß in Gram mein Leben schwindet;
Biet ich gerne diese Brust,
Ihres Quälens wilder Lust.
(S. 24)
_____



51.

In des Zaubers mag'scher Helle
Seh' ich oft ihr Angesicht,
Wenn ich an des Baches Welle
Wandle, in des Mondes Licht;
Und ich träume, daß das Bild
Liebeslächeln hold umflicht,
Daß es freundlich, sanft und mild,
Mit dir, dem Verlaß'nen, spricht. -
Ueberglücklich bin ich dann!
Doch es währet nicht der Wahn! -
Meine Seligkeit vergeht,
Wie das Zauberbild verweht.
(S. 26)
_____



54.

Schicksal hast dich so gewendet
Daß mein Fleh'n dich nicht erweicht,
Daß mein Jammer dann nur endet,
Wenn der Tod mein Antlitz bleicht;
Wohl du zärtlich Bild! so schenke
Eine Mitleidsthräne dann,
Mir, der stets ich Dein gedenke,
Der von Dir nicht lassen kann.
Wisse: daß dieß in der Erde
Noch mein Staub empfinden werde,
Und das Herz das ich dir gab,
Treu dir bleibt noch über'm Grab.
(S. 28)
_____



57.

Wie so schnell ist sie verschwunden,
Meiner Kindheit schöne Zeit;
Kurz nur währten jene Stunden,
Die mein armes Herz erfreut! -
Lenz in steter Jugendfrische,
Blumen auf der grünen Flur,
Frohe Klänge im Gebüsche,
Süße Freuden der Natur,
Mag der Winter auch zerstören;
Sicher werd't ihr wieder kehren;
Meiner Jugend Freude nie, .
Ach! warum erwart ich sie?
(S. 30)
_____



75.

Der du aus des Gletschers Seiten
Bach zuerst ins Leben quillst,
Wo die Fichten Nacht verbreiten,
Sie mit Klag und Trauer füllst,
Schlängelnd, dich durch Felsen tragend,
Oft von Stein und Dorn verlezt,
Bis du ringend, bis du klagend,
In dem Meer vergehst zulezt,
Bist das Abbild meines Seyns,
Das an Wunden reich wie kein's,
Pfeilgetroffen, ungeheilt,
Schluchzend seine Bahnen eilt.
(S. 32)
_____



76.

Schwalben wandern, Blätter fallen,
Sausend weht der Wind und schaurig;
Keine frohen Lieder schallen
Feld und Wald ist gar so traurig!
Dürre Kräuter schwankend wehen
Auf der Heide gelb und fahl,
Raben krächzen nur und Krähen,
Auf der Eiche dürr und kahl,
Von der Erde schwand das Grün,
Die Natur sinkt sterbend hin,
So stirbt in der wunden Brust
Mir dahin die Lebenslust.
(S. 34)
_____



79.

Augen ihr voll Majestät,
Wo sein Nest sich Amor baut,
Wer erklärt was mich durchweht,
Wenn ihr flammend auf mich schaut?
Augen, euer Zauberlicht
Fühl ich Aermster nur zu gut;
Aber Worte find ich nicht
Auszusprechen eure Glut.
Staunend seh' des Schöpfers Macht
Ich in eurer Sonnenpracht,
Augen, oh! ihr meine Noth;
Ihr mein herrlich glühn'der Tod.
(S. 36)
_____



87.

Ach, in ihrem Herzen reget
Mir kein freundlich Sehnen sich!
Und in ihrem Geiste heget
Sie Gedanken nicht an mich:
Möcht' sie, wenn sie seufzet, denken:
Ach den Seufzer hört er nicht!
Möcht' es doch die Schöne kränken,
Preis' ich schön nicht ihr Gesicht.
Doch sie achtet nicht mein Treiben,
Stets Gefühllos will sie bleiben;
Nimmer, nimmer trag' ich das,
Lieber wäre mir ihr Haß.
(S. 38)
_____



90.

Ihre Stimme hört' ich klingen,
Hört' die Töne silbergleich,
Phylomelens klagend Singen
Ist so himmlisch nicht, so weich.
Die Natur schien ihr zu lauschen,
Liebend sich zu ihr zu neigen,
Quellen hörten auf zu rauschen,
Kein Geflüster in den Zweigen,
Jedes Vogels Lied verstummte,
Nicht das fernste Bienchen summte,
Zephyr hörte auf zu fächeln,
Selbst der Schmerz begann zu lächeln.
(S. 40)
_____



107.

Wie Zephyre sich erfreuen,
Flatternd durch das Blumenthal,
Schwebt sie in der Tänzer Reihen,
In der Lese, auf dem Ball.
Ach, wie edel war ihr Gehen!
Königlich war jeder Tritt,
Wie gerundet jedes Drehen,
Leicht und zierlich jeder Schritt;
Und des Mundes athmend Leben,
Und des Busens schwellend' Heben, -
Wieviel Herzen, die sie sah'n,
Legt sie tanzend Fesseln an.
(S. 42)
_____



110.

Ob auch dreist des Geistes Flug,
Immer blieb es doch zu kühn,
Ob ich süß die Laute schlug,
Nimmer war es mir verliehen,
Anzudeuten nur den Blick,
Der aus ihren Augen schoß,
Der mich von des Friedens Glück
Trieb, aus meiner Ruhe Schoos,
Taucht' in Flammen ich die Feder,
Gäb' der Liebenden mir jeder
Seine glüh'ndste Phantasie,
Dennoch schildert ich ihn nie.
(S. 44)
_____



125.

Wenden will ich meine Augen
Von der Schönheit die mir dräut,
Nicht die Honigstimme saugen
Soll das Ohr; fort zieh' ich weit,
Sie verlassend bin ich frei;
Dacht' im Wahnsinn also klug.
That es; doch mich faßt die Reu'!
Meine Freiheit ist nur Trug.
Ist der Fisch frei, der gebissen
In den Hamen, dann zerrissen
Zwar die Schnur, und fortgeschwommen,
Doch die Angel mitgenommen?
(S. 46)
_____



149.

Armuth und der Reichthum sind
Amors Aeltern; Furcht und Bangen
Ammen waren sie dem Kind.
Immer sucht er zu erlangen,
Und zu geben sucht er immer.
O wie arm ist er! wie reich!
Ohne Leben ist er nimmer,
Schwankt dem Rohr im Sturme gleich.
Tausendfach ist's zu empfinden,
Nur in Worten nicht zu künden,
Dieses Wesen unerklärlich,
Bald besel'gend, bald beschwerlich.
(S. 48)
_____



152.

Ares Fahnen sind verschwunden,
Seine Waffen nicht mehr schallen,
Nimmer bluten seine Wunden,
Der Gefang'nen Fesseln fallen,
Und die Völker freuen sich,
Feinde reichen sich die Hand;
Ich nur freu' mich nicht, denn mich
Hält gefangen noch ein Band.
Ob auch Mars mich freigelassen,
Amor hat mich nicht entlassen,
Seine Ketten trag' ich noch,
Trage noch sein Schmerzenjoch.
(S. 50)
_____



172.

In des Himmels blauen Bogen,
Seh' ich immer immer dich;
In des Wassers Silberwogen,
Seh' ich Schönste dich, nur dich.
Seh' dich in des Tages Helle,
In der Sonne Angesicht,
In des Mondes Silberwelle,
In der Sterne Zitterlicht;
Wo ich hin die Blicke sende,
Wo ich hin mich fliehend wende,
Du verfolgst mich ohne Ruh',
Grausame! o laß mir Ruh'.
(S. 52)
_____



173.

Aus den Leiden trägt im Lauf
Mich zur Ruh' mein schnelles Roß,
Also muntert ich mich auf,
That was der Verstand beschloß.
Tief in's Thal, hinauf zu Klippen,
Sprengt' ich über Stock und Dorn.
Schaum bedeckt dass Roß, die Rippen
Bluten, denn ihn traf mein Sporn.
Lieber Falber, gutes Thier,
Schönes Roß, nicht zürne mir;
Unser Loos erreicht sich nie;
Du für mich – und ich für sie.
(S. 54)
_____



176.

Euch ihr Musen, ehrt die Süße,
Will euch ganz zu eigen seyn,
Schickt der fernen Freundinn Grüße,
Streut im Briefe Verse ein;
Sie erfreut sich der Gesänge,
Schön von Dichtern ausgedacht;
Meiner Laute trübe Klänge,
Die nur nimmt sie nicht in Acht;
Magst vielleicht zu düster rauschen,
Daß sie niemals dir mag lauschen,
Rühret sie dein Klagen nie!
So verstumm' - Was singst du sie?
(S. 56)
_____


Glückliche Liebe


2.

Muse du die du mit Klagen
Fülltest die Natur so lang,
Fülle jetzt mit freud'gen Sagen
Sie vom Auf- zum Niedergang. -
Meine Zähren trankst du Bach?
Trink' jetzt meine Freudenthränen;
Du Zephyr trugst einst mein Ach!
Trage jetzt mein Freudentönen!
Amor, sehend meine Treue,
Schenkte Leben mir auf's Neue,
Wo mit Psych' er thront, zu sich,
In den Himmel hob er mich.
(S. 60)
_____



9.

Was im Schooße der Natur,
In der Wälder dunklen Kranz,
In dem Duft der Rosenflur,
In des Frühlings Freudenglanz,
In des Baches Murmelschall,
In der Lerche Morgengruß,
Im Gesang der Nachtigall,
In der zarten Tauben Kuß -
Ahnend durch des Herzens Chorden
Bebt, zur Wahrheit ist's geworden,
Als entzückendste Empfindung,
Als erfüllten Hoffens Kündung.
(S. 62)
_____



16.

Anders ist der Welt Gesicht,
Anders ist des Schicksals Walten,
Anders sing' ich ein Gedicht,
Seh' ich Alles sich entfalten,
Anders fühl' ich jetzt das Leben,
Selig bist du Seele mein,
Götterkraft ist mir gegeben,
Höher fühl ich jetzt das Seyn,
Neu bin ich, was mich umgibt,
Denn ich lieb' und bin geliebt,
Anders flieget jetzt die Zeit,
Seit Sie mir sich ganz geweiht.
(S. 64)
_____



18.

Dein ist der Gedanken Regung,
Meines Geist's Erkenntniß Dein,
Dein ist jegliche Bewegung,
Was das Herz empfindet Dein,
Jede Kraft und Fähigkeit,
Jeder meiner Wünsche Dein,
Dein mein Thun und meine Zeit,
All' mein Wollen, es ist Dein;
Bin mit Seel' und Leib, mit allen
Was mir eigen, Dir verfallen,
Wachend, träumend, bin ich Dein,
Lebend, bin im Tode, Dein.
(S. 66)
_____



35.

Rasche Mäher auf den Wiesen
Mähten just zum letzten Mal,
Und die Schatten, lang wie Riesen,
Dehnten sich ins stille Thal,
Und nun gingen, und nun standen,
Wir im hohen Wiesengras,
Bis wir uns am Bache fanden;
Schauend in das helle Naß.
Ueber uns sah'n wir den Himmel,
Sah'n ihn in der Flut Gewimmel,
Fühlten ihn in uns, und voll
Heil'ger Glut der Busen schwoll.
(S. 68)
_____



41.

Von ihr kommet, zu ihr schwebet,
Was im Geist sich denkend regt;
Von ihr stammet, zu ihr strebet,
Was den Busen mir bewegt.
Was das Schicksal lös't und bindet,
Was es baut, und was es bricht,
Fühl' ich nur, wie Sie's empfindet,
Wie's ihr recht ist, oder nicht.
Was zum Jubel mich begeistert,
Wie der Kummer, der mich meistert,
Meines Lebens Freud' und Schmerzen,
Alles keimt in ihrem Herzen.
(S. 70)
_____



44.

Zu vollziehen meinen Willen,
Ist ihr Denken immer wach;
Meine Wünsche zu erfüllen,
Späht sie meinen Blicken nach.
Glücklich wer die Hand gewonnen
Einer lieben guten Frau;
Ihn umschweben Himmelswonnen,
Rein und hell, wie Aether blau.
Sie mit süßen Liebesblicken,
Wandelt alles in Entzücken,
Und die Lust und Freude zieht
Ein, wohin die Holde sieht.
(S. 72)
_____



51.

Nach dem Menschen, nach der Sitte,
Richt' ich nicht mein Leben ein;
Nach der Schule strengem Tritte
Darf nicht was ich dichte, seyn.
Wie ich's denke, wie empfinde,
Leb' ich meine Tage fort,
Wie ich es im Herzen finde,
Tönt im Harfenklang mein Wort.
Lebend, dichtend, o Natur!
Folg' ich einzig deiner Spur,
Was nicht ist, erkünstl' ich nicht,
Spreche wie mein Herz es spricht.
(S. 74)
_____



53.

Gott treu und dem Vaterlande,
Schlug des alten Ungers Herz,
Und am Weib, das sein er nannte,
Hing er fester denn das Erz.
Gott nicht, nicht dem Vaterlande,
Ist jetzt treu so manches Herz.
Und der Liebe heil'ge Bande,
Und sein Wort, sie sind ihm Scherz.
Gott treu und dem Vaterlande,
Trag' ich bis zum Grabes Rande,
Eine Liebe nur im Herz,
Wie in meiner Brust ein Herz.
(S. 76)
_____



75.

Nicht, wer eitlen Ruhm begehrend,
Wandelt zu dem Pindus hin,
Nicht, wer niedrig Gold verehrend,
Verse schmiedet um Gewinn;
Der, wenn in der Seele Gluten
Der Begeist'rung Funken sprüh'n,
Wenn der Dichtung Zauberfluten
Die erregte Brust durchzieh'n,
In den Saiten rauscht, den Lieben
Lieder bietet flammgetrieben;
Der nur, der so dichten kann,
Ist mein Dichter, ist mein Mann.
(S. 78)
_____



86.

Du im Meer der Zeit verschwindend,
Jetzt und jetzt entrollend Jahr,
Du des Anfang Glück begründend
Sie mir gab zum Lebenspaar!
In des Kummers Wirbelschlund,
Daß mein Herz nicht untersank,
Dank aus meiner Seele Grund;
Für die frohen Tage Dank;
Dank für deine Gunst Geschick;
Lisa für der Liebe Glück!
Jetzt hab' ich ein Jahr gelebt;
Sage jetzt ich hab' gelebt.
(S. 80)
_____



87.

Wie sich diese Stunde wendet,
Kehrt sich ein Jahrhundert ab;
Wenn das nächste Hundert endet,
Ruhet, was jetzt lebt, im Grab.
Wir auch, die jetzt tändeln, scherzen,
Du und ich ein glücklich Paar,
Sind dann auch schon welke Herzen,
Mehren der Verblich'nen Schaar.
Theure, wie? dein Auge trübe?
Laß die Thränen, süße Liebe! -
Wohin uns das Schicksal zieht,
Uns're Liebe geht ja mit.
(S. 82)
_____



101.

Auf des Lebens weitem Meer,
Schwankt des Menschen leichter Kahn;
Die Begierde braust einher,
Lenkt das Herz von seiner Bahn:
Die Vernunft am Steuer stehend,
Sieht das Ruder stecken oft;
Segel sich voll Hoffnung blähend,
Sie zerreißen unverhofft; -
Glücklich wer den Kahn gerettet
In der Ruhe Port gekettet,
Wie in einer Zauberau
Ruht im treuen Arm der Frau.
(S. 84)
_____



115.

Wen das süße Loos getroffen,
Daß sein Herz ein Herz erringt
Welches sein geheimstes Hoffen
Liebevoll zur Reise bringt,
Kann sein übriges Begehren
Leicht beschwichtigen, er kann
Allen andern Wünschen wehren,
Die sich seinem Herzen nah'n;
Denn die Liebe ist der König,
Ihrer Macht ist unterthänig
Jedes menschliche Gefühl,
Und sie lenkt es wie sie will.
(S. 86)
_____



121.

Was die Zukunft noch verwahrt,
Wünscht des Jünglings reger Sinn,
Durch das Glück der Gegenwart,
Braust er wie im Sturme hin,
Freude aus vergangner Zeit
Nährt des Alten Herz und Sinn,
Was die Gegenwart ihm beut,
Dünkt ihm nimmermehr Gewinn.
Traum und Trug ist beider Weise,
Glück genießet nur der Weise,
Der sich der Vergangenheit,
Zukunft, Gegenwart erfreut.
(S. 88)
______



130.

Auf der Erde umgesehen
Hat sich kaum des Lebens Sohn,
Fühlet kaum der Freude Wehen,
Ist sein Grab geöffnet schon.
In des Lebens ersten Keimen
Liegt der Tod, der herbe auch;
Alles auf der Erde Räumen,
Löst, Vergänglichkeit! dein Hauch.
Freunde laßt, weil nah' das Ziel,
Uns in Kürze leben viel,
Bis das Grab uns schließet ein: -
Wie dieß Lied, ist kurz das Seyn.
(S. 90)
_____



142.

Ausgetreten sind die Flüsse,
Und zum Meere wird das Land.
Himmel! du hast diese Güsse
Uns in deinem Zorn gesandt!
Wo einst weideten die Herden,
Spielt der Fisch jetzt ohne Sorgen,
Krebse dort gefangen werden,
Wo sich Füchse jüngst verborgen,
Meine Felder decken Wogen,
Meine Hoffnung ist betrogen -
Immerhin! der Liebe Licht
Löschten jene Fluten nicht.
(S. 92)
_____



146.

Du der Augen süßer Strahl,
Der, daß Liebe in ihr wohne,
Mir entdeckt zum ersten Mal,
Und daß meine Treu' sie lohne;
Euch, ihr lang verborg'ne Funken,
Dir, der Wangen Morgenroth,
Die mich Armen, schmerzversunken,
Rieft zur Lust, aus tiefer Noth;
Vor der Seele schwebt ihr immer:
Immer glänzt mir euer Schimmer;
Der Erinn'rung liebend Wehen,
Macht in Wonne mich vergehen.
(S. 94)
_____



163.

Staune nicht, daß immer Liebe,
Rauschet meiner Harfe Lust;
Alle schönen, süßen Triebe,
Alles Gute in der Brust,
Was auf dieser Erde Weiten,
Athmet, wirket, bindet, hält,
Was im Wechsellauf der Zeiten,
Wundervolles zeugt die Welt:
Blumen, so die Felder weisen,
Sterne, die am Himmel kreisen,
Woher quillt ihr Zauberleben?
Sie, die Liebe, hat's gegeben.
(S. 96)
_____



164.

Neue Reize alle Tage
Seh' die Holde ich entfalten;
Freuden, daß ich kaum sie trage,
Fühl' ich täglich in mir walten;
Täglich mehrt sich das Verehren
Meines Geistes für den ihren,
Täglich meiner Liebe Mehren,
Kann in heißer Brust ich spüren, -
Mehr als Amor je ersonnen
Hast du Hymen mir gewonnen. -
Lohn, wie mir, wird wohl auf Erden
Selten treuer Liebe werden.
(S. 98)
_____



168.

Menschenbrust, sie kann nicht seyn,
Ohne Athmen, ohne Luft;
So sinkt, nenn' ich Sie nicht mein,
Auch mein liebend Herz zur Gruft.
Was die Seele unserm Leben,
Ist der Holden Liebe mir,
Will sich so mit mir verweben,
Daß ich sterbe ohne ihr.
Bis nicht meine Liebe bricht,
Beb' ich vor Gefahren nicht,
Bei des Schicksals wild'sten Blitzen
Wird die Liebe mich beschützen.
(S. 100)
_____



171.

In Arabiens ödem Sand,
Aber du, dein Herz mit mir,
In Hyrkaniens Gletscherland
Liebe nur, und ich mit Dir,
In der Mohren glüh'nder Wüste
Aber du, dein Herz mit mir,
An des Eismeers strenger Küste,
Liebe nur, und ich mit Dir,
In des Paradieses Wonnen,
In der Hölle Flammenbronnen,
Preis' ich überselig mich,
Hab' ich Vielgeliebte Dich.
(S. 102)
_____



183.

Vieles sagt' ich schon von ihr,
Von der Süßen die ich minne,
Doch zu wenig dünkt es mir,
Was ich kunstreich auch ersinne.
Ihr gemüthlich, geistvoll Blicken,
Ihres Rosenhauches Süße,
Alle Reize, die sie schmücken,
Und der Himmel ihrer Küsse, -
Wer sagt alles dieses an,
Das mich so bezaubern kann,
Daß mir dünkt, der Mensch verschwinde,
Und ein Gott sei's der empfinde.
(S. 104)
_____



197.

Hänfling, Zeisig, Nachtigallen,
Längst ist schon der Schnee zerflossen;
Kreisend Schmetterlinge wallen,
Seht! die Knospen sind erschlossen.
Meines Gartens Frühlingszier,
Kommt, verweilet auch nicht länger!
Kommt ihr treuen Lieder! ihr
Lebens und der Liebe Sänger,
Kommt ihr Lieben! Mit Gewehren
Werd' ich ab die Sperber wehren,
Daß ihr kleinen Klangesblüthen
Ruhig mögt im Nestchen brüten.
(S. 106)
_____



200.

Was mein Herz in Lieb' entzunden,
Ausgesprochen als Gedicht,
Töne sind's, in mir gefunden,
Der Verstand erzeugt sie nicht,
Blos Geburten der Natur
Sind, und einfach meine Klänge,
Lust und Schmerzgefühle nur
Sind die Lieder, die Gesänge.
Aber du, der sie nicht fühlt,
Dem als leerer Klang nur gilt
Was ich sang, du Erdensohn,
Du bist nur gemeiner Thon.
(S. 108)
_____


Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Himfy's auserlesene Liebeslieder
übersetzt von Johann Grafen Mailath
Pesth 1829
Verlag von Otto Wigand


 

 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite