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      König Jacob I. von Schottland 
      (1395-1437)
 englischer Dichter
 
 
 Abschiedslied an die Geliebte
 
 Ja! seit dein Auge, meines Glückes Sonn',
 Aufhörte mir zu strahlen,
 Fühl' ich von Seufzern mich durchbohrt, wie von
 Zahllosen Schwerterstahlen.
 Ich sterbe schmerzvoll,
 Ich lebe peinvoll,
 Mein Leid vermehrt sich,
 Mein Geist verzehrt sich.
 O Trennungsschmerz, o wehevolle Qualen!
 
 Den Tag, wo die Geliebte schied von mir,
 Liess' Freud' auch mich zurück;
 Als ich getrennt mich fand von ihr,
 Traf mich nur Missgeschick.
 Da schwand auch hin
 Mein froher Sinn,
 Massloser Gram
 Mich überkam.
 O, jenes "Gute Nacht" entriss mein Glück.
 
 Wie man der Turteltaube treues Herz,
 Wenn sie verlor ihr Paar,
 Auf dürrem Baumast ihren heissen Schmerz
 Hört klagen immerdar:
 So mein Gemüth
 Von Sehnsucht glüht;
 Klagt heiss und trüb
 Um's ferne Lieb.
 O Gott, lass Pein mich nicht ertödten gar.
 
 Des Sommers Feuer, das kein Lüftchen kühlt,
 Von Sirius' Gluth genährt,
 Brennt so nicht, wie das Feu'r, das mich durchwühlt,
 Und Seel' und Leib verzehrt.
 Nicht Pfeiles Spitz'
 Wirft solchen Blitz,
 Wie dein Geschoss
 In's Herz mir goss.
 O Gott Cupido! und mir's ganz zerstört.
 
 Wie Einer, der im Sturme schwimmend strebt
 Und nach dem Ufer ringt,
 Je mehr er kämpft, bald taucht, bald sich erhebt,
 Die Fluth doch rückwärts schwingt:
 So wächst mein Leid
 In Kampf und Streit,
 Die Gegenwehr
 Entflammt's nur mehr.
 O grause Lieb', die nur der Tod bezwingt!
 
 Das Labsal sonst der Liebenden: die Nacht,
 Erhöht nur meine Qual;
 Und ist der lichte Tag erschienen, facht
 Nur meinen Schmerz sein Strahl.
 Am Tage Kummer
 Und Pein im Schlummer;
 Am Abend Sorgen,
 Noch mehr am Morgen.
 O Gott, nimm Lieb' und Leben mir zumal!
 
 Und lass, wenn Schwermuth mich in Schlummer senkt,
 Mich ihre Schwing' umfahn;
 In Wachen grämt sich nur mein Herz und denkt
 Der Leiden, die ihm nah'n.
 Nichts schafft mir Ruh,
 Spricht Trost mir zu,
 Als einzig dies:
 Zu träumen süss.
 O Traum, du süsser, sei kein leerer Wahn!
 
 Doch nun, o Muse, mein Bedürfniss du!
 Hemm' deiner Klagen Lauf,
 Still deinen Leiderguss, gebiet' ihm Ruh',
 Zu singen hör' ich auf.
 Wer klagen mag.
 Die Plagen trag'.
 Beschwerde zehrt,
 Das Schweigen mehrt
 Verstummtes Leid und drückt sein Siegel drauf.
 
 Übersetzt von Julius Leopold 
      Klein (1808-1876)
 
 Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer
 und amerikanischer Gedichte
 von den Anfängen bis auf die Gegenwart
 In deutschen Übersetzungen
 Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen
 Notizen und einer Einleitung
 von Julius Hart
 Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885 (S. 75-77)
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