Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Filippo Leers (gest. 1786)
italienischer Dichter



Coridon
(Sonett)

Feldgötter! Auf dem schattigen Altare,
Der frommer Hirten Sorgfalt euch errichtet,
Legt Coridon die Hand zum Schwur verpflichtet:
Daß er vor Chloris Liebe nun sich wahre.

In dieses schönen Flusses Wellenklare
Sei jetzt der Lippen Wermuth schnell verflüchtet,
Den ihr unreiner Mund mir zugerichtet,
Zum Meer entströmt die Schuld der frühern Jahre.

O Hirten, tilget mit des Messers Schneide
Der Undankbaren Namen, eingeschrieben
Von mir in mannichfacher Bäume Rinde;

Und schreibt: daß Coridon, der stets mit Leide
Versuchet sein unnennbar tiefes Lieben,
Sein Herz durch Göttermacht geheilet finde!
(S. 500)
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Phillis Augen
(Sonett)

Allein, von Amor nur zurückbegleitet,
Führt' ich mit Phillis heim der Lämmer Scharen,
Mit Lust füllt' uns, die Sterne zu gewahren,
Am Himmel sie, ich die ihr Blick verbreitet.

Willst du hier größre Wunder sehn bereitet,
Sprach ich, als droben sich uns offenbaren,
So sieh' in meinem Blick sich deinen paaren,
Und wie der deine Himmelslicht erbeutet.

In ihrer Art sprach sie, der einfach biedern:
Ich kann mich spiegeln ja im nächsten Flusse,
Der heller ist, als deiner Augen Leuchten;

Suchst du nach Wasser, mußt' ich ihr erwiedern
(Indeß die Augen sich mit Zähren feuchten),
So spiegle dich in meiner Thränen Gusse.
(S. 500)
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Der Aufenthalt der Abgeschiedenen
(Sonett)

Ein Knabe war ich noch, da hört' ich sagen
Als ich die weißen Lämmlein eben führte,
Daß unser Geist, nachdem uns Tod berührte,
In seines Ursprungs Stern' werd' heim getragen.

Drum hab' ich jüngst den Blick emporgeschlagen,
Zu sehn, welch Stern Christinen wohl gebührte,
Weshalb ich nach der schönsten Leuchten spürte,
Die holden Strahles schufen mir Behagen.

Ich forscht' umsonst durch alle Sterngebilde,
Bis sich die Sterne bargen, und die Frühe
Mit goldnen Funken lodernd, hell entbrannte.

Die Sonn' entstieg dem Meer so schön und milde,
Daß ich vom Forschen lenkte ab die Mühe,
Da ich als ihren Sitz die Sonn' erkannte.
(S. 500-501)
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Aus: Handbuch der Geschichte der
Italiänischen Litteratur
Erläutert durch eine
Sammlung übersetzter Musterstücke
Herausgegeben von Dr. Fr. W. Genthe
Zweite Abtheilung: Die Italiänischen Dichter
Magdeburg Verlag von Ferdinand Rubach 1834
[Übersetzer sind nicht explizit genannt]


 


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