Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Isydor Worobkewytsch (1836-1903)
(Ps. Danylo Mlaka)
ukrainischer Dichter und Komponist



Eine Rose war mein eigen,
Tag und Nacht sie blühte;
Für ein Kind mit schwarzen Locken
Aug' und Herz mir glühte.

Doch es hörte auf die Rose
Tag und Nacht zu blühen,
Und es hörten meine Augen
Auf, so hell zu glühen.

Ach, wie konnt' die Rose blühen,
Da der Herbst gekommen?
Ach, wie kann das Aug' mir leuchten,
Da die Lieb' verglommen!
(S. 141)
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"Geh' nicht in die Spinnenstube
Hab' ich dir oft gerathen,
Denn es folgt auf Schritt und Tritt dir
Unglück wie dein Schatten.
Jedes Mädchen kann dort hexen,
Söhnchen, laß dich warnen,
Lasse nicht von Weibernetzen
Söhnchen dich umgarnen!
Bald gibt Eine dir ein Tränkchen,
Eine das Orakel,
Und durch Hexenspuk die Dritte
Macht dir gern Spektakel.
Folgtest niemals meinen Worten,
Und ich muß dir's gönnen
Daß du jetzt dein bleiches Antlitz
Deck'st mit bitter'n Thränen;
Daß du seufzest, daß du ächzest
Schwer durch alle Nächte, -
Glaubtest deiner Mutter Rathschlag
Sei wohl nicht der ächte!" -

""Mutter in der Spinnstub' waren
Kräuter nicht zu schauen,
Und verhext hat mich mein Mädchen
Nur mit Aug' und Brauen!
Nur mit ihrem Himbeerantlitz
Und den schwarzen Flechten,
Nur mit ihren süßen Worten
In verliebten Nächten! -
Daß ich meinen Schmerz, o Mutter,
Einmal überwinde:
Mußt du mir gestatten, daß ich
Mich mit ihr verbinde!"" -
(S. 141-142)
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Was, o grüne Vogelbeere
Säumest du zu blühen? -
Welches Leid mag junge Schöne
Durch dein Herz jetzt ziehen?

"Ach, wie sollt' ich Röschen blühen,
Wenn der Nordsturm wettert
Und mir heulend Ast und Zweige
Ringsumher zerschmettert?" -

""Warum soll ich nicht versinken
In das tiefste Leiden? -
Sagen doch die Leute alle,
Daß man uns wird - scheiden!""
(S. 143)
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Tiefer Kummer ward dem Ahorn
Vom Geschick beschieden
Und daheim dem blassen Knaben
Thränen und Unfrieden!

Weit zurück dem grünen Ahorn
Standen alle Bäume,
Und den armen Knaben wiegten
Einstens gold'ne Träume!

Ahorn ward vom Sturm entwurzelt,
Nicht mehr sich aufrichtet;
Knabe ward vom Schmerz ergriffen
Der sein Herz vernichtet!

Armer Ahorn, armer Knabe,
Beide Qualen tragen;
Jenem will der Wurm die Rinde,
Dem das Herz zernagen!
(S. 143-144)
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Dorten am Flusse wohl unter dem Felsen
Herrlich ein weißes Röslein erblüht,
Dorten in Mütterleins Häuschen ein holdes
Töchterchen sprießt, so frisch von Gemüth.

Röslein so schön, o sag', wem erblühst du,
Daß sich erfreuet der Fluß und der Hain? -
Mägdlein du braunes, du schlankes, du zartes,
Sprich doch, wem möchtest du eigen einst sein?

Röslein, das weiße, - Mägdlein das schöne,
Träumen nur Träume wunderbar süß;
Ei wozu fragen, was einstens wohl sein wird
Ist doch der Jugend die Welt Paradies!

Rose, sie ahnt nicht, daß möglich schon morgen
Rasender Sturm ihr die Krone umficht!
Mägdlein es ahnt nicht, daß möglich schon morgen
Wüthender Schmerz ihr das Herz zerbricht!
(S. 146)
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Warum hängen deine Zweige
Ahorn traurig nieder? -
Warum Mädchen kämmst du deine
Schwarzen Locken wieder? -

Warum soll ich nicht die Zweige
Traurig niedersenken,
Wenn ich höre, das die Leute
Mich zu fällen denken!

Warum soll ich nicht die Locken
Trauernd niederkämmen,
Wenn ich weiß: den Ungeliebten
Soll als Mann ich nehmen! -
(S. 147)
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Rosen blühen und verwelken,
Träumen folgen Sorgen;
Was uns heut' in Schönheit strahlet
Ruht im Grab schon morgen.

Guter Gott in Trauer denk' ich
Wie sie saß im Garten,
Krank, hinfällig, Schmerz und Kummer
Auf der Stirn der zarten!

Eine rothe Rose bot ich
Ihr mit wonn'ger Freude,
Doch sie nahm sie nicht entgegen
Mir zum bittern Leide!

Leise, leise, kaum vernehmlich
Hauchte sie die Worte:
"Meines Bleibens ist auf keinem,
Keinem Erdenorte!"

"Auf der Wange Grabesrosen -
Kann mir's nicht verhehlen!
Ach, in Kurzem mit dem Grabe
Wird man mich vermählen!" -

Herbst ist kommen, nirgends kann ich
Freude mehr gewinnen,
Überall vergilbte Blätter
Treibt der Sturm von hinnen!

Und es krächzt das Heer der Raben
Ohne Ziel und Ende; -
Auf dem Berg dort steht das Kirchlein,
Glöckchen klingt behende!

Was wohl klingt das kleine Glöckchen?
Das ist schwer zu sagen,
Und doch kann ich Leid und Trauer
Kaum, ja kaum ertragen! -

Immer bleicher meinem Mädchen
Wurden die Grabesrosen,
Bis das Herz in stummer Marter
Brach der Hoffnungslosen. -

Es entschwand mein gold'ner Sommer,
Der dem Traum geglichen,
Meine schöne, süße Rose
Ist verwelkt, verblichen!

Nur ich bleib' zurück auf Erden,
Meinem Sein zu fluchen!
Denn im Leben kann umsonst man
Zweiten Sommer suchen!
(S. 149-150)
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Gestern tobte wild der Sturmwind,
Heute scheint die Sonne,
Gestern brach das Herz vor Leiden,
Heute stürmt's voll Wonne.

Gestern flog ich bis zum Himmel
Mit des Falken Fluge,
Heute wein' ich, weil das Leben
Voll mir dünkt vom Truge.

Gestern schwor mein liebes Mädchen
Mir die Treu' zu geben,
Heute küsst sie einen Andern! . . .
Bitter ist das Leben! -
(S. 154-155)
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Muß aus euch, ihr keuschen Augen,
Muß die Thräne dringen?
Euch erblickend fühl' vor Schmerz ich
Fast mein Herz zerspringen!
Wer in euch sich darf versenken,
Muß im Paradies sich denken.
Wie aus mitternächt'ger Ferne
Blinken eu're blauen Sterne!

Ach, was trauerst du mein Mädchen?
Könnt' ich's nur ergründen!
Würde Treue bis zum Grabe
Dir durch Thränen künden!
Würde all' dein Leiden saugen
Aus dem Herzen, aus den Augen,
Aus den Augen, die von ferne
Glänzen wie zwei süße Sterne!

Traure nicht mein Kind! - Hienieden
Ist es Brauch geworden
Gift zu gießen in die Herzen,
Sie durch Weh' zu morden!
Aber oft! - naht nur die Sonne -
Wandelt sich das Weh' in Wonne!
Lass' d'rum sternengleich im Dunkeln
Froh die blauen Augen funkeln!
(S. 205)
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Daß auf ewig jenes Brünnlein
Verschüttet sein sollte,
D'raus das Mädchen einst im Sommer
Kaltes Wasser holte!

Sie in ihrer Schönheit blickend
Ich den Himmel ahnte,
Und um meine Gluth zu mehren
Sonne glühend brannte.

"Gib mir Wasser, laß mich trinken
Mädchen, holde Blüthe!" -
""Warum nicht?"" sprach sie behende,
""Bitte, Bursche, bitte!"" -

Glaubt ihr, daß ich trank das Wasser? -
Nein, denn mit Entzücken
Mußt' ich in die hellen Augen
Jenes Mädchens blicken!

Mußte blicken ihr in's Antlitz,
Auf die braunen Locken;
"Gott vergelt' es, holdes Mädchen!"
Sprach ich fast erschrocken.

Und enteilte Brunn' und Mädchen,
Denn es ward für lange
Unter'm Zauber ihrer Blicke
Meinem Herzen bange.

O hätt' ich dich, liebes Brünnlein,
Nie gekannt auf Erden,
Denn durch dich nur mußt' ich, Armer,
Liebeskrank bald werden!

Tag und Nacht stets keine Ruhe,
Werde blaß und blasser;
Hol' der Kuckuk, Mädchen, dich mit
Deinem kalten Wasser!
(S. 224-225)
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Du Zigeunerschmied, du brauner,
Sei mir heut' zu Willen,
Schwer ist's mir, so wie der Blume
Auf dem Feld, dem stillen.

Schmiede mir ein Herz aus Eisen,
Gleich dem Stahl es stähle,
Daß es, gleich zu sein dem Stahle,
Niemals mir verfehle.

Sieh' mir gab ein Herz der Schöpfer
Gut und unverdrossen,
Aber tief hinein die Menschen
Gift und Galle gossen!

So vergiftet, ist's dem Tode
Näher als dem Leben,
Und doch wär' es lang im Stande
Träume noch zu weben.

Schmiede mir mein Herz aus Eisen
Für mein künftig Handeln,
Denn nur so werd' ich vermögen
In der Welt zu wandeln!
(S. 231-232)
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Des Huzulen Alp-Horn klaget
Von der Alpe nieder;
Mit dem Ungeliebten band man
Ach, sein Mädchen bieder!

In der Kammer weint das Mädchen
Bitt're Herzensthränen,
Lauscht dann durch das kleine Fenster
Wohl des Alp-Horns Töne.

"Du mein Iwan, du mein Theu'rer,
Höre auf zu klagen,
Denn mir bricht das Herz im Leibe
Und hört auf zu schlagen!

Werde deiner nie vergessen
Nie in diesem Leben!"
Also weint das arme Mädchen,
Kann sich Trost nicht geben!
_

""Komm', mein Mädchen, sieh' schon harren
Werber dich zu werben!"" -
Doch im Kämmerlein ist's stille,
Stille wie im Sterben!

Alle suchen jetzt das Mädchen,
Doch es ist verschwunden,
Dort im Czer'mosz hat das Mädchen
Frühen Tod gefunden!
(S. 232-233)
_____

übersetzt von Ludwig Adolf Staufe-Simiginowicz
(1832-1897)


Aus: Kleinrussische Volkslieder
Metrisch übersetzt von
Ludwig Adolf Staufe-Simiginowicz
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1888
Im Anhang: Aus den Gedichten
des kleinrussischen Dichters Danilo Mlaka





 

 


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