Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Adam Oehlenschläger (1779-1850)
dänischer Dichter




Die Veilchen

Kleine Veilchen süß und blaß
Schaut Ihr durch das junge Gras
Blau im Thale;
Sonne wärmet Eure Luft,
Wehmuth sauget Euer Duft
Von des Mondes Strahle.

Dicht Ihr Euch zur Seite steht,
Röthe spielend übergeht
Zart ins Blaue;
Hold im lichten Frühlingsschein
Winket Ihr zum bunten Hain
Mägdelein der Aue.

Aber rauh der Frühling weht,
Schüchtern jedes Blümlein steht.
Ach, Ihr Armen!
Kraut und blätterlos Gesträuch
Wölbt sich fruchtlos über Euch.
Ihr könnt nicht erwarmen!

Kleine, süße Veilchen! Nein,
Sturm soll länger nicht im Hain
Euch durchbeben.
Seyd nur froh und wohlgemuth!
Neu im meiner Emma Hut
Sollt Ihr Euch beleben.

Um des Strohes lichten Glanz
Schlängle sich der dunkle Kranz
Voll im Drange.
O wie wird der matte Schein
Heben ihr Schwarzäugelein
Und die Purpurwange!

Aus: Gedichte von Oehlenschläger
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart und Tübingen J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 13-14)

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Hochzeitlied
Im Winter gesungen

Es stritten Gott Amor und Hymen sich sehr,
Zwei feurige, blühende Knaben:
Wer wäre der größte? Wer himmlisch und hehr
Wohl schenkte die herrlichsten Gaben?

Was wärest du Hymen denn ohne mich heut,
Sprach Amor und zeigte den Köcher?
Ich wäre vernünftig, sprach Hymen gescheut,
Doch du ohne mich ein Verbrecher.

Mein Feuer ist stärker! rief Amor voll Glut,
Und schwenkte die Fackel, der Stolze.
Das wollen wir prüfen; sprach Hymen mit Muth;
Du spielst nur in blühendem Holze.

Im Sommer, wenn Wiesen voll Blümelein stehn,
Dann lodert dein Altar mit Rosen;
Im Winter, dann sollst du mich feierlich sehn,
Dann schweiget dein zärtliches Kosen.

Und Hymen erschien, das erhabene Kind,
Im Hagel, im Schnee und im Sturme.
Er schwenkte die Fackel im lärmenden Wind,
Und schüttelt' sie leuchtend vom Thurme.

Da tönte die Orgel, es streute der Schnee
Den Teppich von seidenen Flocken.
Da klangen zur Orgel und Hymens Gesang
Der Hochzeit erfreuliche Glocken.

Im Hagel und Schnee und im stürmenden Wind
Nur zeigte die Flamme sich treuer.
Sind liebende Herzen sich redlich gesinnt,
Dann stärkt nur der Winter das Feuer.

Ihr treuen Geliebten! wir wünschen euch Glück!
Wir haben nicht Blumen und Kränze.
Doch, bald, mit der Sonne kehrt Amor zurück,
Und Rosen erscheinen im Lenze.

Aus: Gedichte von Oehlenschläger
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart und Tübingen J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 38-39)

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Glückliche Liebe

O theure Stunden! Nie hab' ich genossen
Die grüne Frische, meines Waldes Pracht
So, wie in dieser letzten süßen Nacht,
Als Silberwolken oft den Mond umflossen.
Da hat mein Herz in stummer Liebesfülle,
Durch Händedruck und Seufzer ihr gesagt
Tief in der heil'gen Schattenstille,
Was nie beim Tag die Zunge noch gewagt.

Ich bin mit ihr im Garten spät gegangen.
Noch steht der kleine Fuß im weißen Sand!
Zwei Frühlingsrosen blühten ihre Wangen,
Und eine zarte Lilie war die Hand.
Den schlanken Leib hab' ich umfangen,
Nur leise war der Widerstand.
Doch in den Augen sah ich Thränen stehen,
Als wollten zitternd sie um Schonung flehen.

Da stürzt' ich mich der Herrlichen zu Füßen
Und fragte: Mädchen, liebst Du mich?
Willst Du das Leben mir versüßen?
Sie flüsterte: "Ich liebe Dich!"
Da schlug im Baume plötzlich Philomele,
Ich lag an ihrer Brust entzückt;
Sie drückte - wie ein Mädchen drückt,
Nicht stark; doch fühlt' ich es tief in der Seele.

Sey mir gegrüßt, du großer Eichenbaum!
Nach deinem Schatten will ich jährlich gehen.
Den zartesten, den schönsten Frühlingstraum
Hast du mit schwarzen Augen hier gesehen.
O du, der unsre Jugendfreude barg,
Wenn einst wir beide hingeschieden linde,
Eröffne dich! und schenk' uns einen Sarg
In deiner alten heil'gen Rinde!

Dann wird die junge Liebe nicht vergehn:
Denn jeder Frühling soll sie wieder bringen.
Im Laube werden unsre Schatten wehn,
Und Nachtigall soll das Geheimniß singen.
Und drückt sich dann das bange Mädchen dicht
An ihren Freund, und glaubt es nicht geheuer!
Dann singt der Vogel: Mädchen, schaud're nicht!
Der Baum erzählt nur alte Abenteuer!

Aus: Gedichte von Oehlenschläger
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart und Tübingen J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 53-54)

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Troubadours Schwanenlied

Meine Lieb' ist mir gestorben! Blasses Licht!
Kalter Mond! von deinem Himmel lächle nicht!
Ach, vergib dem Freund! dein Lächeln ist ja Schmerz.
Und du gießt mir linde Wehmuth in das Herz.

Strahl' auf ihren schwarzen Sarg! Ach, siehst du dort
Jene kühne Burg, am hohen Bergesort?
Siehst du die Kapelle droben? Lang und schmal
Steht ein Fenster, dadurch sende deinen Strahl.

Zwischen alter Kupfersärge staub'gem Grün
Steht ein Sarg, worauf noch weiße Rosen blühn.
Denn ich habe sie noch heute selbst gepflückt,
Und den schwarzen Sammet weinend so geschmückt.

Hochgewölbet steht der Keller, finster, breit.
Ausgehauen liegt der Ahn im Panzerkleid.
Viele! denn sie war aus einem großen Haus;
Aber ihr zum Haupte liegt ein Blumenstrauß.

Ach die Ahnen durfte sie verlassen nicht.
Wohl! Jetzt ist sie bei den Ahnen, bleiches Licht!
Wie die alten Knochen faulen - fault sie? Nein!
Engel haben sie erhoben aus dem Stein!

Aber starre länger nicht so blaß und kalt!
Scheine wärmer durch den schwarzen Buchenwald!
Wo das kleine Bächlein rieselt, klar und mild,
Bade, spiegle dich, du reines Liebesbild!

Denn, ich will es dir vertrauen: Ganz entzückt
Haben da zwei schöne Arme mich gedrückt
An den vollen jungen Busen. Süßer Bund!
Tausend Küsse gab mir da ein Rosenmund.

Aber weil sie gar zu treu in ihrem Sinn
Welkte sie wie eine Lilie, blaß dahin.
Und nun kömmt sie öfter nie zum Buchenwald.
Schläft dadroben in dem Särglein weiß und kalt.

Siehst du Mond, das alte Kloster auf den Höhn?
Burg und Kloster traurig sich entgegen sehn.
Da werd' eingeweiht ich morgen. Dieses Lied
War das Lied, womit ich von der Erde schied.

Balde hinter einer Kutte schlägt mein Herz;
Bald in weißen Tüchern ruht es ohne Schmerz.
Lächle dann, o Mond, von Wolkenglanz entblößt!
Dann ist Wermuth süß in Wehmuth aufgelöst.

Aus: Gedichte von Oehlenschläger
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart und Tübingen J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 55-56)

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Die Rosenbüsche

Dort, wo des Arno Woge schallt,
Besucht' in unbelauschten Stunden
Ein liebend Paar den Myrthenwald.
Sie hatten oft sich dort gefunden,
Wenn Abends hinter Bergesrand
Der Sonne letzter Purpur schwand.

Die Lieb' entflammte Beider Lust:
Er männlich schön in Jünglingsjahren
Und sie voll Reiz, sich unbewußt.
Doch, ihre Väter Feinde waren;
Der eine Guelf', der Ghibellin,
Und jeder zornig, stolz und kühn.

Die Häuser, in Florenz erbaut,
Wie Festungen in Straßen standen,
Dort jeder seiner Macht vertraut,
Stark die Geschlechter sich verbanden,
Und gingen oft zu Kampf und Wehr
Geharnischt aus mit Spieß und Speer.

Und in den Mauern von Porphyr
Geklammert waren Eisenringe;
An diesen hing ihr Kriegspanier.
Daß keine Macht die Thore zwinge,
Deckt Eisen sie so schwer und dicht,
Als Riesenmacht es kaum zerbricht.

Doch, wo umsonst, voll wilder Kraft
Bellona mit den Waffen wüthet,
Da Venus Eingang sich verschafft.
Dem Zorn, der Feindschaft sie gebietet.
Die Liebenden vereinet bald
Der Mondschein in dem Myrthenwald.

Einst als sie wandeln Arm in Arm,
- Nur kurz war diese hohe Freude -
Tritt aus dem Busch ein roher Schwarm.
Ein feiger Knecht verräth sie Beide;
Ein Judas! - und das süße Glück
Bringt keine helle Nacht zurück.

Nach Grabesruh' sich Rollo sehnt.
Jetzt ist die ganze Welt ihm öde,
Wenn Philomelens Klage tönt.
Er sucht den Tod in blut'ger Fehde:
Er trifft ihn in der Feinde Schaar.
Sein letzter Seufzer Laura war.

Wie Blumen, die kein Strahl erfreut,
So welkten bald des Mädchens Wangen;
Sie klagt der Mitternacht ihr Leid.
Man hielt im Kerker sie gefangen,
Ihr bleiches Haupt sich niederbog;
Der schönen Hüll' ihr Geist entflog.

Der große Dom, voll Majestät,
Ein Werk aus grauem Alterthume,
Hoch auf des Marktes Mitte steht.
Ihn schmückt, zu edler Männer Ruhme,
Noch mancher Inschrift alter Zug.
Dahin man die Entseelten trug.

Doch ach! selbst nicht die letzte Ruh
Das unglücksel'ge Paar verbindet.
O Haß! wie grausam wüthest du!
Noch sind die Greise zornentzündet.
Dem Auge zwar die Thrän' entquoll;
Doch stürmt im Herzen bittrer Groll.

Der Tod, das weiße Sterbekleid,
Versöhnte nicht was sie verbrochen.
Sie waren bald nur Gott geweiht.
Drum ward die Kirchenwand durchbrochen;
Halb außen stand der weiße Sarg,
Der die entseelte Hülle barg.

Hier, wo der schwarze Marmorstein
Noch Dante's Namenzug belebet,
Trug man des Ritters kalt Gebein.
Und dort wo Giotto's Thurm sich hebet,
Hoch zu des Himmels Herrlichkeit
Ward Lauras Asch' ein Platz geweiht.

Jetzt wenn der Sonne letzte Glut,
Vom Berge strahlend auf die Felder,
Versilberte des Arno Flut,
Dann riefen sie umsonst die Wälder,
Des Vogels Lied, der Blume Duft,
Sie ruhten in der öden Gruft.

Einst ging ein Freund an diesem Strand,
Am Lieblingsort der theuren Schatten.
Im stillen Blick die Thrän' ihm stand.
Da sah er auf den grünen Matten
Zwei Rosenbüsche blühen wild,
Der treuen Liebe Ebenbild.

Sie wuchsen still im dunkeln Hain,
Und zeigten ihres Laubes Fülle,
Doch ohne Knosp' und Blüthenschein.
Er gräbt sie aus in ernster Stille,
(Ein Wink, den ihm der Himmel gab)
Und pflanzt sie an der Liebe Grab.

Sie standen, Blatt an Blatt vereint
Im Abendroth und Abendschauer.
Jetzt trennet sie die Kirche weit;
Da ranken sie hoch an der Mauer,
Und treulich wieder Zweig in Zweig
Zu flechten, holder Liebe gleich.

Und als die Sonne wieder wach,
Und kaum mit Purpur überzogen
Des großen Tempels heil'ges Dach;
Da, über Bruneleschis Bogen
Die Rosen wuchsen wunderbar
Und reichten sich die Blumen dar!

Da ward gerührt das Vaterherz
Als solches Wunder sie erfahren,
Da fühlten sie der Reue Schmerz.
Da sahen sie wie klein sie waren,
Und gingen weinend Freundschaft ein
An ihrer Kinder Leichenstein.

Da rasselten die Ketten schwer
Am Taufhaus; (alter Thaten Werke,
Die zeigen: Pisa sey nicht mehr!)
Denn Eisen bricht des Zornes Stärke,
Und schlägt ein Volk in Sklaverei;
Die Liebe nur bleibt ewig frei!


Aus: Gedichte von Oehlenschläger
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart und Tübingen J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 57-60)

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Der Greis am Grabe Werthers

Abendroth
Färbt deine Gruft;
Alte Linden
Umwölken sie;
Veilchen
Blüh'n im hohen Grase.

Du schläfst
Den ruhigen Schlummer
Des Todes.

Schatten wachsen,
Abendroth schwindet,
Nur ein blaßgelber Schein
Schimmert in West.
Der Wald steht schwarz und schweiget!

Dort kommt ein Haufen
Mädchen und Jünglinge
Vom Felde.

Es stockt ihr Gesang,
Und die Mädchen
Zeigen auf's Grab,
Mit zitternden Fingern,
Und geh'n einen Umweg
Aus Furcht vor dem Selbstmörder
Im Walde spuckend.

Werther!
Sie fürchten dich
Der ruhig schlummert
Unter den Blumen.

Du besaßest ein Herz
Das fühlen konnte
Gott und Natur -
Das Glück war selten;
Du hattest das Glück
Ein Herz zu finden
Das deines verstand; -
Das Glück war seltner.

Und glücklich warst du,
Denn du schwelgtest
In Wonne der Liebe.

Doch ein grauses Verhängniß
Hinderte eure Seelen
Vereint zu werden,
Ungestört
In Götterwonne
Hier.

Da warfst du den Staub
In's dunkle Grab,
Und erwartetest Sie
Und fandest Sie
Jenseits!
Jetzt freut Ihr euch.

Des Alters Schnee
Deckt meine Scheitel.
Mein Herz stirbt
Langsam;
Mein Lenz verschwand
Ungenossen.
Denn ich fand Keine
Die mich verstand;
Ich genoß nicht
Der Liebe Wonne,
Mich erwartet Keine
Dort;
Ich verlasse Keine
Hier.

Wenn mein Herz zerborsten,
Und der Menschen Schwarm
Im Grabgewölbe
Den kalten Marmor
Vorbeigeht, -
Dann werden Sie sagen:
"Der war glücklich!"
Ach! Wer war der Glückliche?
Du oder ich?


Aus: Gedichte von Oehlenschläger
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart und Tübingen J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 228-230)

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Freya's Saal

Hoch über'm Blau der Lüfte ist ein Saal,
Von lichtem Morgenroth ist er durchzogen,
Sein Dach besteht aus Sternen ohne Zahl,
Die Laube wölbt sich wie des Waldes Bogen.
Im ew'gen Lenz, als Knospe, ewig jung,
Sich nie entfaltend, duftet dort die Rose,
Die Harfe spielet, der Erinnerung,
Der Westwind, der mit Veilchen kos't im Moose.

Und jede Freude, die das Herz genoß
Auf Erden dort - als Blume hier sie winket,
Die Sehnsuchtsthräne, die so bitter floß,
Hier wie der klare Thau auf Lilien blinket.
Und jedes Wort, das heiße Liebe zwang,
Die Lippe zagend dort zu stammeln, - tönen
Soll's hier, vereint zu einem Jubelsang,
Der Liebe Glut zu nähren, zu verschönen.

Der Mond scheint jeden Abend silbern da,
Und hüllt sich nie in Nebel und in Regen,
Dem Liebenden ist die Geliebte nah,
Am Bache, jung, schwebt sie ihm froh entgegen.
Mit erstem Beben, erstem trunknen Blick,
Kann täglich ihn der erste Kuß entzücken,
Der Freudenblitz, der dort nie kehrt zurück,
Wird jeden Abend neu ihn hier beglücken.

Wenn in die Urne sank die Asche sacht,
Auf Erden, sehnend, Theure man vermisset,
Dann ziehn hinauf sie mit dem Wind der Nacht,
Wo Freya sie mit Rosenlippen küsset.
Dort, Fylla, werd' ich dann auch finden dich,
Wenn nicht im Staube mehr der Funke blinket,
Wenn deines Auges Strahl auch schließet sich,
Und stumm die Harfe meiner Hand entsinket.


übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)

Aus: Das Buch der Liebe
Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik aller Zeiten und Völker
In deutschen Übertragungen
Herausgegeben von Heinrich Hart und Julius Hart
Zweite Auflage Leipzig Verlag von Otto Wigand 1889 (S. 372-373)
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Liebeslied

O wie mit manchem sel'gen Ach
Schritt früher ich am Erlenbach,
Der hinrann durch die Aue!
Jetzt rührt mich eine Thräne nur
Im Blick der schönsten Fraue,
Jetzt folg' ich nur der Holdsten Spur,
Der Elfenspur im Thaue.

Wie lachte mir Gebirg und Strom!
Und ringsumher der Himmelsdom,
Wie lag er blau darüber!
Da sah ich blaue Augen zwei
Und all der Glanz war trüber,
Und jubelnd flog vom Erdenmai
Mein Schmerz zu ihr hinüber.

Wie war der Frühling rosenvoll,
Wenn lieblich durch die Büsche quoll
Der Schmelz der Hirtenflöte!
Jetzt kenn' ich keinen Frühling mehr,
Als jenen zweier Wangen hehr
Voll ros'ger Morgenröthe.

Wie war ich doch im Abendgold
Des Kornfelds gelben Locken hold,
Die sich im Weste wiegen!
Jetzt laß ich kühl und theilnahmslos
Die lock'gen Felder liegen,
Jetzt locken mich die Locken bloß,
Die Laura's Haupt umfliegen.

O wie der Nachtigall Gesang
Mir früher süß herunter klang
Im Frühling von den Zweigen!
Ich glaubte mit dem Himmelsschall
Selbst himmelwärts zu steigen: -
Jetzt mag mir jede Nachtigall,
Wenn sie mit mir spricht, schweigen.

Der Winter selbst ergötzt mich nicht
Wie herrlich er im Nordscheinlicht
Mit Silberpracht sich rüste:
Schneehügel zweie kenn' ich gut,
Zwei Wiegen wonn'ger Lüste,
Ach, und Walhalla's Frühling ruht
Da unter'm Schnee der Brüste.

Oft war ich durch die Welt beengt: -
Und ist die Welt, die mich umfängt,
Nicht wieder eine kleine? -
Der ganzen Schöpfung Rosenflur
Verschmolz mir mild in eine,
Und während jene ich verlor,
Gewann ich nicht die meine.

Und kann die hohe Lilie mein
Auch nimmermehr mein eigen sein: -
Ein Trost ist mir geblieben.
Mit Sternenschrift in meiner Brust
Ist mir ihr Bild geschrieben,
So kann ich denn mit Schmerz und Lust
Ihr Bild, ihr Bild doch lieben.


übersetzt von Gottfried v. Leinburg (1825-1893)

Aus: Das Buch der Liebe
Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik aller Zeiten und Völker
In deutschen Übertragungen
Herausgegeben von Heinrich Hart und Julius Hart
Zweite Auflage Leipzig Verlag von Otto Wigand 1889 (S. 374-376)
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Schön Asta

Schön Asta so traurig im Walde geht,
Von goldenen Locken das Haupt umweht;
Sie war wie die Rose, so stolz und mild,
Ihr schlanker Wuchs war der Lilie Bild.

Sie dachte an Frowin mit Sehnsuchtsgram,
Da er zog in die Schlacht und nicht wieder kam;
Gezogen war er im Orlog frei
Mit König Humble zur Orkenei.

Und im Traum der Nacht und im Morgenrot
Sah Blut die Holde und Fall und Tod;
Ach, wer was Liebes im Herzen hält,
Der fragt nach nichts auf dieser Welt.

Schön Asta geht wandeln am Erlenmoor,
Sie benetzt mit Thränen den Blumenflor.
Sie setzt sich nieder am Schilf der Flut,
Darüber unheimlich der Mondglanz ruht.

Doch plötzlich dort, wo die Jungfrau saß,
Erbebte die Erde und schwankte das Gras,
Und Mägdlein dreie am Hügel stehn;
Ein Gewand wohl mag man sie weben sehn.

Der Webestuhl war von rotem Gold,
Sie weben und schlingen den Reigen hold,
Sie singen vom Siegen, von Tyr und Thor,
Es klingt wie die Klage des Windes im Rohr.

Sie wehren der Jungfrau den Webestuhl
Und schwinden wie Blasen im Schlangenpfuhl,
Heimkehrt schön Asta so schwermutvoll,
Aus der Schlucht das Gekrächze der Schuhus scholl.

Am Webestuhl sitzt sie voll Liebesweh
Und webt ein Gewand wie Blütenschnee,
Wie die Kirschenblüte so klar und rein: -
Für wen mag wohl dies Gewand wohl sein? -

Da kamen die Kämpen vom Schlachtgefild,
Auch Frowin kam wieder, doch tot auf dem Schild;
Das brachte der jammernden Jungfrau Leid,
Sie nähte dem Helden ein Leichenkleid.

Und wie sie gethan den letzten Stich,
Der Glanz von dem brechenden Auge wich;
Es wich von den Wangen das Rosenrot,
Da lag in den Blumen das Mägdlein tot.

Nun schläft schön Asta, nun schläft der Held
Wohl unter den Buchen am grünen Feld.
Da weben und schweben durch Busch und Thal
Die Elfen im Reigen beim Mondenstrahl.

Orlog: Kriegszug | Humble: Sagenhafter König der Dänen
Orkenei: Die arkadischen Inseln | Tyr und Thor: Der Kriegs- und der Donnergott

übersetzt von Gottfried v. Leinburg (1825-1893)

Aus: Orient und Occident Eine Blütenlese aus den vorzüglichsten Gedichten
der Weltlitteratur in deutschen Übersetzungen
Nebst einem biographisch-kritischen Anhang
Herausgegeben von Julius Hart
Minden i. Westf. J. C. C. Brun's Verlag 1885 (S. 364-366)

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