Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Frederik Paludan Müller (1809-1876)
dänischer Dichter




Almas Gedanken von der Liebe
An Adam Homo (aus dem Epos "Adam Homo")

I.
Daß mir des Geistes Leben ist ertheilt,
Hab ich von Gott durch dich, mein Freund, alleine,
Ich sah mich um nach Freunden, und fand keine. -
Wie der Delphin im Meere einsam weilt

Hat in der Tiefe mich Dein Ruf ereilt.
Die kalte Brandung ward wie eis'ge Steine;
In dunkeln Fluten sitz ich still und weine,
Doch war's ein Ton, der meinen Kummer heilt,

Der aus der Finsterniß mich rief zum Schauen.
In Dir hör' ich der Lebensströmung Rauschen.
Ja, durch Dein Wort wird mir mein Dasein klar.

O fahre fort, mich also zu erbauen;
Sei Du mein Sänger. Ich will stille lauschen;
Ich, Dein Delphin, treu horchend immerdar.
(S. 195)


II.
Oft, wenn mein Schritt mich führt zum Gartengang,
Wo jeder Baum, geschmückt mit zarten Blüten,
Ein inn'res sehnend Dasein scheint zu hüten;
Wo mit der Vögel lieblichem Gesang

Auch mich ein frischer Lebenshauch umschlang:
Dann fühl' ich im Gemüth das stille Brüten
Der Funken, die in Deinem Geist erglühten,
Bis Flamme in mir ward der Seele Drang.

Es scheint mir dann, ich sei in Edens Garten;
Die Wissens-Schlange winkt in schwüler Stille;
Sie zeigt mir lockend Deines Lebens Buch.

Ich möcht' es öffnen, mag es nicht erwarten;
"Dich kennen!" sehnt sich meines Wesens Wille;
Doch zittr' ich vor der Schlangenklugheit Fluch.
(S. 195-196)
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III.
Mir träumte, - ach, wie schmerzlich war der Traum!
Als wär ich wieder in vergangnen Tagen,
Als ich nur Leere fühlte und Verzagen;
Du warst getilgt in meines Herzens Raum!

Des Lebens Strom war aufgelös't in Schaum.
Ich ein Gefäß, des Inhalts baar, zerschlagen!
Ich fühlte mich wie ein verdorrter Baum,
Unfähig frische, edle Frucht zu tragen.

Da wacht ich auf! Von goldnen Strahlenwellen,
Im hellen Lichtglanz, steht Dein Bild umwoben.
Es quillt sogleich mir neue Lebenslust;

Das arme Herze fühlt ich wieder schwellen,
Vom starken Strom der Liebe hoch gehoben,
Dein Name glänzt mir wieder in der Brust!
(S. 196)
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IV.
Hier sitz ich einsam. - Es ist nächtlich spät;
Der Tag ist mit der Sonne längst versunken; -
Am dunkeln Firmament Lichtsterne prunken;
Ein leiser Zephyrhauch das Laub durchweht.

Mir ist's, als wär's mein stilles Nachtgebet, -
Die Blumen schließen sich, von Schlafe trunken,
Und nur Johanneswürmchen sprühen Funken, -
Der Geist allein in mir ist wach und fleht:

O Adam, wenn einst also hingeschwunden
In Nacht der Augen Glanz, und unser Leben
Dahinflieht, wie der Sonne mildes Licht, -

Dann wird der Seele Traum in mir entbunden;
Sein süßer Duft wird Dich und mich umgeben,
Wenn auch hienieden unser Auge bricht.
(S. 196-197)
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V.
Sag' mir, ob mein Gedanke sich verlor,
Die Lösung suchend dieser einen Frage:
Weshalb das Bild des Einen ich nur trage
Im Herzen, den das Herz sich einmal kor?

Und weshalb schlägt die Flamme nicht empor,
Wo Schönheit sonst und Tugend liegt zu Tage?
Sag', warum nie ich nach Vollkommnem jage,
Kein Zweifel lös't, was fest ich einmal schwor?

Es scheint: o sag mir, ob ich recht gerichtet! -
Wenn Gott nach seinem Bilde schuf die Seelen,
Daß einen Zug er zweien eingeprägt.

Wie Reim auf Reim und Vers zum Vers gedichtet,
Kann auch der Trieb nicht andre Lösung wählen,
Als wie von Ewigkeit der Grund gelegt.
(S. 197)
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VI.
Hier ist das Buch, das Du mir jüngst gesandt,
Der Autor will das Leben uns erklären,
Er meint zwar, ewig wird es jenseits währen,
Doch lös't sich dort, was man auf Erden band.

Mein Herz hat längst schon bessern Trost gekannt.
Fest hält sich mein Gemüth an Deinen Lehren,
Und nimmer wird es sich von ihnen kehren,
Fest bleibt, was wahr und tief der Geist empfand,

Fest, was wir selbst im andern Ich empfinden.
Fest, was vom Geist des andern Ichs wir hegen;
Fest, was in Gott gemeinsam beiden ward.

Wohl läßt sich lösen, was wir irdisch binden;
Doch nicht, was Gott durch seiner Allmacht Segen,
Zusammenfügt nach weiser Ordnung Art.
(S. 198)
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VII.
So, wenn ich lese in der Zukunft Buch,
Bleibt Hoffnung mir ein traulicher Begleiter.
Frisch steig ich aufwärts auf des Daseins Leiter,
Nichts hemmt des freigewordnen Geistes Flug.

Du pflanztest Wahrheit in mir ohne Trug;
Es führt Dein Schritt mich unaufhaltsam weiter.
So ward durch Dich mein Auge klar und heiter,
Und nimmer sagt mein dürstend Herz: "Genug!"

Kein Traum ist's, was mein liebend Herz genossen;
Ein Sieg der Hoffnung ist's, der nie betrogen.
Mit ihm floß neues Leben in mein Blut;

Zusammen sind die Fluten jetzt geflossen,
Dein Strom hebt mich empor mit starken Wogen,
So trägt vereint uns fort die Doppelflut.
(S. 198-199)
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VIII.
Jüngst fühlt' ich in der Brust ein Schwert von Erze,
Dein Auge hatt' mich zweifelnd angeblickt,
Ein gift'ger Dolch wars, mir ins Herz gedrückt:
"Wär ich nun untreu?" - sprach Dein Mund im Scherze.

Ach, wenn die Glut nicht füllte mehr Dein Herze,
Kein Funke blieb von dem, was mich entzückt,
Dann wär' dem Himmel ewig ich entrückt,
Verzehren müßte sich mein Geist im Schmerze!

Wenn je mein Haupt sich neigt, so tief bekümmert,
Wenn wie ein Pfeil, der tödlich niederschwirrt,
Je Trennungsschmerz sich bohrt in meine Brust -

Dann wär' ich, wie die Harfe, die, zertrümmert,
Selbst hergestellt, nur dumpf von Klange wird;
Ja, nie mehr tönt sie aus in heller Lust!
(S. 199)
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IX.
Du sprachst: Die Harfe ist in Gottes Händen;
Er kennt die Kraft der Saiten, die er stimmt.
Er macht zur Flamme, was als Funke glimmt,
Zur Seligkeit wird er die Qualen wenden.

Wo alle Erdenleiden glücklich enden,
Am Thron des Herrn die Welt voll Ruhe schwimmt,
Das Reich des Menschensohns kein Ende nimmt,
Da werden Engel holde Töne senden.

Es werden dort Dir Kinder Kränze winden,
Von Blumen bau'n den bräutlichen Altar!
Die Himmelslust erweitert unsre Herzen;

Dort wirst Du unter Palmen Wohnung finden,
Dem Freunde nah, der hier so lieb Dir war.
Dort lös't die Seligkeit der Erde Schmerzen.
(S. 199-200)
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X.
Du meinst, ich zürne, Adam, weil Dein Brief
Nur trüben Kummer athmet; weil er Sorgen
Hinmalt in meines Lebens hellen Morgen?
Zwar fühlt mein Inn'res Deinen Kummer tief,

Und es ergreift mich, wenn das Schicksal rief
Dein fühlend Herz zur Qual der Schmerzensfülle;
Und dennoch war's mir lieb, wenn ohne Hülle
Du offenbart, was im Gemüth Dir schlief.

Stets werden Deiner Seele inn're Saiten
In vollen Tönen in mir wiederklingen.
Ich bin der Wiederhall nur Deines Spiels.

Getrost magst Du in mich hinüberleiten
Selbst jene Töne, die Dir Kummer bringen;
Sie stören nicht den Einklang unsers Ziels.
(S. 200)
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XI.
Was Du bereust, sei's wenig oder viel,
Ob Schuld vor Gott, vor Menschen Du zu tragen,
Es ist getilgt, in tiefsten Leides Tagen,
Klar seh ich Deines Lebens hohes Ziel.

Du, der mich schonend aufhob, wenn ich fiel,
Errangst Dich selbst in heißen Kampfes Wagen,
Denn Du bezwangst Dich in des Schmerzes Zagen,
An mir hast Du gethan, was Gott gefiel.

O, welche Schätze, welche Geistesgaben,
Hast Du in mein bedürftig Herz gegossen!
Du gabst mir innern Frieden, gabst mir Ruh.

Dafür wird Gott Dich einst vergeltend laben;
Durch Dich hat Freude er an mir genossen; -
Der Liebe Reichthum deckt Dein Schuldbuch zu.
(S. 200-201)
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XII.
So reich mir, Adam, Deine Freundeshand.
Dein Wort des Trosts für mich sei "Ja und Amen!"
Du riefst mich auf zum Licht in Gottes Namen;
Durch Dich hab' ich der Seele Heil erkannt.

Dir dank' ich jubelnd, daß ich Rettung fand.
Du streutest reich in mich der Wahrheit Saamen,
Daß aus dem Triebe frisch die Keime kamen;
So schwillt mein Lebensbecher bis zum Rand.

O laß mich wandern, Geist an Geist geschlossen,
Das Auge nach des Auges Licht verlangend.
O schmücke mich mit Deiner Blüten Kranz.

Ein dauernd Glück hab' ich durch Dich genossen,
Fest schließ ich mich an Dich, nicht länger bangend.
Empor winkt uns des ew'gen Daseins Glanz.
(S. 201)
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übersetzt von Constant Dirckinck-Holmfeld (1799-1880)

Aus: Album Nordgermanischer Dichtung
von Edmund Lobedanz
Erster Band: Album Dänisch-Norwegischer Dichtung
Leipzig 1868 Verlag von Albert Fritsch



 

 


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