Feliks Przysiecki (1883-1935)
      polnischer Dichter
      
      
      
      
      
      Lied im Dunkel
      
      Noch glänzt der Regen auf den Pflastersteinen,
      Am Abendhimmel strahlt der Sterne Meer,
      Der Bäume Rauschen tönt heut fast wie Weinen,
      Und Fledermäuse schwirren scheu umher.
      
      O, zieh dahin ins dunkle Reich der Bäume,
      Laternen, Liebsten und der Sternenzier,
      Die auf den Planken spielen bange Träume
      Der Menschen, die so stadtverirrt gleich mir.
      
      Vielleicht erlauscht du in der Stimmen Schnauben
      Des Tages Inhalt und des Tages Schaum.
      Denn trotz der Dämmrung kann ich es nicht glauben,
      Daß alles Wahrheit ist, und nicht ein Traum.
      
      Mir gab wohl Gott, in innigem Verstehen,
      Mit seiner warmen Hand ein köstlich Gut,
      Denn von erhaben leuchtendem Geschehen
      Spricht deiner Küsse innig heiße Glut.
      
      Als du in meinem Zimmer, angstbeschworen,
      Die fliederweiße Brust verwehrt dem Blick,
      Hast heimlich du im Bodenstaub verloren
      Der Tränen seltnen Schatz, geweint im Glück.
      
      Mein Herz, die Bäume, alle Sterne klingen,
      Der Flieder dort am stillen Gartenplatz,
      Die ganze Straße schallt vom großen Singen,
      Der glückgeweinten Tränen seltnem Schatz.
      
      übersetzt von Lorenz 
      Scherlag (1881-1941)
      
      Aus: Moderne polnische Lyrik
      Eine Anthologie deutscher Übertragungen
      Herausgegeben von Lorenz Scherlag
      Amalthea Verlag Zürich Leipzig Wien 1923 (S. 152-153)
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