Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik


 

Roger de Rabutin Comte de Bussy (1618- 1693)
französischer Schriftsteller und Dichter




Liebes-Maximen

Aus den Memoiren
des Comte de Bussy Rabutin Tom. II. p. 242 ff

Erster Theil
Von der hoffenden Liebe


1.
Was die Liebe sey?

Ihr, die ihr selber nicht versteht,
Was ihr für Regung bey euch fühlet,
Und doch indessen früh und spät
Mit euren zarten Banden spielet,
Damit ihr euren Zustand wißt,
So sey euch kurtz so viel geschrieben;
Daß Lieben ein Verlangen ist,
Daß uns die lieben, die wir lieben.
(S. 134)
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2.
Wie sich Damen aufzuführen haben,
damit sie ihre Reputation im Lieben
nicht verlieren?

Edelstes Geschlecht der Erden,
Aller Schönheit Uberfluß,
Dem die Sinnen zinßbar werden,
Und das Hertze dienen muß;
Liebet, doch daß eure Pflicht
In der Stille wird getrieben.
Denn die Liebe stürzt euch nicht,
Aber wol die Art zu lieben.
(S. 134)
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3.
Ob es ein Geheimniß sey, zu schaffen,
daß man uns wieder lieben muß?

Wolt ihr ein Hertz, so euch betrübt,
Hinwiederum empfindlich machen,
So sind es ja gar leichte Sachen:
Nur liebt, so werdet ihr geliebt.
(S. 135)
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4.
Ob man hoffen kan, daß einen
ein sprödes Mägdgen endlich
noch lieben wird?

Wer ein schönes Mägdgen liebt,
Die ihm aber doch hingegen
Lauter spröde Reden giebt,
Darff den Muth darum nicht legen:
Mancher Courtisan will sich
Dessentwegen gleich erhencken;
Doch, mein Freund, ermanne dich,
Denn du must dabey bedencken,
Die nimmt dich wol morgen an,
Die dich gestern noch verschmehte.
Wer die Zeit erwarten kan,
Diesem kömmt sie nie zu späte.
(S. 135)
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5.
Was die Thränen für Würckung
in der Liebe haben?

Wer seiner Geliebten will glücklich geniessen,
Nennet dies sein Meister-Spiel,
Indem er für ihren geliebtesten Füssen
Sterben und verzweiffeln will;
Weil doch die erpreßten Zähren
Der Liebe Geheimniß am besten erklären.
(S. 135)
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6.
Auf eben diese Frage

Ihr, die ihr euren Qvalitäten
Im Lieben selber nicht viel traut,
Und wenn euch Hülff und Rath von nöthen,
Weit mehr auf frembde Regeln baut,
Gewöhnet euch nur bald ans Klagen:
So wird leicht euer Wuntsch erfüllt;
Weil insgemein der Narren Zagen
Mehr als der Weisen Großmuth gilt.
(S. 136)
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7.
Ob man einen warhafftigen und falschen
Liebhaber unterscheiden kan?

I.
Wer die Falschen und Getreuen,
Wenn er selbst nicht mit im Spiel,
Klüglich unterscheiden will,
Wird der schnöden Schmeicheleyen,
Und der Liebenden Gefahr,
Allzuleicht dabey gewahr.

II.
Doch die Augen sind weit blinder,
Wenn das Hertz schon selber liebt.
Wer nur glatte Worte giebt,
Wird gar leicht zum überwinder,
Dergestalt, daß Treu und List
Gantz einander ähnlich ist.

III.
Aber, Iris, wilt du wissen,
Wie es kömmt, daß ein Galan
Dich so leicht betriegen kan?
Weil man von Natur gefliessen,
Treu geliebt zu seyn, und offt
Dieses glaubet, was man hofft.
(S. 136-137)
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8.
Ob das Vergnügen der Liebe im Kopffe oder
in denen äusserlichen Sinnen sey?

Ich schliesse nicht das rechte Lieben,
Das GOtt in die Natur geschrieben,
In eitle Sinnen ein,
Denn sein Vergnügen muß,
So wol als der Verdruß,
Bloß in dem Kopffe seyn.
(S. 137)
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9.
Welches die warhafftigen Zeigen einer
starcken Passion seyn?

Du fragest alle Morgen,
Warum die Liebe denn bey mir
So tief verborgen?
Sind denn nicht klare Zeichen hier?
Bemühungen und Sorgen.
(S. 137)
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10.
Ob man einander lange sehen muß,
ehe man einander liebet?

Es brauchet nicht viel Zeit, wo man verliebt soll seyn,
Wer in der Liebe stockt, muß ihrer offt entgelten.
Und läßt man, was man sieht, nicht gleich zum Hertzen ein,
So liebet man es selten.
(S. 137)
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11.
Auf eben diese Frage

Du wilst uns als ein Meister lehren,
Daß die Bekanntschafft gantz allein
Der Liebe Kleinod kan gewehren;
Doch die Erfahrung saget nein,
Und ist der Lehre gantz contrair.
Von blindem Triebe
Kömmt die Liebe,
Die Freundschafft vom Erkenntniß her.
(S. 137-138)
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12.
Ob man allzeit die Idee des Liebhabers
oder der Liebsten vor sich habe,
wenn sie abwesend ist?

Welcher so zu lieben lernt,
Daß er sonder Ende liebet,
Und sich inniglich betrübet,
Wenn die Liebste sich entfernet;
Sieht sie immer in Gedancken,
Und wofern es ja geschicht,
Daß die Sinne etwas wancken,
Läst er sie doch gäntzlich nicht.
(S. 138)
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13.
Ob es schwerer sey, von der Freundschafft
zur Liebe, oder von dieser zu jener
wieder zu kehren?

Man hält es insgemein vor schwer,
Daß wahre Liebe sich in Freundschafft läst verwandeln;
Doch das befremdet mich weit mehr,
Und mein ich, die Natur muß wol gar unrecht handeln,
Wenn einer, der sich lang als Freund hat auffgeführt,
Auch einen Trieb von Liebe spürt.
(S. 138)
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14.
Was vor ein Unterscheid zwischen
der Liebe der Männer und der Weiber sey?

Ihr Weiber, eure Glut ist nicht von schwacher Art;
Ich kan von ihrer Macht durch die Erfahrung zeugen.
Denn warum solt ich das in einer Schrifft verschweigen,
Was du mir, Chloris, längst durch Thaten offenbahrt?
Von wegen der Beständigkeit,
So sagen wirs nicht gerne, wie wirs meinen,
Doch wilst du selber es nicht freventlich verneinen,
So giebst du uns den Vorzug in der Zeit.
(S. 139)
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15.
Ob es wahr sey, daß die Liebe einen
zum Narren macht?

Ihr, die ihr an der Liebe Port
Seht eitel Thoren treiben,
Ich will euch itzt mit einem Wort
Die Liebe recht beschreiben:
Sie bleibet voller Witz und List,
Wenn sie Verstand erkohren,
Doch wo das Hertze thöricht ist,
Da macht sie lauter Thoren.
(S. 139)
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16.
Auf eben diese Frage

Ich bin nicht von derselben Zunfft,
Die alle Liebenden vor Narren pflegt zu schelten;
Man liebet auch wol mit Vernunfft,
Doch wenn die Klugheit offt
Am höchsten noch zu steigen hofft,
Muß es die Liebe drum entgelten.
(S. 139)
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17.
Ob man gegen zwey unterschiedene
Personen zugleich grosse Liebe
und grosse Freundschafft hegen kan?

Der, den ein Freund hat eingenommen,
Weiß sonst von keiner Regung nicht,
Und wer dem Thyrsis sich verpflicht,
Der liebt die Phyllis nicht vollkommen.
Kurtz, was man einem Freunde giebt,
Entziehet man der Schönen, die man liebt.
(S. 140)
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18.
Ob man das Lieben kan durch Reguln
lernen, wie andere Dinge?

Gar offt such ich Chlorinden anzutreiben,
Sich zu der Zahl der Liebenden zu schreiben;
Allein sie nennt es eine schwere Last,
Und spricht, sie sey noch nicht darauf beflissen,
Will aber wohl von mir die Reguln wissen.
Chlorinde, wo du Lust zu lieben hast,
So wird sich traun die Liebe nicht entfernen;
Ach liebe nur, so wirst du lieben lernen.
(S. 140)
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19.
Ob sichs besser in der Stadt
oder auf dem Lande liebt?

Die, so an den Höfen sind,
Sind an Lieb und Glücke blind,
Und in wolgebauten Städten
Hat man auch Gedult vonnöthen:
Denn der Schönen Uberfluß
Macht, daß man stets ändern muß.
Aber in verlegnen Wäldern,
Und in unbewohnten Feldern,
Wird die wahre Liebe sich
Gantz und gar nicht hinderlich.
(S. 140-141)
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20.
Warum offt qualificirte Damen nichtswürdige
Männer, und wohlgemachte Männer
ungeschickte Frauenzimmer lieben?

Wenn unsre Sinnen
Zu lieben beginnen,
Verbergen wir, was uns verstellt,
Und zeigen der Welt,
Was ihr am meisten wolgefällt.
Da dencket man alles in Feuer zu setzen.
Die, so ein Hertz voll Falschheit trägt,
Die solte man manchmal am ehrlichsten schätzen.
Ja die nur Haß und Feindschafft hegt,
Der muß es wol öffters am ersten gelingen.
Doch hat man nun endlich einander charmirt,
So will man sich nicht länger zwingen;
Derhalben wird die Gluth zu Frost und Eise.
Jedoch daß man den Vortheil nicht verliert,
So bleibt man bey der alten Weise.
(S. 141)
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21.
Welche im Lieben am angenehmsten,
die von Liebe nichts weiß,
oder die davon einen Staat macht?

Fragst du, welche von den beyden unsrer Liebe mehr geniest,
Die im Lieben unerfahren, oder die erfahren ist?
So ist meine Meinung die: beyde werden dich betriegen,
Aber jene bringt mehr Ruhm, und die letzte mehr Vergnügen.
(S. 141-142)
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22.
Ob man alles im Wort-Verstande nehmen muß
was die Verliebten sagen?

Die Hyperboln sind im Lieben heut zu Tage sehr gemein,
Alles muß viel 100. Jahre, oder ein Momentgen seyn,
Das Vergnügen dauret kaum eine gute Viertel-Stunde
Und das Leiden setzet sich selbst die Ewigkeit zum Grunde.
(S. 142)
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23.
Ob sich eine grosse Liebe mit einer
leichtsinnigen Munterkeit vertragen könne?

Thyrsis, deine frechen Minen
Setzen deine Lieb hindan;
Darum stelle bey Selinen
Dich forthin nicht lustig an.
Wilt du dein Gelücke machen,
Ey so stelle dich betrübt.
Denn so lange wir noch lachen,
Denckt man nicht, wir sind verliebt.
(S. 142)
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24.
Welches Temperament sich am besten
zur Liebe schickt?

Es kan nicht die Natur so unterschieden seyn,
Daß wahre Liebe nicht könt jedes Hertze zwingen;
Doch stellet sie sich mehr in solchen Cörpern ein,
Wo Blut und Hitze nicht durch Marck und Adern dringen.
Denn wo bald Feuer ist, da löscht es auch geschwind,
Ein ungestimmer Trieb zeugt kein manierlich Lieben,
Doch wo sich Sittsamkeit und stilles Wesen find,
Da wird der Liebe Werck mit größter Lust getrieben;
Drum hast du von Natur nicht viel Gelassenheit,
So stelle wenigstens in Reden und Geberden
Dich still und sittsam an, so wirst du mit der Zeit
Galant, manierlich, nett, beliebt und glücklich werden.
(S. 142-143)
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25.
Ob es wahr ist, daß ein Liebhaber
niemals recht vergnügt ist?

Wer erst ans Lieben denckt, der sehnt und kräncket sich,
Eh er nach tausend Noth kan die Geliebte küssen,
Und wer sie endlich küßt, betrübt sich inniglich,
Und fürchtet, daß er sie bald werde lassen müssen:
Daß also, wer da liebt, nie recht vergnügt seyn kan:
Wer aber gar nicht liebt, ist noch viel schlimmer dran.
(S. 143)
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26.
Ob man nicht, wenn man einem zu gefallen
sich bemühet, den Vorsatz habe zu lieben?

Du denckst, man soll dich schön erkennen,
Und wilt nur dem dein Hertze gönnen,
Der dich für schön erkennen kan;
Doch du bestehest nicht bey allen.
Denn wer dem andern will gefallen,
Der zeigt zugleich sein Lieben an.
(S. 143)
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27.
Wodurch eine Dame die Liebe länger
unterhalten kan, durch Willfährigkeit
oder Wiedrigkeit?

Ihr Damen, wenn ihr lange Zeit
Uns wolt in euren Ketten haben,
So zeigt bisweilen Widrigkeit,
Und sparet eure seltnen Gaben.
Denn daß die Anmuth allzeit neu,
Und unsre Liebe nicht bald rostet,
Macht ausser Freundlichkeit und Treu
Die Müh und Zeit, die ihr uns kostet.
(S. 143-144)
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28.
Was man von dem Zorn eines
Liebhabers glauben soll?

Wen die Geliebte nicht alsbald vergnügen will,
Der schwöret offtermahls, er achte sie nicht viel.
Er schwöret, daß sein Hertz sich ihr nicht mehr ergiebet,
Und ihre Reitzungen ihm gantz zuwider sind,
Doch wer im Zorn verschwört, was er von Hertzen liebet,
Der schwöret in den Wind.
(S. 144)
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29.
Ob man mehr auf die Meriten,
oder auf die Liebe halten soll?

Du fragst, wer in dem Liebes-Bande
Von beyden mehr Vergnügen giebt;
Ein Mann von mäßigem Verstande,
Der aber Seeleninnigst liebt,
Und einer, den zwar alle neiden,
Er liebet aber oben hin?
So sag ich, daß ich von den beyden
Dem ersten mehr gewogen bin.
Denn in der Liebe sieht man zwar auf hohe Gaben,
Doch Liebe muß man auch vor allen Dingen haben.
(S. 144)
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30.
Ob man ohne Hoffnung lieben kan?

Wofern dein Hertz
Der Liebe Schmertz
Zu sehr betroffen,
Und kläglich spricht:
Nun darf ich nicht
Auf Rettung hoffen;

So trügst du dich,
Weil Liebe sich
In keinem reget,
Der nicht zugleich
Bey jedem Streich
Noch Hoffnung heget.
(S. 145)
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31.
Wie sich eine verhalten soll,
wenn einer an sie schreibet,
den sie nicht liebet?

Wie? bildet ihr euch ein,
Wenn einer euch von Liebe schreibet,
Dem ihr nicht könnt gewogen seyn,
Daß ihr unangefochten bleibet,
Wofern ihr sprecht:
Die Schrifft ist uns zu dunkel;
Ach wir verstehen sie nicht recht?
Nein, nein, ihr seyd gar übel informiret,
Denn welcher seinen Grund
Nur durch Injurien und Läster-Reden führet,
Der giebet sattsam kund,
Daß er doch in der That
Mehr Lieb als Feindschafft hat.
(S. 145)
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32.
Ob es einem anstehe, sich etwas spröde
zu stellen, ehe er der Liebe versichert ist?

Ein Mann von einem hohen Stande
Verdienet wenig Lob im Lande,
Wofern er sich tyrannisch stellt;
Den aber möchte man wol prellen,
Der sich bey Chloren will verstellen,
Eh er der Liebe Preiß erhält.
(S. 146)
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33.
Ob man nothwendig im Leben
einmal müsse verliebt seyn?

Sylvia, du must gewis einmal Lieb und Glut empfinden,
Ob du noch so kalt und eisern biß anher gewesen bist,
Wo nicht als das höchste Guth; welches wenig, wenig finden,
Dennoch als ein solches übel, welches unvermeidlich ist.
(S. 146)
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34.
Ob man zwey Personen zugleich
rechtschaffen lieben könne?

Melander der Romainen-Schreiber
Erdichtet mehr als möglich ist,
Daß Flavius zwey schöne Weiber
Mit gleicher Lieb und Neigung küst.
Ich acht es vor ein schlecht Gedichte.
Wo sich die Liebe partagirt,
Da wird die beste Krafft zu nichte,
Die wahre Liebe mit sich führt.
(S. 146)
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35.
Welches die nöthige Equippage eines
Liebhabers sey?

Ihr Herren, wenn ihr wolt die Equippage wissen,
Die treue Liebenden vornemlich brauchen müssen,
So legt euch Federn zu, braucht Siegel und Pitzschier,
Ein volles Dinterfaß, und feines Post-Papier.
Denn die das Schreibzeug in schlechtem Stande halten,
Die können ihre Pflicht so wenig recht verwalten,
Als einer, der erhitzt nach Ruhm und Ehre ringt,
Und weder Schwerdt noch Spieß mit sich zu Felde bringt.
(S. 147)
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Der andre Theil
Von der genüssenden Liebe

1.
Wie groß die Krafft der Sympathie sey?

Seit dem des Schicksals starcke Macht
Uns mit einander hat verbunden,
So nehmen wir dabey in acht,
Daß wir stets gleichen Trieb empfunden.
Wir finden uns an einen Ort,
Wir sind einander treu geblieben,
Und glauben es gleich auf ein Wort,
Daß wir einander beyde lieben.
(S. 147)
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2.
Wodurch man die Liebe erkennen kan,
durch grosse Eifersucht, oder
grosses Vertrauen?

Wie? Sylvia, bist du denn allzeit zufrieden?
Und klagst du über mich gar nicht?
Gewißlich die Liebe wird schlecht unterschieden,
Wo man die Früchte sicher bricht.
Denn soll man sich hertzen, so muß es auch schmertzen;
Wer eyfrig liebt, dem wird es schwer.
Ach Sylvia liebet mich schwerlich von Hertzen,
Warum? sie trauet mir zu sehr.
(S. 148)
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3.
Wenn man in der That eifersichtig seyn,
und die Liebe aufgeben soll?

Man muß zwar nicht mißträuisch seyn,
Doch irrt man nicht, wo man zum Schein
Der Liebsten zu verstehen giebet,
Daß sie uns nicht alleine liebet,
Und wo sie sich entrüstet stellt,
Daß man ihr Thun verdächtig hält,
So geb ich kürtzlich diese Lehre;
Daß man sie weiter nicht verehre.
(S. 148)
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4.
Ob ein unglücklicher Mann seine Condition verbessere,
wenn er eyfersüchtig ist?

Nicht meine, Chloris, daß dein Mann
Uns in der Liebe stöhren kan.
Sein Eyfer ist nicht zu verdammen.
Denn er vermehrt der Liebe Frucht,
Und bringet durch die Eyfersucht
Uns beyderseits in volle Flammen.
(S. 148-149)
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5.
Ob man einen Verdacht des Unbestandes
von sich geben soll?

Du machst, daß du verdächtig bist,
Damit dich Damon nicht soll freventlich verlassen.
Ach brauche keine solche List,
Und liebe nur getreu, wo man dich nicht soll hassen.
Denn durch Verdacht und falschen Schein,
Erstickt die Liebe gleich in ihren zarten Blüthen;
Soll das Vergnügen völlig seyn,
So muß ein Hertze sich auch vor sich selber hüten.
(S. 149)
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6.
Welches die Ursache, daß man zu lieben
aufhört, und welches die Mittel seyn,
beständig zu lieben?

Wer allzeit ungestört und sonder Mühe liebet,
Bey dem erstirbet bald der Liebe beste Krafft;
Entfernnung, Eyfersucht und Sorgfalt aber schafft,
Daß man der Liebe nicht zu zeitlich Abschied giebet,
Und daß sie allgemach sich desto stärcker regt,
Je mehr Verhinderung wird in den Weg gelegt.
(S. 149)
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7.
Warum man die Liebste abandoniren soll?

Einfalt und Galanterie sind bey einem Frauenzimmer
Unerträglich und verhast; doch die Untreu ist weit schlimmer;
Untreu stört die zarten Sinne, und die Regul bleibet wahr:
Biß zur Untreu ein Liebhaber und ein Freund biß zum Altar.
(S. 149-150)
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8.
Was man thun soll, wenn man merckt,
daß die Gegen-Liebe abnimmt?

Du sprichst zwar, es vermindre sich
Der Chloris Liebe gegen dich.
Und bist ihr doch allzeit gewogen geblieben:
Allein ich stimme dir nicht bey
Denn das ist, deucht mich, einerley;
Nicht mehr so sehr lieben, und gar nicht mehr lieben.
(S. 150)
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9.
Ob man im Lieben gar nicht
durch die Finger sehen soll?

I.
Der ist nicht zu pardoniren,
Der der Liebsten nicht verzeyht,
Wenn sie auch Gewogenheit
Läst einmal für andern spühren,
Denn die so betroffen ist,
Liebt nach diesem sonder List.

II.
Aber wo sie stets von neuen
In dergleichen Irthum fällt,
Wo es leyder so bestellt,
Da ist schwerlich zu verzeyhen,
Und wer solche Zeichen hat,
Wird der Liebe zeitlich sat.
(S. 150)
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10.
Was die Ursachen seyn, daß man
aufhört zu lieben?

Man fühlet nicht immer die feurigen Triebe,
Das Hertze brennet nicht, wenn es raucht;
Durch Untreu reissen die Faden der Liebe,
Durch Fehler werden sie abgebraucht.
(S. 151)
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11.
Auf was Art ein Frauenzimmer ihren Liebhaber,
der sie noch liebet, loß werden kan?

I.
Wilst du, Phyllis, deine Gunst
Mit Menanders Willen trennen,
So wirst du es sonder Kunst
Leicht zu Wercke richten können,
Daß du keine Schmertzen hegst,
Und auch keine nicht erregst.

II.
Aber wenn aus Wanckelmuth
Phyllis andern sich ergiebet,
Und in fremden Armen ruht,
Da Menander sie noch liebet,
Ach da bringt es größre Pein,
Eh man kan entfesselt seyn.

III.
Darum nimm nun den Bescheid:
Stelle dich gleich einer Nonnen,
Die an stat der Eitelkeit,
Hat den Psalter lieb gewonnen,
Aber nimm dich wol in acht,
Und vermeide den Verdacht.
(S. 151-152)
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12.
Wie man es mit den Præsenten halten soll,
die man vormals gegeben, wenn man
die Liebe mit Verdruß aufhebt?

Wer sich Floren hat verpflichtet,
Und für jeden Liebes-Kuß
Ein galant Præsent entrichtet,
Endlich aber aus Verdruß
Seine Flammen läst verlodern,
Brauchet keines Unterrichts.
Denn er darff nichts wieder fodern,
Aber sie behält auch nichts.
(S. 152)
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13.
Wie man sich bey einem Frauenzimmer verhalten soll,
welche zuvor zwar überall beschriehen,
aber in der That unschuldig ist?

Ich frage nicht, ob Coridon,
Wenn Amaryllis andre liebet,
Derselben billig Abschied giebet;
Denn das versteht sich sonsten schon.
Doch wo es niemand mit ihr meint,
Und jederman sie durchgezogen,
Er aber weiß, daß es erlogen,
Dieweil sie frey von aussen scheint,
So will auch nur ein falscher Schein
Der wahren Liebe widerstreiten.
Das heist, wir müssen für den Leuten
Bißweilen etwas eckel seyn.
(S. 152)
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14.
Ob eine Dame ihre Liebes-Brieffe
wieder fordern soll, wenn man sie verlassen hat?

Chloris, wenn du von Philandern gäntzlich wilt geschieden seyn,
Nun so fordre deine Brieffe nur nicht wieder von ihm ein.
Denn du wirst am besten thun, wenn du keinen Sturm erregest,
Und an der Verschwiegenheit gantz und gar nicht Zweiffel trägest.
(S. 153)
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15.
Ob man mit raison einem Liebhaber,
dem man nichts in der Liebe versaget,
abschlagen kan, an ihn zu schreiben?

Die sich mit Leib und Blut verschreibet,
Und schreibet keine Brieffe nicht,
Die zeigt, daß Lieb und Zuversicht
Gar schlecht bey ihr verbunden bleibet,
Und daß sie wol den nechsten Morgen
Dich wiederum verlassen kan.
Triffst du dergleichen Mägdgen an,
So mache dir nur keine Sorgen.
Denn weil sie dich gedenckt zu äffen,
So komm ihr selbst an Falschheit für,
Und schaffe, daß man dich mit ihr
Einst kan auf frischer That betreffen.
(S. 153)
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16.
Was die Liebes-Billette vor Würckung haben?

Wilt du Florinden lieben,
So gieb es ihr geschrieben,
Und schreibe Tag und Nacht,
Was dich zum Sclaven macht.
Du sprichst wol mit dem Munde,
Ich lieb aus Hertzens Grunde;
Doch schaffe, daß dabey
Ein schrifftlich Zeugnis sey.
Wilt du Florinden lieben,
So gib es ihr geschrieben,
Und schreibe Tag und Nacht,
Was dich zum Sclaven macht.
(S. 153-154)
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17.
Ob man einem Frauenzimmer, die man lieb hat,
zumuthen soll, daß sie die Brieffe
soll wieder zurücke senden?

Fordre ja nicht Brieff und Lieder
Von der Solimenen wieder,
Wenn du ihr gewogen bist.
Denn man lässet warlich selten
Wahre Lieb und Neigung gelten,
Wo kein recht Vertrauen ist.
(S. 154)
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18.
Wie es ein Liebhaber mit den Brieffen halten soll,
die er von seiner Maitresse bekömmt?

Ihr die ihr eure Phyllis liebt,
Und zwar von gantzen Hertzen,
Müst, was sie euch geschrieben giebt,
Nicht liederlich verschertzen.
Doch nehmt euch auch dabey in acht,
Daß Phyllis ja nicht gläube,
Daß sie nur wegen Furcht und Macht,
Euch treu verbunden bleibe;
Und wenn ihr reisefertig seyd,
Müst ihr vor allen Dingen,
(Und wär es gleich auf kurtze Zeit)
Die Brieffe wieder bringen.
(S. 154-155)
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19.
Ob ein Frauenzimmer ihres Confidenten
Brieffe aufheben oder verbrennen soll?

Lisette, wenn du den Melander
Zu deinen Sclaven hast gemacht,
So nimm (liebt anders ihr einander)
Die Liebes-Brieffe wol in acht:
Wie könt ich dessen Zeilen hassen,
Dem sich mein Hertze hat vertraut?
Wüst ich sie nirgends sonst zu lassen,
So neht ich mir sie in die Haut.
(S. 155)
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20.
Ob es wahr sey, wie etliche sagen, daß die Liebe
aufhöre, ohne daß man wüste warum?

Wofern dein Liebster dir den Handel abgeschrieben:
Er wüste nicht warum, doch könt er dich nicht lieben,
Und blieb er vor sich selbst indessen dir getreu;
So glaube sicherlich, es ist Betrügerey.
Indem er dich nunmehr wil freventlich quittiren,
So trauet er sich nicht mit Ehren anzuführen.
Was  ihn bewogen hat; es kömmt nicht ohngefehr:
Sein Wechseln rühret nur von seinen Willen her.
Wie keine Liebe nicht wird innerlich erreget,
Wofern nicht etwas hat den Grund darzu geleget,
Das jeder bey sich selbst genau erkennen kan,
So giebet man sie auch nie sondern Ursach an.
(S. 155-156)
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21.
Ob ein Liebhaber, wenn er grosse Ursache
zu klagen hat, sich gegen seine Liebste im Zorn
heraus lassen darff?

Will Phyllis sich vergehen,
Und stellet sie sich trotzig an,
So gib ihr dein Ressentiment
Mit Nachdruck zu verstehen.
Hast du mich recht vernommen?
Nur stelle dich nicht toll und voll.
Die Regul ist vor keinen Knoll;
Ich rathe Honnest-hommen.
(S. 156)
_____


22.
Wie man sich aufführen soll gegen eine Person,
die man liebet, wenn man ihr Anlaß
zum Zorne gegeben?

Du must die Clælia bestillen,
Wofern du ihren Zorn erregt.
Nur schicke dich nach ihren Willen,
So wird der Streit bald beygelegt.
Verliebte sind wie Patienten,
Sie müssen stets gehetschelt seyn.
Da braucht es tausend Complimenten,
Sonst gehen Lieb und Hoffnung ein.
Caressen, Küsse, Schmeicheleyen,
Und was denselben ähnlich ist,
Die machen, daß man wie von neuen
Ein festes Liebes-Bündnüß schliest.
(S. 156-157)
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23.
Wie ein geliebter Liebhaber sich verhalten muß,
um seiner Nebenbuhler loß zu werden

Wofern du, Thyrsis, iederzeit
Wilt Hahn im Korbe bleiben,
Und also nach Gelegenheit
Die lange Zeit vertreiben,
So sprich: mein Engel, wo du nicht
Kanst den Melander hassen,
Ich schwöre dir bey meiner Pflicht,
So werd ich dich verlassen.
Laß aber, Thyrsis, auch dabey
Viel tausend Thränen fliessen,
Und laß Climenen ohne Scheu
Der Küsse Krafft geniessen;
Was gilts, sie stellet dich zur Ruh
Und liebet dich Zeit Lebens.
Doch hat sie keine Lust darzu,
So sorgest du vergebens.
(S. 157)
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24.
Warum sich Liebende immer beklagen?

Lesbia, ich soll dir sagen,
Wie es kömmt, daß wir stets klagen,
Also gieb mir nun Gehör:
Einer hat stets Schuld von beyden,
Denn indem wir beyde leiden,
Leidet immer einer mehr.
(S. 157)
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25.
Warum man einander mehr liebt,
wenn man wieder ausgesöhnet ist?

Die Venus hat uns so gewehnet,
Wir lieben, was uns weh gethan,
Und wenn man sich hat ausgesöhnet,
So glimmt die Gluth von neuen an.
Da wird nur Freud und Lust empfunden,
Man schertzt, man jauchtzet in der That,
Weil man was Liebes wieder funden,
Das man zuvor verlohren hat.
(S. 158)
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26.
Wie es bey den Gezäncken
der Liebenden zugehe?

Du sprichst, du bist hoch affrontiret,
Und foderst Satisfaction,
Doch wer was besser raisoniret,
Der bittet vielmehr um Pardon;
Dem Sieger, welcher triumphiret,
Gehöret auch die Ranzion.
(S. 158)
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27.
Ob man deßwegen gezwungen ist,
wenn man sich ordermäßig hält im Lieben?

Wenn Sylvia ein Rendez-vous bestellt,
Und auch Parole hält,
So thut sie es sich selber zum Vergnügen,
Und nicht aus Furcht zu lügen.
Denn durch solch ordermäßig seyn
Geht nie die Freyheit ein.
(S. 158)
_____


28.
Woraus eine Dame erkennen kan,
ob ihr Liebster ihr allezeit getreu sey?

Denckst du, daß Coridon nach dem gemeinen Brauche
Dir nicht mehr Farbe hält, so geb ich dir den Rath;
Wofern er jederzeit viel Ehre für dich hat,
So glaube, seine Glut sey frey von Dampff und Rauche.
(S. 159)
_____


29.
Woher man erkennen kan,
daß man geliebt wird?

Wenn man bey langen Aussenbleiben
Nicht die Gelegenheit verliert,
Mit vielen Thränen zu beschreiben,
Was man für heisse Wüntsche führt,
Kömmt man mit Freuden drauf entgegen,
Mit Freuden, die von Hertzen gehn,
So kan man sonder überlegen
Die Treue leicht daraus verstehn.
(S. 159)
_____


30.
Was man vor einen Beweiß hat,
daß ein geliebter Liebender liebe?

Wer allzeit gegen der Florinden,
Bey der sich gleiche Flammen finden,
Von seinem heissen Feuer spricht,
Gewis derselbe heuchelt nicht.
(S. 159)
_____


31.
Welcher dem andern die grösten Liebes-Zeichen giebt,
der Liebhaber oder die geliebte Dame?

Wenn wir der süssen Liebe pflegen,
Und in vergnügten Banden ruhn,
So thun die Damen unsertwegen
Stets mehr als wir vor ihnen thun;
Denn ach was hat man wol, das man erwiedern kan,
Kömmt nur ein zart Billet von ihren Händen an.
(S. 159-160)
_____


32.
Ob es unter Liebenden genug ist,
daß man einander die Vergnügung giebt,
die man versprochen hat?

Wer nicht mehr thut,
Als was man fodert,
Hegt eine Gluth,
Die kaum noch lodert.
Doch durch Begier
Kömmt einer stets dem andern für.

Ja der erhält,
Bey Lieb und Kriege
Zwar wol das Feld,
Doch wenig Siege,
Wer nur die Pflicht,
Und sonst nichts rühmliches verricht.
(S. 160)
_____


33.
Ob die Abwesenheit die Liebe
tödtet oder erwecket?

Man fragte nechst in Compagnie:
Schickt sich Entfernung auch zur Liebe?
Der eine sprach: sie hemmt die Triebe,
Der andre: sie vermehret sie.
Ich nehme hier das Mittel raus;
Sie ist, wie Wind bey denen Flammen,
Die grossen treibet sie zusammen,
Die kleinen aber löscht sie aus.
(S. 160)
_____


34.
Was die Abwesenheit bey der Liebe thut?

Wer Chloren sich auf kurtze Zeit entschläget,
Dem wird der Liebe Lohn nicht schwer;
Das Hertz wird zwar wol nicht mehr erreget,
Die Sinnen aber desto mehr.
(S. 161)
_____


35.
Wie Abwesende thun müssen,
wenn sich Mißverstand unter ihnen erreget?

Wenn euch ein hartes Schicksal trennet,
Und bald Verdacht und Eyfer brennet,
So last euch angelegen seyn,
Euch zeitlich wieder zu befreyn.
Doch könt ihr euch nicht alles schreiben,
So laßt das Schreiben lieber bleiben,
Damit ihr nicht zu wenig sagt,
Und euch nur desto mehr zerschlagt.
(S. 161)
_____


36.
Ob die Liebenden ihrem Schmertzen freyen Lauf
lassen sollen, wenn sie Abschied nehmen,
oder ob sie einander gar nicht adjeu sagen sollen,
des Schmertzens überhoben zu seyn?

Die Liebe muß ihr Recht behalten,
Das siehet man an Jung und Alten,
Wofern es an ein Scheiden geht,
Da zeigen sich die heissen Zähren,
Da wissen sie kaum zu erklären,
Was innerlich für Noth entsteht.
Verbirgt man erst sein heimlich Leiden,
Und lachet mitten in dem Scheiden,
So reitzt man nur der Liebe Macht.
Da wird durch tausendfaches Sehnen,
Und durch viel überhäuffte Thränen
Das falsche Lachen eingebracht.
(S. 161-162)
_____


37.
Ob das Manns-Volck nicht so wol,
als das Frauenzimmer verbunden sey,
Leid und Hertze einer Person allein zu vertrauen?

Du bildest dir, mein guter Strephon, ein,
Ob dürfftest du allein treubrüchig seyn,
Doch must du nicht von deiner Frau bekennen,
Sie sey auch ein zerbrechlich Ding zu nennen?
(S. 162)
_____


38.
Ob es an einem Frauenzimmer liegt,
daß ein Mann darauf bestehet, sie zu lieben,
oder ob es bey ihr steht, sich seiner zu entschlagen?

Ein Frauenzimmer kan sich schwerlich also zwingen,
(Und stellte sie sich gleich noch so indifferent,)
Daß ihre Worte nicht charmant und lieblich klingen,
Und jeder Blick von ihr ein lüstern Hertze brennt.
Doch fährt man weiter fort sein Wüntschen zu erfüllen,
Ach so geschieht es wol nicht wider ihren Willen.
(S. 162)
_____


39.
Ob man sich in der Liebe Lectiones geben kan?

Ob man die Liebe gleich für einen Meister schätzt,
Der uns schon für sich selbst genug kan unterrichten,
So fordern doch dabey der Liebe schwere Pflichten,
Daß man dem andern sagt, was ihn in Flammen setzt.
(S. 162)
_____


40.
Ob die Aufrichtigkeit im Lieben erfordert werde?

Ein ungeheuchelt Lieben
Hegt keinen falschen Schein,
Und was man hat getrieben,
Darf nicht verschwiegen seyn,
Viel besser grosse Sünden
Ohn allen Zwang entdeckt,
Als wo sich kleine finden,
Die man zu sehr versteckt.
(S. 163)
_____


41.
Ob ein Frauenzimmer aus irgend einer Raison
ihren Liebsten verhalten kan, wenn ihr iemand eine
Liebes-Declaration mündlich oder schrifftlich gethan?

Wofern dich ausser mir, mein Engel, einer liebt,
Und mir dein Mund davon nicht zeitlich Nachricht giebt,
So wirst du Groll und Haß in meiner Brust erregen;
Getreue Lieb entdeckt euch iede Kleinigkeit,
Drum brauche nicht hierinn zu viel Verschwiegenheit,
Indem mir, wie du weist, zu viel daran gelegen.
(S. 163)
_____


42.
Ob man eher lieben kan, wenn man zuvor
indifferent gewesen, oder wenn man
gar mit einander zerfallen?

Wer es so getrieben
Daß man nach dem Lieben
Fängt zu hassen an,
Kan die Hoffnung fassen,
Daß er nach dem Hassen
Wieder lieben kan.
Doch von freyen Stücken
Will es sich nicht schicken
Voller Glut zu seyn,
Und ein kaltes Hertze
Läst der Liebe Kertze
Nicht so leichtlich ein.
(S. 163-164)
_____


43.
Ob es im Lieben Fauten giebt,
die man vor Bagatelle halten kan?

Alles, was die Treue stürtzet,
Alles, was die Liebe stöhrt,
Alles, was den Argwohn mehret,
Gar von grosser Wichtigkeit.
(S. 164)
_____


44.
Ob sich Liebende dutzen sollen oder nicht?

Eh man einander noch recht kennt,
Pflegt man sich Er und Sie zu nennen,
Allein wenn wir uns besser kennen,
So ist uns schon weit mehr vergönnt.
Denn Er und Sie klingt zwar galant,
Doch Du und Du ist mehr touchant.
(S. 164)
_____


45.
Ob einer wol im Ernste seiner Liebsten
zu Gefallen das Leben aufopffern möchte?

Wofern du, Chloris, selbst nicht liebst,
Und wenig süsse Hoffnung giebst,
So traue nicht,
Wenn dein Menander spricht:
Er wolte für dich sterben.
Doch wo dein Hertze sich um gleiche Gunst bewirbt,
So glaube, daß er wol dir zu Gefallen stirbt.
(S. 164-165)
_____


46.
Ob man wol lieber die Liebste todt
oder untreu sehen möchte?

Du fragest ingeheim, geliebteste Lisette,
Ob ich dich lieber todt, als falsch und untreu hätte;
So nimm die Antwort ein:
Ich wolte wol mit Lust mein Leben für dich geben,
Hingegen wirst du mir viel lieber ohne Leben,
Als ohne Liebe seyn.
(S. 165)
_____


47.
Ob ein Unglück oder ein Abgang der Schönheit
die Geliebten zur Unbeständigkeit veranlassen kan?

Es kan kein Ungelück, und wär es noch so groß,
Der Liebe reine Gluth aus unsrer Brust entführen:
Verdruß und Ungemach und jeder harter Stoß
Kan unsre Farbe wol, doch nicht das Hertz changiren.
(S. 165)
_____


48.
Ob man allzeit Liebe vor eine Dame haben kan,
ohne der Liebe Früchte zu brechen?

Wenn ich der Liebe Frucht bey dir geniessen will,
So sprichst du: hoffe nur, es lieben ihrer viel,
Die dem Verlangen selbst gemeßne Gräntzen setzen.
Nun liebet jeder zwar so wie er es versteht,
Ich aber glaube dies, wer niemahls weiter geht,
Den muß die Liebe selbst für einen Stimpler schätzen.
(S. 165)
_____


49.
Ob die Liebe aufhört, wenn man ihre
Früchte genossen?

Wenn Schönheit, Freundlichkeit und Glut beysammen seyn,
So nimmt Erkenntlichkeit mir Hertz und Sinnen ein:
Je länger Phyllis mich durch Gegengunst erfreut,
Je stärcker wächst bey mir auch die Beständigkeit.
(S. 166)
_____


50.
Welches das honneteste an einer Dame sey,
zurück zu halten, oder ihrer Liebe
freyen Lauf zu lassen?

Mein Engel, wilst du sicherlich,
Daß man dich soll verehren,
So muß auch deine Liebe sich
Von Tag zu Tage mehren;
Denn was schon anderweit zu viel,
Ist hier kaum gnug zu schätzen,
Da wir der Liebe Maaß und Ziel
Bloß im Excesse setzen.
(S. 166)
_____


51.
Uber eben diese Frage

Du legst dem heissen Triebe
Ein gutes Zeugniß bey,
Und sprichst, daß deine Liebe
Genug gestiegen sey;
So lässest du uns mercken,
Daß du noch niedrig bist,
Weil in den Liebes-Wercken
Genug zu wenig ist,
Und wer die Kunst zu lieben,
Die uns vergnügen kan,
Nicht hat zu viel getrieben,
Zu wenig hat gethan.
(S. 166-167)
_____


52.
Wenn ein Frauenzimmer sitsam und eingezogen,
und wenn sie frey und ausgelassen seyn soll?

Mein Kind, du must bey Sylvio
Viel Regung lassen spühren;
Inzwischen weist du anderswo
Dich sitsam aufzuführen:
Verhüte nur den falschen Schein,
Denn darnach richtet man allein.
(S. 167)
_____


53.
Wie Liebende mit einander reden sollen?

Wofern du wilt mit der Geliebten reden,
So darffst du dich zu poltern nicht entblöden,
Sprich nicht ein Wort, das sie nicht gerne hört,
Und nicht von Huld und Lieblichkeit erlesen.
Der Liebe Frucht entspringt durch holdes Wesen,
Und wird allein durch Freundligkeit ernehrt.
(S. 167)
_____


54.
Wie man verhindern kan,
daß die Liebe nicht aufhört?

Wo du wilt, daß deine Liebe gegen Chloris dauren soll,
So erneure stets dein Sorgen, geht es dir auch noch so wol,
Und damit dein eckles Hertze sich aufs neue freuen kan,
Ey so fange dein Vergnügen immer wie von vornen an;
Denn die Liebe wird durch Wechseln öffters dergestalt versüßt,
Daß ein wiederholter Anfang so wie etwas neues ist.
(S. 167)
_____


55.
Woher es kömmt,
daß die Liebe bißweilen nachläßt?

Daß Liebende gleichwol nicht allezeit lieben,
Das macht, weil sie vielleicht zuvor,
Da noch die Lieb im ersten Flor,
Die Wercke der Liebe zu eifrig getrieben.
Drum wird man der Caressen sat,
Da man sie meist vonnöthen hat.
(S. 168)
_____


56.
Wie sich eine Dame, die ihren Liebsten hat,
gegen diejenigen bezeugen soll,
die sich um ihre Liebe bemühen?

Die einen nur allein zu lieben ist bedacht,
Gebrauchet viel mehr Ernst bey liebenden Personen,
Als wo nur Frost und Eiß in Brust und Adern wohnen,
Und man nicht ieden Blick zu einer Reitzung macht.
Denn Freundligkeit für die, so sonder Liebe schertzen,
Ist Liebes-Zeichen gleich bey Lieb-ergebnen Hertzen.
(S. 168)
_____


57.
Ob man bey hefftiger Liebe etwas findet,
so schöner ist, als das geliebte?
Rondeau

Ja, ja, es ist wol wahr, galante Solimene,
Du übergehest weit mein Leben, die Philene,
Wer preiset nicht an dir die Augen, Wang und Kinn?
Dein Purpur-rother Mund sticht ihre Blässe hin,
Dein süsser Thon beschämt die artigste Sirene.
Erweg ich überdies auch deinen klugen Sinn,
So scheinest du mir noch weit schöner als vorhin,
So daß ich selbst dein Haupt mit frischem Lorber kröne.
Ja, ja es ist wol wahr.
Alleine wärest du auch noch einmal so schöne,
So glaube, daß ich doch nur deiner Schönheit höhne,
Weil ich Philenen mehr als dir gewogen bin:
Philene hat allein mein Hertze zum Gewinn,
Philene fesselt mich, und nicht die Solimene.
Ja, ja es ist wol wahr.
(S. 168-169)
_____


58.
Ob man in der Liebe einen
Confidenten annehmen soll?

Heimlichkeiten zu erklären,
Ist gewis kein kluger Rath,
Und wer in den Lieb-Affairen
Keinen Confidenten hat,
Findet bey dem stillen Triebe,
Nicht viel Kummer und Verdruß.
Welcher aber in der Liebe
Gleichwol einen haben muß,
Wehle doch nur seines gleichen
Nicht zum Confidenten aus;
Denn eh Tag und Nacht verstreichen,
Wird ein Neben-Buhler draus.
(S. 169)
_____


59.
Ob man sich an dem Mitbuhler,
oder an die Maitresse wegen ihrer Untreue
revengiren soll?

Hat Phyllis ihrer Pflicht vergessen,
Läst sie den Thyrsis bey ihr ein,
So must du gegen der Maitressen,
Nicht gegen Thyrsen grausam seyn.
(S. 169)
_____


60.
Ob die Liebste, wenn man einander liebt,
prætendiren kan, daß ihr Liebster etwas ihrentwegen
ausstehen soll, das sie doch seinetwegen
nicht thun würde?

So lange Chloris sich nicht giebt,
Fühlst du allein den Schmertz im Hertzen,
Allein wenn sie dich wieder liebt,
So theilt ihr beyde Freud und Schmertzen.
(S. 170)
_____


61.
Ob es denn wahr sey, daß die Liebe auf die
Hertzen wie ein Donnerkeil schiesse,
den man nicht vermeiden könne?

Du meinest, daß der Liebe Pfeil
Dich gleichsam wie ein Donnerkeil
Hat unvermerckt getroffen;
Allein, mein Freund, du irrest weit,
Und darffst für deine Zärtlichkeit
Nicht Schutz und Ausflucht hoffen.
Denn daß ein angenehmes Kind
Geschwind bey andern Liebe find,
Das muß ich zwar bekennen;
Doch halt ich auch für ausgemacht,
Daß keiner wird in Glut gebracht,
Der nicht verlangt zu brennen.
(S. 170)
_____


62.
Ob man jemand lieben kan,
ohne denselben zu æstimiren?

Wer Solimenen liebt, und doch nicht æstimiret,
Bey der nimmt Lieb und Glut allein die Sinnen ein,
Und wird das Hertze gleich zum äussersten gerühret,
So kan die Regung doch ohnmöglich standhafft seyn.
(S. 170)
_____


63.
Ob auch Liebende sollen interessiret seyn?

Die sich will hoch verkauffen lassen,
Erhält mein eckles Hertze nicht:
Die aber kan ich nicht wol hassen,
Die mir nur um mich selbst verpflicht.
Die Liebe muß ein Orden seyn,
Wo Geld und Güter allgemein.
(S. 171)
_____


64.
Ob ein paar Verliebte gleiche Behutsamkeit
in der Treue brauchen müssen?

Ich will dir, Sylvia, den Unterscheid der Pflichten,
Den unsre Liebe macht, mit wenigen berichten:
Die Untreu in der That erreget deine Pein,
Mich aber schmertzet schon der Untreu blosser Schein.
(S. 171)
_____


65.
Ob es wahr sey, daß die Liebe
alles gleich macht?

Liebe wehlet keine Schätze,
Sie verknüpffet arm und reich,
Und macht durch ihr streng Gesetze
Fürst und Schäferinnen gleich.
Diese muß zur Fürstin werden,
Oder er zum Schäfer-Knecht.
Schönheit, Tugend und Geberden
Haben dieses hohe Recht.
(S. 171)
_____


66.
Ob das Frauenzimmer zu entschuldigen ist,
welches dem Liebhaber in der Liebe zuvor kömmt?

Ich muß den frechen Mund verlachen,
Der erst zu mir, ich liebe, spricht.
Denn ungeliebt Amour zu machen,
Gehört vor Frauenzimmer nicht,
Es sey denn, daß es in der That
Noch nichts zuvor geliebet hat.
(S. 172)
_____


67.
Welcher von beyden am meisten Vergnügen hat,
der nur oben hin, oder recht eifrig liebet?

Viel meinen, wenn sie oben hin
Und sonder Eyfer lieben,
So würde der vergnügte Sinn
Durch lauter Lust getrieben;
Doch weit gefehlt; wo Hertz und Hertz
In heissen Flammen liegen,
Da find sich manchmal Noth und Schmertz,
Doch öffters mehr Vergnügen.
(S. 172)
_____


68.
Ob man seiner Liebste Schrancken setzen soll,
wenn sie sich selber nicht menagiren will?

Es kömmt mir thöricht für, wo man der Liebste will
Die freye Compagnie mit andern Leuten rauben,
Ich fordre meines Ort von Chloren nicht so viel,
Und wär ich so verkehrt, so würd ich allzeit glauben,
Sie liebe mich aus Noth und nicht aus Appetit,
Dieweil sie ausser mich sonst keinen Menschen sieht.
(S. 172-173)
_____


69.
Ob eine Dame, die selbst viel Wercks
von ihrer Zuneigung gegen ihren Liebsten macht,
ihn dadurch berede, daß sie ihn recht hertzlich liebe?

Nicht meine, daß dich Damon glücklich preißt,
Wenn du dich viel mit deiner Liebe weist;
Denn da du ihm dein Hertz gezwungen giebst,
Erweisest du, daß du noch wenig liebst.
(S. 173)
_____


70.
Welches das sicherste Mittel sey,
am längsten und vergnügtesten zu lieben?

Wofern die Liebe dauren soll,
So muß sich Phyllis Freuden-voll
Mit dir gemeine machen;
So wie das freche Weibs-Volck thut;
Das pfleget bey der geilen Gluth
Zu schertzen und zu lachen.
Hingegen Thyrsis muß allein
Bescheidnen Damen ähnlich seyn,
Und höflich sich erzeigen.
So kan die treue Liebes-Pflicht
Sich auch in langen Jahren nicht
Zum Untergange neigen.
(S. 173)
_____


71.
Ob eine Person ihr Leb-Tage mehr
als einmal hefftig lieben könne?

Das glaub ich, daß man wenig findet,
Die Liebe zweymal recht entzündet,
Dieweil es schwer hergeht,
Eh die verliebte Brust in voller Flamme steht.
Doch da ein zartes Hertz hingegen
Stets etwas muß von Liebe hegen,
So geht es leichtlich an,
Daß man zum andern mal auch hefftig lieben kan.
(S. 173-174)
_____


72.
Wie ein Mann bey seiner Frauen
Gegenliebe erwecken kan?

Du klagest, daß dein Weib dir wenig mehr gewogen,
Das macht, dieweil du nun allmählig Herre heist.
Denn durch die Herrschafft wird der Liebe Krafft entzogen.
Hingegen wo du dich als einen Freund erweist,
Der nur auf Liebe sieht, und Liebe lässet spühren,
So wird der freye Sinn dir mehr gewogen seyn.
Kan ein Tyranne schon am Leibe triumphiren,
So nimmt er doch das Hertz mit keinen Stürmen ein.
(S. 174)
_____


73.
Ob es genug ist, daß man schon zuvor
öffters die Zeichen seiner Liebe hat blicken lassen,
oder ob man stets neue Liebes-Erklärungen machen soll?

Ich hatte dir nechst fürgetragen,
Du soltest stets aufs neue sagen,
Daß, Chloris, sonder Heucheley
Dein Hertze mir gewogen sey;
Da sprachst du: hab ichs nicht geschrieben?
Und red ich nicht von meinem Lieben
Fast jeden Augenblick mit dir?
Verlangest du noch mehr von mir?
Ja, Chloris, ja; man lässet selten
Im Lieben das vergangne gelten,
Und der liebt nicht mit rechtem Fleiß,
Wer nicht stets hört, was er schon weiß.
(S. 174)
_____


74.
Ob es zuträglich sey vor ein Frauenzimmer,
wenn ihr Liebster sie allzu sehr liebet?

Ich wünsche, Clælia, dir einen solchen Mann,
Der dir nicht allzusehr mit Liebe zugethan:
Es wäre schlimm vor dich, wenn er dir untreu würde;
Allein ich halt es noch für eine größre Bürde,
Wo sich die Eyfersucht mit einzumengen sucht.
Denn große Liebe bleibe nie sonder Eyfersucht.
(S. 175)
_____


75.
Welches an einer artigen Dame fürzuziehen,
der Leib oder das Hertze?

Wer fleischlich ist, hat seinen Zeitvertreib
An der Person, die er alleine liebet;
Was mich belangt, so lieb ich nur den Leib,
So ferne mir das Hertz ihn übergiebet.
(S. 175)
_____


76.
Ob eine Dame ihren Liebsten lieben kan,
wenn sie einen andern liebt?

Es fragte Phyllis nechst Climenen gantz verpflicht:
Climene, liebest du denn deinen Liebsten nicht?
Nein, sprach sie. Und woher, brach Phyllis wieder ein,
Mag doch dergleichen Haß bey dir entstanden seyn?
Dein Liebster ist geschickt, manierlich und beliebt:
Du hast ein zartes Hertz, das sich gar leicht ergiebt.
Du liebst Gerechtigkeit, du bist von stiller Art,
Und Zucht und Danckbarkeit hat sich mit dir gepaart.
Climene sagte:  ja, er hat mir Huld erzeigt,
Und wär er nicht mein Mann, so wär ich ihm geneigt,
So aber hab ich nichts vor ihn als Höfligkeit;
Ich lebe zwar mit ihm, und weiß von keinem Streit,
Jedennoch bin ich ihm von gantzem Hertzen feind
Als einem Eyferer von meinen besten Freund.*
(S.175)

* Comme un rival de mon amant

_____


77.
Was die Gegenwart und Abwesenheit
des Geliebten würcket?

Hab ich Chloren in der Nähe,
So versichert euch, ich sehe
Sie mit tausend Freuden an;
Aber will sie von mir scheiden,
Ach so ists das gröste Leiden,
Das mir wiederfahren kan.
Denn sind unsre heisse Flammen
Sonder Hinderung beysammen,
So verschwindet alle Pein:
Nichts ist so vergnügt zu schätzen,
Nichts kan uns so sehr ergötzen,
Als wenn wir beysammen seyn.
(S. 176)
_____

übersetzt von Johann Burkhard Mencke
(Ps. Philander von der Linde)
(1674-1732)

Aus: Philanders von der Linde
Galante Gedichte
Darinnen
So wol eigene verliebte Erfindungen,
als allerhand auswärtiger Poeten übersetzte
Liebes-Gedichte, wie auch insonderheit
des berühmten
Grafen von BUSSY-RABUTIN
Liebes-Maximen
enthalten
Die andere Auflage so mit Fleiß corrigiret
Verlegt in Leipzig
Johann Friedrich Gleditsch und Sohn
Im Jahre Christi 1710

[Französisches Vorlage:
Les Memoires de Messire
Roger de Rabutin Comte de Bussy
Lieutenant General des Arme'es du Roi
et Mestre de Camp General de la Cavalerie Legere
Nouvelle Edition Tome Second
Amsterdam Chez Zacharie Chatelain M DCC. XXXI]





 

 


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