Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Francisco de Rioja (1583-1659)
spanischer Dichter



Die Nelke

O Nelk', in Gluten brennend!
An dir, der Flamme Neid, dem Neid Aurora's,
Hing freundlicher das Mutterauge Flora's,
Die, Farbenpracht dir gönnend,
Dir auch geschenkt des Jahres schönste Stunden.
Erst wenn hoch auf Moncayo's Felsenzinnen
Den grauen Schnee, da heissern Strahl sie sendet,
Die Sonne macht zerrinnen,
Sehn wir der Blätter Purpur dich entfalten.
Doch hat die Farb' auch Flora dir gespendet,
Wie du der Blüthe Zeit von ihr erhalten?
Nein, Amor, war's, der leise tauchte
In seiner Flamme Gluten dich, und hauchte
Den Götterduft dir ein, den würzig reinen.
Darum bist du - gegeben
Hat Schönheit dir den Preis - o Feuerblume!
Des zarten Händchens Schmuck und Glanz, des kleinen,
Bist Schmuck und Glanz und Leben
Des schönsten Lockenhaares,
Das um die reine, weisse Stirn sich ringelt.

Nicht andern hohen Göttern, nur der Liebe
Geweiht zum Eigenthume
Bist du, beglückte Blume!
So oft ich dich betrachte
In dieser schönen Locken gold'nem Scheine,
Um die ich wein' und schmachte,
Um die ich schmacht' und weine,
Fühl' ich im Herzen Neid zugleich und Liebe.
Wenn mit dem zarten Schnee und mit der Rose,
Nein, mit dem Himmel, dem so freundlich milden,
Ein Liebesnetz die seidnen Locken bilden:
Dann bist du, o Nelke, Heil dem sel'gen Loose!
In einem Liebeskerker du gefangen.
Wenn du der süssen Lippe nahest, welche
Zu küssen selbst des Kältesten Verlangen:
Sobald berührt du mit dem rothen Kelche
Sie, die von Purpur glühen.
Seh' ich ach! dich in höhern Gluten prangen.
Hat die Natur denn dir Gefühl verliehen?

O wohl mir, dass ich keins von ihr empfangen!
Dein Feuer, deinen Würzhauch möge preisen
Ein Andrer, dessen Ruhe nimmer störet
Der Neid ob Gunstbeweisen.

Übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)

Aus: Blüthen spanischer Poesie
Metrisch übertragen von Friedrich Wilhelm Hoffmann
Dritte, stark vermehrte Auflage
Magdeburg und Leipzig
Verlag der Gebrüder Baensch 1857 (S. 389-391)
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Die Rose

Du zarte Purpurrose!
Mitbuhlerin der Flamme,
Die mit dem Tag erglühet,
Wie bist du so voll heit'rer Lust erblühet,
Da doch, du weisst, der Himmel dir vergönnte
Zwei kurze nur, zwei flüchtige Momente?
Und nicht der scharfgespitzte Dorn am Stamme,
Noch deine Pracht, o Rose!
Gebieten um Secunden
Verzögrung können deinem finstern Loose?
Dein Kelch, des Auges Wonne,
Wo Blatt an Blatt sich dränget,
Vom Glutenstrahl der Sonne
Seh' ich im Geist ihn welk schon und versenget.
Gebildet hat des krausen Kelches Blätter
Dir Amor aus der eignen Schwingen Flaume;
Gold schenkt er deiner Stirn von seinen Locken.
O du sein Bild, so treu, so schön vollendet!
Dir hat als Farb' ihr heil'ges Blut gespendet
Die Göttinn, die entstieg der Wellen Schaume.
Und dies nicht konnte, Purpurblume! zähmen
Den heissen Strahl, und seine Wuth ihm lähmen?
Dir raubt, dir raubet seine
So wilde Glut in einer Stunde Leben
Und Farbenglanz: denn eben
Noch prangtest du so schön, so dicht beblättert,
Und schon am Boden liegt dein Schmuck verwettert.
So nah einander gränzen,
Dein Tod, dein frohes Glänzen,
Dass zweifelhaft, ob deinen Tod, ob deine
Geburt Aurora's Thräne sanft beweine.

Übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)

Aus: Blüthen spanischer Poesie
Metrisch übertragen von Friedrich Wilhelm Hoffmann
Dritte, stark vermehrte Auflage
Magdeburg und Leipzig
Verlag der Gebrüder Baensch 1857 (S. 392-393)
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Der Jasmin

In Schnee gebadet, in des Purpurs Welle,
Jasmin, o Preis und Ruhm des schwülen Sommers!
Wo ist, du schöne Blum'! in Flora's Reiche
Die herrlich blühende, so dir an Prangen,
An würzig süssem Balsamdufte gleiche?
Dein ist die erste Stelle
In jener reichen Schaar, die bunt bemalet,
Mit seines Pinsels Zauberglanz bestrahlet
Der Blüthenlenz, der laue.
Hervor bist du gegangen
Aus jener Fluthen Schaume,
Die Chios Eiland sanften Schlag's umtönen;
Und dich auch formte wohl aus ihrem Thaue
Die höchste Hand, gleich Anadyomenen.
Ja, wenn der Sag' ich traue,
Liess selbst die weisse Göttinn von Cythere,
Als sie zuerst emporstieg aus dem Meere,
Im Schaum, den sie betrat mit zarten Füssen
An jenes Ufers Schwellen
Weisse Jasminen spriessen;
Und jene Füsschen nun von ihrem hellen
Schnee, ihren Rosen liessen
Ein treues Ebenbild in diesen Blättchen.
Des eignen Götterhauches süsse Düfte
Hat ihre Huld in deinen Kelch verschlossen,
Unsterblich Grün verlieh sie deiner Pflanze.
Verschont wird sie vom strengsten Hauch der Lüfte.
Streut kalter Nord hernieder weisse Flocken,
Und von der Gluten Brande,
Die Phöbus hohe Kraft giesst auf die Lande,
Mag wild der weissen Götterblum' entziehen
Den Würzduft er, den hohen,
Mag er mit schnellem, sicherem Verblühen
Dem Hals, der Stirne drohen:
So grausam waltet die Zerstörung nimmer,
Dass sie der weissen Blüthen ew'ger Folge
Sich feindlich widersetzet,
Die in der stärksten Sonne sich erschliessen,
So wie beim strengsten Froste sie noch spriessen.
Jasmin, o hehrer, schöner!
Du bist allein der süsse Liebling jener
So unvergleichlich schönen Aphrodite,
So wie das treue Ebenbild der Hohen.
Doch mehr halt' ich in Ehren
Dich, den so blendend reinen,
Als neues Abbild von dem Reiz des hehren
Gestirns, das ich erkoren,
Denn als Geschöpf des kleinen
Und rosenfarbnen Füsschens der Dione.
Dem Weiss vom reinsten Glanze
Zoll' ich Bewund'rung immer,
Weil nach es ahmet meiner Herrinn Schimmer;
Und deinen Purpurseiten,
Weil sie mit ihres Auges Ringen streiten.
Bricht aus des Ostens Thoren
Des Tages Lichtgefunkel,
Wenn sich das grause Dunkel
Der Schauernacht im Occident verloren,
Und Duft du streuest nieder,
Den Kälte bindet, Wärme löset wieder:
Dir nach an Wohlgeruche
Dann alle Blumen stehen,
Weil du dann athmest reine
Gedüfte, wie aus ihrem Mund sie gehen.

O meine Schläfe kröne,
Du Blume, mahnend mich an meine Schöne!

Übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)

Aus: Blüthen spanischer Poesie
Metrisch übertragen von Friedrich Wilhelm Hoffmann
Dritte, stark vermehrte Auflage
Magdeburg und Leipzig
Verlag der Gebrüder Baensch 1857 (S. 394-396)
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