Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik


 

Theodor Serbanescu (1839-1901)
rumänischer Dichter



Wo bist du?

Ach! umsonst im Erdenrunde
Such' ich dich; denn unerreicht
Bleibst du, deren süßer Name
Mir noch jetzt die Stirne bleicht!
Wandelst noch auf Erden du?
Wo bist du? Wo bist du?

Engel du, mit leichten Schwingen,
Der vom Himmel kam herab,
Eiltest heim du? Doch ich ford're
Dich umsonst dem Himmel ab,
Unter Engeln fehlst nur du -
Wo bist du? Wo bist du?

Du, das Sternlein meines Lebens,
Welche Nacht verdunkelt dich?
Doch ich frug auch sie vergebens,
Denn die Sterne suchen dich,
Ihnen fehlst, wie mir, nur du -
Wo bist du? Wo bist du?

Die vier Winde hab' ich endlich,
Ach! so bang nach dir gefragt,
Und mit Tränen und in Liedern
Und in Seufzern schwer geklagt;
Doch sie schwiegen, weil ich Thor
Dich verlor, dich verlor!
(S. 319-320)
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Der Kuß

Ach! ich küßte dich nur einmal,
Also heiß, mit solcher Lieb',
Daß der Mond, der es gesehen,
Ganz bezaubert stehen blieb.

Als dann endlich unsre Lippen
Zitternd sich getrennet doch,
Sangen Vögel in den Zweigen,
Stand die Sonn' am Himmel noch.

Aber nun weiß ich nicht sicher,
Ob der Kuß an jener Statt,
Brennend, durch ein göttlich' Fühlen,
Bis zum Tag gedauert hat,

Oder ob an diesem glühend
Liebewarmen Kusse mein
Auch der Mond entbrannt' und feurig
Niedersah als Sonnenschein.
(S. 321)
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Du schaust mich an

Thränenumflort schaust du mich an,
Klagst, du seist in Lieb' versunken,
Träumend in dein Auge dann
Blick' ich liebesfroh, betrunken.

Wie aus duft'gem Blumenkleid
Bienchen Honig eilt zu saugen,
Trink' ich mir Glückseligkeit
Aus den Thränen deiner Augen.

Wenn der Himmel weint, erwacht
Freuderfüllt das Gras im Regen,
Und bei deinen Thränen lacht
Mir der Seele Lust entgegen.
(S. 323)
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Ruhe

Vom grünen Ufer schau' ich hinunter;
Wie träge schlummert die breite Fluth.
Der Wind steht stille, der sonst so munter;
Nur Schweigen ringsum, die Welle ruht.

Gefühllos Alles vor meinen Blicken,
Nichts will sich rühren dort im Geäst.
Die Blätter schlafen und träumen und nicken,
Der Vogel schlummert im kleinen Nest.

O Fluch dem matten, dem trägen Frieden!
So heule, Sturm, doch mit wilder Lust!
Uns sei Orkan nur und Fluth beschieden,
Der öden Weite und meiner Brust!
(S. 324)
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Umsonst war's

Umsonst war's, daß ich früher ob dem Geheimniß dachte,
Warum so blau und licht,
Als Gott die Welt geschaffen, er wohl den Himmel machte? -
Ich liebte damals nicht.

Da bin ich dir begegnet, du Schatz von Lieb' und Denken,
Und deiner Augen Blau,
 In dessen Glanz ich durfte bezaubert mich versenken,
Erklärte mir's genau.
(S. 326)
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Sonett

Daß schön du bist und zum Bestricken,
Das weiß die ganze Welt schon lang;
In Liedern hört Natur man schicken
Zu deinem Preis nur einen Sang!

Heut' sah den Sonnenschein ich nicken,
Der stille stand, auf hehrem Gang,
Wie hin zu dir verliebtes Blicken
Aus hellgewasch'nen Wimpern drang.

Vergessen ist seitdem, verglommen
Die stets er treu geliebt, verschwommen
Das Mondlicht, seine sanfte Braut.

Dafür blick' ich nach ihr beklommen!
Doch ist die Rache wohl vollkommen?
Hat Luna auch nach mir geschaut?
(S. 327)
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übersetzt von Carmen Sylva (1843-1916)

aus: Rumänische Dichtungen
Deutsch von Carmen Sylva
Mit Beiträgen von Mite Kremnitz
Dritte Auflage Bonn Verlag von Emil Strauß 1889

 

 


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