Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Spanisches Liederbuch

(In der Übertragung von Paul Heyse und Emanuel Geibel)

Teil 2

 

 

*
XLIV.
Sienta quien amor porfia

Romero
übersetzt von Paul Heyse

Wer nicht will von Liebe lassen,
Wiss' auch ihr Gesetz voll Qualen:
Magst du Tags in Freude prassen,
Nachts mußt du die Zeche zahlen.

Grausam ist die Lieb' im Grunde,
Will sie noch so freundlich scheinen.
Für das Lächeln einer Stunde
Wirst du eine Nacht durchweinen.
Tücke lauert auf den Gassen,
Die sie führt, zu tausendmalen.
Magst du Tags in Freude prassen,
Nachts mußt du die Zeche zahlen.
(S. 85)
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*
XLV.
Nina de quince anos

Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel

Fünfzehnjähriges Mädchen,
Das du Herzen einfängst,
Was, beim Himmel, treibst du,
Wirst du zwanzig alt sein!

Als ich vom Balcone
Jüngst die Holde schaute,
Nahm sie mich gefangen,
Blieb in Freiheit selber.
Jede Neigung reizt sie,
Jeden Wunsch erregt sie,
Jedes Herz verstrickt sie,
Wenn ihr Haar sie strählet,
Und mit Seufzern sprech' ich
Leise für mich selber:
Was, beim Himmel, treibt sie,
Wird sie zwanzig alt sein!

Blickt sie nur verstohlen
Einmal mit den Augen,
Schlagen tausend Herzen,
Glühen tausend Seelen.
Wenn sie Wasser holet,
Schleich' ich mich zum Brunnen;
Wenn sie wäscht, so lausch' ich,
Wo ihr Tuch sie ausringt,
Und mit Kummer sprech' ich,
Daß sie's hören möge:
Was, beim Himmel, treibt sie,
Wird sie zwanzig alt sein!

Trocknet sie ihr Linnen,
Wird es feucht aufs Neue
Von den vielen Thränen,
Die mein Auge strömet;
Ach, wenn sie so jung schon
So voll Anmuth wandelt,
Was, beim Himmel, treibt sie,
Wird sie zwanzig alt sein!
(S. 86-87)
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*
XLVII.
Decidle que me venga a ver

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Sagt ihm, daß er zu mir komme,
Denn je mehr sie mich drum schelten,
Ach, je mehr wächst meine Glut!

O zum Wanken
Bringt die Liebe nichts auf Erden;
Durch ihr Zanken
Wird sie nur gedoppelt werden.
Sie gefährden
Mag nicht aller Neider Muth;
Denn je mehr sie mich drum schelten,
Ach, je mehr wächst meine Glut!

Eingeschlossen
Haben sie mich lange Tage,
Unverdrossen
Mich gestraft mit schlimmer Plage.
Doch ich trage
Jede Pein mit Liebesmuth,
Und je mehr sie mich schelten,
Ach, je mehr wächst meine Glut!

Meine Peiniger
Sagen oft, ich soll dich lassen,
Doch nur einiger
Woll'n wir uns ins Herze fassen.
Muß ich drum erblassen,
Tod um Liebe lieblich thut,
Und je mehr sie mich drum schelten,
Ach, je mehr wächst meine Glut!
(S. 89-90)
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*
XLVIII.
Dira cuanto dijere

Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel

Mögen alle bösen Zungen
Immer sprechen, was beliebt:
Wer mich liebt, den lieb' ich wieder,
Und ich lieb' und bin geliebt.

Schlimme, schlimme Reden flüstern
Eure Zungen schonungslos;
Doch ich weiß es, sie sind lüstern
Nach unschuld'gem Blute bloß.
Nimmer soll es mich bekümmern,
Schwatzt so viel es euch beliebt:
Wer mich liebt, den lieb' ich wieder,
Und ich lieb' und bin geliebt.

Zur Verläumdung sich verstehet
Nur, wem Lieb' und Gunst gebrach,
Weil's ihm selber elend gehet,
Und ihn niemand minnt und mag.
Darum denk' ich, daß die Liebe,
Drum sie schmähn, mir Ehre giebt:
Wer mich liebt, den lieb' ich wieder,
Und ich lieb' und bin geliebt.

Wenn ich wär' aus Stein und Eisen,
Möchtet ihr darauf bestehn,
Daß ich sollte von mir weisen
Liebesgruß und Liebesflehn.
Doch mein Herzlein ist nun leider
Weich, wie's Gott uns Mädchen giebt;
Wer mich liebt, den lieb' ich wieder,
Und ich lieb' und bin geliebt.
(S. 91-92)
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*
XLIX.
En mi helado pecho

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Liebe mir im Busen
Zündet' einen Brand.
Wasser, liebe Mutter,
Eh das Herz verbrannt!

Nicht das blinde Kind
Straft für meine Fehle;
Hat zuerst die Seele
Mir gekühlt so lind.
Dann entflammt's geschwind
Ach, mein Unverstand;
Wasser, liebe Mutter,
Eh das Herz verbrannt!

Ach, wo ist die Flut,
Die dem Feuer wehre?
Für so große Glut
Sind zu arm die Meere.
Weil es wohl mir thut
Wein' ich unverwandt;
Wasser, liebe Mutter,
Eh das Herz verbrannt!
(S. 93-94)
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*
L.
Fertiliza tu vega

Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel

Laß die Fluren tiefer grünen,
Glücklicher Tormes.
Denn mein Liebchen nahet,
Blumen zu pflücken.

Zwischen grünen Auen
Und dem Blütenwalde
Mögen Lilj' und Nelke
Deine Felder zieren,
Und mit bunten Farben
Sie sticken zum Teppich,
Denn mein Liebchen nahet,
Blumen zu pflücken.

Und das Frühroth streue
Perlen aus der Höhe,
Daß den weichen Rasen
Sie funkelnd verbrämen,
Und die Sonne hemme
Neidisch ihren Wagen,
Denn mein Liebchen nahet,
Blumen zu pflücken.

Und wonniglich gaukle
Die Luft mit den Halmen,
Und im grünen Laube
Mögen Nachtigallen
Mit den süßen Stimmen
Den Morgen begrüßen,
Denn mein Liebchen nahet,
Blumen zu pflücken.
(S. 95-96)
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*
LI.
No lloreis casada

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Bräutlein meiner Seele,
Bräutlein, weine nicht!
Denn ich bin der Deine,
Weine nun für dich.

Sollen immer wieder
Trübe Perlen rollen
Aus dem wundervollen
Jungen Aeuglein nieder?
Traurig wird das meine;
Bräutlein, weine nicht!
Denn ich bin der Deine,
Weine nun für dich.

Diese Perlenschätze
Mußt du heimlich halten,
Daß es nicht die kalten
Fremden Augen letze.
Ursach hast du keine;
Bräutlein, weine nicht!
Denn ich bin der Deine,
Weine nun für dich.

Ach du weißt, ich fühle
Gleich mit deinem Herzen;
Jede Glut der Schmerzen,
Die dein Herz durchwühle,
Brennt auch durch das meine.
Bräutlein, weine nicht!
Denn ich bin der Deine,
Weine nun für dich.
(S. 97-98)
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*
LII.
Castillo, dateme date

Juan de Linares
(1573)
übersetzt von Paul Heyse

Schlößlein, gieb dich mir bei Zeiten!
Muß dich sonst mit Sturm erstreiten.

Schlößlein mit den hohen Zinnen,
Um dich schweifet all mein Sinnen,
All mein Wunsch ist, dich gewinnen.
Kann mein Sang dich nicht verleiten,
Muß ich dich mit Sturm erstreiten.

Schlößlein schmuck im goldnen Schimmer,
Stätte meine Sehnsucht immer,
Senkst du deine Brücken nimmer,
Muß ich dich mit Sturm erstreiten.

Schlößlein auf der Bergessteile,
Augentrost! zu meinem Heile
Schleudre nicht mehr Pfeil' auf Pfeile
Wider mich von allen Seiten;
Muß dich sonst mit Sturm erstreiten!
(S. 99)
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*
LIII.
Triste placer

Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel

Schmerzliche Wonnen und wonnige Schmerzen,
Wasser im Auge und Feuer im Herzen,
Stolz auf den Lippen und Seufzer im Sinne,
Honig und Galle zugleich ist die Minne.

Oft, wenn ein Seelchen vom Leib sich geschieden,
Möcht' es Sankt Michael tragen zum Frieden;
Aber der Dämon auch möcht' es verschlingen;
Keiner will weichen, da geht es ans Ringen.

Seelchen, gequältes, in ängstlichen Wogen
Fühlst du dich hierhin und dorthin gezogen,
Aufwärts und abwärts. In solches Getriebe
Stürzt zwischen Himmel und Höll' uns die Liebe.

Mütterchen, ach, und mit siebzehn Jahren
Hab' ich dies Hangen und Bangen erfahren,
Hab's dann verschworen mit Thränen der Reue;
Ach, und schon lieb' ich, schon lieb' ich aufs neue!
(S. 100)
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*
LIV.
Vete amor y vete

Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel

Geh, Geliebter, geh jetzt!
Sieh, der Morgen dämmert.

Leute gehen schon durch die Gasse,
Und der Markt wird so belebt,
Daß der Morgen wohl, der blasse,
Schon die weißen Flügel hebt.
Und vor unsern Nachbarn bin ich
Bange, daß du Anstoß giebst:
Denn sie wissen nicht, wie innig
Ich dich lieb' und du mich liebst.

Drum, Geliebter, geh jetzt!
Sieh, der Morgen dämmert.
Wenn die Sonn' am Himmel scheinend
Scheucht vom Feld die Perlen klar,
Muß auch ich die Perle weinend
Lassen, die mein Reichthum war.
Was als Tag den Andern funkelt,
Meinen Augen dünkt es Nacht,
Da die Trennung bang mir dunkelt,
Wenn das Morgenroth erwacht.

Geh, Geliebter, geh jetzt!
Sieh, der Morgen dämmert.

Willst du feste Wurzel fassen,
Liebster, hier an meiner Brust,
Ohne daß der Neider Hassen
Stürmisch uns verstört die Lust;
Willst du, daß zu tausend Malen
Ich wie heut dich sehen mag,
Und dir stets auf Sicht bezahlen
Unsrer Liebe Schuldbetrag:

Geh, Geliebter, geh jetzt!
Sieh, der Morgen dämmert.

Fliehe denn aus meinen Armen!
Denn versäumest du die Zeit,
Möchten für ein kurz Erwarmen
Wir ertauschen langes Leid.
Ist in Fegerfeuersqualen
Doch ein Tag schon auszustehn,
Wenn die Hoffnung fern in Strahlen
Läßt des Himmels Glorie sehn.

Drum, Geliebter, geh jetzt!
Sieh, der Morgen dämmert
(S. 101-103)
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*
LV.
A la orilla del agua

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Am Ufer des Meeres
Mein' ich zu scheitern
Mit meinen Gedanken,
Dem schwanken Schifflein.

Lind hat die Liebe
Windstille geheuchelt,
Dem Herzen geschmeichelt,
Als wenn sie bliebe.
Im Wogengetriebe
Mein' ich zu scheitern
Mit meinen Gedanken,
Dem schwanken Schifflein.

Mit Sorgen und Hasten
Den Klippen entronnen,
Wie dacht' ich mit Wonnen
Im Hafen zu rasten.
Nun stürmt's um die Masten,
Nun mein' ich zu scheitern
Mit meinen Gedanken,
Den schwanken Schifflein.
(S. 104)
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*
LVI.
Estrano humor tiene Juana

Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel

Seltsam ist Juanas Weise.
Wenn ich steh' in Traurigkeit,
Wenn ich seufz' und sage: heut,
"Morgen" spricht sie leise.

Trüb' ist sie, wenn ich mich freue;
Lustig singt sie, wenn ich weine;
Sag' ich, daß sie hold mir scheine,
Spricht sie, daß sie stets mich scheue.
Solcher Grausamkeit Beweise
Brechen mir das Herz in Leid -
Wenn ich seufz' und sage: heut,
"Morgen" spricht sie leise.

Heb' ich meine Augenlider,
Weiß sie stets den Blick zu senken;
Um ihn gleich emporzulenken,
Schlag' ich auch den meinen nieder.
Wenn ich sie als Heil'ge preise,
Nennt sie Dämon mich im Streit –
Wenn ich seufz' und sage: heut,
"Morgen" spricht sie leise.

Sieglos heiß' ich auf der Stelle,
Rühm' ich meinen Sieg bescheiden;
Hoff' ich auf des Himmels Freuden,
Prophezeit sie mir die Hölle.
Ja, so ist ihr Herz von Eise,
Säh' sie sterben mich vor Leid,
Hörte mich noch seufzen: heut,
"Morgen" spräch' sie leise.
(S. 105-106)
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*
LVII.
Burla bien con desamor

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Treibe nur mit Lieben Spott,
Geliebte mein;
Spottet doch der Liebesgott
Dereinst auch dein!

Magst an Spotten nach Gefallen
Du dich weiden;
Von dem Weibe kommt uns Allen
Lust und Leiden.
Treibe nur mit Lieben Spott,
Geliebte mein;
Spottet doch der Liebesgott
Dereinst auch dein!

Bist auch jetzt zu stolz zum Minnen,
Glaub', o glaube:
Liebe wird dich doch gewinnen
Sich zum Raube,
Wenn du spottest meiner Noth,
Geliebte mein;
Spottet doch der Liebesgott
Dereinst auch dein!

Wer da lebt im Fleisch, erwäge
Alle Stunden:
Amor schläft und plötzlich rege
Schlägt er Wunden.
Treibe nur mit Lieben Spott,
Geliebte mein;
Spottet doch der Liebesgott
Dereinst auch dein!
(S. 107-108)
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*
LVIII.
Ninguno cierre las puertas

Juan de la Encina
(1469-1529)
übersetzt von Paul Heyse

Keiner soll die Thür verriegeln,
Kommt die Lieb' und klopfet an,
Weil hier doch nichts frommen kann.

Ruft die Liebe nur von weiten,
Flink gehorche dem Gebot,
Und so mach nur aus der Noth
Eine Tugend noch bei Zeiten.
Laß dein thörig Widerstreiten,
Dein Verriegeln, klopft sie an,
Weil hier doch nichts frommen kann.

Liebe wandelt deine Sinnen,
Deines Lebens Sitt' und Brauch;
Doch sie eint die Seelen auch,
Wo sich Zwei in Treue minnen.
Ihren Nöthen zu entrinnen,
Müht umsonst sich Jedermann,
Weil hier doch nichts frommen kann.

Wem die echte Lieb' erwachte,
Schlaflos ist er immerdar.
Kühn wird, wer da feige war,
Höfisch wird der Ungeschlachte.
Wen sie zum Gefangnen machte,
Füge sich in ihren Bann,
Weil hier doch nichts frommen kann.
(S. 109-110)
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*
LIX.
Quien viese aquel dia

Saa de Miranda (1494-1558)
übersetzt von Emanuel Geibel

Wann erscheint der Morgen,
Wann denn, wann denn, wann denn,
Der mein Leben löset
Aus diesen Banden!

Ihr Augen vom Leibe
So trübe, so trübe!
Saht nur Qual für Liebe,
Saht nicht Eine Freude;
Saht nur Wund' auf Wunde,
Schmerz auf Schmerz mir geben,
Und im langen Leben
Keine frohe Stunde.
Wenn es endlich doch,
Endlich doch geschähe,
Daß ich säh' die Stunde,
Wo ich nimmer sähe!
(S. 111)
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*
LX.
Con dos cuidados guerreo

Vizconde de Altamira
übersetzt von Emanuel Geibel

Ach, ein zwiefach bittres Leiden,
Ueberwältigt hat es mich:
Eines, wenn ich dich muß meiden,
Und das andre, seh' ich dich.

Seh' ich dich, vor Liebe sterb' ich,
Rettungslos muß ich vergehn;
Meid' ich dich, o so verderb' ich
Vor Verlangen, dich zu sehn!
Jenes schafft mir tausend Leiden,
Dieses schafft mir tausend Weh'n;
Weil's mich schmerzet dich zu sehn,
Und mich tödtet, dich zu meiden.
(S. 112)
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*
LXI.
Qui te anguila per la cua

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Wer den Aal beim Schwanze nimmt
Und ein schönes Kind beim Wort,
Hat das Nachsehn fort und fort.

Wer da schreibet in den Bach,
Sicher auf Fortunen baut,
Und den Renegaten traut,
In die Luft baut sein Gemach
Und ein Mädchen nimmt beim Wort,
Hat das Nachsehn fort und fort.

Wer da binden will den Rauch,
Daß er Wachs aus Feuer schmelz',
Und dem Mohren wäscht den Pelz,
Funken schlagen will am Strauch,
Und ganz gegen Weltgebrauch
Nimmt ein schönes Kind beim Wort,
Hat das Nachsehn fort und fort.
(S. 113)
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*
LXII.
Juramentos por amores

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Eide, so die Liebe schwur,
Schwache Bürgen sind sie nur.

Sitzt die Liebe zu Gericht,
Dann, Senor, vergesset nicht
Daß sie nie nach Recht und Pflicht,
Immer nur nach Gunst verfuhr.
Eide, so die Liebe schwur,
Schwache Bürgen sind sie nur.

Werdet dort Betrübte finden,
Die mit Schwüren sich verbinden,
Die verschwinden mit den Winden,
Wie die Blumen auf der Flur.
Eide, die die Liebe schwur,
Schwache Bürgen sind sie nur.

Und als Schreiber an den Schranken
Seht ihr nichtige Gedanken.
Weil die leichten Händlein schwanken,
Schreibt euch keiner nach der Schnur.
Eide, so die Liebe schwur,
Schwache Bürgen sind sie nur.

Sind die Bürgen gegenwärtig,
Allesammt des Spruchs gewärtig,
Machen sie das Urtheil fertig: -
Von Vollziehen keine Spur!
Eide, so die Liebe schwur,
Schwache Bürgen sind sie nur.
(S. 114-115)
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*
LXV.
Nina, si a la huerta vas

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Wenn du zu den Blumen gehst,
Pflücke die schönsten, dich zu schmücken.
Ach, wenn du in dem Gärtlein stehst,
Müßtest du dich selber pflücken.

Alle Blumen wissen ja,
Daß du hold bist ohne gleichen.
Und die Blume, die dich sah –
Farb' und Schmuck muß ihr erbleichen.
Wenn du zu den Blumen gehst,
Pflücke die schönsten, dich zu schmücken.
Ach, wenn du in dem Gärtlein stehst,
Müßtest du dich selber pflücken.

Lieblicher als Rosen sind
Küsse, die dein Mund verschwendet,
Weil der Reiz der Blumen endet,
Wo dein Liebreiz erst beginnt.
Wenn du zu den Blumen gehst,
Pflücke die schönsten, dich zu schmücken.
Ach, wenn du in dem Gärtlein stehst,
Müßtest du dich selber pflücken.
(S. 120)
_____________


*
LXVII.
En los tus amores

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Trau nicht der Liebe,
Mein Liebster, gieb Acht!
Sie macht dich noch weinen,
Wo heut du gelacht.

Und siehst du nicht schwinden
Des Mondes Gestalt?
Das Glück hat nicht minder
Nur wankenden Halt.
Dann rächt es sich bald;
Und Liebe, gieb Acht!
Sie macht dich noch weinen,
Wo heut du gelacht.

Drum hüte dich fein
Vor thörigem Stolze!
Wohl singen im Mai'n
Die Grillchen im Holze;
Dann schlafen sie ein,
Und Liebe, gieb Acht!
Sie macht dich noch weinen,
Wo heut du gelacht.

Wo schweifst du nur hin?
Laß Rath dir ertheilen:
Das Kind mit den Pfeilen
Hat Possen im Sinn.
Die Tage, die eilen,
Und Liebe, gieb Acht!
Sie macht dich noch weinen,
Wo heut du gelacht.

Nicht immer ist's helle,
Nicht immer ist's dunkel;
Der Freude Gefunkel
Erbleichet so schnelle.
Ein falscher Geselle
Ist Amor, gieb Acht!
Er macht dich noch weinen,
Wo heut du gelacht.
(S. 123-124)
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*
LXXVII.
Partir quiero yo

Cartagena
übersetzt von Paul Heyse

Scheiden will ich nun,
Doch von Liebe? Nein!
Denn es kann nicht sein.

Wer zu seinem Frieden
Scheiden will vom Schmerz,
Von sich selbst geschieden
Lebt er allerwärts,
Wird ein sehnend Herz
Keiner Andern weihn,
Denn es kann nicht sein.

Muß ich auch dich meiden,
Werd' ich Heil erwerben,
Denn es kann am Scheiden
Wohl das Leben sterben;
Doch der Sehnsucht Leiden
Schlummert niemals ein,
Denn es kann nicht sein.
(S. 138)
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*
LXXVIII.
L'ome que viu namorat

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Wer da lebt in Liebesqual,
Abschied nimmt er tausendmal.

Ach, so weh thut ihm das Scheiden,
Daß er wünschte, Tod zu leiden,
Dürft' er nur den Abschied meiden
Von dem holden Herzgemahl.
Wer da lebt in Liebesqual,
Abschied nimmt er tausendmal.

So im tiefsten Herzensgrunde
Thut ihm wohl die Todeswunde,
Daß ein Jahr zu einer Stunde
Wandelt ihres Auges Strahl.
Wer da lebt in Liebesqual,
Abschied nimmt er tausenmal.

Urlaub bittet er ohn' Ende,
Weiß nicht, wo er Worte fände,
Geht und kehrt zurück behende,
Immer wie das erste Mal.
Wer da lebt in Liebesqual,
Abschied nimmt er tausendmal.
(S. 139-140)
_____________


*
LXIX.
Vanse mis amores

Pedro Arias Perez
übersetzt von Emanuel Geibel

Wandern geht mein Liebster,
Läßt mich hier mit meinem Schmerz.
Sterben werd' ich, Mutter,
Weil so jung und treu mein Herz.

Die Pein schon gelitten,
Wenn kalt er grüßte,
Die kaum ihn küßte,
Als um Flehen und Bitten,
Der ins Herz er geschnitten,
Nur ein Stündlein zu warten,
O wie trag ich den harten
Unsäglichen Schmerz!
Sterben werd' ich, Mutter,
Weil so jung und treu mein Herz.

Mich froh zu zeigen,
Wohl thu' ich mir Zwang;
Doch Sehnsucht bang
Läßt sich nicht schweigen.
Und stell' ich mich krank:
Auf der Stirn mir geschrieben
Steht all mein Lieben,
Steht all mein Schmerz.
Sterben werd' ich, Mutter,
Weil so jung und treu mein Herz!
(S. 141-142)
_____________


*
LXXX.
Zagaleja de lo verde

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Hirtenmägdlein auf der Wiese,
O du allerliebste Zier,
Tröst' dich Gott, du meine Seele,
Denn ich scheide nun von hier!

Scheide nun von dieser Halde,
Hirtenkind, mit meiner Heerde,
Nicht mehr siehst du mich im Walde
Hingestreckt auf grüner Erde,
Weil ich heut beraubet werde
Alter Wonnen, alter Nöthe,
Und das Lied auf meiner Flöte,
Ach, zum Seufzer wird es mir!

Muß im Feld mein Lager machen,
Muß mich betten in dem Schneee,
Glut von dürrem Ginster fachen,
Daß ich nicht vor Frost vergehe.
Mit dem dornigen Busch der Schlehe
Deck' ich mir zu Nacht die Glieder,
Und, bis daß es taget wieder,
Wein' ich, lieber Schatz, nach dir.

Weh'n zu scharf die Winterlüfte,
Geh' ich singend weite Strecken
Durch des Mondes Nebeldüfte,
Statt der Cither mit dem Stecken.
Was die Lieder dann entdecken,
Nur der Himmel wird es hören
Und die Vögel in den Föhren, -
Doch kein Laut gelangt zu dir.
(S. 143-144)
_____________


*
LXXXI.
Ay ojuelos verdes

Anonym
übersetzt von Paul Heyse

Ach ihr lieben Aeuglein,
Ach ihr blauen Aeuglein,
Gebe doch der Himmel,
Daß ihr mein gedenkt!

Da ich kam zu scheiden
Und zuletzt an deine Thür zu klopfen,
Aus den Aeuglein beiden
Stürzten bitterliche Tropfen.
Ach ein Todesleiden!
Wenn du schlafen gehst,
Wenn du frühe auf dem Lager stehst,
Gebe doch der Himmel,
Daß du mein gedenkst!

Ach, daß ich nur wüßte,
Wo nun deine Blicke sich ergehen;
Daß ein Windeswehen
Mir ein jedes Seufzen künden müßte,
Künden, ob die jungen Brüste
Noch so schmerzlich wogen,
Weil der liebste Mann hinweggezogen!
Gebe doch der Himmel,
Daß du mein gedenkst!

Keine Stunde trüge
Ich dies Schweifen so im dunkeln Schmerze,
Ohne daß mein Herze
Nach dem Lichte seines Lebens früge.
Aeuglein, wenn ich lüge,
Bittet Gott, daß mich der Blitz erschlage!
Wenn ich lautre Wahrheit sage,
Gebe doch der Himmel,
Daß ihr mein gedenkt!
(S. 145-146)
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*
LXXXVIII.
Quien gentil senora pierde

Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel

Wer sein holdes Lieb verloren,
Weil er Liebe nicht versteht,
Besser wär' er nie geboren.

Ich verlor sie dort im Garten,
Da sie Rosen brach und Blüten.
Hell auf ihren Wangen glühten
Scham und Lust in holder Zier.
Und von Liebe sprach sie mir;
Doch ich größter aller Thoren
Wußte keine Antwort ihr –
Wär' ich nimmermehr geboren.

Ich verlor sie dort im Garten,
Da sie sprach von Liebesplagen,
Denn ich wagte nicht zu sagen,
Wie ich ganz ihr eigen bin.
In die Blumen sank sie hin,
Doch ich größter aller Thoren
Zog auch davon nicht Gewinn –
Wär' ich nimmermehr geboren!
(S. 158)
_____________



Aus: Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
 


 

 


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