Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Polyxena Szasz (Ps. Iduna) (1831-1853)
ungarische Dichterin


Aus Iduna's Nachlasse

I.
Es träumte mir in dieser Nacht,
Daß erdwärts sanken alle Sterne,
Und daß der Himmel unbewacht
Verblieb in nächtlich dunkler Ferne.

Doch unerklärlich mir es war,
Wo sich denn alle hin verloren?
Da sah ich Morgens wunderbar
Den Thau der Blumen lichtgeboren.


II.
Zwei Sterne verfolgen am Himmel
Vereint stets Eine Bahn,
Und keiner der beiden Sterne
Den Andern verlassen kann.

Was hält sie so innig verbunden,
So treu aneinandergesellt?
Mich dünkt die ewige Liebe,
Die Seele der ganzen Welt!

Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 124-125)

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Fern ist die Ruh' mir Tag und Nacht

Fern ist die Ruh' mir Tag und Nacht -
Der Schmerz an meinem Lager wacht,
Die Krankheit fesselt mich daran,
Ach, daß mir Niemand helfen kann!

Mein Bett ist hart gleich einem Stein,
Mein Leiden macht es - mag wohl sein;
Gebettet ward's von zarter Hand,
Die Ruhe doch ich nimmer fand.

Geliebter, der du Trost mir bist,
Der Du mein schmerzlich Leiden siehst,
Zu Gott dem Vater bet' für mich,
Auf daß mein Ende nahe sich!

Im Sonnenschein der Frühling strahlt,
Und hoffnungsgrün sind Flur und Wald;
Jedwede Blume Balsam hat,
Und Heilkraft birgt ein jedes Blatt.

Ihr Kräuter, Reiser, Blatt und Blum'
Erschließt mir euer Heiligthum,
Und laßt mich nicht vergebens flehn,
Durch euch geheilt mich bald zu sehn!

Komm Zephyr, milder Zephyr komm
Mit Balsamduft vom Himmelsdom,
Bring' die Gesundheit mir zurück -
Bring' meine Jugend mir, mein Glück!

Erfrische warmer Sonnenstrahl
Der Wange Rose, die schon fahl;
Du Vogelsang der Frühlingszeit
Bring' mir vergangne Heiterkeit!

Geheimnißvolle wonn'ge Nacht
Mit deiner Sterne Mährenpracht,
Schließ' mir mein Auge nochmals zu,
Im Schlaf zu finden süße Ruh'!

Du süßer Schlaf - ach, stell' dich ein,
Laß heiter mich im Traume sein,
Laß Wonne fühlen mich und Lust -
Wer träumt ist glücklich unbewußt!

Laß träumen mich in Seligkeit
Von rasch entschwundner Jugendzeit,
Und währt der Traum auch ewiglich -
Erwach' ich nie - was kümmerts mich?!

Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 126-129)

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Bilder

's kommt der Lenz mit seinen Düften,
Vogelsang tönt aus den Lüften,
Grün der Wald, die Bäche rauschen,
Erd' und Himmel lächelnd lauschen.
Schilfesflüstern, Windeswehen,
Gold'ne Wolken in den Höhen,
's brennt die Sonn' heiss durch die Bäume,
Und die Nacht bringt holde Träume -
Ueberall sonst Lust und Leben:
Mir nur kann nicht Hoffnung geben!

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 450)

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Auf dem Krankenbett

Wann weiss der Reiche je zu schätzen,
Was er besitzt im Ueberfluss?
Wer sich zum vollen Tisch kann setzen,
Kennt nicht dess Pein, der hungern muss.

O du, dem seinen Weg das Leben
Mit hellen Rosen überstreut,
Was weisst du von dem Schmerzesbeben
Des Kranken, der dem Tod geweiht?

Bin jung - zu jung noch zum Erblassen,
Stöhn' ich in langer, banger Nacht,
Schon hat die Hoffnung mich verlassen,
Nur Lieb' ist's, die noch bei mir wacht.

Ja, Liebe rückt mir sanft das Kissen,
Sie lindert meine herbe Pein,
Ach, wie so gern wär' ich beflissen,
Vergeltend ganz mich ihr zu weih'n!

O Liebe, die mit zarten Händen
Mich pflegt - wie süss ist's, bist du wach,
Jedoch der Kranken Lippen spenden
Nur Klagen dir und schmerzlich Ach!

Das Glück war meinem Lenz gewogen,
Umwob mich reich mit Hoffungsgrün,
's ist Winter jetzt - und, frostdurchzogen,
Eisblumen nur am Fenster blüh'n.

Eisblumen nur . . . und Hoffnungsweben
Schafft neuen Lenz aus diesem Bild;
O kehr' zurück Gesundheit, Leben,
Lass nicht mein Ahnen unerfüllt.

Wie wüsst' ich froh mich zu ergehen,
Dir wollt' ich leben, Lieb' und Treu',
Müsst' ich an meinem Bett nicht sehen
Die Pein, das Leiden stets auf's Neu'.

Könnt' sitzen ich beim Frühlingsprangen
In grüner Laub', die Schatten gibt,
Von süssem Vogelsang umfangen,
Mit ihm, der, ach, so treu mich liebt.

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 450-451)

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