Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Paul Szemere (1785-1861)
ungarischer Dichter


Erinnerung

Und wieder naht ein seliges Empfinden!
Es hellet sich das Grau vergang'ner Zeit;
Auf Rosenpfaden, die ich sinken, schwinden
Sah', gibt zur Wonneflur sie mir geleit.

Welch eine Gottheit will sich mir verkünden!
Wie liebend sich mein ganzes Seyn ihr beut!
Mein Herz, ich fühl' es, wird hier Ruhe finden,
Dein Hauch, Erinn'rung hat es neu geweiht.

Nein! rufe nicht verschwund'nes Licht zurück,
Lass über mir die dicht'sten Schleier zieh'n,
Bedeck' der hingeschwund'nen Zeiten Glück.

Schon einmal sah' ich meine Freuden flieh'n,
Ach, zwinge neu zu bluten nicht mein Herz!
Zweimal verlieren! fühle diesen Schmerz.

Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
(S. 64)
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Das beglückte Paar

Ein leises Ach! zu mir und ein Erglüh'n,
Ein reizend Antlitz, wie der Morgen schön,
Ein Lilienbusen, flüchtig nur geseh'n -
Mir schwindelt und das Herz will Flammen sprüh'n.

"Du bist's!" so ruf' ich aus. In Liebe kühn
Hiess mich's entgegen offnen Arms ihr geh'n;
Gluth traf auf Gluth, den Kuss des Kusses Weh'n
Umarmend sich die Sel'gen, Beide glüh'n.

"Den ich so lang gesucht, mein bist du, mein!
Dein dieser Kuss, der meiner Liebe Pfand,
Mein Herz und meine Seele, alles dein."

Wie dies sie flüstert, sänftend meinen Brand,
Fühl' die Gedanken ich dem Geist entschwinden;
Es brennt in mir, das Wort kann ich nicht finden.

Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
(S. 64-65)
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Isabelle

Wie durch Gebüsche hüpft das Reh, das schnelle,
Wie tanzend in den Fluthen spielt der Aal;
So lebt' ich, wonnig, selig überall,
Eh' ich dich angebethet, Isabelle.

Nicht so auflodert jetzt der Gluthen Welle!
Nicht so jetzt; nachströmt dir der Thränen Qual;
Nie find' ich Ruhe mehr auf Berg und Thal,
Und überall bist du der Seufzer Quelle.

O Gott! indes mein Herz in Leiden bricht,
Nennt dich ein And'rer schon am Altar sein,
Und lächelnd wühlt ihr auf mein ganzes Seyn.

Wohl ziemen deinem hohen reize Kronen,
Dir huld'gen siehst du, die am höchsten thronen:
Ein treuer Herz als meines triffst du nicht.


Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
(S. 65)
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An die Hoffnung

Du lachst mich an, sanft wie des Abends Milde,
Wie Eos zauberreizendes Gesicht
Den Seufzenden, den finstres Weh umflicht,
Und sieh'! mein Schicksal ist versöhnt, das wilde.

Die Woge, Nebel, Sturm, riss vom Gefilde
Der Heimath fort mich: Hoffnung nah'st du nicht!
Die Stunden bringen Schmerzen nur, es bricht
Mein Herz im Kampfe streitender Gebilde.

O komm! und wiege meine Lieden ein;
Endymion gleich, im heil'gen Rosenhain
Lass leben mich beglückt in Götterträumen.

Wie ihm Chitone naht aus lichten Räumen,
Lass mich, wenn ich in deinen Zauberarmen
Erwach', am Kusse meiner Braut erwarmen.


Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
(S. 65-66)
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Sehnsucht vom Aufgang zum Niedergang

Es hängt an dir mein trübes Auge wieder,
Bekannte, nicht gekannte, ferne Gegend!
Du dort, aus Westen, über jenen Hügeln
Lachst du mir zu, und ach! von dort umschwebst
Du immer mich in zaubernden Gebilden.
Ob über dir die Sonne untergeht,
Und du im Glanz der Abendröthe glühtest;
Ob dunkle Wetter dich umzieh'n, dein Bild
Umschwebet mich in magischen gestalten.
Du winkst mir wieder, mich beweht dein Hauch,
Wie oft, ach! fühl' ich ihn, und flamme auf
Zu bannen die geheime Zauberkraft;
Zu fassen, an die Brust zu drücken dich,
Du körperlos', nur mir bekannt' Gebild.

Was ist's, das hin zu dir mich ziehet, reisst?
Was hältst du dort vor mir verborgen?
Welch heilig süsse Stunden warten mein?
Die dunkle Ahnung drücket mich, und ach!
So weit ich schau, kann ich nicht Lind'rung finden.

Umsonst umwinden mich die angenehmsten,
Die schönsten fesseln, die das Glück, die Freude
Aus Rosen flicht; ach, sie vermögen
Nicht meinen Geist fest an mir selbst zu halten!
Und dieses Herz, das fernhinsehnende!
Zu dir, dir nach nur schweben, fliegen sie.
Wenn ich in deinem mag'schen Bild versinke,
Bekannte, unbekannte weite Ferne,
Sind selbst die Fesseln abgerissen.
Nichts hält mich an, nichts zieht mich ausser dir.
Hier ist nicht Freude; kalh und todt ist alles,
Verlassner noch, und leerer diese Brust,
Dies glüh'nde Herz, das dir entgegen schlägt.

Erwartest du mich letzte Hoffnung dort?
Des langen Weinens stille Trösterin,
Du, die des reinen Sehnens Blumen reifst
Zu Früchten? Nein, mir fehlen Wünsche,
Und dennoch seufz' ich, wart' und hoffe,
Von dort, von dir verborg'ne ferne Weite!
Doch ach! mein Augen suchet dich umsonst,
Vergebens suchen meine Thränen dich;
Ich fühl's, du bleibst mir ewig fern.

Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 67-68)
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Echo

"Du schweigst, nur Seufzer deine Brust erhöh'n,
Nur leise Thränen netzen deine Wangen,
Nach Menschen sucht dein sehnendes Verlangen,
Ihr Mitgefühl soll Trost in's Herz dir weh'n.

Umsonst! sie rühret nicht dein stummes Fleh'n,
Was du verlor'st, woher dein tiefes Bangen,
Warum dein Tag mit Nebeln schwarz umhangen:
Was kümmert sie's, die kalt vorübergeh'n.

Fort! kein Gefährte lebt dort deinem Grame
Komm', flieh' zu mir! hier spricht das Herz zum Herzen,
Vertraue mir des Busens heisse Schmerzen.

Starb dir die Braut - es wecke mich ihr Name;
Von deinen Lippen schweb' er klagend nieder,
Und lindernd tön' ich deine Schmerzen wieder."


übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 30)

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