Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik


 

Torquato Tasso (1544-1595)
italienischer Dichter

 

Sonette


Plötzliche Liebe

Ein junger noch und trotziger Geselle,
Gewohnt nicht, solche Süße zu empfinden,
Ließ alle Furcht vor seltnem Pfeil' ich schwinden,
Den Amor selber goldet, blank und helle.

Nicht glaubt' ich, daß ein Fünklein sich so schnelle
Zu hoher, ew'ger Flamme könnt' entzünden;
Dacht' oft vielmehr, die holde Maid zu binden,
Wie ein kaum flügges Vöglein, auf der Stelle.

Drum barg in jungen Blumen stiller Weile
Ich Liebesnetzt', ausathmend bang Gewimmer
Für sie, die dannen zog in flücht'ger Eile.

Und selber nun umgarnt hing ich auf immer,
Die Blicke waren Waffen mir und Pfeile,
Und Flammenglut der Liebesstrahlen Flimmer.
(S. 3)

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Rückfall

Schon brach ein holder Blick und sanft Beginnen
Das Eis, womit mir Zorn das Herz umrungen;
Von alter Gluten Spuren war durchdrungen
Das umgewandelte, ich sah' es innen.

Und Freude fand ich, Nahrung zu gewinnen
Dem Weh durch Zunder süßer Einbildungen;
So hatte schmeichelnd Amor mich bezwungen,
Der Wohnung nahm ich schönen Augen drinnen;

Als er auf's Neu' mir feindlich kam zum Herzen
Und in sein Feuer blies und heft'ger glühend
Die ruhigen und milden Flammen machte.

Und nimmer sah' ich wachsend so und sprühend
Im Sturme je geschwung'ner Fackeln Kerzen,
Als wachsend Funk' und Glut mir drin erwachte.
(S. 4)

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An seine Seele

O Seele, die du, weil ich einsam stehe,
In heitern Kreisen selig schweifst umher,
Ich weiß nicht, wie ich leb' und athme, mehr,
Seit ich voll Leids nach deiner Rückkunft spähe.

Indeß ist sonnenlos mein Tag; ich sehe
Verhüllt des Nachts der Sterne lichtes Heer;
Ich habe Wünsche viel, wie Sand am Meer,
Und innen Nichts und außen Nichts, denn Wehe.

Komm heim, o Seele, daß dein mildes Licht
Die schwere, kalte Last erwärme wieder!
Steht Amor auch am Weg, wir weichen nicht.

Süß ist es, wenn sein Pfeil das Leben bricht,
Süß, träuft das Eis in heißen Strömen nieder,
Süß macht der Brand zu Asche mein Gefieder.
(S. 5)

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Liebeszorn

Nicht lautres Gold mehr, wie ich's einst gefunden,
Find' ich ihr Haar, darinn ich ward gefangen;
In ihrem Busen seh' ich, ihren Wangen
Nur Schatten einer Schönheit kurzer Stunden;

Erloschen ist die Flamm', ihr Licht entschwunden,
Die Lieblichkeit des Augenspiels vergangen. -
O Gott! wie war mein Sinn doch da befangen!
Wer hatte mir den Geist geraubt, gebunden?

Grausamer Trug der Lieb'! – Und durft' ich schmücken
Den Trug und Perlen reihen in Gedichten,
Die höhern Schimmer auf ihr Dasein warfen?

Hinweg denn nun mit den erlognen Larven!
Ganz, wie du bist, jetzt möge dich erblicken
Die Welt, dich so betrachten und dann richten!
(S. 6)

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Vorzeichen

Ein starrer Schleier hielt die Erd' umwoben,
Und – Flock' an Flocke fiel herab der Schnee
In Ihren Schoos, aus dem Apoll ihn eh'
In anderer Gestalt zu sich gehoben;

Da sieh! als Funken all' die Tröpflein stoben
Umher; das Land ward rings ein Feuersee,
Und, wie am Licht ein Demant, funkelte
Der Himmel, schimmerten die Wolken droben! -

Weil solches Schauspiel meinem Blick sich bot,
Erfuhr ich's an mir selbst und fühlte weichen
Das Eis und meines Zorns Gewölk zerrinnen.

"Die schöne Sonn', ach!" rief ich, "die mich innen
Durchglüht, sie naht; es gehn vorher die Zeichen,
Wie vor der andern geht das Morgenroth!"
(S. 7)

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An die Luft

O Luft, die scherzend du durch's frische Laub
Der Myrten schweifest und der Lorberhaine,
Die bunten Blumen weckst auf Wies' und Raine
Und lieben Duft uns stiehlst mit süßem Raub,

Ach, bist dem Ruf des Mitleids du nicht taub,
So laß des Muthwills Bahn und richt' alleine
Dahin die Flügel, wo die, welch' ich meine,
Lustwandelnd Gras und Veilchen tritt in Staub!

Und trag in deinem weichen Schoos die Klage
Dahin, die sehnend aus der Tiefe ruft,
Wohin voraus längst die Gedanken gingen!

Dann dort von ihren Lippen Rose wage
Für mich zu stehlen einen werthen Duft,
Als Kost ihn meiner Sehnsucht heim zu bringen!
(S. 8)

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Die hohe Herrin

Während sie Blumen heißt und Gräser sprießen
Auf Strand und Flur, scheint jede stille Quelle
Zu murmeln: "Freudig muß sich meiner Welle
Ihr gegenüber klären und versüßen,

Verschmäht die Stolz' es nicht, sich zu verschließen
An also einsam abgeschiedner Stelle!"
Und Bergeshöh' und Waldes grüne Schwelle
Laden sie ein, des Lenzes zu genießen.

Doch schallt wie eine Stimm' aus dem Gezweige:
"Die Herrin mit dem Zorn voll Mild' und Hehre
Ist nicht bei Flut und Busch und Berg geboren;

Doch daß die Welt sie kenn' und ihr sich neige,
Hat statt des Himmels sie die Erd' erkoren,
Und hier wie dort gebührt ihr Himmelsehre!"
(S. 9)

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Liebeswonne

Ist dies der Liebe Garn, o wie dann preise
Ich Liebeskümmerniß und Liebesbangen!
Ist dies der Köder, der mich hat gefangen,
Wie süß ist Hamen dann, wie süß die Speiße!

Wie viel des Süßen gibt der Leim dem Reise,
Wie viel deß hat die Glut vom Eis empfangen!
Wie süß ist's, schweigend Schmerzen nachzuhangen,
Wie süß die Klag' um Andrer strenge Weise!

Wie selig ist's, die Wunden drin zu tragen,
Durch kranke Augen Thränen zu vergießen,
Um Einen Todesstreich endlos zu klagen!

Ist Leben dies, will in mein Herz ich schließen
Gern Tausende der Wunden voll Behagen;
Ist's Tod, will freudig ich den Tod begrüßen.
(S. 10)

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Als sie am Strome gelustwandelt

Jene, die lieb und theuer mir vor Allen,
Sah Blumensträuße hier am Strand' ich schlingen,
Doch nicht so viel konnt' ihre Hand umballen,
Als unter weißem Fuß' aus Gräsern gingen.

Zerstreut seh' schönes, blondes Haar ich wallen,
Draus Amor knüpfte viele tausend Schlingen,
Und Hauch der Rede mußte süß gefallen
Nach Gluten, die so heiß aus Augen dringen.

Der Strom hielt inn', als müßt' er Sorge tragen,
Dem blonden Haar als Spiegel sich zu hellen
Von selber und der Augen süßem Scheine.

Und "deinem schönen Bild" schien er zu sagen,
Willst du auch nicht, Fürst ich der Ström' alleine,
Verklär' ich, Herrin, diese sanften Wellen.
(S. 11)

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Liebeszauber

Kränkt mich's zuweilen, daß umsonst ich strebe,
Der Sehnsucht Flügel sternenwärts zu schlagen,
Denk' ich, die Herrin freuen meine Plagen,
Drum gern in all' mein Leid ich mich ergebe.

Und wenn einmal vor herbem Tod ich bebe,
Sprech' ich: "Will sie's, nicht darf dem End' ich klagen,
Und was sie will, das muß auch mir behagen!"
Und schelte nur, daß ich zu lange lebe.

Nicht wächst der Schmerz, das Gegentheil wohl ehe,
Wenn sie verdoppelt ihre Liebeswunden
Und heilt das Herz mit ihrem süßen Wehe.

Ein Wunder, wie's kein Zauber je erfunden:
Daß Hoffnung, Lust aus Schmerz und Furcht erstehe
Und Heilung spende tödtlichstes Verwunden!
(S. 12)

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Macht der Augen

Vom reinen Licht, woraus die Himmelskreise
Der Ew'ge schuf, Sonn' und Gestirne hellte,
Schuf er auch eurer Augen Paar und stellte
Amor an's Steu'r, daß er sie richt' und kreise.

Und schon ein Strahl aus ihnen, lind und leise,
Treibt fern von uns die Nacht und Winterkälte
Ird'scher Begierden, und, was leicht uns schwellte,
Erglüht an inn'rer Glut zu hoher Weise.

Die Flamme macht sich gleich die Geister nieden,
Und kann das Herz nicht brechen und zerstören,
Obwohl sie reiniget unreine Triebe.

Nicht Furcht gibt's oder Schmerz, der uns betrübe,
Ja, heiter ist, wie ihr, auch eure Frieden,
Und Freudenzähren nur sind unsre Zähren.
(S. 13)

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 Als er sie weißgekleidet sah

Will schöne Frau, daß außen sei zu schauen,
Was in des Herzens Tiefen drin geboren,
Leiht sie der Farben Schimmer bald von Floren,
Von Rainweid' und Viol' grünen Auen;

Bald muß sich Iris Schleier ihr vertrauen,
Bald borgt sie licht Gewand sich von Auroren,
Bald wieder hat zum Muster sie erkoren
Des Meeres Spiegel sich, den lichten, blauen.

Von Erd' und Himmel nicht, noch von den Wogen
Nehmt ihr die Farben. Gleicher doch zu nennen
Sind eure Farben euren holden Gliedern.

Vielleicht, den fremden Mustern nicht gewogen,
Wollt Ihr, daß so die Liebenden erkennen,
Daß euch nur, was euch gleicht, nicht kann erniedern.
(S. 14)

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 Höchste Schönheit

Schön ist die Herrin, wann einmal ich sehe
Ihr golden Haar flutend im Winde weben;
Schön, wann die Augen irr' im Kreise schweben,
Und Rosen blühen zwischen Reif' und Schne'e;

Schön blickt in Demuth sie von ihrer Höhe;
Und wann sie stolz verhärtet meinem Streben,
Ist schön ihr Zorn und dieses Marterleben,
Drob ich ein schönes Ende mir ersehe.

Doch Pförtlein, das die Lippen süß zum Worte
Oeffnet und schließt, aus strahlenden Rubinen,
Ist Schönheit über Alles hoch erhaben;

Vor'm Geisteskerker eine lichte Pforte,
Draus Amor's Boten oftmals mir erschienen,
Mit süßem Frieden, süßem Krieg zu laben.
(S. 15)

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Beständige Liebe

In euern Reiz verliebt erkennt mein Sinnen
Für minder schön, was rings sich zeigt den Blicken,
Und wollt' aus Tausend einen Leib es schmücken,
Nie könnt' es, was euch wahrhaft glich, gewinnen.

Doch formt es ganz eu'r göttlich Bildniß innen,
Dann sieht es seine Schöpfung mit Entzücken;
Das Herrlichste von allen Meisterstücken
Gibt neue Kraft in ihm dem alten Minnen.

Drum liebt es stets, und, ob es schon euch liebet
In sich so als in euch, trennt sich's doch nimmer;
Mit euch so fest in Lieb' es sich verknüpfet,

Daß nicht durch Zeit noch Ort ihr ihm entschlüpfet,
Und weil in Hoffen sich's und Wünschen übet,
Schauet es euch und wird euch schau'n, wie immer.
(S. 16)

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 An die Entfernte

Herrin, obwohl ein streng Geschick mir wehret,
Zu folgen euch und hier mich hält in Schranken;
Doch zügelt nichts den eilenden Gedanken,
Der nur bei euch der Ruhe nicht entbehret.

Er zög' mit euch, ob ernst, ob froh ihr wäret;
Er folgt durch Flut und Sand euch sonder Wanken,
Wo Hügel ragen und wo Halme schwanken,
Wie wer im Wagenkampf zum Ziele fähret;

Und sieht im Mutterhaus euch nun der Freude
Bei lieben Freunden und mit heiterm Scherzen
Die Fluren rings begrüßen und mit Küssen.

Ein Bote dann, der Neues thut zu wissen,
Kehrt er und hält den irren Geist im Herzen,
Sodaß er drob erseufzt in süßem Neide.
(S. 17)

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 Trost im Traume

All' meine Kraft war hin und überwunden
Von Schmerzen, die sich stärker stets erheben,
Als sich voll Mitleid, Hülfe mir zu geben,
Im Traum bei mir die Herrin eingefunden.

Sie kräftigte den Geist; da war verschwunden
Das Leid und neue Hoffnung sah ich weben.
So sollt' ein krankes Herz zu Heil und Leben
Durch ihn, der nur des Todes Bild, gesunden.

In süßer Kreisung ihrer Augen wendend,
Schien sie zu sagen: O warum, mein Treuer,
Läßt du in Gram das Leben dir entschwinden?

Warum nicht trocknest du, dein Seufzen endend,
Die Thrän' in diesen Augen, dir so theuer?
Hoffst Lichter du je treuer dir zu finden?
(S. 18)

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 Des Traumes Segen

Woher, daß Trost sich meinen Schmerzen eine,
Kamst du, o Traum, mitleidig meinen Klagen,
Daß ich dein süßes Täuschen gern ertragen,
Umringt von schöner Wahngebilde Scheine?

Wo stahlst du sie, die Düft' und Steine,
Der Lüft' und Strahlen schmeichelndes Behagen,
Mich froh zu machen mitten im Verzagen,
Gleichwie ein Liebesgott, der Grazien Eine?

Entwandelst du dein Licht des Himmels Höhen?
Der Sonne Strahl? Dein Schoos voll Blütensegen
Ließ Lilien und Veilchen rings erstehen;

Wie Flamme, die zum Himmel steigt, zu sehen
War schöne Hand, und wie ein frischer Regen
Der Seufzer Hauch, der Worte lindes Wehen.
(S. 19)

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 Die Sterne

Ich seh' am Himmelszelt die Sternlein flimmern
Heller als je und leuchtend niederzücken,
Wie wohl in zärtlicher Verliebten Blicken
Wir lichte Strahlen manchmal sehen schimmern.

Lieben sie auch dort oben, oder kümmern
Die Thränen sie, die Leiden, so uns drücken,
Merkend, wie Liebeskosen und Entzücken
Des Irrthums Schritt' und Hinterlist verkümmern?

Wär' ich Leander in des Meeres Wellen,
Oder ein irrer Pilgrim, lichte Sterne,
Ihr säumtet nicht, euch hülfreich einzustellen.

So mög' euch schöner denn die Sonn' erhellen -
O seid mir treue Führer in die Ferne
Auf dunklem Pfad zu meiner Sehnsucht Schwellen!
(S. 20)

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 Heimkehr der Geliebten

Flieht, meine kranken Sorgen, rauhe Plagen,
Die lastend ihr mein armes Herz bedrücket;
Denn Liebe hat zur Wohnung mich geschmücket
Für schön're Wünsch' und froheres Behagen.

Wißt, daß, sobald den Blick ich aufgeschlagen
Zu Augen, draus wie Himmelsflamme zücket,
Den hohen Glanz ihr, der so funkelnd blicket
Aus holden Kreisen, nimmer könnt ertragen;

Aehnlich der Vögel nächtig dunkeln Scharen,
Schlagend die Flügel vor dem Tag, der kehret,
Zu lichten dieser Erde Dunkelheiten.

Und schon – wenn sichre Zeichen ich erfahren -
Ist nah die Sonne, so die Nacht mir kläret,
Und Amor seh' ich's weisen mir und deuten.
(S. 21)

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Der Herrin Schönheit

Ist dieser seltne Reiz der Seel' entstiegen,
Die also schön euch macht und euch durchblinket,
Daß sie wie Licht in reinem Glas bedünket,
Der größte er von allen ihren Siegen?

Schuf ihn Natur mit wundervollem Fügen?
Ist er ein Strahl, der aus der Höhe sinket,
Zu seinem Quell, der wahren Sonne, winket
Und keiner Erdenbürde kann erliegen?

Die Mienen, edeln Sitten und Gedanken
Scheinen wie himmlisch all', und wie ich immer
Davon erglüh', doch bleib' ich unvernichtet.

Fern fröstelt mich; fern seh' ich Schatten wanken,
Und Rauch und Dunst umher: doch süß gelichtet
Hell Alles rings der Augen klarer Schimmer.
(S. 22)

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 Wandlung

In zweier heitern Augen lichtem Prangen
Thronte die Liebe, wie auf klaren Höhen,
Und tausend Siegespalmen ließ sie wehen
Und tausend Fahnen auf zwei hellen Wangen,

Und sprach gewandt zu mir, der ich, befangen
In all' der Pracht nicht müde ward, zu sehen:
"Sing' itzt, wie mir zu Dienst die Herzen stehen,
Und wie ich dienstbar deines selbst empfangen.

Nicht Waffenklang mehr schall' aus deinem Munde;
Mein hoher Ruhm sei einzig dein Vergnügen,
Mein Preis und dieser Frauen Götterehre."

So muß ich singen itzt bei fremden Siegen
Nur meine Fesseln, meiner Knechtschaft Schwere,
In Blätter weben meines Jammers Kunde.
(S. 23)

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Der Spiegel

Hellem Kristall bot ich, zu offenbaren
Der Herrin ihres Bildes Huld und Reine,
Wie gern ich's in meines Herzens Schreine
Und oft versuch' in Versen zu bewahren.

Vor Lust an all' den Reizen, die da waren,
Verwandt den Blick sie nicht vom süßen Scheine,
Hangend am Aug' und weichen Elfenbeine
Und an den goldnen, schön geschmückten Haaren;

Und schien zu sagen: Wohl, nun hab' ich funden,
Wie groß mein Ruhm und wie gewalt'ge Lohe
So seltner Reiz entbrennt in Aug' und Mienen.

Und obwohl erst ein Spiel es ihr geschienen,
Sehend die Waffen, die zu spät ich flohe,
Glaubt sie nun leichter an des Herzens Wunden.
(S. 24)

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Liebesraub

Gewährst du, Amor, je, daß sanft ich drücke
Das blanke Elfenbein der weißen Hände,
Daß sich zu mir ihr Strahlenlächeln wende,
Zu mir das Wetterleuchten ihrer Blicke;

Und daß ich merke, wie aus ihnen zücke
Dein süßer Pfeil so sicher als behende,
Und wie des sanften Angesichtes Spende,
Ein Strom von Süßigkeit, das Herz erquicke;

Sei dein das Band, das um den Arm ich schweife,
Und enger meinem Herzen noch umwunden,
Der theure Raub, drein sie das Haar geschlungen.

Gewähr' den Wunsch; denn künstlich-festre Schleife
Ist keinem zu entwenden je gelungen;
Und schenk' ich's dir, doch bleib' ich drin gebunden.
(S. 25)

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 Tänzerwahn

Das ist die Hand ja, die mich trifft und schläget
Mit süßem Schlag, der Tod und Lust bescheeret,
In Liebesraub erfahren und belehret
Freundlich mein Herz als Beute dannen träget.

Den weichen Handschuh hat sie abgeleget
Nunmehr und beut der meinen unbewehret
Zum holden Pfande sich, und Frieden kehret
Und Treu', wenn anders sie Betrug nicht heget.

Doch bald, ach! scheint's, als ob sie Reu' empfände,
Umfaß' ich sie, und macht zu schnellem Scheiden
Von mir sich los, wann die Musik zu Ende.

Weh! wie sie stolz dann eilt, sich zu umkleiden
Mit duft'ger Hüll' und ich mich folgsam wende!
O flücht'ge Lust du, o gewisses Leiden!
(S. 26)

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 Der Fackeltanz

Als jüngst bei heiterm Tanz im Saal voll Prangen
Dahin in Lust die nächt'gen Stunden flossen,
Ward froher Tag in tiefer Nacht erschlossen
Durch Flamm', an Amor's Fackel aufgegangen;

Und während schnee'ge Händ' im Kreis sie schwangen,
Ward also reine Glut umher ergossen,
Daß wenig Sel'ge Freud' und Ruhm genossen,
Die Andern nichts als Neid und Schmach errangen.

Sie ward dir, grausam schöne Hand, gegeben;
Du löschtest sie, und trüb' und trauernd schwimmen
Nun tausend Blick' ob Eines Lichtes Wandlung.

Ach! wie da ändertest du Art und Handlung!
Die du sonst goldne Flammen riefst in's Leben,
Ließest in Amor's Dienst sie nun verglimmen!
(S. 27)

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 Sprödigkeit der Geliebten

Wie seiner Nymphe, die ihm spröd' entgleitet
Und umgewandelt sich verbirgt als Quelle,
Alpheus tiefhin folgt mit Liebesschnelle
Und ungesehn zum andern Ufer schreitet,

Und netzend sich um bleichen Oelbaum breitet,
Daß sich zur Gab' ihm Blum' und Blatt geselle,
Und, nimmer mischend süß' und salz'ge Welle,
Vom Meere nicht bemerkt, zum Schoos ihr gleitet;

So meine Seel', in schmerzlichem Verzagen,
Sucht nach der Herrin nur und will verehren
Lob ihr und Lied und süß Behagen,

Doch ihre Süßigkeiten kann nichts stören,
Ob mein Gedank' auch folgt in tausend Plagen,
Ein Meer durchwandernd strurmerregter Zähren.
(S. 28)

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Liebestrotz

Sie zu gestalten innerm Sinn in Treuen,
Wo fändest, Geist, du Farb' und Schatten immer?
Wie willst du malen all' der Blumen Flimmer,
Und Rosen, die ob weißem Schnee erfreuen?

Kannst rauben du aus ewig lichten Bläuen,
Vom schönsten Tag so hehren Glanz und Schimmer,
So reines Licht, so reine Glut, und nimmer
Dich vor des Himmels Rächerarme scheuen?

Kannst, wie Prometheus, Seel' und Stimme geben
Und Menschenwitz du unserm Götterbilde?
Und ein blutdürst'ger Vogel doch daneben

Ragen das Herz und pein'gen sonder Milde,
Nach größtem Wohl und Weh' nur immer streben?
Oder macht Amor dich streng und wilde?
(S. 29)

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Erdenlust

Die Seele, die nach Licht und Schönheit trachtet
Und aufwärts kühn der Liebe Fittig schläget,
Senkt ihn, weil er der Erde Fluch noch träget,
Zu dem anjetzt, was nieden wird geachtet.

Nach süßem Köder nun der Lust sie schmachtet,
Den Amor in den heitern Blick geleget,
Von Morgenros' und Perlenglanz umheget,
Daß Keiner wohl je Süß'res hat betrachtet;

Dem Vöglein gleich, das erst empor sich hebet,
Doch bald nach Futter niedersinkt zur Erden,
Wie in freiwill'ger Haft sich zu begraben.

Und unter solchen theuren Himmelsgaben
Scheint ihr so große Lust bei euch zu werden,
Daß sie bei euch sich nährt, in euch nur lebet.
(S. 30)

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 Unerwartete Gabe

In Lieb' und Glut bat ich sie unumwunden
Um Lohn für Treu' und Kühlung für die Schwüle,
Um die ich weint' und sang. Nun heiser fühle
Ich, wie mein Klagen kein Gehör gefunden.

Sie gab zwei Haare mir, kunstreich gebunden
Von Amor selbst zur Schlinge, wie zum Spiele,
In Gold gefasset und der Flammen viele
In kleinem Raum, drob mehr ich Glut empfunden.

Die Röthe ward durch Lächelns Reiz gehoben,
Des Lächelns Reiz durch Röth' und hochbeglücket
Mein Herz von heißen Knoten rings umstricket.

Ich sprach: "In Gold ist helle Glut gewoben;
Doch liebt' ich nicht, wenn ohne Flamm' ich bliebe,
Lebe die Flamm', und leben wird die Liebe."
(S. 31)

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 Muth der Liebe

Wohl seh' am Strand ein reiches Schiff ich stehen;
Der Schiffer lockt, des Meeres Wellen neigen
Sich friedlich, Süd- und rauher Nordwind schweigen,
Und lind nur kraust die Flut ein sanftes Wehen.

Doch treulos sind die Lüft' und Wind' und Se'en;
Getäuscht gab ihnen Mancher sich zu eigen
In heitrer Nacht mit muthigem Bezeigen,
Und mußte jammern oder untergehen.

Ich seh' des Meer's Trophä'n, Segel sammt Tauen
Zerborsten und die Ufer weiß sich färben
Rings von Gebeinen, höre Geister stöhnen;

Doch, muß ich für die Herrin mich vertrauen
Der wilden Flut, will mindest bei Sirenen
Ich, nur in Klippen nicht und Syrten, sterben.
(S. 32)

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Unbeständigkeit der Geliebten

Ich sah in meiner Feindin Mien' und Zügen
Wohl einst des Mitleids Regungen verkläret,
Und Glut, in der ich schnell entbrannt, genähret
Von ihr mit Hoffnungen und mit Vergnügen.

Nun weiß ich nicht, warum in neuem Fügen
Sie Stirn und Brust mit Zorn und Stolz bewehret,
Warum mit Blicken, kärglich und verstöret,
Sie dräut, bis auf den Tod mich zu bekriegen.

Ach, Keiner wag' es, ob auch heitre Blicke
Auf ebner Bahn zu führen ihn betheuern,
Hinaus, Amor, nach deinem Reich zu schicken.

Das Meer zeigt sanften Busen erst voll Tücke
Verweg'nen Schiffern, um sie dann bei Riffen
Tief zu begraben, unter Ungeheuern.
(S. 33)

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 Verzweiflung

Ich lebt' und meiner Jugend heitern Tagen
Kam Lieb' und Hoffnung, Blumen einzuweben;
Nun wankt die Hoffnung, wanket auch das Leben
Und stirbt mit ihr, die liebend es getragen.

Nicht kann der Sehnsucht heimliches Verzagen
Den hingesunk'nen Muth auf's Neu' erheben,
Und gern wollt' ich dahin dem Tod mich geben,
Kann ich das Ziel der Liebe nicht erjagen.

O Tod, o Ruh' in jedem Loos des Lebens,
Bin trockner Stamm, kann keine Zweige strecken
Mehr in die Lüft' und netze mich vergebens.

Ach! komm, o Tod, laß deinen Trost mich schmecken!
Mitleidiger, o komm, mitleid'gen Webens
Mir Aug' und starre Glieder zu bedecken.
(S. 35)

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 Unauslöschliche Liebe

Wann diesen Lichtern, diesem Haar entschwunden
Das helle Gold, der Funken heißes Sprühen,
Und scharfe Waffen, schönem Blick verliehen,
Von Jahren abgestumpft sind und gebunden,

Dann wirst du frisch noch sehen meine Wunden,
Mir nicht, wie dir, versiegt der Flamme Glühen.
Neu werden alle Liebeslaut' erblühen
Zu deinem Preis, wie in den alten Stunden.

Dem Maler gleich, der, was die Zeit begangen,
Bessert, werd' ich in hohen Sängen zeigen
Und unverkürzet deiner Schönheit Weben.

Dann wird sich's weisen, daß ob Waffenneigen
Wunde nicht heilt und Zunder Glut empfangen,
Die lebt, wann ausgelöscht, wer sie gegeben.
(S. 37)

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 Treue im Alter

Seh' einst ich winterlich mein Haar umziehen
Des Alters Schnee und kalte Reife thauen,
Und Lebensheitre, jetzt so licht zu schauen,
Mit Lebensblüte schwinden und verblühen,

Werd' ich nicht karger mich als jetzo mühen,
Der Welt dein Lob, mein Lieben zu vertrauen;
Und nie erlöschen werden noch erlauen
Die treuen Flammen, die mich drin durchglühen.

Ja, gleich' ich heiserm Sumpfvolk jetzt in Wahrheit,
Werd' ich längs deinem edeln Strom' einst gehen,
Ein Schwan, dem sich des Todes Stunden nahen;

Und gleich den Flammen, so da Kraft und Klarheit
Zuletzt, kurz vor dem End', auf's Neu' empfahen,
Wird heller die lebend'ge Glut erstehen.
(S. 38)

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 Die neue Schicksalsgöttin

Sie gleicht dem Schicksal, deren Stirn, zerstreuet
Im Wind, die goldnen Locken rings verklären,
Ja ist das Schicksal und kann Heil bescheeren
Und elend machen, wer zumeist sich freuet.

Nicht Gold etwa und Silber sie verleihet,
Nicht seltne Stein', aus weitentlegnen Meeren;
Nein, Liebesschätze, höher weit zu ehren,
Raubt, schenkt und nimmt im Nu sie ungescheuet.

Nicht blind, scheint sie für meine Jammerweise
Sich so zu stellen, und den Menschen blendet
Sie mit zwei Lichtern flimmernd, klar und helle.

Du fragst, welches das Rad, auf dessen Welle
Sie Liebende im Schweben hält und wendet?
Das Rad denn sind der schönen Augen Kreise.
(S. 39)

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Als sie sich nach Commacchio begab

Durchspähet all' der weiten Erde Quellen,
Durchforscht, o Nymphen, die geheimsten Minen,
Der Wogen Köstlichstes und, neben ihnen,
Den kleinsten Sand und salz'ge Uferstellen!

Bringt Alles ihr, die wie aus Schaum der Wellen
Einst eure Göttin, so in Stimm' und Mienen
An hohem Strande herrlich jetzt erschienen,
Schönsten Sirenen mindest gleichzustellen.

Wo aber gibt's Korall- und Perlengabe,
Purpur und Gold, die sie, mit stolzer Weise
Sich selbst nur liebend, all' nicht müßt' verachten?

Haben doch nimmer eure alten Schachten
So Fremd- und Eignes, daß in kleinem Kreise
Sie nicht bei weitem Herrlicheres habe!
(S. 40)

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Schlimme Vorzeichen

Gleichwie der Schiffer, auf den Glanz der Frühe,
Auf lichte Stern' und Mondes Helle bauend,
Oder um ihn die dunkle Wolke schauend
Und sehend, wie sie bluthroth ihn umglühe,

Die Zeit erkennt, wo er dem Sturm entfliehe
Und wilder Brandung, schreckhaft ihn umgrauend,
Oder, dem ungewissen Glück vertrauend,
Mit theurem Kiel das Wogenfeld durchziehe;

So muß ich in dem Wandel eurer Brauen,
Die heiter bald und bald umwölkt zu sehen,
Wechselnd der Fahr und Rettung Zeichen schauen.

Doch stetig will kein Lüftchen draus mir wehen;
Drum muß ich oft mich anderm Schluß vertrauen,
Zum Einziehn meiner Segel mich verstehen.
(S. 41)

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 An Lucrezia Bendidia, beim Tode ihres Vogels

Der Vogel, der so süße Melodieen
In seiner Haft von dir sich abgehöret,
Lag todt im Schoose dir, und schön geehret
War sel'ger Tod, dem Thränen du verliehen.

Ich Schwan in meiner Haft (sei es verziehen,
Wenn stolzes Wort der kühnen Lipp' entfähret!)
Ich lern' und singe, was mich Amor lehret;
Doch hat weit andres Schicksal mein Bemühen.

Ich sterbe oft, und härter ist die Weise;
Denn ich ersteh' zu Leid', und kann deswegen
Doch in so schönem Schoos kein Grab erlangen;

Und Augen, die benetzt mit vollem Regen
Ihn, der vom Indus fern gemacht die Reise,
Sind karg mir; kann kein Tröpflein auch empfangen.
(S. 42)

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Nest der Liebesgötter

Du scheidest, Schwalb', und kommst nur jährlich wieder,
Ein Nest dir für den Sommer zu gewinnen,
Und läßt im Winter drauf dich, fern von hinnen,
An andrer Küst', am Nil, in Memphis nieder.

Doch ich, ob Frost, ob Hitze drückt die Glieder,
Nist' Amor stets in meinem Herzen innen,
Als wären ihm der Mutter heil'ge Zinnen,
Gnidos und Paphos Altarpracht zuwider.

Hier fiedert er sich ein und brütet Junge,
Dann durch gesprengte Rind' an's Licht gestiegen,
Läßt Amorettchen hold und klein er fliegen.

Nicht kann sie zählen Feder oder Zunge,
So groß der Schwarm und all' in Einem Herzen,
Unsel'gem Nest zahlloser Liebesschmerzen.
(S. 43)

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Auf ihren Fächer

Zu kühlen euch so Brust als lichte Wangen,
O holde Herrin, in den heißen Tagen,
Lassen die Flügel, glanzreich aufgeschlagen
Meanders und Cephisus Schwäne prangen;

Auch der der Federn reichste Pracht empfangen,
Die Argus hundert Augen farbig tragen;
Ja Amor will den seinen gern entsagen
Und ruht bei euch von Schattenlust umfangen.

Auch Zephyr kommt, wenn Jenes nicht genüget,
Streut Ros' und Lilj' auf euch in süßem Spiele
Und luftig sich in euren Flechten wieget.

Wer aber ist's, der diese Gluten kühle,
Womit ihr mich so Tag als Nacht bekrieget,
Wenn ich in Seufzern Flammen nur erziele?
(S. 45)

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Unbillige Forderung

Sie fordert Lieb', und will mich dennoch zwingen
Zu einem unverbrüchlich strengen Schweigen;
Doch kennt sie nicht die Wehen, die mich beugen,
Wie kann sie Hülfe, wie nur Lind'rung bringen?

Wie mag es, wenn es innen glüht, gelingen,
Daß meine Schmerzen sich nicht außen zeigen,
Daß meine Flammen nicht nach außen steigen
Strahlend, wie sie aus Aetnas Tiefen dringen.

Schweigen? Ich kann und werd' es. Aber stillen
Der Wunden Blut, löschen der Flammen Helle,
Sie fordr' es nicht; ich könnt' es nicht erfüllen.

Zu tiefe Wunden hat sie mir geschlagen,
Zu viel der Glut an kleiner Stelle;
Zeigt sich's, mag sie Natur und sich verklagen.
(S. 46)

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 Unbefriedigte Sehnsucht

Wie heim die Sonne kehrt, wo sie begonnen,
So hehr ein Strahl aus euern Augen lachte,
Der hell Gemüth mir und Gedanken machte
Und zu Euch heimfliegt, meinem Aug' entronnen;

Und wie zurück das Bildniß gibt der Sonnen
Ein treuer Spiegel, den zur Glut sie fachte,
Geb' ich zurück euch, weil ich schwind' und schmachte,
Den Strahl und, Echo gleich, der Rede Wonnen.

O hart Gesetz, daß ich so meine Triebe
An euch entzünd' und euch als Ziel bekommen,
Dran ich in Liebeslust und Weh mich übe!

Für mich nicht war't ihr freudig, nicht beklommen;
Ach! kehrte wieder sich zu mir die Liebe,
Die in euch ruht, ihr End' in euch genommen!
(S. 47)

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 Liebesnetz

Woraus soll ich das holde Netz beginnen,
Die flücht'ge Lust, o Liebe, zu besiegen,
Die nicht durch List noch Schlinge zu betrügen,
Die Flammen sich und Durst mir zündet innen?

Aus offner Klag' oder aus stillem Minnen?
Aus Schmeichelworten oder werthen Lügen?
Soll ich's aus Thränen, süß vergossen, fügen?
Aus traur'ger Weis' oder aus heitrer spinnen?

Wo stell' ich's auf? da, wo im Winde schwinget
Sein schönes Haar ein Lorber unter Schatten?
Oder in Gräser auf smaragdnen Matten?

Ach! dem kann Fried' und Ruh' sich nimmer gatten,
Der nach dem Lüftchen hascht, es preist und singet,
Und sich allein nur bindet und umschlinget.
(S. 48)

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Vergebliche Mühe

Von hoher Stirn in goldnen Ringeln flossen
Leuchtend die Haar', und schöner Augen Strahlen
Brachten duftreichen Mai der Erde Thalen,
Durch Herzen ward wie Sommerglut ergossen;

Dem weißen Busen schmeichelnd angeschlossen,
Scherzt' Amor, aber ließ ihn ohne Qualen,
Und säuselnd flüsterte zu vielen Malen
Anmuth'ger Rede Hauch durch Rosensprossen.

Ich, als ich Himmelsschönheit sah' auf Erden,
Verschloß mein Aug' und sprach: "Ach, wie befangen
Sind Blicke, die sie zu betrachten wagen!"

Zu spät mußt' ich des Schlimmern inne werden;
Denn nun durch's Ohr ward mir das Herz geschlagen,
Und Rede drang, wohin kein Blick gegangen.
(S. 50)

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 Als er sie auf einem Maskenballe gesehen

Dem Anblick war das blonde Haar entzogen,
Das schöne Weiß, der Rosenröthe Prangen,
Verhüllt der Mund, draus süße Düfte drangen,
Zwischen Rubin und Perl' aus ind'schen Wogen.

Ein kleiner Raum nur hielt in engem Bogen
Anmuth und Würd' und Majestät umfangen,
Und nur in dir war Amor aufgegangen,
O göttlich Aug', und spannte seinen Bogen.

Und also blendend waren mir die Strahlen,
Daß ich, versenkt in staunendes Behagen,
Den Pfeil nicht merkte, noch der Wunde Qualen.

Weh! wer betrügt mich? mußt' alsbald ich sagen;
Ihr heitern Stern' in Lebens dunkeln Thalen,
Irr' ich, habt ihr die Schuld und ich die Plagen.
(S. 51)

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 Als sie sang

Haltet das Aug', o Kranke dieser Erde,
Nach ihr, der schönen Himmlischen, erhoben,
Die also reines Erdenkleid umwoben,
Daß gleich sie ist den Engeln an Geberde.

Seht, wie zu Gott sie strebt, daß frei sie werde,
Die Flügel breitet nach den Sternen droben
Und freundlich uns die Wege zeigt nach oben
Aus diesen Thränenthalen voll Beschwerde.

Hört ihren Sang, der wohl viel anders klinget,
Als der Sirenen Stimm' und träge Seelen
Dem ird'schen Schlaf entreißt und niedrer Sitte.

Hört, wie zu euch ihr Ruf von oben dringet:
"Auf, folget mir! mit mir nicht können fehlen,
O ihr der Erde Pilger, eure Schritte!"
(S. 52)

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 Der Liebe Allmacht

Weltseel' ist Lieb' und Weltgemüth, und führet
Die Sonn' im Kreis und die Planeten alle
Zum Tanze nach der Himmelsleier Schalle,
Langsam und schnell, wie's jeglichem gebühret.

Feuer und Wasser, Erd' und Luft regieret
Und nähret sie, gemischt dem großen Alle;
Drum wünscht der Mensch und zürnt und zagt dem Falle,
Wechselnd von Hoffnung, Lust und Schmerz gerühret.

Doch ob sie Alles schaff' und lenk' und führe
Und ihre Strahlen sende durch das Ganze,
Hat sie doch mehr der Macht an uns entfaltet,

Und sich, als wären's himmlische Reviere,
Ein Haus erbaut in eurer Augen Glanze
Und dieses Herz zum Tempel sich gestaltet.
(S. 53)

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Alte Liebe

Herrin, ob auch mein Haar vollauf schon heget
Des kalten Schnees, das Herz drum nicht erkaltet;
Das weiß Amor, der schweigend in ihm schaltet
Und seine Gluten drinnen wahrt und pfleget.

Auch Aetna so auf hohem Rücken träget
Schnee rings und Eis, weil die Glut nicht altet,
Und in dem Kiesel, kalt von außen, waltet
Das Feuer, so Natur hineingeleget.

Wohl, wenn aus schönen Augen mich zuweilen
Ein Pfeil getroffen, fühl' ich angeflogen
Von den geheimen Gluten meine Wangen.

Doch sparst die Wunden du und wehrst den Pfeilen,
Von Mitleid oder Zorn vielleicht bewogen,
Daß altem Mann gegeben solch Verlangen.
(S. 54)

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 Selige Gefangenschaft

Herrin, da mein Geschick euch nachzudringen
Verbietet und den Fuß in Fesseln leget,
Folgt doch das Herz, wohin ihr euch beweget,
Das andre Band', als Locken, nicht umschlingen;

Und macht's wie Vöglein, so da schlägt die Schwingen
Nach dem, der süße Speis' in Händen träget,
Harrend der Kost, so euer Auge  heget,
Und ist drum nimmer von euch abzubringen.

Nehmt es denn auf und laßt es freundlich leben
In euern Schoos, auf daß es da verbringe
Als seliger Gefangner seine Tage!

Vielleicht, daß dann sein süßes Lied es singe,
Und euern Namen durch das Land hintrage,
Das Adria's und Tyrrhener-Flut umgeben.
(S. 56)

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An Victoria, als sie sang und spielte

Die schöne Hand, die bald in leichten Sprüngen,
Bald langsam ernst tonreiche Saiten schläget
Und draus vielfältig holde Kläng' erreget,
Dazu, drin Liebe lebt, dein süßes Singen,

Sind süße Waffen, die in's Herz mir dringen,
Daß Todesangst es nun und nimmer träget
Und, froh im Schmachten, eine Furcht nur heget,
Daß seine Schmerzen außen wiederklingen.

Drum bald hier eine Wund', um stets zu schmachten,
Bald eine andre wieder dort erneuet
Wahre Victoria, wahrhaft sieggeschmücket;

Und so nach Kummer steht der Seele Trachten,
Daß, was zumeist verletzt, zumeist sie freuet,
In Seufzern froh, im Jammer hochbeglücket.
(S. 57)

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 Als er sie am Flusse lustwandeln gesehen

Ein Nymphlein, theuer Cynthia's Waldgenossen,
Sah' ich, wie dort am Strand sie Blumen pflückte;
Doch nach so vielen nicht die Hand sich bückte,
Als rings im Gras die weißen Füß' erschlossen.

Zerstreut die schönen goldnen Locken flossen,
Draus Amor mehr denn tausend Netze strickte,
Und ihrer Rede süßer Hauch erquickte
Bei Gluten, die aus Augen sich ergossen.

Um sie zu schauen, hielt die Brenta innen,
Ließ schönen Lichtern und den blonden Haaren
Ihren Kristall als Spiegel sich erhellen,

Und sprach: "Gehst, holde Nymphe, du von hinnen,
Flieht zwar so schönes Bildniß aus den Wellen,
Doch wird das Herz dein Abbild stets bewahren."
(S. 58)

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 Aurora

Mein Frühroth, das, von schwarzer Hüll' umgeben,
Die Nacht mir hellt und jedem Schreckniß wehret
Und meines Geistes Blüten, all' versehret
Von Thrän' und Brand, zurückeruft ins Leben,

Weckt mich und heißt mich neuen Sang erheben;
Und, wie der Vogel früh vom Lager fähret,
Den Tag begrüßt, preisend zum Licht gekehret,
Knie' ich und bet' und preis' Aurorens Weben.

Die Zung', ein Weilchen stumm, dann ihre Töne
Gewohnt zu bilden nur aus Gram und Leide,
Schallt jetzt von meiner Lust und ihrem Lichte:

Nährendem Gottesstrahl, wahrhafter Schöne,
Die brennt, doch nicht verzehrt und neue Früchte
Der Liebe nur erzeugt, Frieden und Freude.
(S. 61)

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 Minnedienst

Herrin, ich gab von meinem treuen Pflegen
Ein Zeichen euch, drin, wie durch Glas, verkläret
Mein Herz ihr säh't, dem Freude nur gewähret,
Was euch zu Lust und Freude kann bewegen.

Euch, Grausame, war es vielleicht entgegen,
Oder dem Blick, den Strenge von mir kehret
Und Zorn verhüllt, entging's. So ihr begehret
Größern Beweis, ich denk' ihn abzulegen.

Was tapferer Thebaner einst erlitten
Mühseliges, drein gern ich mich ergebe,
Kann Wahrheit Glauben sich dadurch erwerben

Wenn Leben nicht, enthülle Tod inmitten
Der Flammen meine Treue; leicht wird Sterben
Im Feuer sein, drin ich jetzt schmachtend lebe.
(S. 62)

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 Auf ihre Lippen

Die Lippen dort, die Rosenfarbe tragen
Und weich und schwellend sich nach außen regen,
Hält, glaub' ich, Amor's Kunst so süß entgegen,
Ladend voll Trug zu Kuß und zu Behagen.

Verliebte, naht euch nicht mit frevelm Wagen,
Wo er in Blumen liegt, wie Schlangen pflegen,
Um seine Gift' in eure Herz zu legen!
Ich seh' den Stolzen, kann's euch warnend sagen.

Ich, in der Liebe Schlingen oft gefangen
Vormalen, kenne sie nun allzusammen,
Und ihr sollt, Jünglinge, von mir sie lernen.

Wie Tantal's Aepfel nahen dem Verlangen
Die Rosen, um gleich drauf sich zu entfernen;
Nur Amor bleibt und hauchet Gift und Flammen.
(S. 63)

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 An Leonore von Este

Der Purpurrose warst in deinem Maie
Du gleich, die ihren Busen nie den lauen
Strahlen eröffnet, nur sich zu umbauen
Mit Blättern sinnt in jungfräulicher Scheue.

Oder (daß ich kein Bild dir leihe)
Warst himmlischer Aurora gleich zu schauen,
Die Höhen goldet und beperlt die Auen
Und thauig niederstrahlt aus lichter Bläue.

Durch Lenzesflucht hast du nichts eingebüßet;
Und, wie verabsäumt du, - im schönsten Kranze
Kann Jugend nicht obsiegen dir noch gleichen.

So wächst die Blum' an Pracht, wann sie erschließet
Den duft'gen Kelch, und immer muß an Glanze
Dem Mittagslicht die Morgensonne weichen.
(S. 64)

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 Offenbare und verhehlte Liebe

Wer brennt in Flammen, die nicht rein und gut,
Und sie mit trüben Erdenstossen nähret,
Der berg' in tiefster Tiefe, was ihn zehret,
Daß sich kein Fünkchen kund nach außen thut!

Doch wer, entflammt von himmlisch reiner Glut,
Von jedem ird'schen Fleck sich reint und kläret,
Verschließe nicht das Feuer, das ihn ehret! -
Auch du nicht lobst es, Amor, wenn er's thut.

Denn, wenn durch dich sich Wer erhebt und reint,
So sollen's All' erkennen und ermessen,
Was du vermagst durch zweier Augen Stärke.

Und birgt er's dennoch, neidisch dann nur scheint
Auf deinen Ruhm er; denn in blind Vergessen
Versenkt er schnöde deine schönsten Werke.
(S. 69)

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 Aufforderung

Hielle, laß uns leben, Lieb' erwählen!
Sei Epheu, der den theuern Stamm umschlinge;
Küssen wir, und die Küss' und süßen Dinge
Erzähle nur, wer Sterne wagt zu zählen!

Ja, küssen sollen auch sich unsre Seelen;
Amor sei Bildner, der sie schmelz' und zwinge,
Daß sie verschmolzen nur Ein Geist durchdringe,
Im Hauch und Rede beide sich vermählen.

O theure Salmacis, wie Pflanz' in Pflanze
Sich propft, das Birnenzweig' ob Eschen ranken,
Eins durch das Andre Reiz empfängt und Adel,

So prang' ich nun in deiner Farben Glanze,
So leih' dein Herz von mir sich die Gedanken,
Und uns gemein wird Feder sein und Nadel.
(S. 74)

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 Geständniß

Gespornt von jener Sehnsucht, welche führet
Die Seelen gern zu süßen Liebesscherzen,
Versucht' ich viel der Frau'n, und Vieler Herzen
Fand weich ich, Wen'ge blieben ungerühret.

Doch hab' ich nimmer Bleibendes erküret
In Stetigkeit; ein unbeständig Scherzen
War meine Lieb', ein Glüh'n ohn' Brand und Schmerzen,
Bis euer Bild ich sahe, hochgezieret.

Doch kaum ließ euer süßer Blick sich schauen
Den Augen und entzündete mich drinnen,
Als Flammen unauslöschlich mir sich regten.

Wohl werd' ich's, o mein höchstes Glück, nun innen:
Ich glüh' und brenn', um nimmer zu erlauen. -
Amor, ich fleh', sei mild dem Glutbewegten!
(S. 76)

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 Liebestäuschung

Eis geb' ich Herz und Brust zum Waffenkleide,
Und zornesfroh, doch sträubend dem Verlangen,
Zieh' ich zum Liebeskampf mit scheuem Bangen,
Ein Kriegsmann so von Argwohn voll als Neide;

Kaum aber wird mir eures Anblicks Weide
Und heißt als Pfand die Hoffnung mich empfangen,
Seh' Zeichen alter Lieb' ich aufgegangen,
Und glüh', und Glühen ist mir Lust und Freude.

Denn falsche Lust mäßigt wahrhaftes Glühen,
Und mildes Wehn verheißt und süße Quellen
Sie meinem Durst mit schmeichlerischem Winken.

Und wie der Krank' im Schlaf die heißen, schnellen
Begierden scheinbar sänftiget durch Trinken,
So muß aus Wahn und Schatten Trost mir blühen.
(S. 77)

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 Der neue Phönix

Das schöne Goldhaar, das, so hold verschlungen,
Die Schläfe dir, Andern die Herzen bindet,
Und jener süße Lichtglanz, hell entzündet,
Der schönen Hals so lieblich hält umrungen,

Daß von Natur dir eine Kron' entsprungen
Und ein natürlich Halsband dich umwindet,
Machen, daß jeder gleich den Namen findet,
Der rings dir laut ertönt von allen Zungen.

Unsterblichen und fremden Phönix nennet
Dich, wer es weiß, woher die Ehren stammen,
Darob der Preis dir ward vor allem Schönen.

Phönix, nur darin nenn' ich Sieger jenen,
Daß, wenn der Lebensglut allein entbrennet,
Du grausam nur erweckst des Todes Flammen.
(S. 78)

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 Das verlorene Herz

In schönem Wald, drin Zweig' an Zweig' sich schmiegen
Und freundlich schattend Ranken sich umfangen,
Ließ Amor, eifrig, Seelen einzufangen,
Zwei goldne Flechten sich zu Netzen fügen.

Mein Herz, das zweien Lichtern voll Vergnügen
Auf trügerischen Spuren nachgegangen,
Blieb, wie ein Wild, in schönen Schlingen hangen,
Die in dem Schatten tief verborgen liegen.

O süße Schling'! o Netz und Waldbehagen!
O Jäger, der du mir das Herz geraubt,
Wo mag'st du's grausam nun verborgen haben?

Ich kehre nur, um oft mit euch zu klagen
Und es zu suchen, ob es wo umlaubet
In Gras und holden Blümlein sei vergraben.
(S. 80)

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 Zwiegespräch

Amor, welch Netz fing mich in seinen Schlingen? -
"Die krausig goldnen Locken deiner Frauen
Und freundlich Grüßen, wie aus fernen Auen,
Sind Ham' und Köder, die das Herz umfingen." -

Was konnte mich um mein Bewußtsein bringen? -
"Lächeln und Mienen, göttlich anzuschauen,
Lilien und Rosen ohne Wintergrauen,
Die ersten Ruhm der Lenzeszeit entringen."

Und diese Pfeile, die mein Herz durchzücken? -
"Sind holde Sitten." – Glut, drin ich gefunden
So süßes Weh? – "Ist Flamm' aus ihren Blicken!" -

Und Band und Kette, die mich so gebunden? -
"Das sind die Laut' und Lieder zum Entzücken,
Womit die Wildesten sie überwunden."
(S. 81)

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 Eigner Schmuck

Herrin, durch welche Amor triumphiret,
Wohl sollt' ein edler Kranz dein Haupt umflechten;
Wo aber sind die Zweig? in welchen Nächten
Birgt sich das Gold, dem solcher Ruhm gebühret?

Drum läßt mit Fug dich kalt und ungerühret
Gering're Zier, die Andre fernher brächten;
Denn nur das Gold von deinen blonden Flechten
Kann Kranz dir sein, der würdiglich dich zieret.

So reich gestaltet weben die und wallen,
Daß sich nicht mehr der Phönix rühmt alleine,
Wie ein natürlich Diadem er trage.

O möcht' es, neuer Phönix, dir gefallen,
Den Busen zu enthüllen, daß man sage,
Halsschmuck sei hier ureigner Schönheit Reine!
(S. 82)

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 Des Verbannten Klage

In fremden Landen lag Ulyß verschlagen,
Trauernd und nackt an trocken Uferstellen,
Umhergeworfen kurz zuvor auf Wellen,
In denen langen Hunger er ertragen,

Als – nach des Schicksals Schluß – den großen Plagen
Die Königstochter kam ein Ziel zu stellen;
"Wo gutem Vater ew'ge Früchten schwellen,
Zum Garten," sprach sie, "geh', dort winkt Behagen!"

Wer aber soll mir Armen Hülfe reichen?
Schiffbrüchig, wie ich lieg' am Strand, mir weisen
Das königliche Dach, die reichen Beete,

Thust du es nicht, zu der so oft ich flehte?
Doch soll ich, Herrin, Heilige dich preisen?
Göttin, Göttin bist du! ich seh' die Zeichen!
(S. 83)

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 Aus der Verbannung

O schöne Herrin, deine holden Wangen
Hat Glanz aus Paradiesen so verkläret,
Daß, wann mein Geist nach ihnen hin sich kehret,
Mir alles Gute drin scheint aufgegangen.

Und wär' nicht trüb ein Wölkchen drum gehangen,
Das zwischenliegend mir den Anblick wehret,
Ich hoffte, schaut' ich lang und ungestöret,
Mein Herz zu heitern, das von Leid umfangen.

Ach, woll' es, schöne Herrin, nicht verschmähen,
Zu tragen mein Gebet dahin, wo Einer
In Hulden es empfängt und Gnade übet!

Denn voll von dir ist jeder Geist der Höhen,
Und selbst der höchste Gott so sehr dich liebet,
Daß er nur gnädig ist in Rücksicht deiner.
(S. 85)

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 Keuscher Sinn

So heiße Sehnsucht nimmer mich regieret,
Daß Muth sie lieh' zu kühnstem Unterfangen,
Und ladet auch die Schönheit zum Verlangen,
Weist Zucht zurück und lehrt, was sich gebühret.

Auch ist so kleines Leid mir nicht erküret,
Daß es die Seel', in Thorenlust befangen,
Vergäß', und ab vom schönen Pfad gegangen,
Den Weg durchirrte, der in's Elend führet.

Die holden Glieder pries ich oft und immer,
Die innrer Schönheit glüher Strahl durchfunkelt,
Wie reines Sonnenlicht der Wolken Schleier;

Doch niemals zündete der holde Schimmer
Im Busen mir ein eitel sünd'ges Feuer;
Denn Amor's Fackeln sind für mich verdunkelt.
(S. 86)

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 An Lukrezia von Este

Durch schönsten Schleier, den Natur gesponnen,
Glänzt mir ein glüher Tugendstrahl entgegen,
Wie Mittags oft die Strahlen auch der Sonnen
Durch leuchtend weiß Gewölk zu dringen pflegen;

Und wie den Wandrer die zu heitern Wonnen
Leiten aus schaurig-düstern Waldgehegen,
So führt uns der zum rechten Strahlenbronnen,
Zum wahren Ost auf ebnen, sichern Wegen.

Drum eurer Schönheit Glanz zu allen Zeiten
Muß, wer zur Höh' will von der Erden fliegen,
Betrachten und von ihm sich lassen leiten;

Doch hab' er Adlerblick und Kraft, zu siegen
Ob Erdenschlamm, weil solche Herrlichkeiten
Zwei kranke Augen nimmermehr ertrügen.
(S. 87)

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 Neues Leben

Nie stand der Mond so rein ob Erdenthalen,
Sah nie so leuchtend durch die Nacht von oben,
Wie sie, von nächtigem Gewand umwoben,
Die Höh' erleuchtete mit tausend Strahlen.

Ich, dem, gleich starrem Schnee und Eis, zumalen
Lebens Empfindung und Gestalt zerstoben,
Entbrannte ganz und muß mein Glück nun loben,
Daß solche Gluten mir in's Herz sich stahlen.

Denn Lebenslust und heil'ge Flamm' empfing' ich
Von ihr, so daß nun Seel' und Herzenstriebe
Auf's Neu' im trägen Körper Wohnung nahmen.

So durch sie neugeboren leb' und sing' ich
Mein Heil und meinen schönen, lichten Namen,
Ein neu Geschöpf und Wunderwerk der Liebe.
(S. 90)

___________

 

 Als sie erblaßte

Ich sah' die himmelischen, stolzen Wangen,
Von da empor sonst tausend Flammen schlagen,
Erbleichen und dem Blick die Glut versagen,
Und Lächelns lichten Glanz zumeist vergangen.

Mein schwaches Auge, das dem Strahlenprangen
Selten sonst nahte, konnte nun ertragen
Das Feuer und empfand ein süß Behagen,
Wie Edens sel'ge Kinder es empfangen.

O Liebesfarb'! O hold und werth Erbleichen,
Drob Neid und Zürnen fühlt die Morgenröthe,
Daß Rosen minder schön ihr Antlitz schmücken!

Wohl hätt' ein Glück ich funden sonder Gleichen,
Wenn, wie von außen Liebe zu erblicken,
Ihr Herz auch deß ein kleines Merkmal böte.
(S. 91)

___________

 

 Das Bild

Kein Meister wagt', im Bildniß abzuschatten
Dein Augenlicht, das Gold von deinen Haaren,
Den Schatz nicht, den zwei Lippen offenbaren,
Noch Rosen, die mit Lilien sich gatten;

Nicht waren werth Metall- und Marmorplatten,
Dein Aug' und seinen Schimmer zu bewahren;
Drum, da die Kunst zu scheu und unerfahren
Zu solchem Werk', wollt' es Natur erstatten,

Und schuf aus dir nun selbst, aus deinem Blute
Ein lebend Bild und ließ ob kleinem Munde
Holdsel'ge Dinge seltner Art entstehen;

Liebäugelnd siehst du's an mit frohem Muthe,
Und lächelnd hat es dich erkannt zur Stunde
Und in dem Lächeln All' die Mutter sehen.
(S. 92)

___________

 

 An die Ferne

Ich liebte nah; nun muß ich glühn und tragen
Funken im Busen, die das Feuer mehren,
Das Zeit nicht noch Entfernung kann zerstören,
Wollt' ich auch tausend Lande rings durchfragen.

Denn fern noch, in Erinnrung voll Behagen,
Werdet die Glut ihr, sanfte Lichter, nähren,
Und ach! euch kümmerts nicht, ihr lacht der schweren
Wunden sammt weißer Hand, die sie geschlagen.

Und ob ich mich durch ferne Lande triebe,
Doch in den reichsten Fluren, rauh'sten Thalen
Wär' Glut es und Erinn'rung, was mir bliebe.

In Myrten will ich euch und Lorber malen;
Und wenn in andern Reizen dräut die Liebe,
Sind euer Abbild sie und eure Strahlen.
(S. 93)

___________

 

 Die Feuersbrunst

Die Dächer lohten, Dampf und Gluten schwollen
Ringsum in finstern Wirbeln mir entgegen;
Ich seufzte heiß, während mit dumpfen Schlägen
Vom Thurm die Glocken durch die Nacht erschollen;

Als ich von einem sanften, mildevollen
Antlitz der Wünsche Brunst mir fühlt' erregen;
Und nun, wohin sich Aug' und Fuß bewegen,
Seh' ich von tausend Strahlen mich umquollen.

So hat prophetisch Liebesglut verkündet
Die nächt'ge Flamme, und es wuchs mein Feuer,
Als schon gemach das andre sank danieder.

Und daß ich glühte, war mir nicht zuwider;
Also behagt die Art, wie Lieb' in neuer
Gestalt durch Flammeneng' Ein Herz entzündet.
(S. 94)

___________

 

 Erscheinung der Geliebten

Gleichwie voraus Aurora zieht der Sonnen
Und rings die Menschen weckt zu Müh' und Qualen,
So aus dem Schlaf rief's mich auch dazumalen,
Und Noth und Arbeit hatte nun begonnen.

Und wie die erste Frühe hält umsponnen
Die Luft mit ihren Purpurstrahlen,
So mußte roth mein Antlitz auch sich malen,
Und Winterblässe war alsbald zerronnen.

Und wie das Roth mit schnellem Uebergange
In Geld sich wandelt bei Apollo's Nahen,
Bleicht', als die Sonne kam, auch meine Wange.

Ich fühlte süßen Schlag mein Herz empfahen
Von ihrem Blick und von der Worte Klange,
Die mich zum Ziel gleichtzeitig ausersahen.
(S. 99)

___________

 

 An eine Spröde

Grausame Phillis, spröd' und sonder Fügen,
Vor allen Spröden, voller Zorn und Tücken,
O wende dich zu mir mit sanftern Blicken,
Bist du lebend'gem Kiesel nicht entstiegen,

Und laß nun hier, wo Alles so verschwiegen,
Auf deinen Engelsmund, den Rosen schmücken,
Mich meinen schmachtenden und heißen drücken,
Lechzend vor Durst mich Lipp' an Lippe schmiegen.

Doch eh' sein Auge wollt', als dich, vermissen,
O laß der Liebeshoffnung Blüt' ihn schauen,
Als kurzen Trost für also lange Zähren;

Denn Einer schon von deinen theuern Küssen
Müßt' aller Samen auf mich thauen
Und meiner Zunge süßen Sang gewähren.
(S. 100)

___________

 

 Seelenreiz

Nicht Kron' und Zepter, Goldgewand und Spangen,
Nicht edle Steine, Purpur, Schmelz und Seide
Sind euer Schmuck, sind euer Prachtgeschmeide,
Nicht niedrer Ruhm und kurzes Erdenprangen,

Nicht süßer Blick, nicht Lächeln auf den Wangen,
Nicht Sang, zu künden uns der Seele Freude,
Nicht, daß sich drein die Wehmuth schimmernd kleide,
Thränen der Lieb', als Perlen aufgegangen;

Der schöne Geist ist's, der vom Himmel stammet
Und himmelwärts fliegt aus der Erde Thalen,
Die seltnen sind's, die stolz-demüth'gen Sitten

Und des Gemüthes Sonne, die entflammet,
Gleich reiner Himmelslichter hellen Strahlen,
Die schönsten Tugenden in Herzens Mitten.
(S. 101)

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 An ihre Hand, als er sie sticken gesehen

O schöne Hand, die in beglückten Zeiten,
Von edeln Steinen, süßem Duft umrungen,
Den seidnen Stoff und unser Herz durchdrungen
Und Wunden ausgetheilt nach allen Seiten!

Als später ich zum Busen sahe gleiten
Der Farben Pracht, Gestalten vielverschlungen,
Sprach ich: "ein Wiesenplan ist dies von jungen
Lenzblümlein, Schmach den andern zu bereiten."

Doch sammelt' ich mich und erkannt', entfaltet
Im Schleier, wunderbarer Kunst Gebilde,
Ein sinnreich Werk, von Engelhand gesticket,

Gleich jener Hand, die in den Höh'n gestaltet
So herrliche Gebild' und weis' und milde
Die dunkle Nacht mit lichten Sternen schmücket.
(S. 103)

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An Lucrezia Bendidio

Du Göttliche, die, wirkliche Sirene,
Im Thränenmeer deß, der dich liebt, du lebst
Und feuchten Zins von diesem Aug' erhebst,
Das – ach, durch Andre! – Qual nun kennt und Thräne!

Wenn zwischen Perlen und Rubinen Töne
Zu Tönen du voll Süßigkeiten webst
Und, wie vermittelnd, drin zum Himmel schwebst,
Auffordend jedes Herz zum Leid für's Schöne,

Gebannt dann schweigt die Seel' im Reich der Klänge,
Entbrannt von deines Auges heitern Blitzen,
Das zu uns keinen Winter läßt herein.

Die Arme! was vermag sie noch zu schützen,
Als, wenn sie fleht: O laß nur minder strenge
Die Haft mir werden, muß sie ewig sein!
(S. 104)

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 Des Blickes Gewalt

Gewährt mir Amor ihrer Augen Schein,
Dann blickt sie wie aus überird'scher Höhe,
Daß mit verschloßner Glut ich vor ihr stehe,
Und bang mein Herz sich wandelt wie in Stein,

Die Lippe schweigt, kein Seufzer nennt die Pein,
Der Fuß dann weicht zurück; doch wer mich sähe,
Er läs' in meinem Angesicht mein Wehe,
Gegraben ihm, wie weißem Marmor, ein.

Wohl liest auch sie es, und, in sanften Tönen
Ermuthigend, auf daß ich sprech' und wage,
Entkleidet sie sich ihrer Göttlichkeit;

Doch dieses schon erfüllt so ganz mein Sehnen,
Daß ich nicht habe, was ich wünsch' und sage,
Und um ein Lächeln dulde jeglich Leid.
(S. 105)

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 An Angioletta

O holdes Englein, könntest du durchdringen
Mit deiner Augen Liebesglanz die Nacht,
Die mich umfängt, und dieser Schrecken Macht,
Darin mein Leben matt versiegt, bezwingen.

Ich glaub', ich flög von fern mit neuen Schwingen
Dem Glanze nach, auf schnelle Flucht bedacht,
Ein Vogel, der der Morgenröthe Pracht,
Von ihr verklärt, begrüßt mit frohem Singen!

Gib, liebes, holdes Götterkind, mir nur
So viel von deinem süßen Licht – ich bitte! -
Daß meine Nacht ein wenig sich erhelle,

Um ach! aus dieser engen sinstern Zelle
Zu folgen deines Schimmers lichter Spur
Zu Waldnacht oder einer niedern Hütte!
(S. 106)

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 An Dieselbe

O Englein hold, in deinem Angesichte
Malt sich ein Glanz aus Paradiesesauen;
Ich meine jeglich Erdenglück zu schauen,
So oft ich drauf nur die Gedanken richte.

Und legt nicht eine Wolke, trüb und dichte,
Sich zwischen uns, so hoff' ich voll Vertrauen,
Daß sich mein Herz, das Leid umhüllt und Grauen,
Bei solchem Anblick wieder klär' und lichte.

O Angioletta, mög' es dir gefallen,
Dahin, dahin zu tragen meine Bitten,
Wo Einer ach vielleicht erhört die armen!

Du bist im Himmel ja so wohl gelitten,
Geliebt und hochbegünstigt dort vor Allen,
Und ohne dich kann Zeus sich nicht erbarmen.
(S. 107)

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 Sehnsucht nach der Entfernten

Jetzt da mein Lüftchen weht auf andern Auen,
Da müßte wohl ein Herz von Eisen haben,
Wer einsam hier sich dächte zu vergraben
Im dunkeln Thal voll Elend, Zorn und Grauen.

Kein Strahl der Schönheit ist dahier zu schauen;
Bäu'risch treibt Amor unter Hirtenknaben
Die Heerd' und führt, wie es die Zeiten gaben,
Sichel und Karst, ein karges Land zu bauen.

O frohe Höh'n, o sel'ge Büsch und Felder,
Wo Thiere, Pflanzen, Steine selbst gelernet
Des echten Werths Gesinnung und Verhalten!

Wie mächtig ist des süßen Lichtes Walten,
Wenn, wo es weilt, von wo es sich entfernet,
Städt' es entwildert, sittiget die Wälder!
(S. 108)

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 Ein Wunder zu Tausenden

Mit tausend Pfeilen traf das Schicksal mir
Mein Herz; kein Raum mehr schien für neue Wunden;
Nur Liebe hatt' ein Plätzchen noch gefunden
Für ihren Pfeil, und ach! wie dank' ich's ihr!

Fürwahr nach Heilung trag' ich nicht Begier;
Ich will von meinem Leide nicht gesunden,
Die Wunde – hab ich nimmer doch empfunden
So Süßes! – nähr' und reiz' ich für und für.

Doch trag' ich sie so still und heimlich innen,
Daß Amor selber sie nicht merken kann,
Noch von den tausend unterscheiden.

Und ach! das Schicksal, das mein Seelenleiden
Nicht kennt und nur die Thräne siehet rinnen,
Glaubt es sein Werk und sieht mich stolzer an.
(S. 113)
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übersetzt von Karl Förster (1784-1884)

Aus: Auserlesene lyrische Gedichte von Torquato Tasso
Aus dem Italienischen übersetzt von Karl Förster
Mit einer Einleitung: "Über Torquato Tasso als lyrischen Dichter."
Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage
Leipzig F. A. Brockhaus 1844
 

 

 

 


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