Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Alexander Tschawtschawadse (1786-1846)
georgischer Dichter



Von mitleidsvoller Hand gereicht
Ward mir der Liebe Lustpokal,
Doch hat sein Trank, dem keiner gleicht,
Vermehrt nur meines Durstes Qual.
(S. 28)
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Wer unterliegt nicht deiner Macht, o Liebe,
Wer zahlt dir nicht Tribut mit seinem Herz?
Durch dich wird der gewaltigste zum Sklaven,
Durch dich erliegt der Weise selbst dem Schmerz.

O Liebe, deine Macht empfindet jeder
Und jeder deinen Glauben hier bekennt:
Der Mönch, der Laie, Könige und Sklaven
Und alle, die sonst That und Meinung trennt.
(S. 28-29)
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An Nino

Als du gestern hinaus aus dem Ballsaale tratest
Dich zu kühl'n nach des Tanzes berauschender Lust,
Fiel ein Schneeflöckchen, weiss wie der Lilie Blüte
Auf die marmorne Haut deiner schwellenden Brust.

Augenblicklich erlosch dort des Schneesternleins Schimmer,
Überstrahlt von dem Schnee deiner schwellenden Brust;
Drum zerrann es beschämt gleich als perlende Thräne
Und mit der floh'st du hin zur berauschenden Lust.
(S. 29)
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Von Liebe bin ich ganz für dich erfüllt.
Dir pocht mein Herz
Mit Wonneschmerz,
Warum bereitest du mir Leid dafür?
O, Sonnenantlitz, leucht ins Herze mir!
O Lockenpracht,
Schwarz wie die Nacht!
Erquicke mich, der ich mit Schmerz dich meid,
Spann nicht der Brauen Bogen mir zum Leid,
Schau heiter her,
Still mein Begehr!
Sei meiner Seel' ein Quell, der Labung bringt!
Ihr Wimpern, die als Wache ihr umringt
Die schwarze See,
Thut mir nicht weh,
Bringt mich nicht um durch eure Grausamkeit!
Ihr Rosenwangen, jagt nicht fort so weit
Mich Nachtigall,
Die überall
Euch Liebe singt und nur für diese glüht!
Ihr Lippen, die ein Perlenband durchzieht,
Erquicket mich
Süss wonniglich
Durch ein verheissungsreiches Liebeswort!
Schneeweisser Busen, schönster Wollusthort,
Wo zwei an Zahl
Mir bringen Qual,
Mir Flehendem, der ich umsonst nur fleh'.
O wenn ich deinen Arm dich rühren seh,
Pocht sehnsuchtsvoll
Mein Herz, das toll
Geworden ist von des Verlangens Glut.
O Wonnebild, werd mir doch endlich gut,
Zieh mich an dich,
Erheitre mich,
Der ich halb tot von dieser Liebe bin!
(S. 34-35)
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O Brüder, traut nicht eurer Stärke,
Leicht kommt der Tag, da sie euch bricht!
Da euch die Liebe macht zu Sklaven
Und schwer in ihre Banden flicht.

Auch ich war einst Herr meines Herzens,
Mich rührte keine Zärtlichkeit,
Kein Feuerblick der schönsten Augen,
Kein Händedruck voll Innigkeit.

Sah ich der Liebe blasse Sklaven,
Lacht ich nur höhnisch über sie,
Denn dass ein Mann so schwach sein könne,
O das begriff ich damals nie.

Doch ach, mein Gleichmut nahm ein Ende,
Ein Augenblick brach meine Kraft.
Kaum sah ich sie und wie vom Blitze
War meine Stärke hingerafft.

Ein Schmerzensheer nahm mich gefangen,
Ein Seufzer meiner Brust entstieg,
Ich fühlte, dass ich schwer gefesselt,
Ergab mich sklavisch ihr und schwieg.

Ein Glutstrom meine Brust durchwallte,
Vom Seufzen ward mir's Atmen schwer,
Wild rann das Blut mir durch die Adern
Und ich erkannte mich nicht mehr.
(S. 35-36)
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übersetzt von Arthur Leist (1852-1927)

Aus: Georgische Dichter
übersetzt von Arthur Leist
Neue, vielfach vermehrte Ausgabe
Dresden und Leipzig
E. Pierson's Verlag 1900





 

 


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