Johann (Janos) Vajda (1827-1897)
      ungarischer Dichter
      
      
      
      Aus dem Liederzyklus: Der Fluch der Liebe
      
      V.
      Seh' dich - werd' noch oft dich sehen,
      Denke dein zu jeder Stunde,
      Niemals scheid' von dir ich - dennoch
      Tönt's: Leb' wohl! aus meinem Munde.
      
      Nicht ein unbarmherzig Schicksal,
      Nicht die ungemess'ne Weite,
      Nicht das Leben, nicht der Tod auch
      Reisst dich fort von meiner Seite.
      
      Hoffnung, Hoffnung hat der Ferne,
      's hat der Tod die Denkmalsspende,
      Trost in Trübsal beut der Glaube:
      Alles das - es hat sein Ende.
      
      Aber du - sag', dass du mein bist,
      Dass du liebst mich - dir zu Füssen
      Sink' in ungemess'nem Schmerz ich -
      Muss doch mit Leb'wohl! dich grüssen!
      
      Aus dem Grab gibt's Auferstehen,
      Die Natur, sie grünt auf's Neue:
      Doch für immer ist verloren,
      Was mir starb mit deiner Treue.
      
      Kann doch nimmer von dir lassen,
      Immer muss nach dir ich blicken,
      Stumm - entsetzt - wie seinen Mörder
      Ein Gespenst verfolgt im Rücken.
      
      Eines macht uns Beiden Schmerzen:
      Dir die Schuld, und mir die Klage;
      Statt der Schäfer-, Geisterstunde
      Ist's, da ich Leb'wohl dir sage. 
      (S. 370-371)
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      Aus dem Liederzyklus: Erinnerung an Giza
      
      XXIV.
      Nichts vermag mich mehr zu freuen,
      Nichts zu schmerzen, nichts zu kränken,
      Nur dein Bild noch schmerzt - und dennoch
      Muss ich ewig dein gedenken.
      
      Alles hab' ich längst vergessen,
      Drehend scheint die Welt zu schwenken
      Sich mit mir - ich rühr' mich nimmer,
      Muss nur ewig dein gedenken.
      
      Und mir ist's, als ob sich dunkel
      Schwere Träume auf mich senken,
      Frag' bekümmert: träum' ich? wach ich?
      Muss nur ewig dein gedenken.
      
      Wie wenn Nachts im Wald ich wandle,
      Und die Bäume sich verschränken,
      Und nur einen Stern ich sähe . . .
      Muss ich ewig dein gedenken.
      
      Manchmal frag' ich: Bin ich's denn? ist
      Wahrheit oder Traum mein Kränken?
      Ach, ich leb' wohl gar nicht mehr - muss
      Aus dem Grab nur dein gedenken! 
      (S. 371-372)
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      übersetzt von Gustav Steinacker 
      (1809-1877)
      
      
      Aus: Ungarische 
      Lyriker
      von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit
      (die letzten 50 Jahre)
      In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
      und mit literar-historischer Einleitung
      und biographisch-kritischen Notizen versehen
      von Gustav Steinacker
      Zweite Ausgabe
      Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
      Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874