Dich, den Allmächtigen, ehren anbetend ...

Aus Hymnen und Sequenzen des 4. - 15. Jh.s

 


Hermann Stenner (1891-1914)
Paradiesische Paar

 



Philippe de Greve
(1160/85-1236)

Gesang von der Geburt des Herrn

Aufgang diesem untergange:
Sonne taucht aus lohem schwange
Leuchtend in die dunkelheit.
Schwer von unserm los umschattet,
Wird sie müde, löst ermattet
Tod durch todes bitterkeit.

Hoher könig muss erblassen,
Um mit neuer kraft zu fassen
Glühend den verlassnen schatz,
Wort wird fleisch in seinem schöpfer,
Nicht verschmäht der ewige töpfer
Irdischer hefe bodensatz.

Überschattet hat das wehen,
Die empfangen, doch vergehen
Durfte nicht das band der scham,
Den erzeuger die erzeugte
Brachte, das gesetz sich beugte:
Als geschöpf der schöpfer kam.

Uns bewahrt vor nächtiger fäule
Sonne, die als wolkensäule
Wies dem volke seinen lauf,
Nach dem bruch der todessiegel
Stösst des mittlers hand die riegel
Von des lebens pforten auf.

Wenn sie mild den schuldspruch wandte,
Wird der wahrheit abgesandte
Gnädigste barmherzigkeit,
Aus dem staub hebt sich der frieden,
Und vom himmel schaut hienieden
Lösende gerechtigkeit.

Wechselweis die küsse stürzen,
Und die neuheit ihrer würzen
Würzt des felsenkusses glut,
Aus dem alle wasser fliessen,
In dem zwei zu eins sich giessen
Und des winkels scheitel ruht.



 

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Aus: Hymnen und Sequenzen von Friedrich Wolters
Übertragungen aus den lateinischen Dichtern
der Kirche vom vierten bis fünfzehnten Jahrhundert
Verlag Otto v. Holten
Berlin MDCCCCXIV (1914) (S. 148-149)




 

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