Dich, den Allmächtigen, ehren anbetend ...

Aus Hymnen und Sequenzen des 4. - 15. Jh.s

 


Hermann Stenner (1891-1914)
Phantastische Landschaft mit Wasserfall

 



Adam von St. Victor
(gest. 1146)

Sequenz von der Geburt des Herrn

Licht ging auf der völkerschaft,
Die vom schatten war entrafft
Zu des todes finsterm tross.

Freude ward der armen schar,
Da der welt geboren war
Einer jungfrau edler spross.

Dass die schuldigen menschen steigen,
Muss der Gottmensch niederneigen
Sich zur erdenniedrigkeit:

Wer lobsinget nicht und freut sich,
Wer bewundert nicht und scheut sich
Neuer gnade herrlichkeit?

Denn was ist reiner noch,
Was ist geheimer noch
Als dies mysterium?

O welchen wunders voll,
O welchen jubels voll
Ist Gottes heiligtum!

Dieser knoten heiliger weihe
Wird nicht von der feinsten reihe
Der beweise aufgeknüpft:

Will sich mir das wie nicht gönnen,
Weiss ich, dass mein Gott wird können,
Was dem denken stets entschlüpft.

Welch ein feiner
Gottesbeschluss regiert,
Ungemeiner
Mystischer schmuck ihn ziert!
Stab die blume,
Tau die krume,
Jungfrau uns den sohn gebiert.

Nicht verletzte
Empfängnis scham in ihr,
Nicht zerfetzte
Rinde der blume zier,
Dass gewährend
Und gebärend
Nichts die lilie verlier.

O Maria, stern der meere,
Nach Gott einzige hoffnung, wehre
Dieser zeiten untergang.

Sieh, wie viele widersacher
Schädigen mit listigem schacher,
Quälen uns mit bösem drang.

Durch dich sei uns tugend eigen,
Durch dich, teure mutter, neigen
Sich des dämons stolz und gift:

Deines sohnes huld vermehre,
Dass nicht der entsetzensschwere
Kurze urteilsspruch uns trifft.



 

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Aus: Hymnen und Sequenzen von Friedrich Wolters
Übertragungen aus den lateinischen Dichtern
der Kirche vom vierten bis fünfzehnten Jahrhundert
Verlag Otto v. Holten
Berlin MDCCCCXIV (1914) (S. 132-134)




 

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