Johannes Daniel Falk (1768-1826) - Liebesgedichte



Johannes Daniel Falk
(1768-1826)



Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Amor, ein Schiffer

Amor ist ein loser Knabe,
Und so übt er nichts, als Possen.
Neulich ist er mir erschienen.
Spät, mit lauten Schlägen, klopfte
Wer vor meines Hauses Thüre:
Und als ich sie aufgeschlossen,
War es Amor: und er sagte
Leise zu mir diese Worte:
"Ei, mein edler Herr und Gastfreund,
Wie so gar verändert bist du?
Ist das noch der muntre Knabe,
Den ich an der Ostsee Ufern,
Spielend einst, als Kind gefunden?
Kaum erkenn' ich dich ja wieder:
So gelehrt bist du geworden!
Singst mir ja von nichts, als Blumen.
Wohnt denn Amor auf den Sternen,
Daß du so mir die Gedanken
Stets in ihren Lauf vertiefest?
Armer und betrogner Dichter!
Weißt du denn nicht mehr zu lieben?
Weißt du denn nicht mehr zu küssen?
Komm! Berührt von diesem Pfeile,
Schenk' ich dir die ew'ge Jugend,
Schenk' ich dir die muntern Lieder
Und die frohen Scherze wieder.
Laß nun auf der Ostsee Fluthen
Frisch den Wind dein Segel schwellen!
Singend gleiten wir herunter,
Ich und du, zu Charons Nachen,
Daß der alte Fährmann mürrisch,
Hat er unser Lied vernommen,
In den Bart die Worte murmelt:
"Amor und ein Dichter kommen!" -
(S. 63-64)
_____



Der Gang in's Städtchen

Gestern schickte mich mein Vater
Von den Schiffen in das Städtchen,
Waaren, die am Bord uns fehlten,
Bei dem Kaufmann einzuhandeln.
Als ich nun so längs dem Ufer
Schlenderte, mit meinen Grillen:
Was erblickt' ich da? Ein Mädchen.
In der Segeltuchfabrike,
Da, wo Seilerburschen, singend,
Sein im Sturm beschädigt Segel
Ein Ostindienfahrer brachte,
Stand sie an der offnen Thüre.
Und sogleich in ihr erkannte
Ich des Hauses schöne Tochter.
Und ich ging ihr freundlich näher,
Und begrüßte sie mit Züchten:
Voll von Huld und Anmuth dankte
Mir das liebe Mädchen wieder.
Wie wir weiter die Gespräche
Angeknüpft, ist mir entfallen;
Denn es stieg uns die Bekanntschaft
Mit dem Abend, mit dem Monde,
Still und herrlich, aus dem Meere.
Endlich fragt' ich sie: "wie heißt du?"
Hab sie mir zur Antwort: "Märry!"
Und ich faßt' ihr beide Hände,
Und ich bat sie: "Liebe Märry,
Kannst du mich ein wenig lieben?"
Und sie sagte: "Nein, ihr Schiffer
Seyd so flüchtig, wie die Wellen,
Und noch falscher, als die Winde,
Die doch jeden Monat wechseln.
Aber, legt ihr mit dem Schiffe
Sonntag noch nicht aus dem Hafen -
Seht das schöne Haus am Ufer!
Kommt, dort will ich mit euch tanzen!"
(S. 68-69)
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Der Sonntag oder die getäuschte Erwartung

O du leidig loses Mädchen!
Hattest du mir nicht versprochen,
Wenn ich Sonntag mit dem Schiffe
Noch nicht aus dem Hafen legte,
In dem schönen Haus am Ufer
Eins mit mir vom Fleck zu tanzen?
Und nun ist es heute Sonntag,
Und von Tänzern klingt die Diele,
Und es fragen mich die Schiffer,
Und es fragen mich die Mädchen:
"Schiffer, warum steht ihr draußen?
Schiffer, wollt ihr denn nicht tanzen?
Kommt, der Tanz ist angegangen!"
Aber die verstörten Blicke
Auf mein dunkles Schiff im Meere,
Das vor Anker liegt, geheftet,
Möcht' ich lieber, Schiff und Anker
Mit dem wilden Meer vertauschend,
Mit den Wellen, mit den Winden,
Mit den Blitzen, in den Abgrund,
Als in fremder Mädchen Arme
Zu dem Paukenwirbel fliegen!
Diesen Rosmarin, den schönen,
Den ich ihr zum Strauß bestimmte,
Hab' ich wild mit meinen Händen
Nun zerzupft, und ihn der dunkeln
Fluth zum Raube hingegeben. -
Aber Himmel - was erblick' ich?
Märry, meine holde Märry!
Kömmt sie dort, am Arm des Bruders,
In dem schönen Sonntagskleide,
Leuchtend, wie ein Stern aus Westen,
Nicht den Strand herauf gewandelt?
Ja, sie zeigt sich mir nun selber,
Und - dem Aug' ein neues Wunder! -
Nicht ihr Bruder, Amor führt sie!
Märry, meine holde Märry!
O wie soll ich dir vergelten!
Komm nun, komm in meine Arme!
Komm nun, komm' und laß uns tanzen!
Bis am Himmel alle Sterne
Untersinkend - Amors Fackel
Spät in's Meer dem Schiffer leuchtet!
(S. 70-71)
_____



Des Schiffersknaben lange Woche

Sonntag hatt' ich sie gesehen;
Montag saß ich still am Mast;
Dienstag wollt' ich zu ihr gehen;
Mittwoch ist mir sehr verhaßt;

Donnerstag vergeht mit Grämen;
Freitag gilt mir völlig gleich;
Samstag laß ich mir nicht nehmen;
Sonntag ist mein Himmelreich!

Wenn, bei munterm Zitherspiele,
Ich zum stillen Dörfchen flieh:
Fremder Gäste seh' ich viele,
Die Gesuchte find' ich nie!

Und die Menschen, und die Bäume,
Und die Vögel, mit Geschrei,
Und die Flüsse - wie die Träume,
Ziehen sie an mir vorbei.

Endlich hatt' ich sie gefunden
An dem stillen Gartenthor.
O ihr einzig schönen Stunden,
Sagt, warum ich euch verlor?

Nicht ein Wörtchen konnt' ich sprechen.
Ach! so bald sie nur sich zeigt,
Möchte mir das Herz zerbrechen;
Aber meine Zunge schweigt.

Fahrt nur fort, mich auszuschelten!
Nennt mich feig und blöd gesinnt!
Laßt es mich nur recht entgelten!
Ja, ich bin Neptunus Kind!

Und das ist Neptunus eigen,
Daß er uns versagt das Wort.
Fisch und Schiffer sollen schweigen
- Nur die Wellen plaudern fort!
(S. 72-73)
_____



Der getreue Schiffer

Manches Mädchen hört' ich sagen,
Daß dein Schiffer ihr gefällt.
Aber eitel sind die Fragen:
Was bekümmert mich die Welt:

Wie so sehr sie mich auch loben,
Das entlocket mir kein Wort;
Ja, wenn sie mich recht erhoben,
Schweig' ich still und gehe fort.

Sie nur mag mich schelten, tadeln,
Wie sie will; ich bleibe da;
Sie nur, sie versteht zu adeln
Jedes Nein und jedes Ja.

Sie, vor allen mir erwählet,
Sie, der ich von Anbeginn,
Ob sie gleich zu Tod mich quälet,
Treu und fest ergeben bin.

Ihr allein will ich gefallen;
Sie allein gefällt mir nur;
Mit den andern Mädchen allen
Dünkt ein Scherz mir Unnatur.

Zwar sie haben hohe Reize,
Das ist wahr, ich läugn' es nicht;
Aber das, wonach ich geize,
Das besitzt nur ein Gesicht!

Blaue Augen, schwarze Haare,
Ob ihr gleich mich sehr betrübt,
Bringt ihr gleich mich auf die Bahre,
Seyd ihr mir doch sehr geliebt.

Kann ich noch im Tode singen,
Wie dem Schwan ein Ton entflieht:
Sing' ich euch, vor allen Dingen,
Noch ein liebesel'ges Lied!

Und nun soll ich von euch scheiden?
Und nun rollt so wild das Meer
Zwischen mich und meine Freuden
Einen dunklen Berg daher!

Lieber Schiffer, weile, weile!
Ach! noch sind wir kaum an Bord,
Und mich dünkt, schon eine Meile
Wären wir im Hafen fort.
(S. 74-75)
_____



Wenn ich kann!

Ja, nun will ich dich vergessen,
So wie du es mir gethan.
Sey nur stolz! ich bin vermessen,
Falsches Mädchen - wenn ich kann!

Ja, nun will ich recht dich kränken.
Feierlich gelob' ich's an,
Niemals mehr an dich zu denken,
Niemals, niemals - wenn ich kann!

Sollte mich dein Aug' entzücken -
O entsag' dem stolzen Wahn!
Ich will deinen Zauberblicken
Mich entziehen - wenn ich kann!

Meinetwegen magst du sterben.
Ernst, gefaßt, und wie ein Mann,
Ohne je mich zu entfärben,
Will ich's hören - wenn ich kann!

Wenn sie dir das Grab bereiten,
Und das Lauten hebet an,
Will ich selber dich begleiten,
Und mich freuen - wenn ich kann!

Ob ich gleich vor Thränenbächen
Jetzt nicht weiter reden kann,
Will ich doch mich schrecklich rächen,
Falsches Mädchen - wenn ich kann!
(S. 76-77)
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Der versöhnte Schiffer

Und so hatten wir gebrochen;
Und so war es denn geschehn;
Und in funfzehn langen Wochen
Hatten wir uns nicht gesehn.

Ruhig lag mein Schiff im Hafen: -
Aber mehr, als Well' und Wind,
Wind und Welle, die entschlafen,
Quälte mich ein schönes Kind.

Sieh da glimmt des Pharus Leuchte.
Rasch fällt mir der Abschied ein;
Doch als ich die Hand ihr reichte,
Konnt' ich kaum in's Schiff hinein.

Und da sah ich Thränen fließen
Von dem schönsten Angesicht;
Lag gebannt zu ihren Füßen; -
Aber reden konnt' ich nicht.

"Warum weinst du so, mein Leben?" -
Und sie fiel mir um den Hals;
Und sie hatte mir vergeben;
Und nun weint' ich ebenfalls.

Doch zu spät - denn günst'ge Winde
Herrschten mahnend schon im Port,
Rissen von dem schönen Kinde
Unerbittlich schnell mich fort. -

Lieb' um Leid versüßt das Leben,
Aber weint, ihr Augen, weint,
Wenn euch Lieb' um Leid im Leben,
So wie mir, zu spät erscheint!
(S. 78-79)
_____



Verwünschung des Amor

Mädchen! Mädchen! - Schiffer, bauet
Nie auf eines Mädchen Treue!
Schiffer! Schiffer! - Mädchen, bauet
Nie auf eines Schiffers Worte!
Wer den Mädchen sich vertrauet,
Der vertrauet sich den Winden:
Wer den Schiffern sich vertrauet,
Der vertrauet sich den Wellen.
Schiffbruch leidet man mit beiden,
Mit den Wellen, mit den Winden,
Mit den Mädchen, mit den Schiffern;
Denn die Mädchen und die Schiffer,
Und die Wellen und die Winde,
Und der Himmel und die Erde,
Und die Sonne, Mond und Sterne,
Alle, alle sind Verräther! - -
(S. 80)
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Klage des kleinen Schifferknaben

Neulich als ich mit dem Schiffe
Wieder mich dem schönen Hafen
An der Ostsee nahte:
War ich kaum an's Land gestiegen,
Als ich, in dem Fischergäßchen,
Wo mein liebes Mädchen wohnte,
Mich nach Cynthien befragte:
Doch was mußt' ich da vernehmen?
O mein Schiff! o hätt' im Meere
Doch ein Donnerschlag dich lieber,
Eh' ich dieß vernahm, betroffen!
Cynthia, das Schiffermädchen,
Ist nun vornehm, ist von Stande,
Eine Dame gar geworden,
Geht einher in schönen Kleidern,
Wohnt in prächtigen Palästen,
Einen Schweizer an der Thüre.
Und du wagst es anzuklopfen?
Armer Junge, geh nach Hause!
Geh', ertränke deines Jammers
Mißgeschick im dunkeln Meere!
Deine schlichte Schifferkleidung
Stimmt ja schlecht zu Cynthiens Wohnung,
Zu der Marmorsäulen Golde,
Zu dem Fackelglanz der Kerzen.
Und dein Herz und ihre Schande -
Nein die stimmen nie zusammen!
Cynthia! Cynthia! Schande, Schande
Hast du eingekauft für Liebe!
O, das war ein schlechter Handel!
Sieh, für meine Schwür' und Thränen
Nahmst du eine Hand voll - Perlen!
Nun gehabt euch wohl, ihr Bäume!
Euch vertauschte sie mit - Schweizern.
Nun gehabt euch wohl, ihr Quellen!
Euch vertauschte sie mit - Spiegeln.
Nun gehabt euch wohl, ihr Vögel!
Euch vertauschte sie mit - Stutzern.
Und du kleine Fischerwohnung,
Und du Himmel, und du Erde,
Und ihr Sonne, Mond und Sterne,
Nun gehabt euch wohl! Verrathen
Seyd ihr, wie der arme Schiffer!
Bäume, hört nun auf zu rauschen!
Quellen, hört nun auf zu murmeln!
Vögel, hört nun auf zu singen!
Sterne, hört nun auf zu scheinen!
Und du komm, Natur, im Dunkeln
Ewig mit mir fort zu trauern!
Deiner schönsten Töchter Eine;
Cynthia, sie ist gefallen! -
Aber warum weil' ich länger
Noch an diesem Trauerorte?
O ihr Füße, wollt ihr treulos
Mir den letzten Dienst versagen,
Zu dem Ufer mich zu tragen?
Laß mich, Schwindel, daß ich schleunig
Meines Schiffes Bord erreiche!
Und dann weht, geliebte Winde,
Abwärts, abwärts, weht vom Ufer,
Abwärts, oder in die Tiefe,
Wo ihr wollt - nur führt mich ferne
Diesem Land und diesen Menschen,
Wo die Ungetreue wohnet,
Wo mein Herz vor Grimm erkranket,
Und der Boden selber tückisch
Unter meinen Füßen wanket!
(S. 81-83)
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Klage des kleinen Schiffermädchens

Mein Liebster ist gangen
Nach Brabant zur See.
Wer weiß, ob ich jemals
Hier wieder ihn seh!

Wir saßen zusammen
So traulich am Stand!
"Nun Liebste, was gibst du
Dem Liebsten zum Pfand?"

"Zum Pfande dem Liebsten
Was geben ich soll':
Ich weiß ja, mein Liebster,
Nicht, was du gewollt!"

Da wollt' er beim Scheiden
Mich küssend umfahn;
Das mocht' ich nicht leiden -
Die Leut' es ja sahn.

Sich herzen und küssen
Von Schiffern gesehn,
Steht sittsamen Blicken
Der Mädchen nicht schön!

Da wandt' er so trübe
Beim Abschied den Gruß:
"Du hast mir aus Liebe
Verweigert den Kuß!

Nun schiff' ich mit Zürnen
Zum anderen Ort;
Wohl schönere Dirnen
Erwarten mich dort!

Wohl schönere Dirnen
Aus Delft und Burgund,
Von rosigen Stirnen,
Von lieblichem Mund!

Nach Herzen und Küssen
Wird da nicht gefragt:
Zum Wunsche des Schiffers
Wird 'Ja' nur gesagt!"

Das ging mir zu Herzen
Mit tödtlichem Stich:
So bittere Worte
Verdient' ich sie, sprich?

Ich kann es nicht glauben,
Und sollt' es auch seyn:
Wie mochte mein Liebster
Mir ungetreu seyn?

Mein Liebster, bedenke
Mein Kleinod, mein Glück!
Komm nimmer mir, oder
Mit Treue zurück!
(S. 84-86)
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Der arme Thoms

Thoms saß am hallenden See.
Ihm that es am Herzen so weh.
Da klagten der Nachtigall Töne:
Helene!
Helene!
So klagte der Nachhall am See.

Thoms saß am hallenden See.
Ihm that es am Herzen so weh.
Da sangen ein Klaglied die Schwäne:
Helene!
Helene!
Antworteten Winde vom See.

Thoms saß am hallenden See.
Verblaßt ist die Wange zu Schnee;
Versiegt ist die brennende Thräne;
Helene!
Helene!
Rief dumpf aus den Tiefen die See.

Ich folg', o hallender See!
O kühle das brennende Weh,
Ob lachend die Welt es verhöhne!
Helene!
Helene!
Rief leise verhallend der See.

Wer wankt so spät an dem See?
Und seufzt: o weh mir, o weh!
Wen suchest du, einsame Schöne?
Helene!
Helene!
Such' Thoms in dem hallenden See.
(S. 87-88)
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Der erzürnte Schatten
An Helene

Wie? du weinest bittre Thränen?
Seufzer wären dir entflohn?
So bewährt denn an Helenen
Auch die Untreu ihren Lohn!

Lieb' und Mitleid vieler Jahre
Schenkst du meinem Sterbetag? -
Nimm zurück von meiner Bahre
Einen Zoll, den ich nicht mag!

Nein, Helene, nein! verkenne,
So wie stets, mich auch im Tod! -
Nun ich Schatten Brüder nenne,
Eingeschifft in Charons Boot.

Was verfolgst du mich mit Sehnen
Bis zu Proserpinens Schooß?
Geh, ich bin für deine Thränen
Und dein Mitleid nun zu groß.
(S. 89)
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An ihren Schutzengel

Woher bist du herabgestiegen?
Aus welchem Abendrothe kam
Dein Engel, als er diese Rosen
So frisch zu deinen Wangen nahm?

Wo glänzt die hohe Himmelsalpe,
Aus deren unverfälschtem Schnee
Er so gefällig dir die Glieder,
Mit Lilienglanz bekleidete?

Wo borgt' Er dieses Blau des Himmels
Zu deinem blauen Augenpaar?
Wo diese milde Nacht des Frühlings
Zu deinem dunkeln Lockenhaar?

Wo dieses überird'sche Schmachten,
Das, wenn dich nur mein Auge sieht,
Verstrickt in süßer Sehnsucht Netze,
Das Herz mir aus dem Busen zieht?

Wie Rosen, die am Stock verwelken,
So fällt mein junges Leben ab:
Erst schlossest du mir auf den Himmel -
Nun aber zeigst du mir das Grab.
(S. 90)
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Verschmähte Liebesbitten

Sie hielt in ihrer Hand die Blumen.
Wie bat ich, daß sie mir sie gab!
Sie sah mich an mit güt'gen Augen,
Und plötzlich - schlug sie mir es ab.

Jüngst hatte sie ein Band verloren.
Da wünscht' ich, daß sie mir es gab,
Nur mit Erröthen konnt' ich's wagen,
Und plötzlich - schlug sie mir es ab.

Ich bat sie, mir ein Wort zu schenken,
Ein Wort, wofür die Welt ich gab!
Wie konnte sie mein Herz so kränken?
Sie schlug dieß einz'ge Wort mir ab.

Wort, Band und Blumen sind verloren,
Der Himmel ist für mich das Grab;
Gern möcht' im Grab' ich sie vergessen,
Schlägt es der Himmel mir nicht ab.
(S. 91)
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Die Unvergeßlichen

Dich Götterbild aus höhern Sphären,
Dich, die ein Engel mir erkor,
Dich, dich zu sehen, dich zu hören,
Dich, dich, im ganzen Schöpfungschor.

Dich, mit dem Abend, mit dem Morgen,
Dich, mit der Sonne, mit dem Mond
Dich, wenn die Nacht mit tausend Sternen
Am heil'gen Pol des Himmels thront;

Dich, dich, mein einziger Gedanke,
Dich, Traumbild süßer Phantasien,
Dich - ach ich zittre, beb' und wanke -
Laß mich zu deinen Füßen knien!

O all' ihr Heilgen, all' ihr Engel!
Zerreißt ihr diesen Herzakkord,
So nehmt nur auch zugleich mein Leben
Mit euch in eure Himmel fort.
(S. 92)
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Die Erscheinung in den Bergen

Daß Engel bei den Hirten wohnen,
Das hört' ich unten längst am Meer;
Und nun bestätigt mir ein Engel
Der schönen Vorwelt Wiederkehr.

Denn, als ich von des Meeres Ufer
Mich in das feste Land begab,
Da stiegst du plötzlich aus den Bergen,
Wie aus den Himmeln, mir herab.

Ich sah mit sel'gem Hocherstaunen
Ein Götterbild in Wolken stehn; -
Nicht konnt' ich seinem Glanz entweichen,
Nicht konnt' ich zitternd näher gehn.

Da bat ich so dich mit Erröthen:
"Laß ab, du Himmelslustgestalt,
Mit diesen Augen, die mich tödten!"
- Da nun erbarmtest du dich bald.

Und nahmst mit seelenvollem Lächeln
Mir die Besinnung ganz hinweg,
Und führtest mich mit dir von dannen,
Auf einen hohen Alpensteg.

Dort irr' ich nun in blauen Bergen;
Mir ist's in stiller Abendluft,
Als ob mich jenseits aus der Ferne
Verschwiegner Sehnsucht Stimme ruft.

Als müßt' ich ewig mit dir ziehen,
Du Abglanz himmlischen Gesicht's,
Dahin, wo Engel zitternd knien,
Zum Quell des ungebornen Licht's!

Ja, mildre dir nur mit Gesängen,
Du heil'ge Seele, deinen Schmerz,
Und ziehe, wie mit Hirtenklängen,
Woher du stammtest, himmelwärts!

Wie Berg und Aether, ewig dauern
Wird deine Liebe wie dein Leid;
Ja strömt nur, strömt, verschwieg'ne Klagen,
In's stille Meer der Ewigkeit!

Vom Meer bist du heraufgekommen,
Neptunus, den dein Lied verehrt,
Er hat dir diese tausend Thränen
Zu deinem bittern Loos bescheert,

Indeß dem Himmel nah die Alpe
Die Holde, die du liebst, gebar;
Und darum ist auch stets ihr Auge
Von Thränen unbewölkt und klar.

Auf, zündet unten an dem Meere
Zwei Kerzen euerm Schiffer an!
Neptunus, dunkler Gott der Fluthen,
Ich komme - nimm dein Opfer an!
(S. 93-95)
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Die verschlossene Thür

Klopf' ich früh vor deiner Thüre:
"Nicht zu Hause!
Nicht zu Hause!"
Schallt es mir schon da entgegen.

Klopf' ich spät, bei Wind und Regen:
"Nicht zu Hause!
In der Kirche!"
Schallt es wieder mir entgegen.

Meinetwegen, Meinetwegen!
Nicht zu Hause!
In der Kirche!
Fortgestürmt, in Wind und Regen!

Angeklopft mit lauten Schlägen,
An des Todes
Dunkle Pforte,
Ob es ihm vielleicht gelegen!
(S. 96)
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Der verzeihliche Irrthum

Ich sahe dich - da mußt' ich schnell entlodern,
Nie hatt' ich solchen Himmelsreiz erkannt;
Kaum wagt' ich, ein Gespräch dir abzufodern,
Kaum einen Blick und leisen Druck der Hand.

Auf einer Insel lebt' ich, hoch im Aether,
Sang manch ein Lied in frommem Dichterton;
Dir aber blieb ich stets nur ein Verschmähter,
Kein Mißgefühl ward meiner Lieder Lohn.

War's ein Vergehen, mir in's Auge blicken?
Von welchen Pflichten zähltest du dich los?
Nur Einmal leise mir die Hand zu drücken -
Selbst diese Gunst bedünkte dich zu groß.

So fällt denn solcher Himmelsreiz der Glieder
Nur stets anheim den Faunen zum Gewinn!
Du hast gewählt, mich hat der Himmel wieder -
Dich nimmt zum Eigenthum der Erdball hin.

O welche Blumen hast du Kind zertreten!
Du wirst es einst, jedoch zu spät, gewahr.
Wohl blühen täglich Blumen in den Beeten, -
Die Aloe kaum alle hundert Jahr. -
(S. 97)
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Ein Abend am Meere

Nun still von dieser Lieb' und diesem Leid,
Da Lieb' und Leid ja mit dem Mond hier wechselt!
Des Guten denk, wo Böses dich betrifft!
So füg', ein Mensch, dich menschlicher Bedingung!
Ist dir ein einz'ger schöner Sommertag
Erschienen, sahest du die Sonne ab und auf,
Und Mond und Sterne auf und niederziehn
In ruhigem und still verklärtem Glanze,
Und hörtest du der Vöglein Lied im Wald,
Und das Gebraus der Meeresfluth am Ufer,
Und legtest dann nach einem solchen Tag
Zufrieden auf den Abend dich zum Schlaf,
Und schliefst - und schliefst - und wachtest nimmer wieder:
Doch hättest du gelebt; - und dehnte Gott
Den Raum von deinen Jahren auch zur Zahl
Von tausend Jahren dir verlängernd aus,
Und altertest du mit der Weltgeschichte:
Nichts Schöners würdest du auf Erden sehn.
Es scheinen Sonn' und Mond so heut wie gestern,
Es schreitet das Gestirn den ew'gen Weg,
Es rauscht das Wasser ewig seine Bahn;
Dazwischen klingt der Vöglein Lied im Wald,
Und immerfort, am himmlischen Gewölbe
Wie unter ihm, erzählt Natur dasselbe.
(S. 98)
_____



Das Erstaunen

Venus, melden alte Schiffer,
Sey dem Meeresschaum entstiegen;
Aber schöner noch als Venus,
Steigt mir jetzt ein Hirtenmädchen
Aus der Alpen Schooß herunter.
Sag, woher dein Ursprung, Liebe?
Hast du an dem Sternpol Brüder?
Sind dir Schwestern die Plejaden,
Die sich dort am Meer vergnügen?
Oder jene Tyndariden?
Die, wovon ein alter Schiffer,
Daß man Kastor, daß man Pollux,
Daß man Helena sie nannte,
Mir, dem Jüngling, einst erzählte?
Sind sie etwa dir Gefreundte?
Wie dem sey, woher dein Ursprung,
Wer die Eltern, die Gefreundten,
Wer die Schwestern, wer die Brüder
Und die seligen Gespielen:
Wolltest du mich armen Schiffer,
Lieblichstes der Hirtenmädchen,
Hier zu deinem Dienst erwählen:
Wollt' ich weder Mond, noch Sterne,
Noch die Götter selbst beneiden.
(S. 99)
_____



Abschied des Schiffers von den Bergen

Schönheit auf dem höchsten Wipfel
Glänzt oft kalt und liebeleer:
So auf hohem Alpengipfel,
Liegt oft tiefer Schnee umher.

Welche Wunder! Beide Zonen
Wechseln in dem schönsten Weib;
Mai und Januar bewohnen
Einen und denselben Leib.

Hyacinthen, Lilien, Rosen,
Die der junge Frühling streut,
Wenn die Schmeichelweste kosen,
Diesen gleicht mein Mädchen heut;

Morgen weicht sie kaum an Kälte
Novazembläs Winterfrost.
Heut regiert die Sonn' im Zelte;
Morgen schütz' uns Gott vor Ost!

Nun gehabt euch wohl, Ardennen!
Hitz' und Frost hab' ich gefühlt;
Gluth, du wolltest mich verbrennen,
Schnee, du hast mich abgekühlt.
(S. 100)
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Schiffers Abendlied im Meer

Wenn spät mein Schiff im Meer,
Gleich Schwalben, streicht,
Und immer weiter mir
Das Land entweicht:
Dann wird von Thränen schwer,
Dann wird von Sehnsucht sehr
Mein Herz erweicht.

Keine Stund' um Mitternacht,
Kein Tag' entwich, -
So bald mein Aug' erwacht,
Gedenkt's an dich.
Alle Wogen im dunkeln Meer,
Alle Wind', alle Wellen umher
Rufen, Märry, dich.

Dich, wenn am Firmament
Kein Stern mir lacht;
Dich, wenn im wilden Meer
Mein Schiff mir kracht;
Dich, dich, in Nebelroth,
In Sturm, und Noth und Tod.
Lieb' Märry, gut' Nacht!
(S. 106)
_____



Lied des Schiffers im Hafen

Nun gleiten wir frölich
Den Hafen herein,
Die spiegelnde Welle
Gibt lieblichen Schein.
Da winkt mir mein Liebchen
Schon über der Thür.
Wie Mond und wie Sterne,
So wandeln wir hier.

Wir wandeln am Ufer,
Wie Mond und wie Stern,
Und bald sind wir nahe,
Und bald sind wir fern.
Doch, nah oder ferne,
Und fern oder nah:
Winkt irgend wo Amor,
Sogleich sind wir da.

Ha, wie sich nun plötzlich
Der Hafen bewegt,
Wie alles mit Kesseln
An's Feuer sich trägt!
Rings lodern die Herde
Im festlichen Glanz;
Bald kommen auch Mädchen
Zum frölichen Tanz.

Wir Schiffer, wir tanzen
Auf Wogen im Meer;
Wir schweben mit Winden
Und Wellen daher.
Wir tanzen, von Stürmen
Und Blitzen umdroht;
Wir singen im Donner,
Wir jauchzen im Tod.
(S. 108-109)
_____



Die betrübte Schifferswittwe

Auf St. Kathrinen stand ich früh.
Was sucht' ich? Einen Mann -
Weil sich ein Mädchen nie zu früh
Darum bewerben kann.

Da kam aus Brabant einer gleich
Und sah verliebt mich an,
Und mit dem fünften Glockenstreich,
War's um mein Herz gethan.

Glock sechs - da ging's schon stark aufs Frey'n;
Glock sieben - war ich Braut,
Glock acht - war's Aufgeboth, Glock neun -
Da wurden wir getraut.

Glock zehn - erhub ein frischer Wind
Sich aus dem frischen Haf;
"Nun, sprach er, muß ich fort mein Kind,
Gehab dich wohl und brav!

Solch Wetter zum Makrelenfang
Hat lang' uns nicht getagt.
Laß dir die Zeit nicht werden lang! -"
Nun; - sey es Gott geklagt! -

Nun sind's zehn Jahr wohl, daß er so
Im Meer Makrelen fängt,
Der Schelm! wenn er nicht irgendwo
An einem Mastbaum hängt.

Und hätt' ich nur für meine Qual
Noch seinen Todtenschein -
So könnt' ich doch zum zweiten Mal
Hier wieder Wittwe seyn.
(S. 110-111)
_____



Der Mantel

Zwischen Mond und zwischen Venus
Standen wir am offnen Fenster,
Das den Blick auf's Meer eröffnet,
Ich und mein geliebtes Mädchen.
Und zwei volle Abendstündchen
Hatten wir bereits verplaudert,
Und die Mutter saß zurücke,
Ziemlich fern an einem Tischchen,
Wo sie nickt', an einer Lampe,
Die schon blau herunter brennte.
Also, unbemerkt uns beiden,
War die Zeit dahingeschlichen
Und die Mitternacht gekommen:
Und da mußt' ich endlich scheiden.
"Holder Mond, geliebtes Mädchen,
Und du dunkle Nacht, o leihe
Mir gefällig deinen Mantel,
Daß ich, unentdeckt von Lauschern,
Wandeln mag in dieser Straße."
Und mein holdes Mädchen sagte:
Wenn ihn eines von uns beiden
Borgen soll, bin ich die Nächste!
Schaudrig hängt die Nacht am Himmel,
Und ihr rauh' und kalter Mantel
Könnte meinem Liebsten schaden.
Da nimm lieber hier den meinen,
Den so warm mein Othem hauchte,
Daß er eine ganze Weile
Vorhält gegen Wind und Nebel,
Wenn du an dem Fluße wandelst!
Wie sie dieß gesagt, umrauschte
Plötzlich eine Fluth von Seide,
Bis zu Füßen, meine Schultern. -
Wie sie drauf die Thür eröffnet,
Wie sie - Aber sey verständig!
Kuß und Gruß, und was für andre
Süßgeheime Liebesgaben
Irgend dir zu Theil geworden,
Muse, laß uns nicht verplaudern!
(S. 149-150)
_____



Erste Liebe

Niemals hab' ich geliebt, o Geliebteste, wie ich dich liebe:
Wahr und gewiß ist das Wort, glaub' es dem Ariel nur!
Oft zwar hast du gefragt, woher mir die Liebe gekommen?
Weiß ich es selber, woher? - Grübele nicht, sie ist da!
Und so besitze dieß Herz, wie des Monds, der Gestirne Besitzthum,
Deren Geschenk dich erfreut, aber dich nimmer verletzt!
Wandl' im verschwisterten Licht mit Ariel, süß' Ariele!
Jegliche Trennung von dir - Finsterniß bringt sie und Tod.
(S. 159)
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Die Himmelskette

Jeglicher Kuß ist von dir nur ein Glied in der Kett', Ariele,
Und die verlängerte hält ewig dir Ariel fest.
Wollt' ich entfliehen - zu spät! So lang ist die Kette von Küssen,
Daß sie, vermuth' ich, schon jetzt mir um den Erdenball reicht.
Hast du hinweg mir geküßt nun die Erd', o geliebt' Ariele,
Küß' auch den Himmel hinweg, laß mich auch dorten nicht los!
(S. 160)
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Ariels Traum am Rosenberge
aufs Jahr 1887

Vor hundert Jahren,
Erinnr' ich mich,
Da traf ich dich
Am Rosenberge,
Du holdes Gesicht!
Sprich, war es so nicht?

Am Rosenberge -
Da küßt' ich dich,
Du holdes Gesicht,
Und, irr' ich nicht,
So schaltest du mich.
Wars nicht so? Sprich!

Am Rosenberge
Ein Du und Ich,
Du holdes Gesicht!
Und liebte dich,
Und liebtest mich,
Und schaltest mich.

Die Rosen am Berge,
Sie leiden's nicht,
Du holdes Gesicht!
Sie beklagen sich
So bitterlich;
Ists recht, oder nicht? -

Wo sind wir nun? sprich!
Der Rosenberg -
Das holde Gesicht -
Und du - und ich, -
Und die Zeit entwich -
Und Alles verblich! - -
(S. 174-175)
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Liebes-Allmanach

Lieb' ist seliges Verschulden,
Lieb' ist himmlisches Erdulden,
Lieb' ist Leben, Lieb' ist Tod,
Lieb' ist Wonne, Lieb' ist Noth,
Lieb' ist Himmel, Lieb' ist Hölle,
Lieb' ist Feuer, Lieb' ist Welle,
Lieb' ist Anfang, Lieb' ist Ende,
Lieb' ist Schöpfungs-Sonnenwende,
Lieb' ist Leib und Lieb' ist Seele,
Lieb' ist's, liebste Ariele,
Lieb' ist's, die um Mitternacht
Dieses Lied für dich erdacht.
(S. 187)
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Liebesbrunn

Gott ist es, der in Blumen tagt;
Und, ob wir ihn betrüben,
Wie glaubst du, daß er jemals fragt,
Ob wir ihn wieder lieben?

Gott ist es, der in Vögeln singt! -
Verborgene Metalle
Berührt er nur, und Luft erklingt
Von munterm Vogelschalle.

Er spricht zum Berg: bist du nicht mein?
Bin ich dir nicht erschienen?
Er wärmt das Morgenroth hinein
In trunkene Rubinen.

Ein unversiegbar ewig Meer
Von liebenden Gedanken,
Läßt unerschöpft er um sich her,
Die Menschenkrüglein wanken.

Da stillt ein jedes seine Lust
Im ewgen Urkrystalle.
Zu eng' ist eine Menschenbrust -
Gott aber liebt uns alle!
(S. 198)
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Die Nachtigall am Rosenberg

O Nachtigall, o Nachtigall!
Wie lieblich du gesungen,
Bezahlt ist dir dein süßer Schall:
Das Herz ist dir gesprungen.
Sprich dann: wo willst begraben seyn?
"Am Rosenberg', im Mondenschein,
Wo Nachtigallen sangen,
Dorthin steht mein Verlangen.
Und scharrt mich die Geliebte ein,
So mag ihr Herz - als Marmorstein,
Auf meinem Grabe prangen!"
(S. 215)
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Aus: Johannes Falk's auserlesene Werke (Alt und neu)
In drey Theilen
Erster Theil oder Liebesbüchlein
Leipzig F. A. Brockhaus 1819

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Daniel_Falk



 

 


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