Karl Ferdinand von Fircks (1828-1871) - Liebesgedichte

Karl Ferdinand Freiherr von Fircks



Karl Ferdinand von Fircks
(1828-1871)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 



O weh!

Hinan, hinan die schwankende Leiter,
Vom Söller winkt ihre weiße Hand,
Es winkt und wehet ihr Haar im Nachtwind,
Es winkt und lockt ihr flüsternd Gewand.

Hinan, hinan, ihr Haar ist so seiden,
Ihr Arm ist so weiß, und so süß ist ihr Mund,
Und die Nacht ist so still, und es schlagen und locken
Die Nachtigallen im Wiesengrund.

Und näher, und näher, ihm glühn die Wangen,
Sein Herz schlägt zum Brechen, hinan, hinan,
Jetzt hat er die letzte Sprosse erklommen,
O Schauer der Liebe! - Da faßt es ihn an.

Und neben ihm sitzt sein Weib in der Nachtmütz'
Und rüttelt ihn keifend an Schulter und Arm:
"Du hast mich zum Bett bald hinausgeworfen,
Was träumst du schon wieder, daß Gott erbarm!

Und hast mir die Tücher vom Leib gerissen,
Ich möchte nur wissen, was wunder es ist,
Was dich im Schlaf so viel muntrer machet,
Als du mit wachenden Augen bist."


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 17-18)

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Mißverstanden

Wie sollte ich's wissen, sie sah mich an
Und ward dabei roth so natürlich
Und sah so schüchtern zu Boden dann
Und seufzte dazu so natürlich.

Wie sollte ich wissen, ich armer Jung',
Daß, weil sie in's Auge mir blickte,
Sie nur in's Blau der Erinnerung
Hinaus die Gedanken schickte.

Und daß, weil sie heimlich erröthete,
Sie heiß und mit brünstigem Flehen
Im innersten Herzen betete:
Ich möcht' als ein Traumbild vergehen.

Und Gott woll' gnädig lassen geschehn,
Daß plötzlich an meiner Stelle
Der Andre, der Andre möge stehn,
Ihr heimlicher Herzensgeselle.

Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 19)

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Gute Nacht!

Du schliefst in deinem Herzen fest,
Da hört'st du mich dran pochen,
An deines Auges Fensterlein
Hast du mit mir gesprochen.

Seitdem, du schöne Nachbarin,
Ich hab' es wohl gesehen,
Thust du gar oft auf stiller Wacht
An deinem Fenster stehen.

Ich aber poch' nicht mehr, mir will
Das Thürestehn nicht frommen,
- Geh ruhig schlafen Nachbarin,
Ich werd' nicht wieder kommen.


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 20)

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Hochzeitsgespenst

"Zurück von des Saales Schwelle!
Wer ließ den Knaben herein?
Was willst du, bleicher Geselle,
Im Schwerte beim Hochzeitsreihn?

Wie hast du trotz'ge Gebärde,
Wie blickst du finster und grimm,
Wie funkeln gleich deinem Schwerte
Die wilden Augen dir schlimm?

Wer bist du, verwegner Räuber?
Er sinnt ein Arges!" Und laut
Im Saal aufkreischen die Weiber,
Und blaß wird plötzlich die Braut.

Und in der schimmernden Halle,
Das bloße Schwert in der Faust,
Steht plötzlich der bleiche Geselle
Schwerathmend, vom Kampfe zerzaust.

Er steht, die Waffen in Händen,
Sein Aug' hat seltsamen Glanz,
Es thut sich nimmer verwenden
Von dem Mägdlein im Hochzeitskranz.

Sie werfen die Tische zur Erde,
Sie fallen ihn grimmig an,
Er steht mit müßigem Schwerte
Und siehet das Mägdlein an.

Er wankt und sinket getroffen
Und liegt auf dem blutigen Plan
Die todten Augen weit offen,
Und siehet das Mägdlein an.


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 29-30)

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Sag', was du willst

Sag', was du willst, versuch' an mir,
Was Liebe tragen kann,
Thu' deinen bösen Willen dir,
Doch sieh mich wieder an!

Mir ist, wenn sich dein treuer Blick
Nicht mehr zu mir gesellt,
Es sei gestorben Freud' und Glück
Und dunkel sei die Welt.

Und wie ein Kindlein bei der Nacht
Die Mutter am Gewand
Still rührt, bis sie davon erwacht
Und küßt ihm ihre Hand!

Mit fleh'nden Augen folg' ich dir,
Und blick' zu dir hinan,
- Sag' was du willst, sei hart mit mir,
Doch sieh mich wieder an!


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 36)

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Blumenlager

Ich habe mich, müde vom Sorgen und Wandern,
Zum Frühling auf's blühende Lager gestreckt,
Und unter das Haupt einen Traum mir genommen,
Und mit dem Himmel mich zugedeckt.

Es klettern die Verse mit tanzenden Füßen
Wie spielende Elfen an mir empor,
Und läutende Glöcklein der zieh'nden Gedanken
Umklingeln die Reime mein lauschendes Ohr.

O, so zu entschlafen der Arbeit des Lebens,
Geschmiegt um des Frühlings still blühend Gesicht,
Und aufzuwachen im Himmel dort oben,
In Gottes allewigem Morgenlicht!


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 37)

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Das unbekannte Lied

Ich saß schon oftmals in der Stille nieder
Nachsinnend einem räthselhaften Lied,
Das leis' und heimlich, flüsternd immer wieder
In Lust und Weh durch meine Seele zieht.
Doch wie ich sann und träumte lange Stunden
Und wog das Wort im Geiste hin und her,
Ich konnt' den Sinn des Liedes nie erkunden
Und Ton und Weise traf ich nimmermehr.

Und oftmals hab' ich's in die Nacht getragen,
Und rief die Schläfer in der Wildniß wach,
Und ließ den Sturm die Flügel um mich schlagen,
Und sprach des Wetters wilde Worte nach.
Doch wie ein Glockenläuten immer wieder,
Das heimathher, erinnrungsmächtig zieht,
Auf Sturm und Wetter treibend immer wieder
Umschwebte mich das räthselhafte Lied.

Ist's eine Stimme zukunftferner Tage,
Ist es ein Wehrruf der Vergangenheit,
Ist's eines nah'nden Kummers leise Klage,
Ist es ein Jubellaut aus alter Zeit?
Ist es mein Glück, das, nie zum Licht geboren,
Vor meines Lebens Thür vergessen singt,
Ist es der Engel, den ich einst verloren,
Der rufend über meinen Weg sich schwingt?

Ich weiß es wohl, ich werd' es niemals finden
Dies dunkle Lied, halb Seufzer, halb Gebet,
Kein Wort erreicht's, kein Reim vermag's zu binden,
Und keinem Maß der Silben ist es stät.
Ein ewig Räthsel wird es mich umschweben,
Ein heimlich Glück, ein unverstandner Schmerz,
Bis Gott es reimen wird zu seinen Zeiten:
Es ist mein eignes dunkles Menschenherz.


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 45-46)

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Der Mönch

Oben auf der Felsenzinne
Schimmernd steht das Ritterschloß,
Bub' und Knapp' im Burghof reiten
Wild und jubelnd hoch zu Roß.
Unten düster in der Tiefe
Liegt das Kloster, einsam stehn
Stille Mönchlein an den Fenstern
Und im Garten stumm sie gehn.

Mit dem Pfeil wohl mag man reichen
Von der Burg hinab in's Thal,
Und man hört vom Söller oben
Unten tönen den Choral:
Doch kein Winken geht hinüber,
Und kein Gruß, den man sich bot,
Denn dort oben jauchzt das Leben,
Und dort unten seufzt der Tod. -

Flog ein Vöglein aus dem Zweige,
Der am Burgthor leis' sich regt?
War's ein spielend Kätzlein draußen,
Das des Gatters Strang bewegt?
Leise knirscht das Felsgerölle,
Und es weicht das Land zurück,
Und ein Mönchlein schaut verstohlen
In den Hof mit späh'ndem Blick.

Wie sie jubeln, wie sie reiten,
Wie das Roß sich bäumt und stöhnt,
Wie die Speere sausend gehen,
Wie die Bogensehne tönt!
Und der stille Lauscher draußen
Seufzt und prüfet seinen Arm,
Und es rinnt ein heimlich Thränlein
In den Bart ihm nieder warm.

Und es wandern seine Blicke
Weiter an der Burg entlang,
An den Söllern, an den Erkern,
An den Zinnen sonnenblank.
An den hohen Bogenfenstern -
Da, was ist's, das ihn erfaßt?
Tastend und mit irren Händen
Sucht sein Kränzlein er in Hast.

Dort am Fenster, wo der Epheu
Rankend klimmt am Mau'rgestein
Und am Sims das Vöglein locket,
Steht des Ritters Töchterlein;
Hold und lieblich, wie die Jungfrau'n
Der Legende, heimlich schön,
Wie der Sünde stille Bilder,
Die zu Nacht durch's Kloster gehn.

Und das Kränzlein wandert, wandert
Kreisend durch des Mönches Hand,
Und sein Auge schaut zum Fenster
Heißen Blickes unverwandt.
Heißen, sehnsuchtswilden Blickes,
Und das Rosenkränzlein bricht,
Seine Perlen rollen nieder
Und der Beter merkt es nicht.

Horch! da schallt die Klosterglocke
Aus der Tiefe, und am Thor
Rauscht es wie von eil'gen Schritten,
Und das Mägdlein blickt empor.
Flog ein Vöglein aus dem Zweige,
Der sich an der Mauer regt.
War's ein spielend Kätzlein draußen,
Das des Gatters Strang bewegt?


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 52-55)

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Der nächtliche Ritt

Der Mond steht am Himmel, von Sternlein blüht
Die Nacht über Feldern und Matten,
Ein einsamer Reiter die Straße zieht
Selbander mit seinem Schatten.

Muß wohl ein vieltreues Gedenken sein,
Was ihm den Sinn hat gefangen,
Daß aus den Händen müßig zum Rain
Die Zügel ihm niederhangen;

Muß wohl ein vielliebes Erinnern sein,
Was vor der Seele ihm stehet,
Daß er nicht Acht hat, wie querfeldein
Sein irrendes Rößlein gehet.

Und rings umher ist so lautlos die Nacht
Und so einsam verschollen die Stunde,
Am Walde die Schatten nur regen sich sacht,
Und die Lichter spielen im Grunde.

Da zuckt das Rößlein und bäumt hoch auf,
Der Schaum flockt roth ihm vom Zügel,
Sein träumender Reiter im Sattel fuhr auf,
Laut klingen Sporen und Bügel.

Sein Herz, sein Herz hat ihm was gesagt,
Da er träumte, vom Wege verloren,
Von süßen Bildern umgaukelt sacht,
Es tropft das Blut von den Sporen.

Sein Herz, sein Herz hat ihm was gesagt,
Vom Hufschlag dröhnen die Wege,
Im Feld das Häslein entsetzt erwacht,
Es peitschen die Zweig' im Gehege.

Es sausen vorüber im Mondenschein
Der Wald und die schimmernde Haide,
Es sausen vorüber Gestrüpp und Gestein
Und Hecke und Wegescheide.

Das stieben die Funken, der Thorweg hallt,
Die Flur klirrt unter den Hufen,
Und 's Rößlein schnaubt laut auf und es schallt
Des Reiters Schritt auf den Stufen.

Und ein Lichtlein wandert im Haus' in Hast
Und flackert im Niedersteigen,
Und die Thür thut sich auf vor dem nächtlichen Gast,
Und ein Schweigen, ein schreckliches Schweigen!

Ein schreckliches Schweigen, entsetzenslang,
Und ein Schluchzen hinter den Stufen:
"Wo war't ihr so lange, wo war't ihr so lang',
Sie hat euch im Sterben gerufen!"

Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 56-58)

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Der Schmied

Der Ambos klingt, die Funken sprüh'n,
Wer hieß, wer hieß ihn wandern?
Als er zurück kam hatte sie
Genommen schon den Andern.

Er schlägt so stark, er schweißt so fest, -
Sie küßte ihn beim Scheiden,
Und gab ihm Herz und Wort dazu,
Und wandt' sich dann von Beiden.

Er schlägt so stark, er schweißt so fest, -
Er war ihr treu geblieben,
Und aus der Fremde hatte ihn
Die Sehnsucht heimgetrieben.

Er schlägt und hämmert immer zu,
Sein Aug' von Thränen nachtet,
Er schlägt auf's schwarze Eisen fort,
- Vergessen und verachtet!

O Schmied, o Schmied, und wußt'st du nicht,
Wie schwer die Lieb' zu tragen:
Sein Eisen muß man allemal
So lang' es heiß ist schlagen.


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 59-60)

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Ich hab' nach dir gerufen

Ich hab' um dich gebetet
Aus tiefem Jammer und Weh,
Ich hab' nach dir gerufen,
Laut von des Liedes Höh',

Ich hab' nach deinem Fußtritt
Gespäht im Sand der Welt,
Horchend auf deine Stimme
Durchirrt' ich des Lebens Feld,

Und heimlich bei meinen Sünden
In meines Herzens Schrein,
Da hielt ich zukunftahnend
Ein Plätzchen für dich rein.


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 70)

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Wie es kommt

Ach liebe Mutter, ich kann nichts dafür,
Und gewiß, er ist schuldlos nicht minder,
Wir haben, ach glaub' es, nichts Böses im Sinn
Wir armen, harmlosen Kinder.

Er sieht mich an, und da ist doch kein Arg
Und dann schlag' ich die Augen nieder,
Und über ein Weilchen ganz heimlich nur
Erheb' ich vom Boden sie wieder.

Dann hat er vergessen hinwegzusehn
Und ich konnt' es doch wirklich nicht wissen,
Und siehst du Mutter, so kommt es zuletzt,
Daß wir immer uns ansehn müssen.

Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 74)

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Das Ende davon

Es war eine Zeit, da liebten sie sich,
Und sie liebten sich über die Maaßen,
Sie herzten und hegten und pflegten sich
Und konnten einander nicht lassen.

Und als es nun gar zum Scheiden kam,
Da meinten sie schier zu verderben,
Und händeringend gelobten sie sich:
In aller Kürze zu sterben.

Nach langen Jahren aber einmal
Da trafen sich wieder die Beiden,
Sie lebten, zu läugnen war es nicht,
Trotz allen geschworenen Eiden.

Sie sahen sich an so höhnisch und kalt,
Und thaten sich bitterlich hassen,
Sie konnten's einander nimmer verzeihn,
Daß die Liebe sie leben gelassen.


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 75)

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Unbekümmert

Du bist so jung, dein Auge blickt
So kindlich jubelhell,
Als sei die Welt dein Kartenhaus,
Das Glück dein Spielgesell.
Und wie ein Vöglein singst du laut,
Die Lust läßt dir nicht Ruh',
Du hast ein Herz, du hast ein Herz,
Doch weißt du nicht wozu.

Du bist so jung, so fromm und gut,
Thust Niemand nichts zu Leid,
Und hast ein Thränlein immerdar
Für fremde Noth und Freud'.
Und wenn es trocknet über Nacht,
Du kannst ja nichts dazu;
Du hast ein Herz, du hast ein Herz,
Doch weißt du nicht wozu.

Du bist so jung, du bist so schön,
Sie sehn dich Alle an
Und folgen mit den Augen dir
Und seufzen Mann für Mann.
Und wenn du's hörst, du weißt ja nicht,
Was ihnen stört die Ruh;
Du hast ein Herz, du hast ein Herz,
Doch weißt du nicht wozu.


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 91-92)

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Ich wollt', ich könnt' dein Herz belauschen

Ich wollt', ich könnt' dein Herz belauschen,
Wenn ungesehn und heimlich bunt
In seiner Tiefe die Gedanken
Wie Fischlein gehn am Quellengrund,
In dunkler Nacht, wenn stille Bilder
Lebendig in ihm auferstehn
Und seine Wünsche auf der Leiter
Des Traumes auf- und niedergehn.

Und was es klopft und was es sehnet
Ich schlöss' es treulich in mein Herz,
Und was es weint und was es seufzet,
Ich legt's zu meinem eignen Schmerz.
Und ging dann hin und thät' mir schneiden
Zum Wandern einen Stab im Feld,
Und ging, das Glück für dich zu suchen,
Hinaus in Gottes weite Welt.

Und spürt' ihm nach auf allen Wegen
Und wollt's erkämpfen treu und recht,
In harter Arbeit es erfröhnen
Demüthig als leibeigner Knecht;
Und wär's dem Himmel abzubitten,
Ich kniete hin mit heißem Flehn, -
Und wär's ein Herz, das zu gewinnen,
Ich wollt' es werben für dich gehn.

Und hätt' ich all' dein heimlich Sehnen
Und all' dein Träumen dann erfüllt,
Und jeden Gram von dir genommen
Und jede Thräne dir gestillt:
Dann wollt' ich gehn aus deinem Wege
Und fliehn dein Antlitz ewiglich,
Um nicht zu sehen, wie du fröhlich
Und glücklich sein kannst ohne mich!


Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 98-99)

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Herzensjubel

Was pocht mir an's Herz, was klingt mir im Ohr,
Was läutet in meinen Gedanken,
Was tastet und blühet an mir empor
Wie spielend umschlingende Ranken?

Es singt mit den Vögeln in Lüften hell,
Es kommt mit dem Winde gezogen,
Es hüpft und tanzt auf dem Wiesenquell,
Es schifft auf den blauen Wogen.

Ich glaube, ich glaube, das Glück, das Glück
Ist der Haft des Himmels entronnen
Und tanzt und singt auf der Wanderschaft
Im fröhlichen Lichte der Sonnen.

Und wer es hört singen den Weg entlang,
Dem blühen die Thäler und Hügel,
Und wen es thut streifen auf seinem Gang,
Dem regen im Herzen sich Flügel.

O, wer es zu greifen, zu fangen verständ',
Und wer es dann wüßte zu halten
In tiefer verschwiegener Brust und fromm
Die Hände darüber zu falten!

Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 104-105)

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Er ist niemals wiedergekommen

Ob er kommt, ob er kommt! Ich will warten still
Und mein thörichtes Herz nicht mehr fragen,
Will warten und beten und weinen still
Und die Liebe bei Gott nicht verklagen.

Und würd' er nicht kommen, es könnten umher
So fröhlich die Blumen nicht stehen,
Und es könnten die Vöglein, die arglosen, nicht
So treu in die Augen mir sehen.

Wo er bleibt, wo er bleibt? Ueber's Feld schon gehn
Die Schatten des Abends, es dunkelt,
In der Thräne auf meiner gefalteten Hand
Ein Sternlein vom Himmel schon funkelt.

Ich kann nicht mehr beten, mich foltert die Angst,
Mein pochendes Herz thut mir wehe,
Die Stunde verrinnt und die Ferne bleibt leer
Und er weiß, daß ich wart' und vergehe!

Wo er blieb, wo er blieb? Es begannen im Wald
Die Blätter im Nachtwind zu beben,
Der Nebel stieg höher und höher im Thal,
Doch ich wollte mich Gott nicht ergeben.

Hab' immer gehofft noch und immer geharrt
Bis die Sterne am Himmel verglommen,
Da sangen die Vöglein und Alles war aus:
Er ist niemals wiedergekommen.

Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864 (S. 106-107)

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Mir ist als müßtest Du

Mir ist als müßtest Du in nächt'ger Stille
Mein irrend Herz, das sich vom Weg verlor,
An Deines Schlummers Pforte pochen hören,
An Deiner Träume friedlich stilles Thor;

Als müßten wild und taumelnd die Gedanken,
Wie in die Nacht ich sie gesandt hinaus,
Als eine Schaar von trunk'nen Schwärmern brechen
In Deiner Seele friedlich Gotteshaus.

Du aber schläfst. Es pocht mein Herz vergeblich,
Und wie die Fluth sich bricht am blum'gen Strand,
So steigt und klimmt die Woge meiner Sehnsucht
Vergeblich auf an Deines Lagers Rand.


Aus: Poetischer Nachlaß
von Freiherrn Karl von Fircks
Leipzig Franz Wagner 1871 (S. 142)

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Uebermuth

Es ritten selbander die Königsmaid
Und ihr Edelknabe zum Schlosse,
Sie ritten im Abendroth Seit' an Seit',
Im Schritte gingen die Rosse.

Sie sah vor sich nieder in stolzem Muth,
Im Wind ihre Locken schwammen,
Ihm aber standen die Wangen in Gluth,
Die Rößlein spielten mitsammen.

"Herr Page, es dünkt mich Ihr seid zu frei
Und wißt Eu'r Roß nicht zu führen,
Ihr habt mein königlich Kleid nicht Scheu
Mit Eurem Fuß zu berühren."

Dem Buben wurden die Wangen schneeweiß,
Er fuhr empor in den Bügeln,
Er hielt sein Rößlein zurück mit Fleiß,
Doch die Seufzer konnt' er nicht zügeln.

"Herr Page, Euch macht wohl das Reiten Noth,
Ihr seufzt fast über Gebühren,
Nicht schelten soll mich Eu'r früher Tod,
Ich laß Euch billig das Führen."

Da wurden dem Buben die Augen blank,
Sein Rößlein bracht' er zum Stehen,
Er schaute ihr nach und sein Herz war krank,
Vor Thränen konnt' er nicht sehen.

Sie aber wandte im Sattel sich,
"Herr Page, laßt Rath Euch frommen,
Schaut fleißiger vor Euch, sonst sicherlich
Zu Falle werdet Ihr kommen."

Und wie sie zum Schloßhof reitet herein,
Der Thorwart grüßend sich neiget:
"Wo säumt Eu'r Edelknecht, Herrin mein,
Er hat sonst treu sich bezeuget?"

Und wie sie im Hofe sich schwingt vom Pferd,
Der Roßbub' kann's nicht verschweigen:
"Wo blieb Eu'r Edelknab' werth,
Er war im Treuen Eu'r eigen?"

Und wie sie die Halle lachend betritt,
Es zürnet des Königs Stimme:
"Was thatst Du dem Buben, der mit Dir ritt,
Dem treuen Knaben, Vielschlimme?"

Sie aber streichet die Locken sich
Aus der heißen Stirne mit Lachen,
"Wer hat zum Hüter bestellet mich,
Sein blondes Haupt zu bewachen?

Im Wald verirrt ist das tolle Kind,
Ihm ist, was recht ist, geschehen,
Es wollt' nicht hören und hat sich blind
An meiner Schönheit gesehen."


Aus: Poetischer Nachlaß
von Freiherrn Karl von Fircks
Leipzig Franz Wagner 1871 (S. 149-151)

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Ich weiß

Ich weiß es, deine frommen Augen lügen,
Und was so stolz von deiner Stirne thront,
Als Lüge wandelt es in deinen Zügen,
In deinem Herzen hat es nie gewohnt.

Ich weiß, ich weiß, dein Lächeln kindeshelle
Ist nur ein Lichtstrahl, der auf dir erfror,
Und deiner Locken spielgehob'ne Welle
Verbirgt ein heimlich sündenhorchend Ohr,

Und ob die Scham dir weilet auf der Wange,
In seiner keuschen Hülle ungesehn
Regt sich dein Leib wie eine weiße Schlange,
Und du bist schlecht, ich weiß, doch du bist schön!

Ich will den gold'nen Schleier nimmer heben,
Der deiner Seele schwarze Nacht verdeckt,
Und den das Licht erröthend dir gegeben,
Damit dein nacktes Herz sich d'rin versteckt.

Ich will in deinen Zügen gläubig lesen
Der Schönheit ew'ges, himmlisches Gedicht
Und will versuchen d'rüber zu vergessen,
Daß Gott dir mehr gab als ein Angesicht.

Aus: Poetischer Nachlaß
von Freiherrn Karl von Fircks
Leipzig Franz Wagner 1871 (S. 152-153)

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Die leid'ge Liebe

Ich war ein junges Kinderblut
Mit Frühroth auf den Wangen,
Mein Sinn war leicht und froh mein Muth
Da kam die Lieb' gegangen.

Die Lieb' mit Augen fromm und blau,
Hätt' ich sie nie gesehen!
Die Lieb', die Lieb', die Märchenfrau,
Da war's um mich geschehen!

Sie hat von selb'ger Stunde an,
Gott mög's ihr nicht gedenken,
Mir alles Herzleid angethan,
Mit Tücken und mit Schwänken.

Sie hat mein Brod in Stein verkehrt
Und meinen Wein in Hefe,
Und Nachts zu Possen mir bethört
Das Blut in Herz und Schläfe.

Sie hat mir in die Augen Sand
Gestreut, die Unheilfreud'ge,
Und meinen armen Kopf aus Rand
Und Band gebracht, die Leid'ge!

Sie hat zuletzt mich gar vor's Thor
Am Narrenseil geführet,
Und unter freiem Himmel vor
Den Leuten exerziret.

Da aber trug ich's länger nicht,
Mir stieg das Blut zu Kopfe,
Ich warf die Langmuth hinter mich
Und nahm die Lieb' beim Schopfe.

Und setzte frisch sie vor die Thür,
Und ohne sond'res Grüßen
Fein säuberlich dann hinter ihr
Thät ich mein Herz verschließen.

Ach Gott, was habe ich gethan,
Nun hebt die Reu' zu nagen
Mit leisen Mausezähnen an,
Als hätt' ich wen erschlagen.

Nun sieht mich die Erinn'rung an
Mit vorwurfsstillem Grüßen,
Und emsig zirpt und singt fortan
Das Heimchen im Gewissen!

Ich hab' nicht Freud', nicht Frieden mehr,
Die Welt ist mir verdorben,
Mein Blut ist krank, mein Kopf ist leer,
Mein Herz ist wie gestorben.

Und wüßt' ich nur wohin die Lieb',
Die leid'ge Lieb', gegangen,
Ich lief in Eilen wieder hin
Und gäb' mich ihr gefangen.

Aus: Poetischer Nachlaß
von Freiherrn Karl von Fircks
Leipzig Franz Wagner 1871 (S. 154-156)

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Wenn ich mir was erbitten möcht'

Wenn ich mir was erbitten möcht'
Aus Gottes reicher Hand,
Mit brünstigem Gebet, so recht
Mit fleh'nder Lipp' und Hand;

So ist's ein leichtes, leichtes Herz,
Das immer wieder neu
Ersteht aus seinem Harm und Schmerz
Und weiß von keiner Treu'!

Läßt sich nichts Ew'ges doch erflehn
Dort aus der stillen Höh',
Und was man liebt muß sterben gehn
Und treue Lieb' thut weh!


Aus: Poetischer Nachlaß
von Freiherrn Karl von Fircks
Leipzig Franz Wagner 1871 (S. 163)

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Sonett

Jetzt sprech' ich's aus und mag, wer will, es hören,
Was heimlich ich auf tiefstem Herzensgrunde
Gehütet habe bis auf diese Stunde!
Nicht länger laß verderbend ich's gewähren,

Nicht länger soll's an meiner Mannheit zehren
Und eine stolz verhüllte Todeswunde,
Von der die Nacht, die stumme, nur hat Kunde,
Nach innen bluten und mein Herz zerstören!

Ich geb' es frei, das Wort! Der Klugheit Schlingen,
Der Vorsicht Luggewebe mag's zernagen
Und frei dahinziehn auf des Lautes Schwingen!

"Ich hab' dich lieb!" Nun mag der Schall es tragen,
Das Echo mag's dem Echo hinterbringen
Und die vier Winde mögen sich drum schlagen!

Aus: Poetischer Nachlaß
von Freiherrn Karl von Fircks
Leipzig Franz Wagner 1871 (S. 179)

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Biographie:

Fircks: Karl Ferdinand Freiherr von F., der bedeutendste Dichter Kurlands im 19. Jahrhundert, wurde am 25. Juli (a. St.) 1828 auf dem Rittergute Kleindrogen in Kurland geboren. Seine ersten Jahre verlebte er im Hause seines Großvaters, auf dem Gute Kalwen, und siedelte 1833 mit seiner Familie auf die von seinem Vater erworbene Besitzung Niegranden an der litauischen Grenze über, wo er bis zu seinem 18. Lebensjahre ausschließlich durch Hauslehrer unterrichtet wurde. Im J. 1846 bezog er die Universität. Göttingen, wo er zwei Jahre lang die Rechte studirte, ging dann über Berlin, wohin ihn die politischen Ereignisse des Jahres 1848 auf kurze Zeit gelockt [560] hatten, nach München, hörte hier Vorlesungen über Nationalökonomie und lernte gleichzeitig, durch Landsleute bei Hofe vorgestellt, das Leben in den dortigen Hofkreisen kennen. 1849 in die Heimath zurückgekehrt, fungirte er zunächst drei Jahre lang als Friedensrichter am Kreisgericht zu Grobin, um sich dann für ein Jahr ins Elternhaus zurückzuziehen. Hier entstanden die ersten seiner gedruckten Werke, das dreiactige Drama „Eine Bildhauerwerkstatt in Florenz“ und das fünfactige dramatische Gedicht „Masaniello“, die beide 1857 unter dem Gesamttitel „Zwei Dramen“ in Leipzig erschienen. Bei Ausbruch des Krimkrieges drängte es den kurländischen Adel, dem Kaiser Nicolai I. einen beredten Ausdruck seiner Ergebenheit und Loyalität zu geben, und unter dreißig jungen Männern der Ritterschaft, die sich zum freiwilligen Eintritt in das Heer meldeten und dem Kaiser vorgestellt wurden, befand sich auch unser Dichter. Er trat in ein Ulanenregiment ein und zog mit diesem in die Donaufürstenthümer; allein schon nach anderthalb Jahren mußte er infolge eines Sturzes vom Pferde, wobei er sich die Finger der linken Hand schwer verletzte, seinen Abschied nehmen. Er kehrte in die Heimath zurück und übernahm hier die Bewirthschaftung des inzwischen von seinem Vater erworbenen Gutes Rythinien in Litauen, gründete auch 1858 mit Lucie Baronesse v. Grotthuß ein glückliches, durch acht blühende Kinder verschöntes Familienheim, in dem er meist in stiller Zurückgezogenheit den Rest seines Lebens verbrachte. Nur 1863 wurde dieses traute Stillleben durch die polnische Revolution für anderthalb Jahre unterbrochen, da F. mit seiner Familie vor den Insurgentenbanden auf das Gut seines Vaters in Kurland flüchten mußte. In demselben Jahre betheiligte er sich auch für kurze Zeit als Bevollmächtigter zur sogenannten „brüderlichen Conferenz“ an dem politischen Leben seines Heimathlandes, zog sich aber dann gänzlich von demselben zurück, um nunmehr an eine längst geplante Sammlung seiner „Gedichte“ zu gehen, deren erster Band 1864 erschien. Im J. 1869 unternahm er eine Reise ins Ausland, besuchte Wien und Ungarn, dessen Eigenart ihn ganz besonders fesselte, kehrte aber schon kränkelnd in seine Heimath zurück. Zu den schon vorhandenen Leiden hatte sich im Frühjahr 1870 eine Herzentzündung gesellt, und wenn auch die Begeisterung, welche die Ereignisse der großen Jahre 1870–71 in allen deutschen Gemüthern erweckten, und der auch F. in seinen „Elf Sonetten von 1870“ einen Ausdruck gab, seine Lebensgeister noch einmal anfachte, so konnte doch dem Kundigen sein baldiger Heimgang nicht verborgen bleiben. Eben hatte er die Sichtung seiner Gedichte für einen zweiten Band vollendet, der nach seinem Tode als „Poetischer Nachlaß“ (1871) erschien, da nahm ihn der Tod am 20. Februar (4. März n. St.) 1871 zu Niegranden aus dieser Welt hinweg.

„F. ist als Dichter ein urwüchsiges, völlig eigenartiges, tief und stark veranlagtes lyrisches Talent, dem wir eine Reihe von Dichtungen verdanken, die sich den besten an die Seite stellen dürfen. Bei ihm paart sich ein kraftiger, zielbewußter, männlicher Charakter mit einer rührenden, fast kindlichen Weichheit, und den Uebergang bildet die stimmungsvolle Dämmerung einer geheimen, verschwiegenen, tiefinnerlichen Schwermuth. F. hat seinen eigenen Ton, und das hebt ihn über die Masse der Lyriker unserer Tage um Haupteslänge empor. Bei ihm ist nichts Gemachtes und nichts Gesuchtes; er ist überall wahr, echt und tief, und dabei nicht nur ein Lyriker der reinen Empfindung, sondern auch des Gedankens. Den ritterlichen Adel seiner Gesinnung verleugnet er in keinem seiner Gedichte; aus allen spricht eine ehrliche Entrüstung gegen das Gemeine und redliche Verachtung alles Niedrigen. [561] F. hatte eben bei der Sichtung seiner Gedichte die strengste Kritik gegen sich selbst geübt.“

Directe Mittheilung von Jegór von Sivers. – Das Baltische Dichterbuch von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß. Reval 1894, S. 351.

Aus: http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Fircks,_Carl_Freiherr_von

siehe auch: http://www.deutsche-biographie.de/sfz16155.html


 

 


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