Johann Georg Fischer (1816-1897) - Liebesgedichte

Johann Georg Fischer



Johann Georg Fischer
(1816-1897)



Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Glück und Wehe

Gestern, vom Walde
Zwei Schritte kaum,
Träumte die Freundin
Des Frühlings Traum;

Heute, vom Walde
Zwei Schritte nur,
Blüht er selber
Auf ihrer Spur,

Leuchtet und duftet
Wie nirgend so;
Aber die Freundin
Wo blieb sie, wo?

Deine Blüten,
Du seliges Thal,
Herzt man sie nicht
Mit einemmal?

Tausende dringen
Zu Sinnen mir;
Aber die Seele
Weint nach ihr.

Göttlicher Frühling,
Ersehnter du,
Bist du das Glück,
Und das Weh dazu?


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 12)
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Vergolten

Heim auf des Abends
Schweigenden Pfaden
Wandelt ein müdes,
Glühendes Mädchen,
Schlaf von dem Haupt ihr
Hängen die Locken.

Aber ihr scheues
Auge will fragen:
"Sage, Geliebter,
Wie mir so süßes
Müdsein die Seele
Heute beschlichen,

Daß ich mich schämte
Vor der Gesellschaft,
Daß mich erschreckten
Stimmen der Männer,
Und ich auf's Lager
Zitternd nun sinke!"

""Die du mich gestern
Lachend empfangen
Als ich mit wunden,
Erdigen Fingern
Aus dem Gebüsche
Blumen dir holte;

Als ich zum heut'gen
Feste den Kranz dir
Dienend vollendet,
Der von dem schwülen
Tag nun verweht ist
Wie deine Locken,

Ueber dich selber
Ist es gekommen,
Was mich bewegte,
Daß du nun sanft bist,
Daß du es duldest,
Wenn ich dich küsse,

Daß du die Nacht wohl,
Wenn ich am Ufer
Singe mein Mailied,
Leise herauskommst,
Schlummergefloh'ne
Sehnende Seele.""

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 13-15)
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So fügt sich's einmal nur im Leben

Ich war entflohn dem Festgebrause,
Weil ich mich längst nach dir gesehnet,
Und fand mein Kind allein zu Hause,
Die Thür nur lose angelehnet.
Doch fest genug verschloß ich sie;
O sichre Stille, wie noch nie!
So fügt sich's einmal nur im Leben,
Als wollten diese Stunde eben
Sich alle freundlichen Geschicke
In eines nur zusammenfassen,
Um uns allein zu überlassen
Den schönsten aller Augenblicke.

Sieh hoch den Tag am Himmel glühn
So hoch geht unsrer Liebe Wonne,
Und wird die Abendröthe blühn,
Scheid' ich zufrieden wie die Sonne.
Wer ahnet wohl beim Abendregen,
An welcher Blume Brust im Thal
Des Himmels heimgegangner Strahl
Am liebsten heute sei gelegen?
Daß dir im Haus, du stilles Kind,
Die Götter heut' gewesen sind?

Wie hebt mich süß aus ihrem Arm
Der Maienabend, lind und warm!
Um zu vollenden seine Pracht,
Dräut am Gebirge Wetternacht.
Mit vollern Düften schmeichelt lau
Dem finstern Himmel die bange Au;
Stürm' zu, sag' ich ihm in's Gesicht,
Meine Welt erschreckt dein Dräuen nicht,
Du triffst der Erde flücht'gen Staub,
Die zitternden Blüten, das arme Laub;
Doch keine Macht hat dein Geschoß
An den Frühling, den ich heut' genoß!


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 15-16)
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Gottesgabe

Schau diese Welt, an Wundern reich,
Und alle nur sich selber gleich,
Es möcht' im weiten Sonnenschein
Kein Blatt noch Blütlein anders sein,
Denn was aus Zweig und Knospe kam,
Ist schön genug und wundersam;
Doch mein Triumph und Jauchzen ist,
Daß du nicht eine Andre bist,
Daß ich, du liebe Gottesgabe,
Aus aller Welt dich funden habe.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883(S. 17)
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Der Liebesbrief

Der Bote kommt - o süße Schrift,
Die, Liebster, du mir schriebst!
Laß sehn dein ungeduldig Kind,
Wie treu du es noch liebst.

Du zitterst, Herz? o zittre nur
Und hüpf' in sel'gem Lauf;
Es zittert ja die Erde auch,
Thut sich der Himmel auf.

Die Welt weiß nicht, was er mir schrieb;
Wie arm die Menschen sind!
Doch was kein Mensch auf Erden weiß,
Weiß, Einziger, dein Kind,

Kann deiner Worte Glut und Glanz
Vor Freuden kaum verstehn,
Und möcht' in ihrer Lieblichkeit
Vor Wonne fast vergehn.


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883(S. 17-18)
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Über Nacht

Im frühsten Lenze hat sie mich
Geküßt bei Tagesneige;
Es stahl ein Abendlüftchen sich
Durch zitternde Pappelzweige.

O Lüftlein, das so leis genaht,
Du wardst ein Stürmen und Sausen,
Und ihrer Lippe stille That
Ein Gähren und ein Brausen,

Das nächtlich kam, in wilder Lust
Die Forste zu zerwühlen,
Das sich in meiner heißen Brust
Nicht legen will und kühlen.

Ich seh' die Bäume des Morgens an;
Wie steht ihr so ruhig draußen! -
Euch ward nicht Liebe angethan,
Sonst müßtet ihr selig brausen.


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 19)
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Unergründlich

Kaum auf die Stirne küßt' ich dich
Und war erschrocken fast,
Als du wie eine Zuflucht mich
So heiß umfangen hast,

Als fiebernd immer voller mir
Am Hals dein Schluchzen quoll,
Und deine Pulse sich gejagt,
Sprachlosen Odems voll.

Da ahnt' ich wohl, du kleines Herz,
Das solche Flammen kennt,
Die ganze ungelöschte Glut,
Die heimlich auf Erden brennt.


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883(S. 19-20)
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Ein Gott auf Erden

Des Herzens Sehnen war erreicht,
Du lagst in meinen Armen geschlossen,
Und Liebe, der kein Lieben gleicht,
Hab' ich an deiner Brust genossen;
"Wir sind allein auf dieser Welt!"
Rief meine Seele froh vermessen,
"Denn Erd' und Himmel kann vergessen
Der Mann, der dich im Arme hält.

Wie leis', wie stille ist's umher!
Und keine Seele kann uns lauschen,
Ich höre wie ein süßes Meer
Die Säume deines Kleides rauschen;
Im weiten Garten ich und du!
Und vor den armen Menschen allen,
Die ungeliebt vorüber wallen,
Schließt er die sichern Thore zu.

O traute, sel'ge Blätternacht,
Mit deinen dämmerlichen Hallen!
Hier darf der Liebe ganze Macht
Aus voller Seele überwallen;
Wie bist du, liebes Angesicht,
Von Küssen, die ich hier genossen,
So abendröthlich übergossen
Mit holdem, träumerischem Licht!

Sieh, wie ihr hohes Wipfelpaar
Mit freudig einverstandnem Schweigen
Zwei Bäume dort so voll, so klar
Im Winde hin und wieder neigen!
So willig neigt sich unsre Brust
In der Umarmung sel'gem Schwanken
Der Liebe einzigem Gedanken,
Der Liebe grenzenloser Lust.

Wie glüht der Rosen volle Last,
So tief am Strauch herabgesunken!
Als hätten sie vor Wonne fast
Ihr jubelnd Haupt zu schwer getrunken;
Heil dir, du Blumenkönigin!
Auch dir muß überschwenglich Leben
Die weichgeschaffne Brust durchbeben,
Wo ich so froh, so selig bin.

Wie einen Träumer in die Flut
Das Bild des Himmels hält gezogen,
So tief zu deines Herzens Glut
Halt' ich, o Kind, mein Haupt gebogen! -
Und wo ein Gott für Himmelslust
Das süßre Menschenglück will tauschen,
Unsterblich muß er sich berauschen,
Du Erdenkind, an deiner Brust."

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883(S. 20-22)
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Gründonnerstag

Gründonnerstag im Abendschein
Da spielten wir am Kirchenrain,
Wie war's im Dorfe still!
Wir spürten aus des Rasens Duft
Des Festes Geist und aus der Luft,
Das morgen kommen will.
Die goldne Abendröthe klang,
Es war wie lockender Gesang
Und rief: Marie! Marie!

Das erste Veilchen fand ich dir;
O Kind, wie lächeltest du mir
Aus deiner Engelsruh!
Geöffnet stand die Kirchenthür,
Die heil'ge Jungfrau sah herfür,
Sie war so schön wie du;
Im Chor und oben in den Höhn
Zerfloß ein himmlisches Getön
Und rief: Marie! Marie!

Und als der Stern im Abend stand,
Da gaben wir uns noch die Hand,
Das mochte selig sein!
Als ich dann wachend schlafen lag,
Drang Morgenhelle lang vor Tag
Mir schon zur Kammer ein;
Und Morgenhelle und Gesang
War all die süßen Ostern lang
Ob dir, Marie! Marie!

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 23-24)
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Das ist der Liebe Zeit

Er weiß es, daß er morgen kommen will,
Sie weiß es auch, und beide schweigen still;
O Liebe, die kein Name ganz benennt,
Nur diese Nacht noch ist es, die euch trennt.

Nur diese Nacht, und morgen, morgen schon!
Sie thun, als wüßten beide Nichts davon;
O höchster Liebe Zeit, eh sie gesteht,
Daß ihr vor Freude fast das Herz vergeht!

Schon athmet heute Wand an Wand mit dir
Die Einz'ge, und wie stille schweiget ihr,
Vom Glück verhehlter Ungeduld gewiegt,
Bis ihr euch morgen in den Armen liegt!


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 24-25)
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Mit der Braut

Der Morgen öffnet
Sein Purpurthor,
In den Morgen tret' ich
Mit dir hervor.

Am Pfade, schwellend
Von Thau und Licht,
Lockt junger Frühling,
Und lockt mich nicht,

Weil mir dein Odem
Lebendig weht,
Du andrer Frühling,
Der mit mir geht.

O Erde, Erde,
Wie reich bist du,
Und dein vergess' ich
Und mein dazu

Ob zweien Augen,
Wie du sie hast,
O junges Leben,
Das mich umfaßt.

Spürst du die Fülle,
Die webt und schwebt
Und mir die Tritte
Beseelend hebt?

Fühlst du den Segen,
Der um dich quillt,
Daß mir die Seele
Ueberschwillt?

Du schweigend Wunder,
Du weißt es nicht,
Wie ich trunken trinke
Von deinem Licht!

Und ist es möglich,
Und bist du mein?
Wir zwei im Weiten
Allein, allein!

O halte mich ewig
So gefaßt
Mit Aug' und Ohren,
Wie du sie hast!

Dem Himmel entgegen
Halt' ich dich;
Ein Himmel selber,
Erfüllst du mich.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 25-27)
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Mein Glück

Ich weiß es doch und glaub' es kaum,
So wunderbar ist mir,
Ich geh' am Tag als wie im Traum
Ob all der Lust an dir.

Und doch im tiefsten Traum ist mir
So hell und sonnenklar,
Daß nur ob all der Lust an dir
Die Welt so wunderbar.

Und wenn die Welt als wie im Traum
Vergieng' ob dir und mir,
Ich wüßt' es kaum, ich glaubt' es kaum,
Ob all der Lust an dir.


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 27)
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Gelöst

Wie du süße Augen machtest,
Als du sprachst: "Ich küsse nicht,
Küsse niemals!" und du lachtest
Mit dem ganzen Angesicht.

Und ich fragte hingegeben:
Wenn ich's nur auch sicher wüßt';
"Niemals!" sprach dein Widerstreben; -
Und wir haben doch geküßt.

"Ach wie schäm' ich - ach wie reut mich,"
Sprachst du, "daß ich mich vergaß!"
Doch ich sprach: Im Herzen freut mich,
Daß ich deinen Mund besaß.

Weil wir doch gehorchen müssen
Dieser Stunde schöner Pflicht,
Komm, daß wir uns wieder küssen,
Zweimal kommt die Reue nicht.

Sieh den Blitz, dort fällt er nieder,
Der noch kaum ein Brennen war -
Auch um uns ist Alles wieder,
Alles wieder frei und klar.


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 28)
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Stern und Sonne dürfen's wissen

Mußt bei mir bleiben die ganze Nacht,
Der einzige Mond und ein Sternlein wacht,
Was thut's, wenn sie sehn, was auf Erden geschieht?

Was thut's, wenn sie sehn, was auf Erden geschieht?
Mußt bei mir bleiben die ganze Nacht,
Und wenn es der ganze Himmel sieht.

Was thut's, wenn sie weiß, was auf Erden geschieht,
Wenn's am andern Morgen die Sonne sieht,
Daß du bei mir blieben die ganze Nacht?

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 29)
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In der Kirschenblüt'

Draußen am Platz
In der Kirschenblüt'
Bei'm Bronnen hat mich geherzt mein Schatz,
Nicht zu singen und sagen.

Ach wie herrlich im Sonnenschein
Rauschte der Quell! - Daß dich Gott behüt',
Trink' ihn, selige Kirschenblüt',
Sammt der Sonne ins Herz hinein,
Goldene Früchte wirst du tragen
Wo draußen am Platz
In der Kirschenblüt'
Bei'm Bronnen mich hat geherzt mein Schatz,
Nicht zu singen und sagen.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 29)
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In ihren Armen

Himmel und Erde, was wird aus dir!
Seele des Weibes, was bist du mir,
Seit mir, wie ich es nie erlebt,
So daß Herz an dem deinen bebt?
Ist dieß Quellen und Schwellen, sag,
Deiner, ist's meiner Pulse Schlag?
Singen die Lüfte, rauscht das Meer?
Alles ist Tönen um mich her,
Die Welt verschwimmt mir im Gesang,
Ich träume von seligem Untergang.
Soll ich von diesen süßen Wehn
Wieder aus deinem Arm erstehn?
Seele des Weibes, was bist du mir?
Himmel und Erde, was wird aus dir!

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 30)
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Im tiefsten Wald

Wir sprachen bald und schwiegen bald,
Beseligt ich und du,
Und du, geheimster Quell im Wald,
Du sahst und hörtest zu.

Und was die Liebe Liebes dort,
Was ich gefragt, was du,
Es floß als wie die Welle fort,
Und wie die Welle zu.

Und wie die Welle kam und floß
Und schwand und wallte zu,
Die ganze Welt, die uns umschloß,
Besaßen ich und du -

Und sprachen bald und schwiegen bald,
Beseligt ich und du,
Und du, geheimster Quell im Wald,
Quillst immer, immer zu.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 32-33)
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Geweihte Stätte

Wo Zweie sich küssen zum erstenmal,
Bleibt nach auf Erden ein Duft und Strahl;

Es leuchtet der Platz, es wärmt der Weg,
Von seligem Zittern bebt der Steg;

Und der Baum geht früher in Blüt' und Blatt,
Wenn ein Sonnenregen geregnet hat.

Die Erde wimmelt von Klang und Licht,
Wie Feiertag ist's, und ist doch nicht.

Wär' auch die Sonne am Untergeh'n,
Auf Erden ist's eben wie Aufersteh'n.

Denn Alles ist Seele und Sonnenstrahl,
Wo Zweie sich küßten zum erstenmal.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 33-34)
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In der Laube

Nach deiner Schulter, deinen Wangen
Wie froh der Sonnenblick sich stahl!
Und schöner als du ihn empfangen,
Gibt ihn zurück der Widerstrahl.

Ich trink' ihn ein und bin bezwungen,
Wie schön du leuchtest über mir,
Was ich verschlang, hat mich verschlungen,
Als hätt' ich aufgehört in dir.

Und wenn dich Schatten jetzt umziehen,
Ein leiser Wechsel ist es nur,
Ein Zauber jetzt, wie sie entfliehen
Vor einer neuen Sonnenspur.

Wie schön, wie schön in diesem Golde,
Als wär' es Leben, wär' es Geist!
Wer sah dich einmal so, du Holde,
Und sagte, daß du sterblich seist?

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 34)
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Eine Abendstunde

Keine Seele weit und breit,
Ich allein bin dein Geleit,
Liebste, sieh, es thaut und dunkelt
Und der Stern der Liebe funkelt.
Trinke seinen vollen Schein,
Trinkt, ihr süßen Augenlider,
Liebste, laß den Himmel ein,
So ist keine Stunde wieder.
Sieh, nun lieben alle Sterne,
Und so bring auch du, und gerne
Jedem Wunsch Erfüllung zu,
Eh ich sterben muß und du.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 35)
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Fürbitte

Weil du so rührend standst vor mir,
Vergaß ich das Gebet ob dir;
Ach daß das Weib so wohl gefällt!
So kam die Sünde in die Welt.

Denn weil dich Gott so schön gemacht,
Hab' ich nicht mehr an ihn gedacht,
Und dennoch war er stets vor mir,
Wenn ich bewundernd stand vor dir.

Nun bete du, geliebte Huld,
Für mich, ob himmlische Geduld
Um deinetwillen mir vergibt,
Der über Alles dich geliebt.


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 37)
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Liebestrutz

Sie schmollten und standen sich abgewandt,
Als hätten sie sich nie gekannt,
Und jedes geheim verzehrte sich;
O Stolz, herzkränkender, wie quälst du dich:

Im Thurm die Glocke schlägt Eins und Zwei,
Die Trutzzeit, mein' ich, wär' vorbei;
O nein, ein Fels der beugt sich nicht,
Viel eher daß ein Herz das andre bricht.

Gerüstet stehen die Wagen schon,
Denn jedes, jedes muß davon,
Eins hierhin und das andre dort,
Doch auch noch jetzo nicht ein Blick, ein Wort!

Zu Hause aber, ja zu Haus,
Da weinen beide die Augen aus,
Fern an der Donau, fern am Rhein,
O späte Reu', wie mußt du bitter sein!

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 37-38)
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Ein Gott, Ein Weib

Ich bin der Herr, dein einz'ger Gott, und du
Sollst neben mir nicht andre Götter haben,
Ruft das Gesetz dem Menschenkinde zu,
Denn in dem Einen hast du alle Gaben;
Doch daß mit Augen du die Wahrheit schaust,
Sei an die Seite dir das Weib gegeben,
In dem du einen Tempel dir erbaust
Und heiligst und erfüllst ein ganzes Leben.

Dein Frühling ist, wenn dich ein Weib entzückt,
Denn ohne Liebe duftet keine Blume,
Und schönrer Glaube hat dich nie geschmückt,
Als wenn du kniest vor diesem Heiligthume;
Ja glaube, dein ist, was dir blüht und lacht,
Du sollst der Erde Seligstes erfahren,
Besitz' es ganz und lasse seine Macht
Auf immer deinen Glauben dir bewahren.

Des Weibes Busen hat genährt die Saat
Der besten Männerzierden, die wir loben,
Aus deines Weibes Brust ist deine That,
Die dich erhebt, weil dich dein Weib erhoben;
Sei nur so groß an Seele, daß du sie
Auf ewig hoch von allen unterscheidest,
Und schönern Trost erfährt dein Auge nie,
Als wenn sie doppelt leidet, wenn du leidest.
Sei nur so stolz, das Höchste ihr zu sein,
Und stolz wird sie von dir das Höchste halten,
Was du in ihr erschaffen hast, ist dein,
Nie wird sie dir, und nie du ihr veralten;
Ein täglich Werden ist es, das euch lacht,
Der Erde Seligstes dürft' ihr erfahren,
Besitzt es ganz und lasset seine Macht
Auf ewig euren Glauben euch bewahren.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 38-39)
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Daheim

Ich habe dein Bild am Himmel fern
Gesucht beim bleichen Morgenstern,
Ich schwebte dir nach mit dem Schwalbenzug,
Der gen Mittag nimmt den geschwinden Flug,
Die Arme hob ich nach deiner Gestalt,
Wenn die Berge des Abends Gold umwallt;
An aller hohen Dinge Glanz
Hab ich dein Bild gebunden,
Und habe dich nirgend so rein und ganz
Als bei dir selbst gefunden.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 40)
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Mit meiner Königin

Ich gieng mit meiner Königin
Die duftigen Höhen des Waldes hin.
Vergessen hatt' ich Stund' und Zeit,
War Alles nur Eine Ewigkeit,
Die aus des Himmels wärmstem Grunde
Herabsank auf die schönste Stunde;
Streiften die Blätter uns nicht sacht,
Ich hätte selbst des Maien kaum gedacht.
Fühlt' ich mir doch zur Seite gehn
Ihres Lebens geheimstes Wehn,
Der Augen wunderbaren Zug,
Wie er die Seele mir hob und trug,
Und all die schweigende Gewalt
Der ruhig schwebenden Gestalt.
Ja, haltet mich, ihr Blätter alle,
Daß ich ihr nicht zu Füßen falle!

Wie eilten Schatten und Licht vorbei!
Dem Tage gab der Wald uns frei;
Und als ich umher das Laub ihr zeigte,
Ihr Haupt sich vor zu meinem neigte
Und mich berührt ihres Odems Seele -
Wo ist der Mund, der's nacherzähle?

Im Baume sang ein Vögelein:
"Ich hab' ein Nestchen im Busch am Rain;
Ach, brütet's drin so wonnesam,
Weil die Königin zu Besuche kam?"
Ich hob sie empor, sie sah hinein,
Wie glänzte ihr Auge von Wonneschein,
Wie quoll ihr Mund von des Vögleins Lob!
Glückseliger Arm, der empor sie hob!
Ja, Himmel über mir und ihr,
Laß mir die Königin, laß sie mir,
Und ich erfülle mein Leben lang
Ihr Leben mit einem Lobgesang.

Die Sonne sank, der Abend kühlte,
Wie süß umrauschte mich ihr Gewand,
Als ich mit Zittern gleiten fühlte
Eine Blume aus ihrer in meine Hand.
Nur diese Stunde nimm mir nicht,
Du Güte droben im Himmelslicht,
Die das Seligste, was die Welt erfüllt,
In eines Weibes Gestalt verhüllt.

***

Bald geh ich allein den Weg dahin.
Das Nestchen im Busch ist ausgeflogen
Und alle Freude weggezogen;
Wo bist du, meine Königin?
O du selige Stunde, wo bist du hin? -
Nun weiß ich, daß ich alleine bin.
Ist's möglich, daß an einem Tag
Eine einzige Seele unter der Sonne
Die Erde mit so viel Glanz und Wonne
Erfüllen - und wieder entvölkern mag?

Wie ausgestorben der Himmelsraum!
Ein einsam Vöglein singt im Baum:
Du Armer, sie ist fort, ist fort,
Nur einmal steigt vom Himmel nieder
Ein höchstes Glück und dann nicht wieder;
Vergessen heißt das Losungswort.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 41-43)
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So theilt das Schicksal

Der Himmel gieng aus allen Fugen,
Die ganze Erde hat gebrannt,
Als dich davon die Wagen trugen,
Ich aber stand wie angebannt.

Sie durften jubelnd dich empfangen,
Als müßte sich's von selbst verstehn;
Wie mir der Tag dahin gegangen,
Kein Menschenauge hat's gesehn.

Sie dürfen heiter dich umscherzen,
So leicht, wie dich ihr Auge fand,
Wer fragt dabei nach jenem Herzen,
Dem einen, das dich ganz verstand?

Um dich, Lebend'ge, möcht' ich streiten,
Wie Keiner sich im Streit vermaß,
Und um dein Grab, wie die Entzweiten
Gekämpft ums Grab Ophelias.

Und träfe mich zur guten Letze
Die Klinge, die vergiftet ist,
Was ist der fade Schatz der Schätze,
Das Leben werth, wo du nicht bist?

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 43-44)
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Mein Liebster nur ist mein Gebet

Ich bete alle Tag' und Stund
Um Glück für seine Seele,
Mit Freud' schaff' ich die Hände wund,
Wenn ich von ihm erzähle,
Und wenn der Tag hinunter geht,
Mein Liebster nur ist mein Gebet.

Ein Gärtlein hab' ich ihm gesät,
Das gibt so frische Kühle,
Und wenn die Sonne drüber steht,
So deck' ich's vor der Schwüle;
Er weiß nicht, daß ich's ihm gesät:
Mein Liebster nur ist mein Gebet.

Mit reichen Ehren mag die Stadt,
Mit Würden ihn bedenken,
Wie ihn mein Herz in Ehren hat,
Kann ihn kein Mensch beschenken;
Ich habe nicht auf Gold gesät,
Mein Liebster nur ist mein Gebet.

Ich geh' zum Thau ins Gartenland
Und wasch' mir ab die Thränen,
Man gibt ihm einer Andern Hand,
Wer fragt nach meinem Sehnen?
Doch ob mein Stern hinunter geht,
Mein Liebster nur ist mein Gebet.


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 44-45)
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Die Verlass'ne

Komm, du Ersehnter, im lieblichem Traume,
Stille mein Dürsten mit labendem Schaume
Aus dem erquickenden Kelche der Nacht. -
Die ihr den herrlichen Freund mir entrisset,
Euch ist vergeben, weil ihr nicht wisset,
Wie ihr mir Pein und Verzehren gebracht.

Quälende Sonne! Beschämt und verlassen
Muß ich vor'm Tage, dem harten, erblassen,
Ach und die liebenden Arme sind leer;
Aber in Träumen umfassen und halten
Darf ich die freundlichste aller Gestalten,
Und es verlanget die Seele nicht mehr;

Darf in den Armen der bräutlichen Freude
Schau'n und begehen das gold'ne Gebäude,
Wie es der Liebste der Gattin verspricht,
Und es bedrohet das höchste Genügen,
Wenn ich es trank in des Einzigen Zügen,
Weder ein göttlich noch menschlich Gericht.

Euch nur, ihr himmlischen Gäste dort oben,
Gleich ich, und fühle zu dir mich erhoben,
Göttliches, ewig befreites Geschlecht,
Liebe erweckend und Liebe begehrend,
Freudig empfangend und freudig gewährend
Üb' ich des Weibes geheiligstes Recht.

Kommt nun, ihr süßen erfüllenden Stunden!
Liebe, wo du deine Zuflucht gefunden,
Ist mir dein freudigster Becher erlaubt,
Weht um den Busen der Träume Gefieder,
Hab' ich, umfass' ich und küss' ich ihn wieder,
Den mir des Tages Entsetzen geraubt.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 45-46)
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Liebesqualen

Flammender Glaube, heldengroß
Jegliches Höchste wagend,
Stürme des Zweifels, hoffnungslos
Schiffer und Boot verschlagend,
Geister der Qual und Dämonen der Lust,
Himmel und Hölle in Einer Brust!

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 52)
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Mein und Dein

Das Mägdlein sprach: "Lieb Knabe mein,
Nun sag' mir, was ist mein und dein?"

Der Knabe sprach: "Lieb Mädchen mein,
Dein schönes Auge das ist dein,
Und drein zu schauen das ist mein;
Dein rother süßer Mund ist dein,
Dich drauf zu küssen das ist mein;
Nun thu' mir auf die Arme dein,
Drin liegen das ist dein und mein."


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 53)
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Sängerweihe

Ich hab' gelernt die Frauenliebe loben,
Geliebte, bei des Frühlings Nachtigallen,
In's dichte Laub sind küssend sie gefallen,
Dann hat der Gatte singend sich erhoben.

Dein blüh'nder Leib, aus Duft und Licht gewoben,
Dein heil'ger Kuß, dein tiefes Aug' vor allen
Hat mich, o Mädchen, von den Nachtigallen
Mit meinem Sange bald gelenkt nach oben.

Es ist so schön, sich wundernd zu versenken
In deines Busens lustgeheime Thale,
In deines Auges träumerische Gründe;

Und von der Küsse frischem Zaubermahle
Schwingt sich das Lied mit sel'gem Rückgedenken
Den Wolken zu, und weiß von keiner Sünde.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 53-54)
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Selig

Ich liege so froh, so selig,
Geliebte, in deinem Arm,
Die Küsse sind unzählig,
Und immer neu und warm.

O Liebe, du hoher Name,
Nur größer, je mehr du liebst!
O Liebe, du wundersame,
Nur reicher, je mehr du gibst!

Und höher ist an Ehren
Eine Mutter nur gestellt,
Die unter Freudenzähren
Ihr Kind am Herzen hält.

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 54)
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Die du mein Alles bist

Du weißt es wohl, daß du mein Alles bist;
O wende nicht dein schönes Aug' von mir,
Red' ich von unsrer Liebe Glück mit dir,
Die du mein Alles bist!

Du weißt es wohl, daß du mein Alles bist;
O sieh beneidend nicht den Blumen nach,
Die früh im Lenz die Hand des Todes brach,
Die du mein Alles bist!

Du weißt es wohl, daß du mein Alles bist;
O bald, ich fühl's, wirst du geschieden sein,
Und lässest dieses arme Herz allein,
Dem du sein Alles bist!

aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 59)
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Gestorben

Und stehen denn die Berge noch?
Zerbrach der Himmel nicht,
Als Erd' und Himmel mir versank
Mit zweier Augen Licht?
O Welt, wie magst du noch bestehn,
Wenn deine Leuchten untergehn!


aus: Gedichte von J. G. Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 59)
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Verloren?

Du, warst es, Du! erst jetzt auf meiner Bahn
War mir vergönnt, die Einzige zu sehen,
Ich jauchzte laut - ich weine zum Vergehen,
Seit wir zu spät uns in das Auge sahn.

Ich darf mich der Beglückenden nicht nahn,
Und wie ein Fremder muß ich ferne stehen,
Entsagen heißt das blutigste der Wehen,
Und täglich neu klag ich mein Schicksal an.

Doch lebt nach dieser Zeit ein andres Leben,
Sind dann die Herzen wieder sich verloren,
Die für einander in die Welt geboren?

Ist nur zur Qual der höchste Wunsch erschaffen?
Dann, Schöpfer, gib auch dem Geschöpf die Waffen,
Solch einem Dasein ew'gen Tod zu geben.


aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 15)
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Der Glücksgöttin

Heute ganz vor mir enthüllt,
Göttin, sah ich dich,
Und es tränkte, vollgefüllt,
Deine Schale mich.

Was ich träumend kaum geglaubt,
Hast du mir geschenkt,
Hast der Längstersehnten Haupt
Mir an's Herz gesenkt.

Und was Liebe geben kann,
Hat sie gern gewährt,
Was in schönster Stunde man
Seligstes erfährt;

Daß ich weiß von dieser Frist
Wie ich's nie gewußt,
Was dem Mann beschieden ist
An des Weibes Brust. -

Komme nun was kommen mag!
Lust und Leid der Zeit,
Reicht ihr doch an diesen Tag
Nie in Ewigkeit.


aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 16)
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Gekrönt

Ich trag' ein herrliches Glück im Sinn,
Und was ich thue und wo ich bin,
Es schwebt mir um's Haupt sein warmer Glanz
Wie ein unbestrittener Königskranz,
Und die dürftigen Menschen, sie wissen nicht,
Was mir glüht und leuchtet im Angesicht.

Denn daß ich dich besessen habe,
Deren Namen ich tief in der Brust begrabe,
Das bleibt ewiger Preis dem Mann,
Ein Gedanke, der niemals sterben kann.
Und müßt' ich selber zu Grunde geh'n,
Und schwände, du Einzige, Tag und Nacht,
Die Wahrheit bleibt wie die Sonne steh'n,
Daß du zum Könige mich gemacht.


aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 23)
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Was wär's auf Erden?

Warum Jedem auf Erden
Sein Lieb muß sein?
Was wär's auf Erden
Ohne die selige Pein?
Nicht inne zu werden
Die süßen Weh'n,
Wie's in deinem Umarmen
Unter deinem Kuß
Sich selig vergeh'n
Und versinken muß -
Und wiederersteh'n
Zur seligen Erden
Unter deinem Kuß!
Ohne dein Umarmen,
Darein ich versinken muß,
Was wär's auf Erden
Ohne deinen Kuß?

aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 24)
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Mein Glück

Ich weiß es doch, und glaub' es kaum,
So wunderbar ist mir:
Ich geh' am Tag als wie im Traum
Ob all der Lust an dir.

Und doch im tiefsten Traum ist mir
So hell und sonnenklar,
Daß nur ob all der Lust an dir
Die Welt so wunderbar.

aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 25)
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Ersatz

Es weint ein Vöglein, welches leise
Durch's stille Herbstgezweige streicht,
Wenn an des Lenzes frohe Weise
Einsmals Erinn'rung es beschleicht.

So weinst du, Herz, mit tiefem Sehnen
Nach deinem Jugendmai zurück,
Und sieh, das Rieseln dieser Thränen
Ist süßer fast als jenes Glück.


aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 29)
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Reliquien

Weißt du es noch, wie dir im Spiel
Am Raine des Gartens ein Band entfiel,
Wie mein bebender Finger mit heimlicher Hast,
Du süßestes Mädchen, das Pfand erfaßt,
Und meine Wonne ich nun verborgen
Entgegengeträumt dem nächsten Morgen? -
Du weißt es nimmer, denn bald vergißt
Ein Kind sich selbst, das selig ist.

Doch mir, mir leuchtet er immerfort
Mit Wunderglanz der gesegnete Ort,
Die sonnige Stelle, so warm und lind,
An der es war, du verklärtes Kind.
Und wie du standest - ich seh' dich noch,
So festlich still, so sinnend hoch;
Versunken steh' ich und schaue dich an,
Den Himmel über dir aufgethan,
Wie dich umstrahlt sein Glorienlicht
Gleich einer Heiligen Angesicht.

aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 31)
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Süße Mühen

Laß diesen hauchenden Maienstrauß
In deinen Busen mich versenken
Und über diesen Lenz hinaus
Das holde Geheimniß froh bedenken,
Daß dieser Frühling in uns erregt
Zwei neue lebendige Welten,
Die ewig möchten süß bewegt
Das Höchste einander gelten,
Die rastlos verlangend und nie genug
Mit Fragen, ahnungsvollen,
In seligem Hin- und Wiederzug
Einander ergründen wollen.


aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 32)
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Verschiedene Freunde

Aus allen Frauen muß ich dich erheben,
Auf allen Wegen suchen muß ich dich,
Den einen Ort nur hat die Welt für mich,
Wo ich dich weilen denken darf und weben.

Und wie ein Schutzgeist möcht' ich dich umgeben,
Du, deren einz'gem Bild noch keine glich,
Die Seele dürstet, dir zu opfern sich,
Und kann es dich beglücken - nimm mein Leben.

Doch wehe, wenn dein Herz mich lächelnd schreibt
Zu jenem Troß, dem täglichen, gemeinen,
Der liebt, so lang der Jugend Sterne scheinen,

Der, wo die Treue glüht im Mannesherzen,
Sich selbst bespiegelt in erborgten Scherzen
Und nie die Schönheit ahnte, welche bleibt.

aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 49)
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Laß, Himmel, diesen Engel mir

Die Blumen sind herabgesunken,
Vom heißen Kuß der Sonne matt;
Und hast auch du dich müd getrunken,
Sag, schöne Freundin, bist du satt?

Nein, laß uns nimmermehr erwachen
Aus dieses Kusses Ewigkeit,
Der hat die Blumen sterben machen,
Der sie gemahnet an die Zeit.

Reich diesen Mund mir ewig wieder,
So weich an meine Brust gelegt,
Du Haupt, das solche Augenlider
Ob solchem Auge niederschlägt.

Ich hatte nie das Weib empfunden
Wie ich es angeschaut in dir,
Ich hab' es nie seitdem gefunden,
Laß, Himmel, diesen Engel mir.


aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 50)
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Vermächtniß

Kein Puls ist ohne dich vergangen,
Seitdem ich dir begegnet bin,
Wer so den Strahl in's Herz empfangen,
Kann nicht mehr leben ohne ihn.

Und wenn sie alle dich verließen
Und käm' der Freunde keiner mehr,
Ein Netz von Liebe will ich schließen
Mein ganzes Leben um dich her.

Vor deine Seele will ich treten,
In deines Lebens Nacht und Licht
Und um dein theures Leben beten,
Ob du es wissest oder nicht.

Nur halte du in's Herz geschrieben,
Welch Herz sich dir zu eigen giebt,
Es kann unendlich glücklich lieben,
Unendlich arm sein ungeliebt.

aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865 (S. 57)
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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Fischer_(Dichter)

 

 

 

 


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