Karl Foy (1856-1907) - Liebesgedichte

 



Karl Foy
(1856-1907)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






Fatima

Vor dem schönen Mond verhüllen
Sich die kleinen Sternelein,
Zeiget er in vollsten Füllen
Hoch am Himmel seinen Schein.

Und so that er damals wieder,
Wie ich aus der Gondel stieg;
Spähend schlich ich auf und nieder,
Und der blühnde Garten schwieg.

An den stillen Lorbeerhecken
Glitt ich hin in stiller Nacht.
Nur in weissen Marmorbecken
Plätscherten die Wasser sacht.

Und ich sprach "dies ist die Laube"
Und ich sprach "die Zeit ist da".
Harrend sass ich in der Laube -
Fatima! ach, Fatima!

Endlich dröhnten starke Schritte
Und mein Herz erschrak in mir,
Und mit Turban, Dolch und Degen
Trat herein ein Cavalier.

Bülbül sang so trüb und kläglich,
Trüb und kläglich ward es mir.
Ohne Laut und unbeweglich
Stand der fremde Cavalier.

Und ein Schwert flog aus der Scheide,
Und sein Schwert flog aus der Hand,
Und sein Turban flog vom Haupte,
Und zu Boden sein Gewand.

Ohne Turban, Dolch und Degen
Stand mein Stambulröschen da,
Und ich küsste sie verlegen:
Fatima! ach, Fatima!
(S. 6-7)
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Liebesfackel, leuchte mir!

Das Mädchen spricht
Liebesfackel, leuchte mir!
Rotes Fess auf schwarzen Locken,
Schwing' die Quaste über dir!
Und ich folge unerschrocken;

Denn den Bosporus entlang
Kennst du hier ja alle Wege,
Jeder Grotte Felsengang;
Jedes laubige Gehege;

Kennst auch Ruderkunst und Meer:
Willst du in die Gondel schreiten,
Schreit' ich willig hinterher,
Und mit dir dahinzugleiten.

Wie ein Märchen ist die Nacht.
Mondgeküsste Wellchen flimmern;
Und von fern in weisser Pracht
Winkende Paläste schimmern.

Wie sich an die sanften Höhn
Zauberisch die Dörfer schmiegen,
Die in Gärten wunderschön
Zwischen Meer und Himmel liegen!

Und gewiegt wie von Musik
Schweben wir vorbei an ihnen.
Spielend lenkst du das Kaik,
Bunt umtänzelt von Delphinen.

Wo ist wohl der schönste Port,
Den dies Schifflein sich erkiese?
Wo der Liebe liebster Ort
In dem schönen Paradiese?

Vor der Symplegaden Thor,
Wo die weissen Möwen schweben,
Wo zur Rechten schlank empor
Sich die Minarette heben,

An dem Kuppelhaus entlang,
Wo die frommen Moslim beten,
Führt der Oelbaumschattengang,
Den nur wenige betreten.

Eingehüllt in Rosenduft
Harrt die wohlbekannte Laube.
Schwermuthvoll der Gjongjon ruft;
Träumend gurrt die Turteltaube;

Schwermuthvoll und sehnsuchtsweich
Singt Bülbül die alten Lieder.
Dort, mein Schiffer, ist dein Reich,
Dort, mein Sultan, lass dich nieder!

Unter uns des Meeres Pracht
Und von ferne die Cypressen,
Gleich den Schläfern ew'ger Nacht
Lass uns dort uns selbst vergessen!

Bis, soweit das Auge schaut,
Alle Höhn im Lichte schwimmen.
"Gross ist Allah!" ruft es laut
Aus den Höhn mit Priesterstimmen.

"Gross ist Allah!" tönt der Ruf.
Sein sind uns'rer Herzen Triebe,
Der des Lebens Wonnen schuf,
Der die Wonnen schuf der Liebe.
(S. 8-10)
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Ramasannacht

Im sehnsuchtsreichen Mondenglanz
Wie tänzeln deine Wellen,
O Bosporus, in sachtem Tanz,
Um mir das Herz zu schwellen.

Allah ist gross im Ramasan,
O Allah, sei gewogen
Und sende meinen süssen Schwan
Mir durch die weichen Wogen!

Es schwelgt die Nacht in Edens Duft,
Denn Blüte bricht aus Blüte,
Doch Seufzer füllen mir die Luft
Und Flammen das Gemüte.

Wer Schönheit barg in seinem Schooss,
Mit ihren Locken spielte
Und kosend, aller Sorgen los,
Nach ihrem Herzen zielte,

Wie trüge er der Trennung Qual
Ob auch erprobt in Leiden?
Mein Auge zählt der Wellen Zahl:
Wie will mein Herz sich weiden?

Wie will sich's halten, bringt ihm nicht
Von Asiens Gestaden
Ein Ruder seinen Trost in Sicht,
Den hellen Stern der Gnaden,

Der leise rauschend durch die Nacht
Sich nah und näher lenke
Und seine ganze süsse Pracht
An diesen Busen senke?

Beschattend ragt der Feigenbaum.
Nur er soll uns belauschen,
Bis Asiens und Europas Saum
Die Morgengrüsse tauschen.
***

O  Allah, lange fastet schon
Dein Fremdling wie ein Muselman.
Das Brod der Liebe sei sein Lohn
Zur Nacht in deinem Ramasan.
(S. 11-12)
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Die Nacht ist schön, ist wunderschön,
Und du bist nicht erschienen.
Wozu soll in den leeren Höhn
Die schöne Nacht mir dienen?

Und schwebten Engel über mir
Mit den verklärten Mienen,
Ich fragte seufzend nur nach dir,
Ich fragte nicht nach ihnen?

Gedanken fliegen um mich her
Und schwärmen wie die Bienen,
An Stacheln reich, an Honig leer, -
Ach, du bist nicht erschienen.
(S. 69-70)
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Ich denke dein und immer dein.
Wann nahst du mir, o du mein Reh?
Verlangend ruhe ich allein.
Wer wacht bei mir als nur mein Weh?

Ich sah im goldnen Abendschein
Nach dir, nach dir, o du mein Reh.
Nun bleichen schon die Sternelein,
Wer wacht bei mir als nur mein Weh?

Bald bricht der Morgen rot herein
Und glüht dich an, o du mein Reh.
Ach, könnt' ich in den Gluten sein.
Wer wacht bei mir als nur mein Weh?
(S. 71)
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Schon ist der schöne Mond verschwunden.
Zitternd bricht der Tag herein.
Die Schatten fliehn, es fliehn die Stunden
Und ich bin allein.

Der Vogel mit den Sehnsuchtsstimmen
Jubelt, der die Sonne schaut.
In hellem Tau die Blumen schwimmen,
Meine Seele taut.

Auf mein erwachtes Lager fallen
Thränen hin mit hellem Schein,
Doch keine von den Thränen allen
Kann mein Tröster sein.
(S. 72)
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Einem Auge im Süden
(An der Ostsee)

Ich wollt', die Sehnsucht wäre nicht
Solch armes Vöglein, klein und schwach,
Das ewig an das Gitter fliegt,
Und dennoch lässt sein Drang nicht nach.
Ich wollt', sie wäre Wetterbraus,
Durchbräche Wälder, fällte Eichen
Und machte Berg und Hügel weichen
Und trocknete die Wasser aus.

Im Sturme käm' ich dann zu dir
Und nimmer schiede Meer und Land
Das hochentflammte Herz in mir
Von dir und deiner Heimat Strand.
Doch so leb' ich in schlimmem Bann,
Ein Fremdling in der eig'nen Klause,
Mein Herz ist ja nur dort zu Hause,
Wo's seine Liebe schauen kann.

Geklaget sei's dem Wolkenheer,
Das sich im Süden furchtbar türmt,
Geklagt der Windsbraut, die vom Meer
Im rauhen Tanz gen Mittag stürmt!
Ihr Blitze, sprengt das Dunkel dort!
Werft weit die Himmelsfeuerzeichen,
Dass sie das süsse Aug' erreichen
Als Flammengruss aus kaltem Norden.
(S. 75-76)
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An H. Byr ...
Statt der Widmung

Den Frühling glaubte ich zu sehn,
Den lichten, schönen, jungen Gott,
Als ich dich sah. - Auf Wiedersehn! -
Ach, dieses Wiedersehn ward Spott;

Doch nicht die Treue, die ich schwur,
Ob ich gleich nichts von Treue sprach.
Noch folgt dein Bild auf jeder Spur
Mir treuer als mein Schatten nach.

Denn auch im Dunkeln schau' ich dich,
Ja, erst im Dunkeln doppelt klar,
Und sinnend dann begreife ich,
Welch Wunder jene Stunde war.

Ich schaue noch der Stirne Schwung,
Die ihr Juwel so stolz bewahrt,
Der Augen Hochbegeisterung,
Die Mienen, liebevoll und zart.

Und wie ich sinne, kommt es mir,
Wir sollten ewig Freunde sein.
Ich bot dir nichts, du Alles mir,
Und darum fürchte ich dein Nein,

Und darum schwankt und zagt dies Lied,
Das nun als Bote zu dir schwebt,
Das, dich zu fragen, zu dir zieht
Und, dich zu fragen, dennoch bebt.
(S. 79-80)
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Geschwätzig schwirrt die bunte Brut der Meisen
Von Blatt zu Blatt im dichten Zaun des Hages,
Doch ruhig, königlichen Flügelschlages,
In klarer Sonne liebt der Aar zu kreisen.

Die schaumentsprossnen Freuden des Gelages
Mag wohl ein bunt gefällig Liedchen preisen,
Doch Schönheit fordert ernste grosse Weisen.
Vor ihr verstummt das kleine Lied des Tages.

Ach! wer bin ich, dass ich die echten Töne
Aus seligem Gefild herniederzwänge
Und dich, du holder Abgrund solcher Schöne,

In nie veraltendem Gesang besänge?
Begehre nicht, dass dich mein Lob verhöhne!
Nimm stumme Liebe statt verworrner Klänge!
(S. 81)
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Entgangen mitten aus des Tags Gemeinheit,
Geborgen, wo uns keine Lauscher stören,
Lass mich dir wieder glühend angehören,
Und wieder weihe mich durch deine Reinheit!

Gedanken ruht, die mir den Geist empören!
Vergessen sei der engen Herzen Kleinheit!
Hier labt mich formverklärter Wunder Feinheit,
Die ewig reizen, aber nie bethören.

In dich ein Blick kann Sonnenschein mir geben,
Wenn mich die Sorgen schon umnachten wollen,
Die dräuend oft dies junge Haupt umschweben;

Des Wahnsinns Boten selbst, die Grauenvollen,
Sie mussten sich enttäuscht von dannen heben
Und schonten mein, um machtlos dir zu grollen.
(S. 82)
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Wem nie im Leidensmeer zerbrach das Steuer,
Wer nie mit Stürmen rang und Grimm der Wogen,
Wer nie durch Gluten schritt und hohes Feuer,
Wer nie verwundet ward von falschem Bogen,
Wer nie auf Schlangen stiess und Ungeheuer,
Für den sind diese Blättlein nicht geschrieben.
Und wenn sie doch in seine Hände flogen,
Was Wunder, wenn sie unverstanden blieben?
(S. 83)
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Ich will dich als Begierde nie umschweben,
Doch treibt kein Bann mich je von deiner Spur.
Ich will ja nur in deinem Lichte leben,
In deinem Lichte sterben will ich nur.

Es nährt die Blume sich vom Glanz der Sonne,
Vom Taue nährt der goldne Falter sich.
Verklärte leben von des Schauens Wonne,
Vom süssen Schaum der Schönheit lebe ich.
(S. 83)
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Du Wunderbau, den ich in Wonne ehre,
Von zarter Linien Zaubernetz umschlungen,
Du schlanker Leib, dem Staube abgerungen,
Wie löst du meinen Geist aus seiner Schwere!

Mir ist, ich wachte auf aus Dämmerungen,
Wie Nebel fliehn der Grübeleien Heere.
Enthüllte Schönheit! Weisheit ohne Lehre!
Wie hast du Gier und Gram in mir bezwungen.

Wie könnt' ich kleinlich sein in deiner Nähe?
Vollendung wohnt bei dir in allen Zügen
Wie nirgends sonst, wohin ich immer spähe.

Noch muss dein blosser Anblick mir genügen.
Doch dann, o dann? Ja, wer die Zukunft sähe!
Verstumme, Herz, und lerne dich zu fügen!
(S. 84)
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Von deines Wesens namenloser Schöne
Hab' ich der süssen Sinnlichkeit vergessen.
Voll Andacht bin ich stumm vor dir gesessen,
Auf dass die Form mein doppelt Ich versöhne.

Mir war, als ob ein Engel unterdessen
Mein Haupt mit hellem Siegesschmucke kröne.
Kein heiss'rer Trieb soll mir der Sehnsucht Töne,
Soll mir der Seufzer Hauch hinfort entpressen!

In dir befreite Schönheit sich vom Leibe,
Dein Anblick löst mich aus der Sinne Schranken;
Dass ich des Geistes Schiff zur Höhe treibe,

Und ob auch Sternenuhr und Compass schwanken,
Du zeigst mir, wie ich in der Richte bleibe,
Das grosse Meer durchfahrend der Gedanken.
(S. 85)
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In Ehren prangt auf Erden hier
Viel Volk, das nicht an Schönheit glaubt.
Voll Reue steh' es fern von mir
Und streue Asche auf sein Haupt!

Es ward sein Ohr der Kunde taub,
Dass einst des Wunders kühnster Flug
Der Erde formverklärter Staub
Den Ewigen in die Arme trug.

Auf goldnem Wagen kommt nicht mehr,
Von Tauben durch die Luft geführt,
Die Lächelnde vom Himmel her,
Durch ihrer Sappho Flehn gerührt.

Und wo sind all die Melodien,
Die einst der Held von Lesbos sang,
Als jenes schwarze Auge ihn
Und jenes schwarze Haar bezwang?

Dem Meere sang er seine Glut,
Und schwellend stieg das Meer empor.
Noch regt Natur dieselbe Flut
Und zeugt noch Formen wie zuvor.

Du aber, die auf goldnem Gleis
Des Himmels weite Bahn durchmisst,
Die still beschaut der Welten Kreis
Und alles weiss, was war und ist,

O sahst du je, so lang' dein Licht
Mit lustentzündender Gewalt
Der Dunkelheiten Graus durchbricht,
Ein Wesen holderer Gestalt,

Als jene Blume, die mein Herz
Im Flug der Melodien umfliegt,
Die jede Gier und jeden Schmerz
Durch sanfter Formen Spiel besiegt?

Vollendung, o wie strahlst du klar!
Nach deinem Strahle schmachten wir.
Es sehnt der Mensch sich immerdar,
Noch sterbend sehnt er sich nach dir.

Drum selig, wer gesangumrauscht
Wie Pindar deinen Kurs erwirbt,
An deinem Busen sterbend lauscht,
Durch dich unsterblich, lächelnd stirbt.
(S. 86-88)
_____



Die Nacht des Todes

Mit düstrer Braue kommt gezogen
Der Abend, der auf Unheil sinnt.
In Hast behelmen sich die Wogen
Und sieh, der Wetter Schlacht beginnt.

Wie wild die Unsichtbaren stürmen!
Der West bekämpft den grimmen Nord.
Auffährt in himmelhohen Türmen
Das Meer und heult von Bord zu Bord.

O wehe denen, die jetzt schwanken,
Ein Spiel des Zorns, im leichten Boot,
Nur durch die schwachgefugten Planken
Getrennt vom wutentbrannten Tod.

Die Woge springt mit weisser Mähne
Am Fels empor bis an mein Knie.
Es kracht die Wand, an der ich lehne.
O furchtbar grosse Poesie!

Da stieg's wie aus dem Reich der Toten,
Ein Atlas hebt sich im Orkan.
O Engel ihr und Lichtesboten!
Auf seinem Kamme schwebt ein Kahn.

Im nächsten Nu versinkt er wieder.
Ein Wetterstrahl umzuckt ihn wild.
Ich sah - versteint ihr nicht, o Glieder? -
Im Kahne meiner Liebe Bild.

Der Wahnsinn stürzt mich in die Tiefen,
Umflammt von Blitzen blutig rot.
Nun rast ihr Wetter, die noch schliefen! -
Und laut umarmte mich der Tod.

Ja, ballgleich flog ich auf im Gischte
Bis in der Donnerwolke Schooss,
Dann drunten, wo die Hölle zischte,
Versank ich tief, besinnungslos.

Erst spät begann's in mir zu pochen.
Die Augen öffne ich: o Pracht!
Da war ein Frühling aufgebrochen
Von Sternenblumen in der Nacht.

Wo bin ich? O ihr milden Lüfte!
War alles Traum, was ich empfand?
Und vor mir stand im Felsgeklüfte
Mein athmend Lieb im Brautgewand.

"Wie kamst du, Liebste, aus der Ferne?
Und wie entrannst du hier der Flut?"
Sie schaute schweigend in die Sterne
Und dann auf mich mit Wehmuthglut.

Ich sprang empor, sie zu umschlingen.
Da bebt ein Strauch von Rosmarin.
Sie aber war entflohn auf Schwingen,
Geheimnisvoll wie Geister fliehn.

Ich rief und rief; sie blieb verloren.
"Verloren" rief das Echo nach.
So kam's, dass auf mein Haupt beschworen
Ein Doppeltraum mich doppelt brach.

Mir stockte jede Lebenswelle,
So wirklich schien dies Nachtgesicht.
Noch blieb ich fern des Wachens Schwelle.
Das Garn des Truges war zu dicht.

Erst als der Berge Büsche klangen
Und Strahlen blitzten fern und nah
Und mit den purpurlichten Wangen
Der Tag durch goldne Wolke sah,

Da ward mit lautem Herzensklopfen
Des Schlafes Last von mir gethan,
Und überströmt mit hellen Tropfen
Erwachte ich, noch halb im Wahn.

Wohl hörte ich der Vögel Lieder,
Wohl sang das glanzbeglückte Meer,
Doch Schauder lief durch meine Glieder,
Mein Fuss war matt, mein Herz war schwer.

Auf den Ruinen sang der Hirte;
Ich schlich durch Terebinten hin,
Am Abhang grüsste mich die Myrte;
Die Welt war schön, doch dumpf mein Sinn.

So schritt ich über meine Schwelle,
Doch vor dem ersten Abendrot,
Da war der Bote schon zur Stelle,
Der mir ein schwarzes Siegel bot.

Ein schwarzes Siegel. - Fragt nicht weiter!
In jener Nacht, die ich beschrieb, -
Ob Traum, ob Wahrheit, fragt nicht weiter!
Verlor ich ach! mein süsses Lieb.
(S. 95-99)
_____



Griechische Tanzklänge

Mein Täubchen, das ist ganz verkehrt,
Dass Küsse Sünde sind.
Hat Mutter sie dich nicht gelehrt
Schon früh als kleines Kind?
_


Küssen muss ich deine Lippen,
Und sie triefen Wein.
Werde schon beim blossen Nippen
Sterblich trunken sein.
_


Auf euch, Rubinenlippen,
Da fliesst des Lebens Wässerlein.
Nur einmal lasst mich nippen!
Dann fällt mir nie zu sterben ein.
_


Tausend Sterne stehn am Himmel.
Jedes Sternlein sei ein Schwert!
Und die Schwerter mir ins Herze,
Wenn mein Herz dich nicht verehrt!
_


Möchte Zeit und Ort entdecken,
Habe beides nicht entdeckt,
Und wie soll ich's ihr entdecken,
Was mir tief im Herzen steckt?
_


Jeden Sabbat tagt im Himmel
Feierlich Gericht.
Wer aus Liebe starb auf Erden,
Den verdammt man nicht.
_


O Himmel du, dich bitt' ich sehr:
Lass keinen Regen mehr!
Ich tränkte schon das grüne Kraut
Mit meinen Thränen ringsumher.
_


Im fernen Meer, da ist ein Ort,
Da quillt ein Quell, ein kleiner Quell,
Und schöpft und trinkt der Schiffer dort,
Vergisst er sein Herzliebchen schnell.
_


Ich bin das Vöglein, das man nennt
Die kleine Turteltaube.
Wenn sie ihr kleines Lieb verlor,
Verschmachtet sie im Laube.
_


All herbei, wer Lieder kauft!
Heute geht es dutzendweise,
Einen Pfennig für das Stück!
Morgen schrauben wir die Preise.
_


Nach Küssen wandern wir umher
Auf vielgeplagten Füssen.
Verbittert ist der Mund uns sehr
Und möchten ihn versüssen.
_


Und gabst du mir den Messerstich,
So gieb das Kraut zur Wunde!
Die kleine Lippe drück' auf mich,
Dass ich davon gesunde.
_


Erbarmt dich meine Jugend nicht?
O du Erbarmungslose,
Mein junges Leben seufz' ich hin
Nach deiner Liebe Rose.
_


Ja, quäl mich nur, ja, schlag mich wund
Und blicke selber heiter!
Bis du dich endlich mein erbarmst,
Sprech' ich: "Nur immer weiter!"
_


Ich klage meine Schmerzen all
Dem kalten Felsgesteine,
Und wieder klagt der Wiederhall.
Ich sitze und ich weine.
_


Ein Bächlein klagt, am Bächlein ich
Mit meinem Herzeleide.
An eine Weide lehnt' ich mich,
Vertrocknet ist die Weide.
_


Ich möchte sein ein Donnerstrahl
Und hoch im Himmel sitzen,
Und wandelte sie durch das Thal,
Auf sie herunterblitzen.
_


Mach mich, Königin, zum Bäumchen,
Hoch und schlank, an Wuchs dir gleich!
Pflanz mich dann vor deinem Fenster
Mitten in dein Blumenreich!
_


O ihr schwarzen, schwarzen Augen!
Schwarz wie die Oliven sind.
Wer euch küsst, der küsst das Leben.
Für den Tod küsst er sich blind.
_


Mein Täubchen, sagte ich dir's nicht,
Wir sollten uns nicht lieben;
Denn Liebe leuchtet wie ein Licht,
Ist nie versteckt geblieben.
_


Ich gehe immer auf den Zehn
Vorbei an eurer Türe.
Von aussen könnt's die Mutter sehn,
Was ich von innen spüre.
_


Wie gleichen sich dein Busen und
Der weisse Schaum der See!
Und wer in deine Arme sinkt,
Zertaut wie Frühlingsschnee.
_


Hirschlein, Rehlein auf den Bergen,
Die ihr wisst, wo Kräuter stehn,
Zeigt mir das Vergessenskräutlein,
Ich vergässe gerne wen.
_


Wer deinem Wort zu trauen wagt
Und deinem süssen Schwur,
Der hält im Meere Hasenjagd
Und Fischfang auf der Flur.
_


Wer Liebe hat, verfärbt sich sehr,
Wird gelb und grün und weiss und rot
Und Hand und Fuss gehn hin und her.
Das arme Kind hat grosse Not.
_


Du glitzernd Sternlein steig herab
Und richte uns zwei beiden!
Sie hat mich je und je geliebt
Und will sich von mir scheiden.
_


Verläuft das Meer sich wundersam
Und treibt der Grund Cypressen,
Dann kam die Zeit, die Stunde kam,
Der Liebe zu vergessen.
_


Kleines Rebhuhn, wunderholdes,
Gehst du durch die Wälder hin,
Schling' und Ruten will ich stellen,
Fangen will ich dich darin.

Fingst du dich in meiner Schlinge,
Kleines Rebhuhn wunderhold,
Will ich dir ein Häuschen machen,
Ganz und gar aus purem Gold.
_


Deine Liebe du, mein Fräulein,
Tröpfelte als wie die Kerze.
Nieder fiel ein grosser Tropfen;
Brennend fiel er mir auf's Herze.
_


Horch, Fensterlein! und sei mir hold
Und zeige mir die Meine!
Dann rahm' ich dich in lauter Gold
Und lauter Edelsteine.
_


Liebe ist ein starker Blitz
Und ich muss dir sagen:
Eh man rufen kann "es blitzt",
Hat es eingeschlagen.
_


Die Welle steigt, die Welle fällt,
Der Wind bewegt die Wellen.
Es kam ein Töchterchen zur Welt,
Das freut die Junggesellen.
_


Wie viele lieben doch den Baum
Und wollen von ihm essen,
Doch brachen sie erst seine Frucht,
So ist der Baum vergessen.
_


Die Augen fragten jüngst das Herz,
Warum das Herz sich quäle?
"Was ihr vermisst, das fehlt auch mir.
Nun fragt nicht, was mir fehle!"
_


Nun, süsse Brüder, lasst das Herz
Am goldnen Mai uns weiden.
Er spricht: "Ich gönn' euch Lust und Scherz,
Wer darf sie sich verleiden?"
_


Am Fenster sitzt des Winzers Kind,
Viel Jungfräulein daneben.
So sitzt die Traube, voll und süss,
Inmitten grüner Reben.
_


Wenn mein Vöglein auswärts weilet,
Schneit und stürmt es fern und nah.
Doch verkündet es zu kommen,
Stehn die Berge grünend da.
_


Ich malte gern ein Heiligenbild,
Wenn ich zu malen wüsste,
Ein Bild, dass ich in Ewigkeit
Mich bückte und es küsste.
_


Willst du mir die Brust durchbohren,
Zuck' nicht nach dem Herzen hin!
Würdest dich nur selbst durchbohren,
Denn du selber sitzest drin.
_


Ihr Pfaffen und ihr Mönche ihr,
Wo fandet ihr geschrieben,
Es sei verzeihlich, was man einst
Geliebt, nicht mehr zu lieben?
_


Mein Kind, ich thue, was du willst,
Du brauchst nur zu befehlen;
Ich messe dir den Sand am Meer,
Will Korn für Korn ihn zählen.
_


Fische brätst du in der Pfanne,
Und das Feuer brennt vor dir.
Lass die Fische nur verbrennen!
Komm heraus und horche mir!
_


Ja, ein Spiegel ist das Lied,
Und die Wahrheit zu gestehn,
Wenn ein Kauz sich drin besieht,
Kann er keinen Engel sehn.
_


Frisch munter, wie's kommt,
Vom Munde gesungen!
Ihr Kinder, es frommt
Kein Drücken den Lungen.
_


Selbsterkenntnis:
Eine Null, untadlich rund,
Schreib' ich unter mein Gedicht;
Sie vermehrt die Zahlen und -
Selber zählt als Zahl sie nicht.
(S. 165-174)
_____


Aus: Lieder vom Goldenen Horn von Karl Foy
Leipzig Verlag von A. G. Liebekind 1888

 


Biographie:

Karl Foy geboren 1856 in Ludwigslust / Mecklenburg, gestorben 25.03.1907 in Berlin, war Professor der Orientalistik an der Uni Berlin. Mehrere fachspezifische Publikationen.
Schriften: Lieder vom Goldenen Horn (1888)
Aus: Deutsches Literatur-Lexikon. Biogr. - bibliographisches Handbuch, begründet von Wilhelm Kosch, Francke Verlag Bern München 1978 (Band 5)



 

 


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