Maria Clementine François (1823-1844)  - Liebesgedichte

 

Maria Clementine François
(1823-1844)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 
Ausgleichung

Amor hat Flügel – Hymen hat Fesseln -
Beides, ach beides gefährlich mir scheint -
Dieser wird binden, und Jener wird fliehen,
Wenn nicht ein freundlich Geschick sie vereint.
Daß nun von Amors Flügeln getragen
Hymen die lästige Kette verliert,
Der flüchtige Amor, in Fesseln geschlagen,
Mit ewigen Rosen die Stirne uns ziert.
(S. 259)
 
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Amor's Binde

Amor ist blind.
Willst du's beklagen?
Lerne doch lieber
Die Ursach' erfragen.
Weislich wohl hat es das Schicksal gemeint,
Als es die Binde der Liebe vereint.

Amor ist blind,
Lern' es versteh'n.
Was schön und was häßlich,
Das kann er wohl seh'n;
Er suchet das Schöne; doch wenn er es find't,
Für Liebchens Fehler – da ist er dann blind.

Amor ist blind.
Preis' dich beglückt!
Siehe, wie lächelnd
Rosen er pflückt:
Säh' er die Dornen, die hämisch ihm dräun,
Würd' er so sorglos der Rosen sich freun?

Amor ist blind.
Darfst ihm vertrau'n,
Lassen sich Bess're,
Als du, von ihm schau'n;
Denn ob sie auch schöner und reizender sind:
Für fremde Schönheit, da ist er doch blind.

Amor ist blind.
Willst du's beklagen?
Denk deiner Mängel;
Und lerne nun sagen:
Daß Liebe und Treue beglücke das Leben,
Drum ward dem Gott die Binde gegeben.
(S. 274-275)
 
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Amor

Amor, du von allen Göttern
Bist der reizendste zu schau'n;
Dir, nur dir möcht' ich vor Allen
Gern mein Leben anvertrau'n!
Du allein vermagst zu geben
Unsers Daseyns höchstes Glück;
Wonne spricht aus deinen Zügen,
Seligkeit aus deinem Blick.
Rosen müssen rings erblühen,
Wo du eingekehrt als Gast,
Scherz und Freuden mit dir ziehen -
Nur schade – daß du Flügel hast!
(S. 235)
 
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Blau

An dem Tag, wo wir uns trennten,
Reicht er mir ein Blümchen dar,
Und die Farbe dieser Blume
Eine himmelblaue war.
Und er sprach mit düsterm Blicke:
"Dieses Zeichen, nimm es hin,
Wahre es zum Angedenken,
Daß ich, fern auch, treu doch bin!"

An dem Tag, da wir uns trennten,
Wählt' ich mir ein blaues Kleid.
Blaue Kleider will ich tragen,
Ist der Liebste fern und weit;
Denn sie sind ein stilles Zeichen,
Daß meine Treu nie wird erbleichen.

An dem Tag, da wir uns trennten,
War der Himmel blau und rein.
Wollte er damit nicht sagen,
Daß auch er mir treu will sein?
- Ja, ich nehm' es als ein Zeichen,
Will nicht länger trauernd stehn;
Denn der Himmel wird uns schützen,
Daß wir bald uns wiedersehn!
(S. 71)
 
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Zwei Rosen

Auf prangendem Beete erblüht, stand lieblich lächelnd die Rose,
Allen zur Freude und Lust, balsamische Düfte verhauchend,
Gepflückt dann von liebender Hand, verwelkend am liebenden Busen,
Lebt sie nur einen Tag, doch war es ein Tag ihr der Wonne.
Ihr an Schönheit wohl gleich, doch anderem Loose bestimmt,
Blühte auf öder Heide verlassen und einsam die Schwester.
Keinen erfreute ihr Balsam, so schwanden der Tage ihr viele,
Bis sie nun langsam verdorrt, am Strauche zur Hagbutt' geworden.
Welche von Beiden, o Mädchen! sage mir, war die Beglückte?
(S. 279)
 
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Des Frühlings Erinnerung

Der Frühling entzog mich
Dem düstern Haus;
Ich schlenderte einsam
In's Freue hinaus,

Wo lieblich durch Wiesen
Die Quelle hier rinnt,
Da dacht' ich der Zeiten,
Die nicht mehr nun sind.

Ich schaute den Himmel,
So blau und so hell,
Da traten die Thränen
In's Auge mir schnell.

Es war auch ein Frühling,
So wonnig, so schön,
Da hab' ich dein Antlitz
Zuerst einst geseh'n;

Ein Bach – eine Wiese -
Ein Thal auch, wie dies,
Da träumten wir Beide
So selig, so süß!

Jetzt bin ich alleine,
Jetzt bist du mir fern;
Und was wir geträumet,
Vergaßest du gern.

Auch ich hatte lange
Daran nicht gedacht;
Heut' hat es der Frühling
Zurück mir gebracht.

Doch blicke ich stumm nun
Und starr in die Höh',
Und mag es nicht denken -
Das Herz thut mir weh! –
(S. 237-238)
 
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Der Frühling

Der Frühling kommt; und tausend Stimmen rufen
Zu neuer Lust, die neu erwachte Flur;
Er küsset Blumen wach, die lange schliefen
Und wecket Wonne rings in der Natur.

Der Frühling kommt, und froher strebt der Busen
Des Glücklichen, im holden Frühlingsraum;
Und doppelt fühlt er seines Glückes Wonne,
Und schöner träumt er seines Glückes Traum.

Doch wer das schöne Träumen längst verlernet,
Wem Unglück bang zusammenzieht das Herz,
Dem reißt der Frühling auf vernarbte Wunden
Und bitt're Sehnsucht bringet bittern Schmerz.
(S. 81)
 
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Noch ein Frühlingslied

Der Frühling war wieder gekommen,
Die Erde war wieder so schön.
Auf's Neue prachtvoll geschmücket
Erschienen die Thäler und Höh'n.

Ich wandelte zwischen den Fluren,
Die Augen wurden mir naß;
Da war mir's, als spräche der Frühling:
"Was bist du so traurig und blaß?"

"Wie ließ ich dich heiter und glücklich,
"Als ich zum letztenmal schied.
"Wie mischtest du einst so freudig
"In meine Wonnen dein Lied!"

"Ich bringe dieselben Blumen,
"Dieselbe Sonne dir her.
"Du aber bist nicht derselbe,
"Ich kenne dich wirklich nicht mehr!"
(S. 183)
 
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Die Rose

Die Rose ist das Sinnbild süßer Liebe,
Drum nimm als Weihgeschenk sie heute an.
Mit Rosen soll sich deine Stirne schmücken,
Und Rosen kränzen deine Lebensbahn.
Wo Liebe blüht, da blühet auch das Leben,
Da keimet noch des Himmels wahres Glück,
Da kehren gern die Engel ein, und geben
Uns das verlor'ne Paradies zurück.
(S. 171)
 
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Ballklänge

1. In der Jugend

Die Saiten klingen so lieblich,
Die Säle sind prachtvoll geschmückt;
So komm' denn zum Tanze, mein Liebchen,
Und fühle, was wonnig entzückt.

Sonst steh' ich dir fremd – nur von Weitem -
Jetzt zieh' ich dich fest an die Brust,
Und fasse dich kühn in die Arme,
Dich schaukelnd mit inniger Lust.

Wir lächeln und scherzen, und wiegen
In selige Träume uns ein,
Und müssen wir morgen auch scheiden,
So bist du doch heute noch mein!
---

Sie kommen festlich gekleidet,
Mit Blumen im Haar, an der Brust;
Sie lächeln mit süßen Mienen,
Es glänzen die Augen in Lust.

Und doch – wohl hab' ich bemerket,
Daß dieses Lächeln oft trüb,
Und nur den Kummer soll bergen,
Der tief in dem Busen doch blieb.

Es glänzen und strahlen die Lichter,
Die Gäste stellen sich ein;
Ich wandle im bunten Gewühle,
Und fühle mich schmerzlich allein.

Das ist ein Begrüßen und Treiben,
Man lächelt, man fraget und dankt,
Und Keiner, ach Keiner will kommen,
Nach dem das Herz mir verlangt.
---

Sie haben da drüben Gesellschaft,
Es klingt durch die Stille der Nacht,
Das Rauschen und Lärmen vernehmlich
Dem Ohre herüber gebracht.

Wie schmettert es lustig zum Tanze,
Wie schweben sie Hand dort in Hand!
Sie haben die Schwere des Lebens
Dem flüchtigen Kreise verbannt!

Doch – Trübes liegt auch in den Klängen,
Schlägt bebend und leis' an die Brust,
Und wecket ein Ahnen und Bangen
Nach längst mir entschwundener Lust.

Ach – dieses Tönen, jetzt schmerzlich,
Berauscht' einst entzückend das Ohr,
Als ich mich am Arme der Liebe
In allen Himmeln verlor!

Wie schwebte auch ich einst so gerne
Im flüchtigen Tanze dahin!
Jetzt wär' ich allein im Gedränge,
Wohl mir, daß ich drüben nicht bin!
---

Ich stürme wild dahin im wilden Tanze,
Ich will vergessen, was ich einst verlor;
Ich will es übertäuben und verbergen,
Was schmerzlich mahnend immer trifft das Ohr.

Ich schaue oft in ein mir fremdes Antlitz,
In fade Reden stimm' ich lächelnd ein,
Und möchte selbst mich krampfhaft überreden,
Ich könnte lieben, und geliebet sein.

Und doch, wenn Einer je sich mir dann nähert,
Wenn Einer liebend je mein Herz umflicht:
Dann wieder möcht' ich ihn zurückestoßen,
Und möchte rufen: geh', du bist es nicht!

Ich scherze heiter, zwinge mich zur Freude,
Und lächle schelmisch zum verliebten Scherz;
Kokett und wild erscheint ein solches Treiben,
Und leer und unbefriedigt bleibt das Herz.


2. Und dann

Man sitzet behaglich am Spieltisch,
Und schlürfet den duftenden Thee;
Man fühlet kein wonniges Beben,
Und fühlet kein schmerzliches Weh.

Man plaudert von Krieg oder Frieden,
Und giebt auf die Tanzenden Acht,
Man tadelt das Treiben der Jugend,
Und hat es doch auch so gemacht.

Wie sie so närrisch durcheinander toben!
Wie doch so heftig pocht die junge Brust!
Weh' dem, der das Vergnügen will erjagen,
Ihn jaget selbst die nie gestillte Lust.

Ich habe einst, wie sie, auch mit gelärmet,
Und tobte stürmisch hin im wilden Braus;
Wohl mir, ich bin im Hafen angekommen,
Und denke still an Weib und Kind zu Haus.
(S. 197-201)
 
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Im Frühling

Die Welt ist so schön,
Mein Herz ist so traurig.
O thörichtes Herz,
Wie soll ich's versteh'n?

Wie lachen die Fluren -
Was pochst du so bang?
Sieh' – Alles ist dein,
Lern' fröhlich nun sein!

Es locket die Erde
Mit heit'rer Geberde:
"Auf, freu' dich des Lebens!" -
Vergebens – vergebens!

Mein Herz ist so traurig,
Mein Herz wird nicht froh.
Ach, wär' es erst Winter,
Dann schmerzt es nicht so!
(S. 302)
 
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In der Ferne

Du bist mir fern, doch nicht verloren,
Du bist mir fern, doch bleibst du mein;
Was ich so warm im Busen halte,
Das kann mir nicht genommen sein!

Und könntest du mich auch vergessen,
Und wolltest du dich mir entzieh'n,
Dich hält und trägt die ew'ge Liebe,
Nie kannst du ihrem Reich entflieh'n.

Wir wohnen ja in einem Hause,
Bewacht von eines Vaters Blick;
Und ob du jetzt auch von mir scheidest,
Einst kehrest du gewiß zurück.
(S. 202)
 
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Widerlegung

Du nennst des Herzens Schwäche, die Lieb', die es empfindet?
O such' ein and'res Wort für meine Leidenschaft.
Kann schwach sein ein Gefühl, das so allmächtig bindet,
Das selbst die zarte Brust, beseelt mit Heldenkraft,
Das nie Gefahren scheut, das Wechsel nie wird kennen,
Das Alles tragen kann – das willst du Schwachheit nennen.
(S. 278)
 
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Entschuldigung

Du sprachst: ich will dich lieben!
Ich hörte still dir zu.
Ach solche Worte sprechen
Ein wildes Herz zur Ruh.
Ich hörte Liebe flüstern,
Und Liebe ist so süß!
So hat Er einst gesprochen!
Ich fühlte nichts – als dieß.
Daß solch' Wort, von dem Einen
Mir nur ersehnet war,
Daß du's nicht konntest geben,
Das war mir selbst nicht klar.
Als du in's Aug' mir schautest -
Da hab' ich sein gedacht,
Und jener Blick voll Liebe
War ferner Zeit gebracht;
Als du die Hand mir drücktest
Stürmisch und liebevoll,
Da konnt' ich's nicht verweisen,
Weil hoch das Herz mir schwoll;
Erinn'rung süßer Stunden
Die Stimme mir entzog -
Und glaubst du nun, daß Absicht
Dir jemals Liebe log?
Und willst ein Herz nun schelten,
Das schon ein And'rer bricht?
Es hat sich selbst betrogen,
Betrügen wollt' es nicht.
(S. 239-240)
 
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Der Ritter

Ein Ritter liebt ein Mädchen;
Das Mädchen ist ihm treu.
O, schöne Zeit der Liebe,
Wie eilst du schnell vorbei!

Wie ist so leicht beweglich
Des Mannes eitler Sinn!
Sie weinet bitt're Thränen,
Ihr Glück, ihr Glück ist hin.

Der Ritter ihren Leiden
Ein kaltes Mitleid zollt;
Und ihren Schmerz zu lindern,
Verheißt er reiches Gold.

Was willst du stolzer Ritter?
Was kann dein Gold ihr sein?
Sie hat ihr Herz gegeben,
Das war ein Edelstein.

Sie gab dir ihre Liebe,
Das war ein Himmelreich.
Ist wohl dein Gold, du Armer,
Mit solchen Schätzen gleich?

Willst du zurück erstatten,
Durch dich vernichtet Glück:
Den Edelstein gieb wieder,
Den Himmel ihr zurück!

Zerstöret ist der Himmel,
Der Demant ist erblaßt,
Wie willst du wiedergeben,
Was du genommen hast?
(S. 138-139)
 
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Erloschenes Feuer

Eine Flamme in dem Herzen,
Tief, ach! tief -
Lang genährt von bangen Schmerzen
Verborgen schlief;
Doch ob sie nur verborgen zehrt,
Dem Herzen war sie dennoch werth.

Kalter Wind, mit eis'gen Schwingen,
Löscht sie aus.
Ach wie ist es nun so dunkel!
Nächtlich Graus!
Sie hellte mit demant'nem Schein;
Jetzt bricht die ew'ge Nacht herein!
(S. 85)
 
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Der Frühling im Innern

Es blüht mir eine Blume
Im Herzen wunderbar,
Die an dem Schöpfungstage
Von Gott gepflanzet war.

Da lag sie still und lieblich,
Im zarten Keim versteckt,
Bis sie aus holden Augen
Ein Liebesstrahl erweckt.
---

In meinem Innern tönet
Hell eines Vogels Sang;
Mit süßen Wonnelauten,
Mit sanftem Wehmuthklang.

Von schöneren Gefilden,
Wo ew'ger Frühling thront;
Von bunten Feenlanden,
Wo Lieb' und Wonne wohnt.

Es tönet süß und lockend
Des Zaubervogels Laut,
In meinen Liedern lebet,
Was er mir anvertraut.
---

Und eine Quelle rinnet
Im Innern hell und rein;
Stets unsichtbar, verborgen
Hüllt sich in Dunkel ein.

Doch wenn mich Schmerzen beugen,
Wenn ich ein Glück verlor;
Dann tritt auch die verborg'ne
Mit sanfter Macht hervor;

Dann fließet sie in Tropfen
Still aus dem Aug' herab,
Und kühlet leis' die Wunden
Des kranken Busens ab.
---

Es strahlet eine Sonne
Dem Herzen immerdar,
Die meinen Weg stets hellte,
Wenn er oft dunkel war.

Sie wirft aus höhern Sphären.
Ihr himmlisch Licht herab,
Und hellt mit ihrem Schimmer
Selbst das verschwieg'ne Grab.
---

Ob draußen auch der Winter
Die eis'ge Decke webt,
Ich sehe nur den Frühling,
Der mir im Busen lebt.
---

Und wenn die Jahre schwinden,
Mein Lebensmai entflieht,
Ich will den Frühling fesseln,
Ihm töne laut mein Lied.
(S. 142-144)
 
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Fort!

Hör' ich nicht die Klingel ziehen?
Ach, gewiß kommt er zu mir!
- Aber nein! welch thöricht Hoffen! -
Weit, ach weit ist er von hier. -

Draußen hör' ich Rosse stampfen;
Ach, wie werde ich mich freu'n,
Kommt er, mir den Gruß zu senden!
- Aber ach – es kann nicht sein.

Herz, wirst du denn nie dir merken,
Daß er fern dir ist und weit?
Kannst dich immer nicht gewöhnen,
Zu verstehen solches Leid?

Armes Herz! – es wird es lernen!
Denn bei jedem Täuschungswort,
Zuckt es krampfhaft leis' zusammen,
Seufzet tief, ach, er ist fort!
(S. 80)
 
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Treue Liebe

Ich habe einen Traum gehabt,
So wirr und sonderbar:
Von mir gewiesen hatt' ich dich,
Obgleich ich gut dir war.

Und in dem bunten Weltgewühl
Stand ich nun einsam so;
Doch fand ich nicht, was ich gesucht,
Und niemals ward ich froh.

Und Unglück brach auf mich herein,
Ich war verwundet – krank -
Gequält – verfolgt – bis endlich ich
Erschöpft darnieder sank.

Da tratest du nun zu mir hin -
Doch ich wich scheu zurück,
Ach, nicht ertragen konnt' ich jetzt
Nur jetzt nicht deinen Blick!

Als ich dich höhnend von mir wies,
Da war ich jung und schön,
Und stolz und reich – und sollst du jetzt
Mich nun so elend sehn? -

Du aber neigtest dich zu mir,
Und sprachest mild gesinnt:
"Ich weiß, was du gelitten hast,
Du armes, blasses Kind!"

Und mit der alten Liebe Blick
Sahst du mich wieder an:
"Vergiß in meinen Armen jetzt,
"Was dir die Welt gethan."

"Dein Aug' ist hohl, die Wange bleich,
"Dein Herz ist weh und wund;
"Was anders, als die Liebe macht
"Ein solches Herz gesund."
(S. 249-250)
 
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Vergißmeinnicht

Ich kenne ein Blümchen,
Das blühet so schön,
Das habe zum Liebling
Ich aus mir ersehn.
Es stehet an Bächen,
Auf grünender Au',
Sein Kleid trägt die Farbe
Vom himmlischen Blau.

Der Name des Blümchens
Ruft treu mir zurück,
Was Liebchen einst sagte
Mit Thränen im Blick.
Drum, wenn ich nun sehe
Das Blümchen, so klein,
Gedenk ich mit Wehmuth
An's Liebchen daheim.

Doch eh' noch der Lenz,
Der's geboren, entflieht,
Ist auch schon das Blümchen
Am Bache verblüht;
Denn kurze Zeit nur
Lebt es uns zur Lust:
Ein Sinnbild von Treue
In menschlicher Brust.
(S. 7)
 
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Erinnerung

Ich kramte heute in meinen Papieren
Da kam mir ein Blättchen zur Hand;
Es war wohl die Schrift schon erblichen,
Doch schien sie dem Auge bekannt;

Und also ich die Züge erblickte,
Der Laut auf der Zunge mir starb;
Das hatte mein Liebster geschrieben,
Als um meine Liebe er warb.

Die Worte, die einst mich durchbebet
Mit Wonne und glühender Lust,
Sie starrten mich an jetzt wie Schlangen,
Und schnürten mir eisig die Brust.

Und doch es ist schon so lange,
Seit ich meine Liebe verlor.
Wie ruft denn solch nichtiges Blättchen
Die längst schon Begrab'ne hervor.
(S. 163)
 
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Mein Ring

Ich trag' an meinem Finger
Ein gold'nes Ringelein;
Ich trag's zu allen Zeiten,
Nie schlief ich ruhig ein,

Könnt' ich nicht immer fühlen
Ihn an dem Finger dort -
Für aller Welten Schätze
Gäb' ich den Ring nicht fort!

Den Ring hat mir gegeben
Zu wundersüßer Stund'
Der Liebste, zu besiegeln
Der Liebe heil'gen Bund.

"Sollst diesen Ring dir wahren,
"Und leg' ihn niemals ab!"
Hat er zu mir gesprochen,
Als er den Ring mir gab.

"So lang' er goldig funkelt
"An deiner weißen Hand,
"So lang' bin ich dein eigen
"Durch treuer Liebe Band!"

Und nun? – ach, von der Liebe,
Die glühend mich umfing,
Da ist mir nichts geblieben,
Als dieser gold'ne Ring.

Du Mahner süßer Freuden,
Sprich, bliebst du nur zurück,
Um grausam zu erinnern
An das verlor'ne Glück?

Dann hast du schlecht erfüllet
Den Zweck – du solltest mein,
Als Zeichen seiner Liebe,
Nicht seiner Schwachheit sein!

Nein, anders will ich denken.
Als Talisman sei mein!
Noch glänzest du so goldig,
Noch kann es ja nicht sein!

Aus räthselhaften Fäden
Webt oft sich das Geschick:
Ich will den Ring mir wahren,
Der Ring wahrt mir das Glück.
(S. 299-301)
 
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Leidenschaftlichkeit

Ihr staunet oft, daß alle meine Lieder
So tiefe Sehnsucht nach dem Grab durchweht,
Da doch, von Hoffnung und von Liebe singen,
Der Jugend, wie der Dichtkunst, näher steht.

Ihr glaubt, ich sei für Freude unempfänglich;
Ihr glaubt, mein Herz sei fühllos, kalt wie Eis?
O wüßtet ihr, wie heiß es ist, wie glühend,
Und wie so innig es zu lieben weiß!

O, wär' ich kalt! o könnt' ich wen'ger fühlen!
Ich wäre glücklich, wie ja Viele sind.
Doch g'rade da, wo solche Flammen glühen,
Braust rasch daher des Schicksals kalter Wind.

Wer froh und feurig kann das Glück umarmen,
Der fühlet doppelt auch des Unglücks Schmerz;
Und nur die kalte Erde weiß zu kühlen
Die glüh'nde Qual und dieses wilde Herz.
(S. 165)
 
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Das Bild

Im bunten Treiben dieses Lebens,
Durch der Gewohnheit Allgewalt,
Da ist mir nun dein Bild entrissen,
Da schlägt mein Herz nun arm und kalt.

Da hab' ich Alles nun vergessen,
Was einst begeistert meinen Sinn,
Und wand're, wie die Andern Alle,
Auf faden Alltagswegen hin.

Doch oft, in dunkeln Mitternächten,
Wenn Alles still und ruhig hier,
Tritt aus dem Grau'n vergang'ner Zeiten
Dein liebes, lichtes Bild zu mir.

Doch wie aus Träumen werd' ich munter,
Und schaud're bebend in die Höh.
Und wie mit kalten Nebelschauern,
Durchzieht die Brust ein schneidend Weh.
(S. 221)
 
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Liebe und Haß

I.
Lieb' ist eine Sonne,
Haß ist kalter Wind.
Liebe weckt Blumen der Wonne,
Die Haß entblättert geschwind.


II.
Seht doch an die Erde,
Wie sie herrlich blüht,
Wenn in tiefen Herzen
Warme Liebe glüht.
Seht doch an die Erde,
Wie so grau und fahl,
Wenn sich Groll und Hassen
In das Herz uns stahl!


III.
Lieb' thut so wohl dem Herzen,
Haß thut dem Herzen weh,
Warum dann, statt zu lieben,
Uebtet Haß ihr je?

Traf ich doch auf Erden
Noch keinen Menschen an,
Der nicht Etwas hätte,
Was man lieben kann.


IV.
Zur Liebe nur geboren,
Zur Liebe selbst erkoren
Ist des Menschen Herz.
Wird sie ihm genommen,
Wird es welk verkommen,
Bricht es still in Schmerz.

Kalt zurück sich ziehen,
In sich selbst verglühen,
O daß schmerzt so sehr!
Stets der Liebe offen,
Immer stark im Hoffen,
Schweigt das Herz so schwer.

Als du hassen wolltest,
Fühlt' ich doch, du grolltest
Mir aus Liebe nur.
Und ich selbst – ich trage -
Was ich oft auch sage -
Sie im Herzen nur!
(S. 272-273)
 
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Jugend und Liebe

Lieb' und Jugend hört' ich preisen
Jeden, der davon nur sprach;
Schade daß nur ich alleine,
Einzustimmen nicht vermag.

Meine Liebe – ach, was war sie?
- Hingegangen ohne Spur.
Meine Jugend – ach, was gab sie?
- Unerfüllte Wünsche nur.
(S. 184)
 
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Die Augen

"Liebchens Augen, die blauen,
"Bezaubern mir Herz und Sinn,
"Kann ich in's Auge ihr schauen,
"Glänzt mir der Himmel darin!"

""Der Liebsten Augen, die dunkeln,
""Umstricken mit Geistermacht,
""Denn sie sprühen und funkeln,
""Wie Sterne um Mitternacht!""

"Komm, laß in die Augen, die blauen,
"Mein süßes Mädchen, mich schauen!" -
""O weh! laß das Sprühen und Funkeln,
""Es wird meinen Himmel verdunkeln!""

Und als er im Wonnegefühl sie umschlingt,
Das Auge in Auge so selig versinkt:
Da öffnet sich ihm der Himmel und winkt,
Des Sternes Funkeln zum Herzen ihr dringt.

Doch sollst du den Augen, den blauen,
Und sollst auch den schwarzen nie trauen;
Denn wehe, denn wehe, es hält dir es nicht,
Was es auch von Sternen und Himmeln verspricht.

Des Liebsten Augen, die dunkeln,
Sind ihr, wie die Nacht noch wohl;
Doch Sterne sieht sie nicht funkeln,
Sie blicken so matt und so hohl.

Und Liebchens Augen, die blauen,
Welken nun sterbend dahin,
Thränen sind jetzt da zu schauen,
Und ach, kein Himmel darin!
(S. 44-45)
 
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Die Liebe

Liebe ist der Urquell jeder Tugend,
Liebe ist der Urquell jedes Glücks.
(S. 3)
 
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Traum und Erwachen

Mein erster Traum in dieser Welt war Liebe,
Mein erst Erwachen war der Schmerz.
(S. 3)
 
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Der Traum

Nein, ich will nicht länger klagen,
Daß mein Herz nicht Freude fand,
Daß von meinen Jugendtagen
Mir das schönste Glück entschwand.

Sieh', es ist noch nicht entflohen,
Sieh, es ist noch immer nah,
Da ich heute noch im Traume
Den Geliebten wieder sah.

Ruhend unter Blüthenlauben,
Freut' ich mich der grünen Au;
Alles um mich war so heiter,
Und der Himmel war so blau.

Liebend, wie er einst mir nahte,
Er vor meinen Augen stand,
Und mein Herz das süße Beben
Seiner Liebe wiederfand.

Ja, als wäre nichts geschehen,
Zog er mich an seine Brust;
Und ich staunte nicht darüber,
Hingegeben sel'ger Lust.

Soll mein Glück mich wen'ger freuen,
Weil es scheut der Sonne Licht,
Und mich in des Schlafes Armen,
Nur als süßer Traum umflicht?

Nein, die Träume sind auch Leben,
Und ein Traum das Leben nur -
Beide flüchtig, wenn sie schwinden,
Bleibt von Beiden keine Spur.

Denken will ich, was ich wachend
Lebe, sei vielleicht nur Traum,
Und was ich im Traum empfinde,
Wahrheit in des Lebens Raum.
(S. 42-43)
 
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Mein Herz
Sonett

Nicht immer war mein Herz so kalt und still;
Einst schlug es freudig dieser Welt entgegen.
Viel Blumen pflückte ich auf meinen Wegen;
Die schönsten aber ließ die Liebe blühn.

Und einen Göttertraum hab' ich durchträumet.
Da plötzlich ward der heit're Himmel trübe:
Verrath vergalt vertrauensvolle Liebe,
Und alle Freudengenien sah ich fliehn.

Und blutend starb die Liebe, Seufzer haben
In meinem Herzen still sie eingegraben;
Der Todtengruft nun gleicht seitdem mein Herz.

Und ausgetobt nun hat der wilde Schmerz.
Mit Wehmuth nur kann ich den Leichnam sehn -
Der lebend so entzückend war, so schön!
(S. 28)
 
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Der Lore-ley Felsen
Eine Rheinische Sage

Ringsum herrschet sel'ge Stille,
Leise sinkt die Nacht hernieder;
Auf die burggekrönten Felsen
Gießt der Mond sein weißes Licht.

In des Rheines stolzen Wellen
Wieget spielend sich der Nachen;
Träumend liegt der Fischerknabe,
Müßig neben ihm das Ruder.

Wunderbare Töne klingen
Lieblich, schmelzend aus der Höhe;
Auf den Felsen sitzt die Lore-ley,
In dem Arm die gold'ne Zither.

Lockend beugt sie sich hernieder,
Schleierlos sind Brust und Nacken,
Träumerisch und ernst beschattet
Von den seid'nen schwarzen Haaren.

In den sanften blauen Augen,
Halb zerdrückt, glänzt eine Thräne,
Erst vergossen um das letzte
Opfer ihres eiteln Lächelns.

Auf den schönen Zügen lagert,
Kaum bemerkbar, süße Wehmuth,
Doch die Lippen, halb geöffnet,
Sind bereit zu neuem Kusse.

Und umstrickt von ihrem Lächeln,
Und von ihrem Blick befangen,
Weilt der Jüngling festgebannet,
Hingegeben sel'gen Wonnen.

Holder Knabe! solltest fliehen!
Ach des Lebens schönstem Zauber,
Dem das Herz so gern sich neiget,
Folgt geflügelt das Verderben.

Schwarze Wolken nahen drohend,
Schneller heben sich die Wellen,
Aufgejagt vom wilden Sturme,
Doch er sieht nicht die Gefahren.

Fernher hallen dumpfe Donner,
Bleiche Blitze zucken prassend;
Ach – zu spät ist es geworden,
Schon zerschmettert sinkt der Nachen.

Noch den Blick zu ihr gerichtet,
Kämpft er mit den wilden Wellen,
Und, vergebens Hülfe flehend,
Hebt er auf zu ihr die Arme.

In der kleinen Fischerhütte
Harret die betagte Mutter,
Harret mit beklomm'nem Busen
Die geliebte junge Braut.

Schon im Osten glänzt Aurora,
Und die Braut eilt hin zum Ufer,
Sieht – Entsetzen bleicht die Züge,
Auf dem Sande – eine Leiche.

Mit des Schmerzes heißen Thränen
Knie't sie bei dem Heißgeliebten.
Oben auf dem Lore-ley Felsen
Hebt sich eine Nebelsäule.
(S. 283-285)
 
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Der Gruß der Liebe

Ueber das Leben des Menschen gebietet ein eisernes Schicksal,
Und er wählet nicht selbst die Bahnen, nicht selbst die Begleiter;
Denn es trennet der Tod, es trennet das Leben die Liebe.
Doch des Staubes Gesetz beschränkt nicht die ewigen Geister.
Hast du verstanden, o Seele, was in den Tagen des Schmerzes,
Leise, wie Geistergeflüster, zum wunden Herzen gesprochen?
War es nicht Grüßen der Liebe, die weinend du ferne dir wähntest?
(S. 140)
 
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Amor's Macht

Warum ich ihn geliebt? hör' ich Euch fragen,
Ihr staunet meines Herzens Starrsinn an,
Das, ob des Lieblings eignen Unwerth fühlend,
Ihn dennoch liebt, nicht von ihm lassen kann.

Wohl lernt' ich seine Fehler klar erkennen,
Wohl sah ich wild oft seine Stirn erglühn,
Doch, selbst in seinen Lastern ihn vergötternd,
Liebt' ich nur mehr um seiner Schwachheit ihn.

Was ich geliebt, es war nicht seine Liebe:
Bei seinen Schwüren bebt' ich zitternd doch;
Was ich geliebt, es war nicht seine Treue,
Er brach sie längst – und ich, ich lieb' ihn noch.

Warum ich liebe, weiß ich nicht zu sagen.
Sieh' den Magnet, dem Pol gewendet zu,
Unwandelbar – erkläre mir weswegen? -
Und meiner Liebe Räthsel lösest du.
(S. 276)
 
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Der Frühling

Was lockst du mich Frühling,
Voll Wonne und Lust?
Kannst doch mir nicht schmelzen
Das Eis in der Brust?

Was schauet ihr Blumen
So still nach mir her?
Eu'r Blühen und Duften
Mich freut es nicht mehr.

Was singet ihr, Vögel?
Ihr mehrt meine Noth!
Ihr singet von Liebe -
Mein Liebchen ist todt.
(S. 182)
 
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Zwei Lieder von Frühling und Liebe

Das erste
Wenn der Frühling kommt gezogen,
Steigt mit spielend heiter'm Sinn,
Amor vom Olympe nieder
Zu der Erde Freuden hin;
Unter vollen Blüthenlauben
Läßt der Liebes-Gott sich seh'n.
Fühlst du nicht im Haus des Frühlings
Liebe, Wollust, Wonne weh'n?

Doch, sobald der Lenz entschwindet,
Zieht auch Amor eilig fort.
Fliehend vor des Sommers Hitze,
Vor des Winters kaltem Nord;
Und wenn er entflohen, rufet
Ihn vergebens unser Fleh'n;
Nur des Frühlings hohe Wonnen
Hat er sich zum Reich erseh'n.


Das zweite
O, die Liebe ist so herrlich
Wie ein holder Mayentag!
Herz, genieße ihre Freuden,
Lange Leiden folgen nach!
Ist der Frühling erst entschwunden,
Kommt der Sommer, schwül und heiß,
Kommt der Herbst, der kalte, bleiche,
Und des Winters rauhes Eis.

Drum, wenn noch der Frühling lächelt,
Der durch Blüthengänge führt,
Wand'le froh in seinen Lauben,
Denke nicht, was kommen wird!
Trink in langen, langen Zügen
Deiner Jugend schönstes Glück,
Laß dich nicht darum betrügen,
Niemals kehrt es dir zurück.
(S. 229-230)
 
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Frage

Wenn sich zwei Herzen entfremden,
Die einst sich innig geliebt,
Wer kann sich die Kälte erklären,
Die plötzlich die Beiden umgiebt?
O sage, wie ist es nur möglich,
Selbst, wenn nun zerrissen das Band,
Daß sie so fremd sich nun grüßen,
Als hätten sie nie sich gekannt?

Sprich, haben sie ganz denn vergessen,
Die schöne, so selige Zeit,
Wo sich im glühenden Taumel
Ein Herz dem andern geweiht?
Wie, oder denken noch Beide
An jene Zeiten zurück,
Und wollen sich selbst überreden,
Sie fänden allein nun ihr Glück?
(S. 241)
 
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Alle Gedichte aus: Marie Clementine François Gedichte einer früh Verklärten in chronologischer Folge. Eine Erinnerungsgabe. Trier 1844


Biographie:
François, Maria Clementine, geboren 1823, starb 1844, wie erzählt wird, an gebrochenem Herzen über die Untreue ihres Geliebten. Nach dem Tode erschienen ihre Gedichte unter dem Titel: Gedichte einer früh Verklärten. Trier 1844
Aus: Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten. Unter besonderer Berücksichtigung der Gegenwart
von Franz Brummer. Eichstätt & Stuttgart 1876


 

 


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