Agnes Franz (1794-1843) - Liebesgedichte

 

 

Agnes Franz
(1794-1843)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 



Liebe kann nicht untergehn!

Wenn sie fremd sich von uns kehren,
Die wir treu und heiß geliebt,
Wenn kein Blick uns Antwort giebt
Auf des Kummers bange Zähren:
Da, o Liebe, halt' uns fest!
Zeige, daß Du uns geblieben,
Wenn auch das, was Menschen lieben,
Wandelnd, treulos sie verläßt!

Du bist ewig! Nur die Thoren
Klagen, Du sey'st wandelbar!
Eh' des Menschen Tag noch war,
War'st Du, Herrliche, geboren!
Du wirst leben, Du wirst seyn,
Wenn der Sonne Glanz versunken!
Deines Lichtes Götterfunken
Hüllet keine Dämm'rung ein!

Darum kannst Du auch nicht scheiden;
Wir nur scheiden uns von Dir!
Andern Göttern huld'gen wir,
Dir zur Trauer, uns zum Leiden!
Was uns kränkte, uns betrog,
War des Wahnes Truggebilde,
Das, statt Deiner Göttermilde,
Der Bethörte an sich zog.

Ruhig schauest Du von oben
In des Träumers wirre Nacht,
Bis er, weinend aufgewacht,
Nun den Schleier hat gehoben.
Da, - ein Stern, der nie verlischt,
Gehst du auf dem Kummervollen,
Bis der Reue Thränen rollen,
Und sich Schmerz mit Wonne mischt.

Und es bricht sich des Geschickes
Und des Hasses finstre Macht,
Alles Grau'n der alten Nacht,
An dem Lächeln Deines Blickes!
Und es tönet von den Höh'n:
"Wie auch, Mensch, Dein Lieben schwanke,
Wie, was Du geliebt, auch wanke:
Liebe kann nicht untergehn!"

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 5-6)
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Das treue Herz

Ein treues Herz bleibt stark in Muth und Hoffen,
Wird gleich vom Sturm der Freuden Saat getroffen,
Sein Glaube hebt es siegend himmelwärts!
Drum wünsch' ich mir, wenn Leiden mich umstürmen,
Wenn Wolken sich um meinen Himmel thürmen,
Ein treues Herz!

Ein treues Herz beharrt im festen Lieben,
Wenn And're auch durch Undank es betrüben,
Und lächelt mild noch in dem tiefsten Schmerz.
O könnt' ich mir solch Kleinod doch bewahren!
Erquickung beut uns noch in späten Jahren
Ein treues Herz!

Ein treues Herz wird, wenn es Spötter kränken,
Sich nimmer doch von seinem Heile lenken,
Und fest stehn, bei der Frevler frechem Scherz.
O möcht' es doch der Vater mir gewähren!
Als Demant-Krone trägt der Prüfung Zähren
Ein treues Herz!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 22)
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Reinheit des Herzens

"O selig, wer da reines Herzens ist!
Gott wird er schau'n;" - So sprach der heilig Reine,
Beglückt schon hier im seligen Vereine
Mit dem, deß Arm den Weltenkreis umschließt.

O selig, wer da reines Herzens ist!
So rufen wir ihm nach, vom Staub umfangen,
Bemüht das schöne Kleinod zu erlangen,
Weil es so hohen Glückes Bürge ist.

Wer aber darf sich seiner wohl erfreuen?
Nennst Du, deß Wandel laut die Menschen preisen,
Dem keine Schuld, kein Makel nachzuweisen,
Nennst, Glücklicher, Du dieses Kleinod Dein? -

Du denkst's! - Dein Selbstgefühl blickt stolz herab
Auf den Verirrten, Deine Schritte lenken
Sich von ihm ab, den Schimmer nicht zu kränken,
Den strenge Vorsicht Deinem Wandel gab.

Und doch vermagst Du kaum des Tadels Grund,
Viel weniger ein Leben zu durchblicken,
Auf das die Schmäher ihre Pfeile zücken; -
Unwissend trittst Du in der Feinde Bund.

Du gibst, um nicht'gem Tadel zu entgeh'n,
Den Armen Preis den drohendsten Gefahren,
Die eigne Reinheit willst Du Dir bewahren,
Und schon ist's um dies Kleinod längst gescheh'n.

O krankes Herz, das in hoffärt'gem Wahn
Nur sich erheben will; o kleine Seele,
Die schnöd' beleuchtet ihrer Brüder Fehle,
Zu richten wagt, wo Gott nur richten kann!

Nur Demuth kann ein Kleinod uns verleh'n,
Das gültig vor dem Richter ist, dort oben!
Erniedrigt hat sich selbst, wer sich erhoben!
Wo Demuth fehlt, kann keine Reinheit seyn.

Nur Liebe wäscht des Herzens Makel rein!
Wie könnte der sich vor den Reinen wagen,
Der liebend nicht des Bruders Schuld getragen?
Wo Liebe fehlt, kann keine Reinheit seyn!

Die Reinheit, die des Heilands Lippe preis't,
Kann, Gott entflammt, uns nur zur Gottheit führen;
Nie wird die Welt mit diesem Schmuck uns zieren!
Vergänglich ist, was ihr zu Ehren gleis't.

"Selig ist der, der reines Herzens ist!"
O Du, der uns dies Segenswort gegeben,
Senk' Deinen Geist in Deiner Kinder Leben,
Bis Allen sich des Wortes Heil erschließt!

Zerbrich den Schein, den statt der Wahrheit Licht
Ihr Sinn umfaßt; zeig, wie der Stolz vor Allen
Dein Herz betrübt, bei denen, die gefallen,
Durch das Verletzen einer heil'gen Pflicht.

Und wenn sie ihren Irrthum bang erkannt
Dann lehre sie Dein demuthsvolles Lieben,
Lehr' Deine Treue sie in Einfalt üben;
Den Blick auf Dich, nicht auf die Welt gewandt!

Dann wird die Kraft, die Welten warm umschließt,
Auch sie beleben und das Ziel erringen!
Und jubelnd werden sie dem Retter singen:
O selig, wer da reines Herzens ist!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 37-39)
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Sehnsucht nach Vollendung

Hätt' ich Dich, o hohe, süße Liebe,
Sollte And'res nie mein Herz begehren!
Nicht des Wissens schwererrung'ne Schätze!
Nicht des Glückes, nicht des Reichthums Gaben,
Nicht das Lob der Welt, so vielgepriesen!
Du! Du wärest dann mein Ein und Alles!
In Dir fänd' ich jedes Glückes Krone!

Hätt' ich Dich, o hohe, süße Liebe,
Würde bald mein sieches Herz gesunden!
Du entbrennst nicht, wenn die Welt mit Unrecht,
Wenn mit Trug und Hohn sie Dir begegnet!
Unparteiisch reichst Du Freund' und Feinden
Von des eignen Lebens Götterfülle!
Friede ist mit Dir, und sanftes Dulden.

Hätt' ich Dich, o hohe, süße Liebe,
Würd' ich keines Dornes Spitze fühlen!
Keine würde mir den Fuß verwunden!
Krankheit, Leiden würd' ich gern ertragen,
Stolz, der Liebe Jünger mich zu nennen;
Würde nimmer zagen, nimmer weinen,
Denn mit Dir ist Kraft und starker Wille!

Hätt' ich Dich, o hohe, süße Liebe,
Wäre mein der Himmel schon auf Erden!
Engel würden mich als Schwester grüßen,
Und den Vater würd' ich fühlen, schauen,
Ein's mit seinem Sohn und Ihm auf ewig!
Ach, wie sehn' ich mich nach Dir, o Liebe!
Reiche mir den Trank des ew'gen Lebens!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 71-72)
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Bei Gerhard von Kügelchens Gemälde:
Die gefesselte Psyche

Was sinn't die Stirn in heiliger Verklärung?
Sehnt nach der Götterheimath fernem Glück,
Nach ew'ger Liebe seliger Gewährung
Sich Dein entzückter, sehnsuchtsvoller Blick?

Berührt von höher'm, wärmern Sonnenstrahle
Langst Du empor zur lichten Himmelswelt,
Hinweg Dich sehnend von dem dunklen Thale
An dem Dich streng die Erdenfessel hält.

Die bunten Fitt'ge regen sich, und streben
Verlangend auf, das gold'ne Licht zu grüßen,
Wie Blumen dürsten nach dem Strahl der Sonne;

Doch angehörend noch dem Erdenleben
Darf nur der Traum die reine Stirn Dir küssen,
Und Ahnung heißt der Blicke stumme Wonne.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 131)
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Bei Gerhard von Kügelchens Zeichnung:
Irdische und himmlische Liebe

Hoch der Fackel dunkle Gluth geschwungen,
Die des Siegers luft'ge Bahn erhellt:
Senket sich zu frohen Huldigungen
Eros auf die hochentzückte Welt.

Doch wer nennet mir den stillen Knaben,
Diesem gleich an lieblicher Gestalt?
Doch den Blick so himmlisch, so erhaben,
Fackellos, von reinerm Licht umwallt?

Immer höher scheint er aufzuschweben,
Uns zu winken zu des Lichtes Räumen,
Still entzückend sel'ger Hoffnung Lust. -

Hehres Kind, von Strahlen licht umgeben,
Freundlich führst Du aus der Erde Träumen
Heimwärts zu des ew'gen Vaters Brust!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 132)
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Der Scheidende

Du willst es, daß ich von Dir gehe,
Und machst die Trennung mir zur Pflicht,
Doch, - ob ich fern von Dir bestehe,
Dies, Grausame, dies frägst Du nicht.

Du droh'st dem Freund, und lächelst leise,
Wenn düster er von Sterben spricht,
Und beutst ihm tröstende Beweise,
Daß Leid so leicht ein Herz nicht bricht.

Was nennst Du Tod, was nennst Du Leben? -
Schau' auf die Blume, wie beglückt
Sich ihres Kelches Gluthen heben,
Wenn sie in's Aug' der Sonne blickt.

Zum Balsam wird des Thaues Zähre,
Zum Glanz der Staub, der sie ernährt,
Es hat die lichte Sonnensphäre
Zum Göttertraum ihr Seyn verklärt.

Da pflanzt - in ihres Glückes Fülle
Des Gärtners Hand sie in ein Land,
Wo zu der Felsen düst'rer Stille
Kein Sonnenstrahl den Weg noch fand.

Gewohnt, das süße Licht zu grüßen,
Hebt suchend sie das Haupt empor,
Doch muß sie bald den Irrthum büßen,
Kein Sonnenantlitz tritt hervor.

Kalt ist der Odem, den sie trinket,
Kalt, wie in einer Grabesnacht.
Es bleicht der Farben Glanz, es sinket
Der Zweige Kraft, der Blätter Pracht.

Nicht Tod, nur langsames Entfärben,
Hinwelken ist's, was sie bedroht,
Ihr Leben wird ein langes Sterben,
Ein Loos, grausamer als der Tod.

Sie lebt, - doch ohne Duft und Blüthe,
Sie lebt, - doch ohne zu erfreu'n.
Der Zweig, dem sonst die Ros' entglühte,
Wird bald als Dorn dem Wand'rer dräu'n.

Verstehst Du nun den Schmerz des Lebens,
Dem man des Daseyns Licht geraubt?
Du wehrest seiner Macht vergebens?
Kein Trostwort hebt der Blume Haupt.

Ich werde scheiden, - werde leben, -
Doch wage nie, von diesem Seyn
Den Schleier forschend aufzuheben!
Laß Gram und Thränen mir allein!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 173-175)
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Licht, Lied und Liebe

Es hielt die Nacht das Licht gebunden,
Bis es der Liebe Wort befreit,
Nun haben Beide sich gefunden,
Zu ewig fester Einigkeit.
Und wo sich ihre Flammen regen
In jugendlichen Lebensmuth,
Da naht sich auch des Liedes Segen,
Und weih't des Bundes heil'ge Gluth.

Was Ahnung geträumet, wird frohes Erkennen,
Schon naht dem Gefühl das verkündende Wort,
Noch kann es die bebende Lippe nicht nennen,
Doch tönt schon im Innern der schöne Accord.
Bald wählen des Liedes gewaltige Schwingen
Die Geister der Liebe, die Geister des Lichts,
Hinaus in die schlummernden Welten zu dringen,
Im heitern Gewande beseelten Gedichts.

Schon hebet sich zu regerm Leben
Des Sängers freier Geist empor.
Nach Licht und Liebe ringt sein Streben,
Dem Glück, das Psyche einst verlor.
Die Wehmuth pflegt des Liedes Blüthe,
Die Sehnsucht nimmt sie an ihr Herz.
So keimt sie still aus dem Gemüthe
Des frommen Sängers himmerwärts.

Und schweigend durchwallt er die blühenden Auen,
Und folgt der Natur mit gelehrigem Blick;
Die Thränen, die selig dem Auge entthauen,
Sie zeugen von einem unendlichen Glück.
Ein sinniger Schüler, im Reiche des Schönen,
Irrt' leis' er durch Fluren und Thäler, und lauscht
Den lieblichen Farben, den wonnigen Tönen,
Dem göttlichen Wort, das im Haine ihm rauscht.

Schon streut er liebliche Gesänge,
Gleich Maiesblüthen, freudig aus.
Es lauscht bewundernd ihm die Menge,
Und öffnet froh ihm Herz und Haus;
Und Jedes preiset seine Lieder,
Und ist dem lieben Sänger hold,
Und Kränze streut man auf ihn nieder,
Und lohnt mit Ehren ihn und Gold.

Und fröhlich empfängt er die freundliche Gabe,
Entzückt von des Augenblicks flüchtiger Gunst.
Froh sang er die Lieder, froh theilt' er die Habe,
Vertrauend dem höheren Segen der Kunst.
Doch kann ihn nicht binden, doch kann ihn nicht halten,
Was Jene zum bleibenden Ziel sich erkürt:
Er fühlt es, es haben ihn andre Gewalten
Hinaus auf die Bühne des Lebens geführt.

Als holde Blüthe flicht er heiter
Des Glückes Lohn in seinen Kranz,
Doch hebt er seine Blicke weiter,
Gelockt von einem höhern Glanz.
Ausströmen will er frei das Leben,
Des Schönen wunderbares Heil,
So ihm der Götter Huld gegeben,
Als Aller Gaben bestes Theil.

Von Allen verstanden, geliebt und umfangen,
Die würdig, zu theilen ein edles Gefühl,
Das ist sein Geheimniß, sein stilles Verlangen,
Der Quell seiner Lieder, ihr seliges Ziel.
Das Licht sucht die Liebe, so wie sich die reine,
Unsterbliche Liebe zum Himmel erhebt.
Bis Licht, Lied und Liebe im schönen Vereine
Den göttlichen Kranz der Vollendung erstrebt.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 241-243)
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Petrark und Laura

Andächtig hingeneigt am Hochaltare,
Das Aug' gesenkt in brünstigem Gebet,
Daß sie der Stunde ernstes Heil bewahre,
Kniet Laura in demüth'ger Majestät.
Nicht irdisch Glück, - das Ew'ge, Unsichtbare
Ist's, was an ihrem Sinn vorübergeht.
Mit Engeln scheint der holde Mond zu kosen,
Frisch aufgeblüht, gleich jungen Maienrosen.

Ein grün Gewand, mit Veilchen dicht durchwebet,
Umfängt der Glieder göttergleichen Bau;
Und auf den reichen, blonden Flechten schwebet
Ein Kranz, gleich Sonnengold und Perlenthau.
So gleicht sie, wie sie nun den Blick erhebet,
Dem Frühlings-Engel, der die stumme Au'
Erwecken soll zu wunderbarem Leben,
Um Blüthen, Glanz und Stimme ihm zu geben.

Nicht ahnet sie in ihrer frommen Feier,
Daß sie, in anspruchloser Lieblichkeit,
Den ew'gen Lorbeer auf Petrarka's Leyer
In dieser großen, ernsten Stunde streut. -
Schon flammt die Gluth, die heller sich und freier
Entfalten soll in Sanges-Ewigkeit;
Schon schmücket sich der reichste aller Lenze,
Daß Laura's Bild unsterblich er umkränze.

Petrarka lauscht mit wonnigem Entzücken,
Den Gott vergessend ob der Beterin,
Und saugt ihr Bild mit stummen Feuerblicken
Für eine Ewigkeit in Herz und Sinn;
Er fühlt's, nun wird des Liedes Preis ihm glücken,
Seit er geschaut der Anmuth Königin,
Der Unschuld fromme, kindliche Ergebung,
Des reinsten Blickes strahlende Erhebung.

Und immer tiefer prägt in sein Gemüthe
Der Frömmigkeit und Schönheit Zauber sich;
Er sieht der Engel Glanz, der Engel Güte,
Zum erstenmal vereinet inniglich,
Und schwört zu feiern diese Himmelsblüte
In Gluthgesängen hoch und wonniglich,
Der Liebe Pfeil, er stürzt den Damm darnieder,
Der noch gehemmt den stolzen Strom der Lieder.

Die Stunde flieht, die frommen Beter wallen
Mit leisem Tritt von Betstuhl und Altar;
Auch sie entweicht, doch ihre Blicke fallen
Auf ihn, den Schönsten in der Männer Schaar,
Und beide tragen aus des Tempels Hallen
Der Liebe Flammen heim für immerdar,
Sie, still sie bergend in dem keuschen Busen,
Er, sie aussprechend, gleich entzückten Musen.

Und Laura heißt nun seines Lebens Quelle,
Die immer stolzer ihre Wogen regt,
Laura das Bild, das seines Liedes Welle
Vergötternd auf zur Sternenhöhe trägt,
Und wo sie weilt, - da wandelt jede Stelle
Zum Tempel sich, der eine Gottheit hegt,
Da sproßt der Lorbeer, steigt in vollem Strome
Gesangesgluth empor zum Himmelsdome.

Sie horcht dem Lied, erst jungfräulich befangen,
Demüthig bald, bald stiller Freude voll;
In edlem Stolz erglühen ihre Wangen,
Denkt sie, daß ihr Petrarka's Leyer scholl.
Daß sie vor allen Erdenfrauen prangen
Durch des gefei'rten Sängers Liebe soll;
Drückt sie des Ruhmes Schimmer gleich darnieder,
Erhebt sie selig seine Liebe wieder.

Und heimlich zündet sie in ihrem Herzen
Das Opfer ihm, das, wie der Vesta Gluth,
Verschwiegen brennt, genährt von stillen Schmerzen,
In treuer, hoffnungsloser Liebe Hut.
Das wirft den Strahl, gleich ew'gen Himmelskerzen,
In banger Tage nächtlich trübe Fluth,
Und lehret sie, bei schmerzlichem Entsagen,
Hin über's Grab die stille Hoffnung tragen.

Und wie die Palme erst von Druck gehoben
In königlicher Schöne sich erhebt;
Wie Blüthenpracht entwickelt Sturmes Toben,
Des Springquell's Fluth, gehemmt, zur Höhe strebt:
So hob sich kühn der reine Strahl von Oben
Petrarka's Liebe stolz und sangbelebt;
Kein Schmerz zerstörte seiner Hoffnung Leben,
Fest stand's, zum schönen Ziel emporzustreben.

Kühn wie der Aar, und zart wie Lenzeskosen
Scholl siegend sein Gesang von Land zu Land;
Da war kein Herz, das, mit der hoffnungslosen,
Allmächt'gen Liebe des Petrark's bekannt,
Ihm nicht verschwiegner, zarter Neigung Rosen
In seines Lorbeers stolze Krone wand.
Vereinigt stets kam ihm im vollen Segen
Der reichste Ruhm, die reichste Huld entgegen.

Schon hatte Rom den Sänger ohne Gleichen
Mit allen Kränzen hohen Ruhms geschmückt;
Schon sah er sich, durch selt'ne Beifalls-Zeichen,
Mit Ehr' und Glanz vor Tausenden beglückt:
Da dünkt' es ihm, er säh' die Schranke weichen,
Die ihm das theu'rste Kleinod noch entrückt,
Und heimwärts eilt er, um zu Laura's Füßen
Den schönsten Lohn des Sängers zu genießen.

Doch heimgekehrt schon war der reine Funken
Der Liebe, die hier keine Heimath fand;
Die zarte Hülle schon in Staub gesunken,
Die einst so wunderholden Strahl versandt.
Gleich Blumen, die zu heiße Gluth getrunken,
Sank sie dahin, entrückt dem Mutterland,
Damit des Sängers Sehnsucht von der Erde
Zu dem Unendlichen gezogen werde.

Voll tiefen Schmerzes sank an Laura's Grabe,
Das all sein Lieben, all sein Glück umschloß,
Petrarka hin, und band vom Wanderstabe
Die letzten Kränze seines Ruhmes los;
Stumm legte er des Glückes eitle Gabe
Auf der verwais'ten Erde kalten Schooß;
Dann floh er trauernd zu Vauclüsens Stille,
Sich bergend in der tiefsten Haine Hülle.

Hier war's, wo, seinen Schmerz ihm zu vergüten,
Laura's verklärte Huldgestalt erschien,
Ihm reichend ewigjunge Sangesblüthen,
Wie keinem Sterblichen sie noch verlieh'n;
Wo Himmelsträume selig ihn durchglühten,
Ihm niederrauschten Engel-Melodien,
Und aller Musen Gunst ihm hold gewährte,
Zu träumen, was auf Erden er entbehrte.

So zog sein Geist an treuer Liebe Bande
Herab zu sich die stille Geisterwelt,
So sang er sie, wie sie im Lichtgewande,
Von ew'ger Jugend Morgenroth erhellt,
Ihm aufwärts winkte zu dem Palmenlande,
Wo jeder Schleier banger Trennung fällt,
Bis spät der Tod mit sanftem Friedenskusse
Ihm winkte zu der Liebe Vollgenusse.
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Weitstrahlend, wie ein Bild der Sternenhöhen,
Prangt Laura's Bild am Ruhmes-Firmament;
Und nimmer wird ihr Name untergehen,
So lange man Petrarka's Namen nennt.
Zwei Flammen, die entzückt zusammenwehen,
Ob sie am Boden scheinbar gleich getrennt:
So leuchten sie, vereint durch ew'ge Bande,
Durch alle Zeiten und durch alle Lande.

O schönes Loos, gepflegt von Charitinnen,
In frommer, anspruchsloser Lieblichkeit,
Den schönsten aller Kränze zu gewinnen:
Den Kranz der Liebe und Unsterblichkeit!
Wer könnte wohl noch höhern Schmuck ersinnen,
Als den, den Laura'n einst Petrark geweiht?
Durch treue Lieb' im Tode fortzuleben:
Nicht schönern Kranz kann je das Glück uns geben.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 265-271)
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Irrthum der Liebe

1.
Die Erde eilt, daß sie sich festlich kleide;
Den grünen Mantel hat sie auserkoren,
Besetzt mit reichem, köstlichen Geschmeide.

Schon schmiegt er prunkend sich um ihre Glieder,
Und freundlich blickt sie aus dem Blüthenkranze
Auf ihren hellen, bunten Festschmuck nieder.

Ich weiß es wohl, warum sie also pranget. -
Mein Liebchen naht, und ist schon auf der Reise,
Vor dessen Reiz den Fluren heimlich banget.

Die Erde will sich nicht verdunkelt sehen,
Gleich eitlen Müttern, die der Töchter Anmuth
Verdrießlich nur den Vorrang zugestehen.

Sie will wetteifern drum mit Liebchens Schöne,
Damit der Sänger mit dem besten Liede
Statt seinem Lieb die stolze Lenzbraut kröne.


2.
Wie wird sie seyn? - Treu oder umgewandelt?
So frag' ich mich, im Herzen oft besorgend,
Daß für Natur man Welt ihr eingehandelt.

Die große Stadt, befürcht' ich, läßt sie blicken,
Und hält mich fern mit einem steifen Knixe,
Reißt es mich hin, sie an mein Herz zu drücken.

Wie mich des Mädchens arge Schönheit quälet!
Gewiß hat sie der ganzen Welt gefallen,
Und längst der Freier Schönsten sich erwählet.

Ich werd' es wohl auf ihrem Antlitz lesen.
Gottlob, der Seele Sprache kann ich deuten,
Bin ich gleich nie in großer Stadt gewesen!


3.
Ich sah' mein Liebchen aus dem Wagen steigen,
Ein Hütchen trug sie, wundernett und pfiffig,
Und grüßte draus hervor mit holdem Neigen.

Drauf schwebte sie mit zephyrleichtem Schritte
In die Umarmung staunender Geschwister,
Als Rose prangend in der Knospen Mitte. -

Der alte Vater bot die welken Lippen
Dem Rosenmund, und auch die kleinen Buben
Sah ich vom Honig ihres Kusses nippen.

Nur ich allein stand fern, und mußte darben,
Und fühlte, wie von ihrem Glanz getroffen,
Die kühnen Wünsche meines Busens starben.


4.
Ich hatte ihr so viel, so viel zu sagen,
Und muß nun, da sie mir zur Seite wandelt,
Verstummend meine Augen niederschlagen.

Das ist die Frucht von städtischer Erziehung!
Ganz ungeschickt muß ihr der Freund erscheinen,
Und lächerlich ihr jegliche Bemühung.

Wenn sich die feinen Rosenlippen theilen:
Ach, freilich tönt dann eine andre Sprache,
Durchbohrend mich mit tausend süßen Pfeilen.

Ich lausche, von Bewund'rung ganz befangen,
Und beiße mich verzweifelnd in die Lippen,
Weil aller Geist indeß mir ausgegangen.

O welche Qual, so arm vor Der zu stehen,
Um derentwillen ich der Erde Güter
Und allen Liebreiz wünschte zu erstehen!

Ein böser Zauber scheint mich zu umstricken;
Das Beste, was ich zu besitzen meine:
In Nichts zerschmilzt's, berührt von ihren Blicken.


5.
Was hilft es, daß sie die Saiten rühret,
Daß ihr Gesang die Nachtigall beschämet,
Und sie mit Bildern unsre Wände zieret!

Was hilft es mir, daß man mit ihrem Preise
Die Schwestern alle um sie her verdunkelt,
Und Unheil sä't in uns'rer Männer Kreise.

Sonst blühte sie dem Veilchen gleich im Thale,
Zufrieden, Einen innig zu beglücken;
Jetzt lockt sie Alle mit der Schönheit Strahle.

Ich weiß, der Welt Bewund'rung will sie haben!
Es mag geschehen, - ich aber werde weichen,
Und mich in Waldes Einsamkeit begraben!


6.
Ich möchte bitt're Thränen weinen,
Denk' ich zurück an die vergang'nen Tage,
Die nie so süß, so lieblich mehr erscheinen!

Da war sie Kind noch, kos'te unbefangen
Mit dem Gespielen, wie mit ihren Lämmern,
Und bot mir oft im Scherz die Rosenwangen.

Da lag ihr Herz noch klar und unverwahret
Vor meinem Blick; das Schönste las ich drinnen,
Was sich in Menschenseelen offenbaret.

Huld, Demuth, Reinheit, Frömmigkeit und Treue,
Der ew'gen Schönheit heil'ge Himmels-Zeichen:
Sie alle grüßt' ich täglich dort auf's Neue.

Jetzt ist ein Schleier um ihr Herz gezogen,
Der neidisch mir das Himmelsbild verdunkelt:
Wie Nebel deckt des Aethers reinen Bogen.

Verirret schwank' ich (wie auf wilden Wogen
Der Schiffer, den kein Stern, kein Kompaß leitet,)
Von finstern Zweifeln unstät fortgezogen.


7.
O hör't! Heut' will sie sich als Mime zeigen!
Zum Schauspiel sind die Gäste eingeladen!
Heut will die Kunst auf ihren Gipfel steigen!

Fahr' wohl, Natur! Fahr' wohl, fahr' wohl auf immer!
Zieht ein durch ihres Herzens offne Thore,
Du, falscher Prunk, Verstellung, eitler Schimmer!

Auf! Uebertüncht die jugendliche Wange,
Daß, wenn sie ja in blöder Schaam erröthe,
Verständ'gern nicht ob ihrer Schwachheit bange!

Versammle Dich, das selt'ne Spiel zu schauen,
Neugier'ge Welt! - Ich mache Platz Euch Allen!
Mit meinem Rohr durchzieh' ich heut' die Auen!

Dort kann man auch manch kluges Wort vernehmen:
Nicht eingelernt, nicht einstudirt; - es würden
Sich solcher Armuth Bach und Vogel schämen!

Sie singen, wie es ihnen Gott gegeben,
Und also dringt es lieblich auch zu Herzen,
Und leicht erfrischt sich dort ein krankes Leben.

Auf, meine Rüden! Auf, hinaus ins Freie!
Ade, mein Lieb! Du wirst es wohl erfahren,
Daß ich gefehlt in der Bewund'rer Reihe!


8.
Noch hab' ich sie am Fenster nicht gesehn!
Sonst sah ich sie, auch wenn sie mich nicht grüßte,
Im Morgenhäubchen vor dem Spiegel stehen.

Auch hat sie ihre Blumen nicht begossen!
Leicht wird ihr, was sie liebte, zu vergessen!
Welk hangen dort die zarten Blüthensprossen!

Sie hat als Mime Beifall sich erworben,
Und übt sich wohl in einer neuen Rolle;
Und darum sind die Blumen abgestorben.


9.
So hört' ich recht? - So liegt sie krank darnieder?
Sie, die ich frevelnd eitlen Thuns beschuldigt?
O, wie vergüt' ich ihr dies Unrecht wieder!

Vorwurf und Qual, und Furcht, und ängstlich Bangen
Zerreißt mein Herz! - Wie soll ich sie versöhnen,
Die ich zu tadeln schnöd' mich unterfangen?

Kann sie dafür, daß man zur Stadt sie sandte,
Kann sie dafür, daß für der Künste Zauber
Ihr leicht empfängliches Gemüth entbrannte?

Wer bin ich denn, daß ihres Herzens Triebe
Ich nur allein auf mich zu lenken wünsche? -
Ach, kein Verdienst ist mein, als meine Liebe!

Wahnsinn nur kann der Schönheit Fülle tadeln!
Und Eigennutz nur find' ich hier im Busen,
Und arge Tücke, die mein Herz entadeln.

Von jetzt an will ich meine Fehler büßen!
Ihr Leiden soll Genesung mir bereiten,
Und reuig stürz' ich hin zu ihren Füßen!


10.
Ein Glück, daß meine Rosen aufgeblühet,
Daß die Organe ich bis heut gesparet,
Die lockend dort im dunklen Laube glühet!

Schnell will ich sie zu der Geliebten tragen;
Dieß wird mir einen feinen Vorwand geben,
Mich in's Gemach der Leidenden zu wagen.

"Für Dich erzog ich sie!" so will ich sprechen; -
Doch nein! Der Klang mahnt an vergang'ne Zeiten!
Da würden Thränen bald mich unterbrechen.


11.
Man hatte mich in ihr Gemach geleitet;
Da saß sie, ganz in Schleier eingehüllet,
Dem Monde gleich, der bleich durch Nebel gleitet.

Ich wollte sprechen, doch Bestürzung drückte
Das Wort mir im beklommnen Busen nieder,
Weil ich so bleich, so leidend sie erblickte.

Ich konnt' ihr schweigend nur die Blumen reichen;
Mir war, als säh' ich bei des Freundes Gruße
Das zarte Antlitz tiefer noch erbleichen.

Sie nahm sie freundlich, sprach nach kurzem Schweigen:
"Die erste Freude, die der Lenz mir spendet!"
Drauf sah ich Thränen ihr ins Auge steigen.

"Die erste?" rief ich: "Sind des Lorbeers Kronen,
Die reichlich man der Künstlerin gespendet,
Nicht Lenzeskinder reich'rer, bess'rer Zonen?"

"Wenn Liebe nicht auch Rosen eingewunden,"
So sprach sie, ernst zu mir den Blick erhebend,
"Wird bald das dürre Laub die Stirn' verwunden!"

"Die Aller Herzen siegend sich errungen,
Vermag die Liebe also anzuklagen?"
Entgegnet' ich von bitterm Weh durchdrungen.

Da flammt ein Blick aus ihren Augen, nimmer
Vergess' ich ihn, - erst rasche Gluth versendend,
Dann weich hinschmelzend in der Wehmuth Schimmer.

"Kann der, der wahrer Liebe einst ergeben,"
So sprach sie ernst: "mit ihrem Namen spielen?
Was ist dann heilig noch und wahr im Leben?"

Da zog michs hin zu ihren Füßen. - Flehend
Bat ich: "O sprich es aus, was mich beseligt!"
Und sie begann nun, Alles mir gestehend.

"Um Deinetwillen streckt' ich meine Hände
Nach allem aus, was Geist und Seele schmücket,
Damit mein Freund mich seiner würdig fände."

"Was strebenswerth, ich sucht' es zu erringen,
Um dem Geliebten, wenn er treu geblieben,
Den reichen Brautschatz einst in's Haus zu bringen."

"Voll schöner Hoffnung trat ich Dir entgegen,
Du bliebst mir fern, ich war Dir fremd geworden.
Entmuthigt stand ich, schüchtern und verlegen."

"Ich sah's, von Neuem mußt' ich Dich erringen!
Und vor dem Thron der Musen stürzt' ich nieder,
Und bat: o helft das schwere Wort vollbringen!"

"Und drauf entfaltet' ich vor Deinen Blicken,
Was mich die Zeit, was mich die Kunst gelehret,
Um Dich, nur Dich zu fesseln, zu entzücken!"

"Dein waren meine Kränze, Dein die Blüthe
Des Beifalls, die man meinem Streben zollte,
Weil meine Kunst an meiner Lieb' erglühte."

"Und freudig grüßt' ich des Gelingens Segen,
Denn jede Krone, freundlich mir geboten,
Wollt' ich vor dem Geliebten niederlegen!"

"Du aber, ach! verschmähtest meine Gabe!
Du fliehest mich, verachtest mich! - O sage,
Was ich gethan, was ich verbrochen habe?" -

"Nichts, als daß Du, den Erdensohn vergessend,
Als Engel Dich hoch über mich erhoben!"
So sprach ich, selig an mein Herz sie pressend.

"Zu hoch gestellt für meiner Liebe Streben
Erblickt' ich Dich, als Du, mit jeder Schöne
Reich ausgestattet, uns zurückgegeben."

"Wie mußt' ich Armer mich in Nichts verlieren,
Als Du des Geistes Strahlen nun entfaltet,
Wohl würdig, einen Fürstenthon zu zieren!"

"Anstatt Dich mild zu mir herabzuneigen,
Klommst Du empor; so mußt' ich Dich verlieren,
Nicht möglich war's, so kühn Dir nachzusteigen."

"Jetzt hast Du mich mit rascher Hand erhoben;
Doch hält mich nur, o Theure, Deine Liebe,
So wie die Sonne festhält ihre Globen!" -

"O laß mich nicht zurück zur Tiefe kehren!
Schling' Deinen Arm um mich! - Leicht faßt ein Schwindel
Den, so man schnell entführt zu lichtern Sphären."

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 279-289)
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Der versteckte Amor

Um den holden Götterknaben,
Amor, einen Thron zu bauen,
Schritten durch die Blumenauen
Leicht die Grazien daher
Schlummernd ließen sie den Kleinen,
Den sie pflegten und bewachten;
Darum eilten sie, und dachten
Auf die schnelle Wiederkehr.

Als sie nun mit leisem Schritte
An dem Lager, dem umzweigten,
Sorglich bang sich niederneigten,
War der kleine Gott entflohn.
"Weh' uns, Amor ist verloren!"
Rufen bang die Charitinnen,
Und mit angstverworr'nen Sinnen
Spähn sie nach dem Göttersohn.

Bald ruft's aus dem Hain: "Hier bin ich!"
Stumm, und freudiglich erschrocken,
Eilen dem geliebten Locken
Unverweilt die Schwestern nach.
Immer lauter wird das Rufen;
"Hier!" ertönt's ganz nah, und "dorten!"
Neckend Winken aller Orten,
Tausend Stimmen werden wach.

"Amor will Verstecken spielen!"
Lächelt leise Euphrosine,
Und mit schlauer, kluger Miene
Geht sie tiefer in den Hain.
In die allerdicht'ste Hecke,
Wo kein Blättchen sich beweget,
Sich kein Laut, kein Flüstern reget,
Dringt ihr spähend Aug' hinein.

Und, sieh' da! - Versteckt im Laube,
Sich verbergend vor dem Lichte,
Sitzt mit schelmischem Gesichte
Der entfloh'ne, kleine Gott.
Und, die Flügel schnell ihm bindend,
Wahrt die Frohe ihre Habe,
Sanft und duldend trägt der Knabe
Ihrer Augen losen Spott.

Als nun froh die Andern nahen
Ruft der kleine Schalk, gebunden:
"Ihr, die Ihr mich gern gefunden,
Hört mein Wort, und merkt Euch dieß:
Nicht, wo man von Liebe plaudert,
Nein, wo es am tiefsten schweiget,
Schüchtern sich kein Wörtchen zeiget,
Seyd Ihr meiner stets gewiß!"

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 290-292)
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Des Knaben Geheimniß

Ich trage zwei Wörtlein im Herzen,
Die haben im Busen nicht Raum;
Die möcht' ich laut singen und sagen,
Sie nennen den Nächten, den Tagen,
Kundgeben im Wachen und Traum.

Die Sterne am nächtlichen Himmel,
Sie lauschen mit mildem Gesicht,
Sie lauschen, und blicken, und nicken,
Als theilten sie gleiches Entzücken,
Und flimmern im freundlichsten Licht.

Es lauschen die Blumen der Aue,
Und lächeln, und bleiben nicht kalt;
Sie äugeln gar spaßhaft zur Sonne,
Und zittern und glühen vor Wonne,
Und necken mich stets mannichfalt.

Das Bächlein auch hat mich verstanden,
Und hüpft mit dem blühenden Strauß,
Der träumend den Händen entglitten,
Mit zärtlichem Murmeln und Bitten
Hinab zu der Schäferin Haus.

Ach, Allem, was lebet und liebet,
Dem möcht' ich mich freudig vertrau'n.
Frei möcht' ich das innerste Leben,
Frei Allen mein Liebesglück geben,
Die forschend ins Auge mir schau'n.

Nur Einer nicht; - Einer verschließet
Sich immerdar Seele und Mund; -
Sie hat mich mit Fesseln umwunden,
Sie hat mir die Sprache gebunden,
Macht stumm mich zur seligsten Stund.

Ich wünschte, es schwatzten die Sterne!
(Ich zürnte Verräthern noch nie!)
Ich wünschte, es plauderten leise
Die Blumen, die Bächlein im Kreise,
Und drängten sich flüsternd um sie.

Da würde sie staunend vernehmen,
Was heimlich die Wange mir blich,
Da würde von Blumen und Sternen
Vielleicht sie das Wörtlein erlernen:
Ich liebe, ich liebe nur Dich!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836 (S. 332-333)
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Das Eine

Eines weiß ich, dieses Eine
Füllt Gedanken mir und Sinn.
Alles gäb' ich für die reine
Unschätzbare Perle hin!

Glaub' und Hoffnung - sie erheben
Selig zu des Himmels Höh'n,
Doch es wird ihr Götterleben
Einst in Schauen untergeh'n.

Nur die Liebe, diese eine
Perle in der Zeiten Schoos,
Sie, das Kleinod, das ich meine,
Ist unsterblich, wandellos.

Mag aus tausend Wunden bluten
Hoffnungslos des Menschen Herz,
Sie besiegt des Leidens Gluthen,
Lieb' ist stärker als der Schmerz.

Mag der Kleinmuth ängstlich zagen,
Zweifeln an des Ew'gen Huld:
Eines kann den Zweifel schlagen,
Lieb' ist größer als die Schuld.

Fest an ihre Brust geklammert,
Hebt sich das Gesunk'ne auf,
Was verzweiflungsbang gejammert,
Blickt, durch sie erlöst, hinauf.

Und sie weckt aus Grabesnächten
Neuen Aufgangs Morgenroth;
Leben träuft aus ihrer Rechten,
Lieb' ist stärker als der Tod.

Lieb' ist stärker als das Leben,
Als das Leben der Natur;
Göttliche Gesetze geben
Kann die Lieb' dem Leben nur.

Kann verklären seine Triebe,
Adeln was das Herz entflammt,
Bis das Leben wird zur Liebe,
Zu der Lieb', die Gott entflammt.

Langmuth hebt, Erbarmen, Güte
Dann des jungen Lebens Schlag,
Und es keimt des Friedens Blüte,
Und es lacht der Wahrheit Tag.

Glaub' und Hoffnung, ihre Schwingen
Sind der Liebe zugesellt;
Liebe kann zum Himmel dringen,
Lieb' ist stärker als die Welt.

Alles Wissen, alles Haben
O wie eitel, arme Müh!
Was sind alle Himmelsgaben,
Alle Himmel ohne sie?

Ja, sie ist es, die ich meine,
Die mir füllet Herz und Sinn;
Herr, nimm alles für die eine
Unschätzbare Perle hin!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 9-11)
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Liebe

Unschuld'ge Liebe, die ihr heilig Feuer
An ew'ger Schönheit Himmelsstrahl entzündet,
Kennt keinen Tod, sie ist der Gottheit theuer.

Nein, wie der Seraph vor dem Flammenthrone,
Steht sie vor dem, der aus der eig'nen Fülle
Sie einst der Erde gab als schönste Krone.

In ihre stille Tiefen sich versenkend,
Ermißt sie staunend ihre Götterkräfte,
Der innern Wunder Allmacht überdenkend.

Sie fühlt's, was unerreichbar sonst im Leben,
Zu allen Himmeln, die das Herz entzücken,
Hat ew'ge Huld den Schlüssel ihr gegeben.

Dem Adler gleich, trägt sie mit starken Schwingen
Die Seel' empor in heil'ge Regionen,
Wohin die Wolken nicht'gen Grams nicht dringen.

Mild wie die Taube schaut mit Friedensblicken
Sie in die Welt, nicht and're Regung kennend
Als das Verlangen, Alles zu beglücken.

So wie das Morgenroth die Sonn' umkränzet -
So geht ein Strahl aus von der Liebe Leben,
Der alles, was ihr nahet, überglänzet.

Sie ist die süße Königin der Erde; -
Jedwedes naht sich huld'gend ihr zu dienen,
Damit sie ihrer Herrschaft inne werde.

Bei ihr nur will des Haines Säng'rin wohnen,
Der Sommer pflegt für sie die schönsten Rosen,
Für sie flicht Lenz die reichsten Blüthenkronen.

Die Gottheit selbst haucht, lieblich sie zu schmücken,
Die Wang' ihr an mit ew'ger Jugendschöne,
Und taucht ihr Aug' in seliges Entzücken.

So steht sie da, sich zaghaft in sich schmiegend,
Und doch, wenn sie den Himmelsblick erhebet,
Mit einem Blick die ganze Welt besiegend.

Sie ist von Gott, sie fühlt's und wird nicht wanken,
Will Zweifel auch auf sie die Pfeile zücken;
Sie weiß ihr Reich, kennt keine Erdenschranken.

Sie ist die selt'ne, schöne Wunderblume,
Die aus der Erde Boden aufgekeimet,
Das Haupt erhebt zu Gottes Heiligthume;

Die hier uns labt mit stillen Seligkeiten,
Und dann als Engel Oben unser harret,
Uns in ihr schönes Vaterland zu leiten.

Drum hochgesegnet wer aus ihrem Bronnen
Sich Leben trinkt! Er zög're nicht und trinke,
Er trinkt aus ihm den Vorschmack ew'ger Wonnen.

Und will die Zeit den lichten Traum berühren:
Getrost! Einst wird besiegend alle Zeiten
Die Lieb' als Herrscherin den Scepter führen!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 107-109)
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Geheimniß

Wer nennet mir das zarte Band,
Von Engeln gewoben mit leiser Hand,
Unsichtbar jedem Menschenblick,
Doch fest und wahr wie des Himmels Glück? -

- Still schmiegt sich's um die Menschenbrust,
Zieht Seele an Seele unbewußt;
Kann keiner die dunkle Gewalt auch erklären:
Er muß ihrem heiligen Zuge gewähren.

Wer schließt des Blickes Macht mir auf,
Von der Seele steigend zum Aug' hinauf?
Das Wort, so dunkel und doch so wahr
Wie ein Schwur, verbürgt von der Engel Schaar?

- Still fällt er in des Herzens Grund,
Giebt seine Allmacht der Seele kund;
Was keine Sprachen der Sterblichen nennen,
Kann Liebe im Blicke der Liebe erkennen.

Wer deutet mir das Morgenroth,
Das Leben wecket aus Nacht und Tod?
Der Hoffnung ersten Schimmer - so süß
Wie Engels Grüße vom Paradies? -

- O, wem der selige Aufgang gelacht,
Wem die Liebe geleuchtet in seine Nacht:
Durch alle Himmel, durch alle Zeiten
Wird Sehnsucht nach ihr die Flügel breiten.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 110-111)
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Philomelens Todtenfeier

Laß mich weiter wandern, laß mich scheiden,
Friedlich scheiden mit des Lenzes Pracht,
Eh' die süßen Blumen sich entkleiden,
Eh' der rauhe, kalte Nord erwacht!

Meine Liebe zog in ferne Räume,
Und der Liebe zieht das Leben nach,
Ausgeträumt sind meine Lenzesträume,
Seine Lieder ruft kein Morgen wach.

Laßt mich weiter wandern, laßt mich scheiden,
Kann nur weilen, wo die Rose blüht,
Mit der Rose welken meine Freuden,
Mit der Freude stirbt der Säng'rin Lied.

- Und im Haine wird es still und traurig;
Durch die Eichenwipfel, dichtbelaubt,
Ziehen Abschiedsseufzer bang' und schaurig,
Jedes Hälmchen neigt betrübt das Haupt.

Schmetterling, als Herold abgesendet,
Hat den Trauermantel angelegt,
Zu den Blumen ist sein Flug gewendet,
Langsam naht er, ernst und grambewegt.

Läutet, ruft er, Glöcklein all' im Thale,
Hüllt ihr Blumen Euch in Trauer ein!
Bergt Euch vor dem heitern Sonnenstrahle,
Ungestörter Wehmuth Euch zu weih'n!

Nachtigall, die holde, ist gestorben,
Sie, die Stimme unsern Wonnen lieh,
Sie, die Aller Liebe sich erworben,
Sie, die Tochter süßer Harmonie.

Laßt uns still das Todtenamt vollziehen,
Und, - wie sie der Kronen schönste Zier
Unsrer Liebe, unserm Lenz verliehen:
Weiht die schönsten, reichsten Düfte ihr!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 125-126)
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Rosenperlen

In schönen Tagen sah' ich euch erblühen,
Ihr Rosen jener reichgeschmückten Flur!
Jetzt wahr' ich euch als schwarze Perlenschnur,*
Doch kann der süße Duft euch nicht entfliehen.

So war mir einst ein süßes Glück geliehen;
Es schwand, jedoch den äußern Sinnen nur.
Sein inn'res Seyn war göttlicher Natur,
Und durfte mit dem Lenze nicht verblühen.

Wie aus der Rose Staub ein Geist erwacht,
Deß süßer Hauch den Lenz weit überdauert:
So die Erinn'rung aus dem Grab der Zeiten.

Unsterblich ist der Liebe heil'ge Macht;
Sie beut, wenn Trennung uns und Tod umschauert,
Noch einen Quell von stillen Seligkeiten.

* Bekanntlich werden aus Rosenblättern schwarze,
wohlriechende Perlen verfertigt.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 127)
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Das stumme Herz

Was schweigt so tief als Grabesstille?
Was ist noch stummer als die Nacht?
Die Lieb' ist's, deren Schmerzensfülle
Der heil'ge Ernst der Pflicht bewacht.

Der Himmel darf in Thränengüssen,
Es darf der Wolken schwüles Heer
In heißen Gluthen überfließen,
Aufseufzen darf das tiefe Meer;

Die Blume darf ihr Antlitz zeigen,
Ist es von Thränen gleich bethaut,
Der stumme Schwan bricht einst sein Schweigen
In einem tiefen Schmerzenslaut;

Doch mit verschloß'nem Munde übet
Den strengen Opferdienst die Pflicht,
Und trägt den Traum, den sie geliebet,
Auf den Altar - und weinet nicht.

Und weinet nicht! Die Himmel messen
Allein ihr Weh' und ihren Sieg,
Und können nicht den Blick vergessen,
Der mit dem Opfer aufwärts stieg.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 128)
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Der Himmelsbote

Da steh' ich nun auf fremder Flur,
So weit von Dir geschieden!
Ach nirgends Deines Wandels Spur!
Ach nirgends Trost und Frieden!

Hier grünt kein Baum, der über Dir
Sein Laubdach ausgebreitet,
Hier lächelt keine Blume mir,
Die Deinen Pfad bekleidet.

Den Wiesengrund, die grünen Höh'n,
Du hast sie nie durchwallet,
Nie hat in dieser Lüfte Weh'n
Dein theures Wort geschallet.

Fremd bleibet alles rings umher!
- Kein Abglanz froher Stunden
Erquickt das Herz, so bang', so schwer,
Erkrankt an Trennungswunden.

Doch sieh', welch milder Himmelsstrahl
Lacht dort aus dunklen Zweigen?
Will lindernd meiner Sehnsucht Qual
Ein theures Bild sich zeigen?

Es ist mein Stern, mein Abendstern!
Still flammt er in die Höhe,
Damit auf Alle, nah' und fern,
Sein Auge niedersehe.

Es ist dasselbe Himmelslicht,
Das mich und Dich umflossen,
Der Strahl, der um Dein Angesicht
Verklärungsglanz gegossen.

Oft fand dies Licht uns Hand in Hand,
Versenkt in sel'ges Schauen;
Als suchten wir das Vaterland
Der Lieb', in seinen Auen.

Und noch blickt er auf Dich und mich
Auf weitgetrennten Wegen,
Und streut auf mich, und streut auf Dich
Denselben Himmelssegen.

O, sey gegrüßt viel tausendmal!
Gegrüßt in Schmerz und Freuden,
Du lieber, Du vertrauter Strahl,
Du Zeuge froher Zeiten.

Nichts ist mehr fremd, nichts ist mehr kalt,
Seit Du mir aufgegangen,
Es hält mit süßer Allgewalt
Dein Zauber mich umfangen.

Und leis' ertönt's wie Melodie:
"Wenn nichts zum Trost Dir bliebe:
An Himmelsboten fehlt es nie
Der treuen, frommen Liebe."

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 129-131)
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Könnt' ich Dein vergessen?

Könnt' ich Dein vergessen,
Meines Lebens Licht?
Müßte von den Freuden
Der Erinn'rung scheiden,
Jeden Klang vermeiden,
Der zum Herzen spricht!

Könnt' ich Dein vergessen,
Meines Lebens Licht?
Alle Lichtgestalten,
Die sich mir entfalten,
Müßten bleich erkalten
Wie ein Traumgesicht.

Könnt' ich Dein vergessen,
Meines Lebens Licht?
Müßt' von Lied und Tönen,
Ach, von allem Schönen
Aug' und Ohr entwöhnen,
Flieh'n der Schöpfung Licht.

Könnt' ich Dein vergessen,
Meines Lebens Licht? -
Schweigend, ohne Klagen
Kann ich Leid ertragen,
Sterben wohl, entsagen,
Doch - vergessen nicht!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 132-133)
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Die erste Nachtigall

Wir gingen durch den Frühlingshain
In wonnevollem Schweigen;
Thautropfen hingen, demantrein,
An Blumen und an Zweigen.

Der Flieder strömte Balsamhauch
In leichtbewegte Lüfte,
Es wogt' und wankte Baum und Strauch
Voll Blüthen und voll Düfte.

Wir standen an des Hügels Rand,
Versenkt in sel'ges Schauen,
Tief unten floß des Stromes Band
Durch morgenhelle Auen.

Dein Auge flog dem Himmel zu,
Und dann zu mir hinüber,
Und niemand war als ich und Du
Und Gottes Aug' darüber.

Da flötete die Nachtigall
Aus schattigen Gehegen,
Sie flötete mit süßem Schall
Den ersten Frühlingssegen.

Wir sah'n uns an, den feuchten Strahl
Der Wonne in den Blicken,
Wir sah'n uns an wohl hundertmal
Mit kindlichem Entzücken.

Gott war in uns, und wir in ihm,
Das stand im Aug' geschrieben,
Als Kinder standen wir vor ihm,
In schuldlos, reinem Lieben.

O süßes, hehres Morgenlicht,
O Stunde sel'ger Freuden,
Wir sahen Gottes Angesicht,
Und können ruhig scheiden!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 147-148)
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Wunsch

Könnt' ich mit Dir seyn und bleiben,
O wie freundlich wär' die Welt!
Sturm und Wetter möchte treiben;
Könnt' ich mit Dir seyn und bleiben,
Wär' mein Himmel aufgehellt.

Könnt' ich Dir ins Auge schauen,
Reiner, besser würd' ich seyn!
O wie wollt' ich Dir vertrauen!
Könnt' ich Dir ins Auge schauen,
Würde jeder Segen mein!

Könnt' ich stets Dein Wort vernehmen,
Ruhig ging ich meine Bahn.
Wollte nie mich ängst'gen, grämen,
Könnt' ich stets Dein Wort vernehmen,
Sich'rer wallt' ich himmelan.

Könnt' ich Segen Dir erflehen,
Meine Freuden gäb' ich hin!
Müßt' ich selbst in Schmerz vergehen,
Könnt' ich Segen Dir erflehen,
Würde Leiden mir Gewinn!

Könnt' ich Dir zu Liebe sterben,
Ach das wär' ein schönes Glück!
Mögen And're Lieb' erwerben!
Könnt' ich Dir zu Liebe sterben,
Selig pries ich mein Geschick!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 150-151)
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Der ernste Engel
An L.

Wo die süße Liebe weile,
Fragst Du, Lina? - Frage nicht!
Spähe nicht nach weiter Ferne!
Nach dem goldnen Morgensterne
Folgt von selbst der Sonne Licht.

Liebe will gar viel bedeuten!
Schwankend an der Kindheit Port
Faßt des Geistes zarter Funken,
Von der ersten Ahnung trunken,
Nicht dies tiefe Wunderwort.

Liebe ist ein ernster Engel,
Der von ew'gem Himmelsthron
Niedersteigt zu unserm Herzen,
Weihend sie zu heil'gen Schmerzen,
Weihend sie zu heil'gem Lohn.

Wo er seine Fackel senket,
Flammt die hehre Gluth hinan;
Die den Sterblichen vergöttern,
Aber stürmisch auch entblättern
Seine Erdentage kann.

Wer aus selbstisch eitlem Streben
Buhlet um des Engels Blick:
Muß, wem Lenz und Jugend schwinden,
Einen nicht'gen Schatten finden,
Treulos nennen Liebesglück.

Wer nur weiche Rosenkronen
Hoffte von des Engels Hand, -
Wird ob bittrer Täuschung weinen,
Wenn er zu Cypressenhainen
Ernst sich hingewiesen fand.

Nur wer um der Liebe willen
Liebe suchte, treu und rein,
Fest entschlossen, ohne Wanken,
Ihr mit Willen und Gedanken
Sich als Eigenthum zu weih'n:

Wer vergessend sich, sein Leben
Sucht in des Geliebten Brust;
Wer im Dulden selbst und Leiden
Zu entdecken weiß die Freuden,
Die der Treue nur bewußt:

Wer sich selbst nur kann genügen
In den Opfern frommer Pflicht;
Wem der Treue stille Kronen
Mehr als alle Rosen lohnen,
Die das Glück uns schmeichelnd bricht,

Der begegne jenem Engel,
Ohne Zittern, ohne Scheu!
Sey's in Wonnen, sey's in Zähren,
Seine Gluth wird ihn verklären
Und sein Himmel bleibt ihm treu!

Darum prüfend zu dem Herzen
Wende, Lina! Deinen Blick!
Wollest nicht den Engel rufen,
Bis zu jenes Tempels Stufen
Selbst er naht, mit Schmerz und Glück!

Bau' an diesem Tempel, schmücke
Den Altar ihm blank und rein!
Sind geheiligt diese Hallen,
Dann, mit seinen Kronen allen,
Nimm den Engel furchtlos ein!

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 249-251)
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Thaulüftchen

Lüftchen, das mit warmem Hauche
Sanft befreit des Baches Lauf,
Thau, o thaue dort am Strauche
Bald die kleinen Knospen auf!

Saß so gern versteckt im Flieder,
Von der Blätter Dach beschützt,
Blickte in das Stübchen nieder,
Wo mein sprödes Mädchen sitzt.

Doch zuvor am Fenster drüben
Thau die Eisesblumen ab!
Seh' umsonst nach meiner Lieben,
Weiß nicht was sich dort begab.

Wandelt Liebchen auf der Aue:
Dann, o Zephir! eile, lauf',
Fenster laß und Strauch, und thaue
Mir zuerst das Liebchen auf.

Denn von strengem Eis umgeben,
Gleich den Blumen auf der Flur,
Gönnt mir mein geliebtes Leben
Frost'ge, kalte Blicke nur.

Darum, lindes Lüftchen, stehe
Der gekränkten Liebe bei,
Bis ich Sonnenblicke sehe
Heiter, lächelnd wie der Mai.

Ist das Herz erst aufgethauet,
Thaut wohl auch das Fenster ab,
Denn auf frohe Liebe schauet
Heller Himmel stets herab.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837 (S. 346-347)
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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Agnes_Franz

 

 

 


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