Abraham Gottlieb Hermann Franzius (1801-1832) - Liebesgedichte

 



Abraham Gottlieb Hermann Franzius
(1801-1832)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Eros und Eris

Nicht immer kann Eros durch Scherze und Kosen
Seine Erwählten beglücken, erfreu'n;
Auch in die Kränze von Myrten und Rosen
Flicht er die neckende Distel hinein.

Eris lässet den Apfel entgleiten,
Und die Herzen brausen empor;
Doch aus allem Plänkeln und Streiten
Gehet Freund Eros schöner hervor.

Eros knüpfet die Herzen zusammen;
Eris zerrt neckend am zärtlichen Band;
Aber sie löscht nicht die rosigen Flammen -
Eros und Eris sind nimmer verwandt.
(S. 103)
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Liebesglühen

Wir lieben uns - die Herzen sind zufrieden,
Sie haben sich gefunden und erkannt.
Was braucht es mehr? Das höchste Glück hienieden
Ist: wenn das Gleiche sich zum Gleichen fand.

Wir lieben uns! Die Welt mag uns beneiden,
Wir schau'n hinab auf jede niedre Sucht,
Wir, wir nur kennen, haben unsre Freuden
Und liegen in des Glückes sich'rer Bucht.

Wir lieben uns! O lästert nur, ihr Zungen!
Ihr kennt den Trost des hohen Wortes nicht,
Denn, wenn die Herzen ihren Bund geschlungen,
Ist Lieben nur die einzig höchste Pflicht.

Wir lieben uns! Zeus steig' von deinen Sonnen,
Und gieb uns, was uns Lieb' ersetzen kann!
Wie bist du arm! Komm, theile unsre Wonnen,
Komm, fühl' als Mensch, du großer Göttermann!

Wir lieben uns! In deinen Himmeln leben - -
Ich leiste fröhlich auf dies Glück Verzicht!
Kannst du die Liebe dort nicht wiedergeben,
So will ich deine Seligkeit auch nicht!

Wir lieben uns! Du, Erde, stürz' zusammen,
Verlöscht, ihr Sterne, euer goldnes Licht
Wir lächeln unter den Verwüstungsflammen
Und rufen, wann das Aug' im Tode bricht:
Wir lieben uns!
(S. 103-104)
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Entsagung

O weine nicht! so, Laura, heißt die Bitte,
Die letzte, die der Scheidende noch wagt;
Es treibt Vernunft zu diesem herben Schritte:
O höre nicht, was dein Gefühl dir sagt.

Wir trennen uns, und ewig ist dies Scheiden,
Denn unsre Seelen waren längst entzweit;
Frei sprachen sie uns von geschwornen Eiden,
Für andre Seelen sind sie jetzt geweiht.

Wer kann die Flamme mit der Welle einen?
Wo ist der Ring von Sonnenlicht und Nacht!
Die Seele hält sich zu dem einzig Einen,
Und Sympathie übt ihre ew'ge Macht!

O finde den Verwandten deiner Seele!
Magnetisch schweb' Dir seine Neigung zu!
Ihn hat Natur bestimmt und ihn erwähle,
Den süßen Freund, den Schöpfer deiner Ruh.

Ich bin es nicht! drum wollen wir uns trennen!
Geh mit dem Wort nicht strenge zu Gericht;
Was wir gefühlt - wir wollen's Freundschaft nennen,
Allein die Liebe war es wahrlich nicht.

Ja, lächle mir mit deinem Abschiedsblicke,
Reich' freundlich noch dem Freunde deine Hand,
Zerstöre der Erinn'rung nicht die Brücke,
Und denke oft: wir haben uns gekannt!

Drum weine nicht! Laß Mitleid nicht bethören,
Wenn die Vernunft zu unsrem Heile spricht;
Der Freundschaft wollen wir fortan gehören,
Der Freundschaft, Freundin, nur der Liebe nicht.
(S. 105-106)
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Bitte um Versöhnung

Als sich Menschen feindlich einst bekriegten,
Bot ein Theil zum Frieden seine Hand,
Und der Herr hob, die den Haß besiegten,
Sanft als Engel in das bess're Land.

Werde Engel auch, mein süßes Leben,
Himmel warten dein an meiner Brust -
Alles Herbe will ich von dir heben,
Mein sei Schmerz und dein sei jede Lust.

Reich' die Hand! ich gebe alle Rechte
Bei'm Versöhnungskusse willig hin!
Liebliche vom sanfteren Geschlechte,
Milde mir und Haß dem Eigensinn.

Denk' nicht nach! denn war ich herb und bitter,
That's das Herz nicht - nur der rauhe Mann,
Der die zart gespannte Aeolszyther
Gleich dem Künstler nicht behandeln kann.

Einen Kuß und ewiges Vergessen!
Holde, blick' mir nur in's Angesicht.
Jede Größe kann ein Maaßstab messen,
Aber meine Liebe zu dir nicht.
(S. 106)
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Versöhnung

O wonniges Entzücken,
In deinen blauen Augen
Versöhnung zu erblicken!
Nach so viel schwerem Bangen
Dich wieder zu umfangen,
Dich an mein Herz zu drücken! - -
Aus den versöhnten Blicken
Den Morgentraum zu saugen,
Den Traum der ersten Liebe,
Wo goldene Getriebe
Uns beut der Lebensbaum!
Ihr Götter kennt den Traum
Nur von den Erdensöhnen!
Du göttliches Versöhnen,
Du süßer Schmerz im Leben,
Du Licht nach dunklen Tagen,
Du Freudenton in Klagen,
Machst Herz und Stirne eben!
O Laura! neig' die Lippe;
Sie wird zur Aganippe,
Wenn schmollend noch die Liebe
Umfängt den theuern Freund
Und zwischen Zorn und Liebe
An unsrem Busen weint:
Preis dir - Versöhnungszähre,
Sie perlt zu unsrer Ehre!
(S. 107)
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Sehnsucht

Zu dir nur hin, du süße Holde,
Zieht sehnend meine Seele sich,
Es strahlt im morgenrothen Golde
Die Phantasie, denk' ich an dich.
Du Einzige giebst meinem Leben
Ein diamant'nes Sonnenlicht;
Du bist in dieses Thales Weben
Des Schöpfers herrlichstes Gedicht.

Dich denk' ich, wann der goldne Köcher
Des Phöbus dort im Osten blitzt,
Und in der Rose Purpurbecher
Des Thaues Zähre einsam sitzt;
Dich denk' ich, wann im Abendschatten
Die Gegend eine Nonne wird,
Und über ihre dunklen Matten
Die Melodie des Käfers schwirrt.

Dich denk' ich, wann die Etikette
Im Prunksaal ihre Fahne schwingt;
Dich denk' ich, wann die Brüderkette
Ein fröhlich Gaudeamus! singt.
Dich denk' ich, wann die Becher schäumen,
Wann die Bedächtigkeit entfloh'n.
Dir fließet aus krystall'nen Räumen,
Dir gilt die erste Libation!

Zu dir nur hin, du süße Holde,
Zieht sehnend meine Seele sich,
Es strahlt in morgenrothem Golde
Die Phantasie, denk' ich an dich.
Dein Auge weilt in weiter Ferne,
Dein Zaubermund ist mir entflohn.
Wann blickt ihr wieder, liebe Sterne?
Wann hör' ich, Lippen, euren Ton?
(S. 108-109)
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Liebesbruch

Kannst du noch so fröhlich singen
Bei'm entschwund'nen Liebesglück,
Durch des Tanzes Reih'n dich schwingen
Mit dem ewig heitern Blick?
Kannst du zu der Sonne sehen,
Die so milde dich umstrahlt,
Ohne in dein Herz zu gehen,
Das mit schnödem Undank zahlt?

Zeichnen dir nicht deine Träume
Mein durch dich verletztes Bild?
Bieten Schatten noch die Bäume,
Einst verstohl'ner Liebe Schild?
Flüstern sie nicht deine Eide,
Die dein leichtes Herz zerbrach?
Weilst du noch bei jener Weide,
Wo dein Mund mir Liebe sprach?

Wölbt sich noch die Geisblatt-Laube,
Sprudelt noch der Silberbach,
Wo zuerst der Götterglaube
Treuer Liebe wurde wach? - - -
Ja, es leben noch die Zeugen
Von der Liebe erstem Ton;
Doch die Melodieen schweigen
Und der Einklang ist entfloh'n.

Kannst du, Laura, mich vergessen,
O, so preise dein Geschick!
Denn Erinn'rung flicht Zypressen
Selbst durch's schönste Rosenglück.
Auch in deinem Busen weilet
Der Erynnen Marterbrut;
Eile, eh' sie dich ereilet,
Werd' ein Weib und wieder gut.

Ach, der Wonnerausch wird fliehen,
Der dein Herz gefangen nahm,
Und wenn deine Wangen glühen,
Färb' sie Reue oder Schaam.
(S. 109-110)
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Täuschung

Nein, fort von dir, du Zauberin Sirene,
Die Fessel duld' ich länger nicht!
Der Schleier fiel und mit ihm schwand das Schöne,
Es brach hindurch des Truges Licht.

Des Truges Licht! Wie schrecklich hintergangen
Ward dieses nur zu gläub'ge Herz!
Gefoltert ward's durch deiner Laune Schlangen,
Durch deines Leichtsinns bittren Scherz.

Dich, Laura, konnt' ich bis zum Tode lieben,
Doch nur als Mann und nicht als Knecht;
Das Weib, das einen Sklaven nur kann lieben,
Ist jedes Mannes Lieb' zu schlecht.

Er streb' hinaus von jedem Rosenbande,
Das eines Mannes Würde kränkt,
Und fliehe weit von seinem Vaterlande,
Wenn es der Menschheit Recht beschränkt.
(S. 111)
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Das Denkmal

Ein Denkmal will ich dir errichten;
Nicht strahlen soll's von eitler Zier,
Doch soll die Zeit es nie vernichten,
Wünsch'st du nur dieses Denkmal dir.

Denn einsam steht es, ohne Prangen,
Dein Name ist die Inschrift nur,
Kein Dichterspruch ist dran gehangen;
Es trägt die Sprache der Natur.

Und ewig soll dies Denkmal währen
Und trotzen aller Zeiten Lauf -
Will es mein Schicksal hier zerstören,
Ich bau' es dort von Neuem auf.

Du möchtest solch' ein Denkmal kennen,
Das dauernder, als alles Erz?
Du ahnst es nicht? - Ich will es nennen -
Das Denkmal ist mein treues Herz.
(S. 112)
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Aus: Nachlass von A. H. G. Franzius
herausgegeben von Dr. K. L. Grave und A. Möller
Riga, gedruckt bei Wilhelm Ferdinand Häcker 1833

 


Biographie:

Abraham Gottlieb Hermann Franzius,
am 18. April 1801 zu Riga geboren, verlor früh seine Eltern und wurde von einer Tante erzogen. Seine Kindheit war eine dürftige und freudenlose. Durch die Fürsorge eines Verwandten kam er in die Navigations- oder zweite Kreisschule, 1817 auf das Gymnasium zu Riga. 1822-25 widmete er sich in Dorpat dem Studium der Rechte, nach dessen Beendigung er sich in seiner Vaterstadt als Rechtsanwalt niederließ. Da ihm dieser Beruf keine ausreichenden Existenzmittel gewährte, nahm er 1827 die Stellung eines Protokollisten bei der Rigaer Polizeiverwaltung an, welche er bis zu seinem Ende ausfüllte. 1828 vermählt, starb er am 26. Dezember 1832.
Aus: Das Baltische Dichterbuch Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895 (S. 414)


 

 


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