Ferdinand Freiligrath (1810-1876) - Liebesgedichte

Ferdinand von Freiligrath

 

Ferdinand Freiligrath
(1810-1876)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

O lieb', solang du lieben kannst!

O lieb', solang du lieben kannst!
O lieb', solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Und sorge, daß dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
Solang ihm noch ein ander Herz
In Liebe warm entgegenschlägt!

Und wer dir seine Brust erschließt,
O tu ihm, was du kannst, zulieb'!
Und mach' ihm jede Stunde froh,
Und mach ihm keine Stunde trüb!

Und hüte deine Zunge wohl,
Bald ist ein böses Wort gesagt!
O Gott, es war nicht bös gemeint, -
Der andre aber geht und klagt.

O lieb', solang du lieben kannst!
O lieb', solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Dann kniest du nieder an der Gruft
Und birgst die Augen, trüb und naß,
- Sie sehn den andern nimmermehr -
Ins lange, feuchte Kirchhofsgras.

Und sprichst: O schau' auf mich herab,
Der hier an deinem Grabe weint!
Vergib, daß ich gekränkt dich hab'!
O Gott, es war nicht bös gemeint!

Er aber sieht und hört dich nicht,
Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst;
Der Mund, der oft dich küßte, spricht
Nie wieder: Ich vergab dir längst!

Er tat's, vergab dir lange schon,
Doch manche heiße Träne fiel
Um dich und um dein herbes Wort -
Doch still - er ruht, er ist am Ziel!

O lieb', solang du lieben kannst!
O lieb', solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!
(S. 69-71)
_____
 

Ruhe in der Geliebten
(1810)

So laß mich sitzen ohne Ende,
So laß mich sitzen für und für!
Leg' deine beiden frommen Hände
Auf die erhitzte Stirne mir!
Auf meinen Knien, zu deinen Füßen,
Da laß mich ruhn in trunkner Lust;
Laß mich das Auge selig schließen
In deinem Arm, an deiner Brust!

Laß es mich öffnen nur dem Schimmer,
Der deines wunderbar erhellt;
In dem ich raste nun für immer,
O du mein Leben, meine Welt!
Laß es mich öffnen nur der Träne,
Die brennend heiß sich ihm entringt;
Die hell und lustig, eh' ich's wähne,
Durch die geschloßne Wimper springt!

So bin ich fromm, so bin ich stille,
So bin ich sanft, so bin ich gut!
Ich habe dich - das ist die Fülle!
Ich habe dich - mein Wünschen ruht!
Dein Arm ist meiner Unrast Wiege,
Vom Mohn der Liebe süß umglüht;
Und jeder deiner Atemzüge
Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied!

Und jeder ist für mich ein Leben! -
Ha, so zu rasten Tag für Tag!
Zu lauschen so mit sel'gem Beben
Auf unsrer Herzen Wechselschlag!
In unsrer Liebe Nacht versunken,
Sind wir entflohn aus Welt und Zeit:
Wir ruhn und träumen, wir sind trunken
In seliger Verschollenheit!
(S. 75-76)
_____

 

Du hast genannt mich einen Vogelsteller
1840

Du hast genannt mich einen Vogelsteller: -
Als ob du selber keine Garne zogst!
O Gott, in deine Garne flog ich schneller
Und blinder ja, als du in meine flogst!

Sprich, hab' ich dich - sprich, hast du mich gefangen?
Du weißt es selbst nicht, du mein herz'ges Kind!
Wer kann denn sagen, wie es zugegangen,
Daß wir uns haben, daß wir eins nun sind?

Doch wie du willst! Laß mich dein Auge küssen;
Du bist nun mein und bleibst mir ewig nah!
Hat rauh mein Garn die Flügel dir zerrissen?
O, sei nicht bös - es fiel aus Liebe ja!

Und Liebe trägt dich, Liebe wird dich tragen,
Und wird dich schirmen jetzt und für und für!
Drum laß dein Flattern, laß dein Flügelschlagen;
Sei du mein Vöglein, und vertraue mir!

Sei mir die Taube, die mit freud'gem Fliegen
Auf meinen Ruf um meine Stirne schwirrt;
Auf meiner Achsel will sie gern sich wiegen: -
Das ist der Ort, wo sie am liebsten girrt.

Sei mir die Lerche, die auf Glanzgefieder
Für ihren Pflüger sich zur Sonne schwingt;
Die von des Himmels goldner Schwelle nieder
In meine Seele sel'ge Lieder singt!

Und tief im Tale, wo die Linden rauschen,
Da sei vor allem meine Nachtigall!
Da laß mich zitternd deiner Stimme lauschen
Und deines Schlages wunderbarem Schall!

Das ist ein himmlisch, ist ein selig Schmettern;
Das ist die Lieb' in ihrer Qual und Lust!
O, ström' es aus, umrauscht von grünen Blättern,
Das Sehnen deiner Nachtigallenbrust!

Ha, schon erklingt's! - Herschwirrst du aus dem Laube,
Umflatterst furchtlos meine Hüttentür!
Hörst nur auf mich, bist meine fromme Taube,
Bist Nachtigall und treue Lerche mir!

Entfliehst mir nimmer! - süßer stets und heller
Weht mir dein Flügel, tönt mir dein Gesang!
Die Garne ruhn: - glücksel'ger Vogelsteller,
Das war dein letzter, war dein bester Fang!
(S. 77-79)
_____

 

 

Alle Gedichte aus: Zwischen den Garben
Eine Nachlese älterer Gedichte von Ferdinand Freiligrath
Stuttgart und Tübingen 1849



Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Freiligrath

 

 


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