Salomo Friedlaender (1871-1946) - Liebesgedichte



Salomo Friedlaender
(1871-1946)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Nimm deinen Mantel um
Zu Tänzen,
Tanz mir den Pöbel stumm!
Kredenzen
Sollst du mir glücklich-hell
Dann deine Lippe!
Doch reizend-vogelschnell
Nur dass ich nippe.
Gleich wieder schlangenschlank
Dreh deine Hüfte,
Tanz mir den Pöbel krank
In schlingernde Grüfte!
(S. 12)
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Als wir seltsam aneinander wohnten
Wand an Wand, Geliebte, du und ich,
Als wir zärtlich-einsam uns verschonten:
Und du weisst nicht, dass zur Tür ich schlich?

Abend war's, die Fenstertücher glühten
So erinnernd einer fernen Welt,
Dämmrig, zwei schmale Kerzen sprühten
Ihre Flämmchen um dein Bettgezelt.

All das Nackte drang in meine Sinne
Deiner Schimmerwiese lebenswarm,
Mit der Blutgier einer Saugespinne
Schlürfe ich dich aller Reize arm.

Und berauscht mit schwerer Lockung stille,
Zögernd wieder fand ich meine Statt,
Und mein hungerdunkler Liebeswille
Blieb vom Anblick deiner Süsse satt.
(S. 13)
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Das Schluchzen meines Bluts
Vernahm ich oft in Nächten,
Wo tränende Harfenklänge
Mir ins Gehör
Das Gift der Liebe träufelten.
In Röhren orgelnd
Unkt Gequak der Frösche
Aus Teichen die der Liebe wie verlor'n.
Gesunknen Auges trunkenbleich verworr'n
Umarm ich Wesenloses.
Nüchtern gähnend erwach ich kranken Sehnens,
Als ob vergessen lang in morschen Urnen
Mein welkes Aschenherz erglüh verschollnen
Liebgekoses.
(S. 14)
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Durch blaue Schleier
Lauscht deine bleiche Haut,
Mir graut,
Es klingt eine Leyer.

Eine Leyer klingt,
Du lachst so müde,
Als lüde
Der Tod. Es winkt

Deine Hand
Ihm Zeichen,
Da schleichen
Schatten an der Wand.

Schatten,
So grau, so gähnend,
So wähnend, -
Als seien wir Gatten.
(S. 15)
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Nächtens, wenn die hohen Wasser fluten
Wie das Busenwallen der Geliebten.
Dunkelwolken himmelan sich sputen.
Und es ist, als ob die Sterne stiebten -
Nächtens.

Alle Weiten überschwillt ein Trauern.
Bleiern wankt die glimme Mondlaterne.
Ferne
Starrt die Dunkelheit wie Mauern -
Nächtens.

Alles sucht und graut und hastet schleichend
Winde röcheln Furcht ins Ohr der Nacht,
Herzerweichend
Ist die Leidenschaft erwacht -
Nächtens.
(S. 27)
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Schleich traumwirr durch die Ziergärten
Adelinens.
Da palmschlank die Holde
Am Ranken lehnend,
Die der Südwind liebkost.
Schauer wehend haucht es tonlos fernher.
Ihre Hand glatt an meiner Hand.
Ich frage. Zitternd lallt ihre Antwort.
Klang es wie drohendes Ahnen
Dunklerer Zukünfte?
Aug in Auge bang staunend
Vergißt jeder den Andern.
Hand in Hand traumwirr in den Ziergärten
Adelinens.
(S. 33)
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Harmonika

In den Händen fühl ich mich als eine Harfe,
In den Händen eines Liebesgotts,
Lichtgedröhn der Seiten rührt die scharfe
Spannung und sie löst sich selgen Spotts.

Oder wie Harmonika gedehnt
Weich und enger wieder enger eingepreßt
Fühl ich in den Händen mich zersehnt
Fühle wie es schwillt und wieder läßt.

Bin begeistet, bis dann wieder stille
Wie das Stocken einer Atembrust
Und mein eigner wird mir nur wie Wille
Dessen der mich schauern läßt bewußt.
(S. 33)
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Blechern kichert hohe Glocke,
Weilen ich das Mädchen locke,
Kühler weht der Sterbewind.
War ein Leichnam, blonde Locke
Starr vom Scheitel, blutge Flocke
Wie sie Totgeliebten sind.

Totgeliebte, nur kein Trauern!
Sieh doch, hier durch starre Mauern
Drang die Lust mit Allgewalt.
Was Gesetze streng verriegelt,
Wunderkuß hats jach entsiegelt,
Und entstellt ist die Gestalt.

Totgeliebte, süß zu freuen
Scheint ihr euch, erlechzt vom Leuen:
Wer wird so geliebt wie ihr?
Nicht der Mittag, nicht die Laute,
Nicht was Lebens ich erschaute
Wird geliebt mit solcher Gier.

Das Geliebte zu zerreißen
Und zu trinken mit zuckendem heißen
Mund aller Welt goldensten Trank.
Totgeliebte! Blutger Lüste
Zarte Beute, Totgeküßte,
Kinder, Greise, habet Dank!

Mädchen deiner Brüste Schwellen,
Lenden Dehnen, Glieder Schnellen,
Deiner Kosewange Sammt:
Tasten, Seufzen, Stöhnen, Beben,
Zerren, sehnend Widerstreben
Einen heilgen Atem lang.

Blechern höhlt mir hohe Glocke
Das Gehör, ich zögre, stocke,
Plötzlich schneidet meine Hand
Ab von deinem Haupt die Locke
Und voll blutiger Schaumflocken
Ab dein Haupt von Hälschens Rand.
(S. 46-47)
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Du bist so wundernackt, als scheine
Ein lichter Engel mir der Schmach,
Das bleiche Leuchten deiner Mädchenreine
Hellt linde mein verschattetes Gemach.

Ich habe um das Schimmern deiner Hüften
Den Ring der Arme warm und weich gedehnt,
An dir entlang geschmiegt, mich mit den Düften
Von Hals und Busen wollüstig zersehnt -

Und Aug' in Auge durstig eingeschlürft,
Hat Leib aus Leib wie tief aus hohlen Schächten
Das dunkle Gold der Liebe aufgeschlürft
Weinender Wut in blinden Wonnenächten.
(S. 62)
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Aus: Manfred Kuxdorf [Hrsg.]
Die Lyrik Salomo Friedlaender / Mynonas:
Traum, Parodie und Weltverbesserung
Peter Lang Verlag Frankfurt am Main 1990

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Salomo_Friedlaender


 

 


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