Alfred Friedmann (1845-1923) - Liebesgedichte

Alfred Friedmann



Alfred Friedmann
(1845-1923)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Ihr
(1880)

Dies soll nun Alles mir gehören!
Die weiße Hand, das braune Haar!
Der Wuchs, so schlank wie junge Föhren
Und dieses Feueraugenpaar!

Auch diese Seele, unbeschrieben,
Auf die ich schreiben darf mein Lied!
Und dieses Herz, das mich will lieben,
Um mich selbst Eltern, Heimat, flieht!

Das giebt sich mir am Rand des Jahres
Ganz, innig, treu und rückhaltslos!
Ist dieses nicht ein Wunderbares,
Und ist mein Glück nicht voll und groß!

Am Rand des Jahrs! Als Bild des Grabes
Betracht' ich die Vergangenheit! -
Was dort geschah, mein Lieb', ich hab' es
Auch der Vergessenheit geweiht!

Ich werf' es zu mit Erdenschollen
Und denk' nicht hinter mich zurück;
Doch aus dem Grab' entstehen, sollen
Uns Phönixtage voller Glück!

Mir däucht, daß ich bisher nur Schatten
Und niemals Mädchen noch gesehn,
Seitdem ich weiß, daß wir als Gatten
Vereinigt durch das Leben gehn.

Mir däucht, daß ich bisher von Sternen
Das Abbild nur im See erschaut,
Seit mir ein Stern kam aus den Fernen,
Mir häuptlings leuchtend, süße Braut!

Mir däucht, Odysseus in der Sage,
Hab' Schemen ich bis jetzt umfaßt,
Seitdem Du Dich an jenem Tage
Für ewig mir versprochen hast! -

Was wir für ewig uns versprochen,
Deß sei Du ewig eingedenk!
Dann wird für Dich mein Herz nur pochen,
Wie heut', mein süß Neujahrsgeschenk!
(S. 7-8)
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Nachsommer

Was treibst, verwelkter Rosenstrauch,
Mein Herz, noch eine Liebe Du?
Mich dünkt, des Herbstes früher Hauch
Trug all Dein Keimen längst zur Ruh'?

Ach, weißt Du noch, verblühter Strauch,
Wie Du Dein erstes Röslein triebst?
Mir scheint, daß Du Dein letztes auch
So innig wie Dein erstes liebst!

Nein! Damals sprach Dir Mark und Saft
Von Deiner Ahnung Blüthenchor,
Wie Dich zur Sommerzeit der Kraft
Bedecken sollt' ein Rosenflor!

Doch diese liebst Du thränenschwer,
Wie man die letzte Liebe liebt!
Weil es dann keine Rosen mehr,
Nur Einsamkeit und Winter giebt!
(S. 15)
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Im Walde

Eilig nach dem Glücke greifen,
Lehrte Welt mich und Verstand!
Eine Beere sah ich reifen:
Hastig streckt' ich aus die Hand!

Doch ich zog sie arg zerstochen,
Aus den Nesseln schnell zurück!
Wie die Beere, ungebrochen,
Blieb seitdem so manches Glück!

Aber wenn die Beere: "Liebe"
Einmal mir im Grünen reift,
Werd' ich doch zum kecken Diebe,
Der durch Nesseln nach ihr greift!
(S. 16)
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Conversazione

Was man nicht alles von der Lieb' erzählt!
Bald hat sie Flügel und bald hat sie keine! -
Kind! flügellos wie Eros ist die meine,
Geflügelt ist die Deine, die mich quält!

Dann sagt man wieder, Liebe, die sei blind
Und die Vernunft in ihrer Wahl umgehend;
Dann heißt es, daß die Liebe ist allsehend -
Ich Blinder weiß nicht, was die Wahrheit, Kind!

Lieb' ist ein Schmetterling in Eros' Hand:
Er hält ihn in die Flammen unter Scherzen,
Und hat, daß er nicht sehe fremde Schmerzen,
Das Haupt, wie teilnahmslos, hinweggewandt!

Ein Schmied ist Eros. - Hämmernd in dem Schein
Der Gluth, will Herzen er zusammenschweißen,
Und Schlag auf Schlag, macht Stahl er aus den heißen
Gluthseelen - tauchend sie in Wasser ein! -
(S. 17)
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Allein

Die Berge vermählen sich mit dem Himmel,
Dem Horizont vermählt sich das Meer;
Der Milchstraßen Sterngewimmel
Scheint nah bei einander zu sein,
Und es bleibt doch Alles allein! -

Die Sonne scheint mit der Erde verschwistert,
Sie sendet heißesten Strahl ihr her!
Elektrische Liebe sprüht und knistert
Sternenweltaus- und weltein:
Und es bleibt doch Alles allein!

Der Mondstrahl liegt an der Brust des Sees
Und der Bergsee athmet so schwer!
Ich küsse mein Lieb voll süßen Wehes,
Wir sagen uns wohl: "Ich bin Dein!"
Und es bleibt doch ein Jedes allein!
(S. 18)
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Der Liebsten ein Lied

Was rauscht der Wind dem Veilchen zu,
Und was der grünen Welle?
Und was dem Nest in stiller Ruh
An waldverschwieg'ner Stelle?

Was singt der Welle Herzensschlag
An gold'nem Dünenstrande?
Was wohl das Schiff erzählen mag
Des Bergsees Kieselrande?

Was sagt der Wolke wohl der Wind
Und was zum Wind die Wolke?
Der Regen, eh' er sinkt, geschwind
Der Aehren schwankem Volke?

Gewiß, das all ist süß und schön,
Wie's kaum ein Sänger flöchte;
Doch so nicht, wie des Lied's Getön,
Das ich Dir singen möchte!

Es liegt wie Honig mir im Mund
Und möchte sein gesungen!
Und sieh! Nun hat's in gold'ner Stund',
Sich schon zu Dir geschwungen!
(S. 19-20)
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Bittersüß

Ich weiß ein Kraut, heißt Bittersüß,
Ein wundersames Kräutlein!
Denn kostest Du's, so schmeckt Dir dies,
Süß, wie ein Kuß vom Bräutlein!

Doch wenn dir's bis zum Gaumen kommt,
So schmeckt das Kräutlein bitter!
Bedenk', ob Dir das Gräslein frommt,
Eh' Du ihm wirst zum Schnitter?

Denn wenn als Bittersüß das Kraut
Im Volksmund auch bekannt ist,
Doch anderwärts, dir sei's vertraut,
Es Liebe meist genannt ist!
(S. 24)
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Geh'!

Ich weiß mir wo ein Röslein blühn
Und kann es nicht erlangen,
Ich weiß mir wo ein Sternlein glühn,
Kann nicht zu ihm gelangen!

Ich weiß mir wo zwei Auglein glühn,
Die wollen mich nicht grüßen:
Geh', Liedlein, das ich sang in Grün,
Und leg' dich Ihr zu Füßen.
(S. 31)
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Noch einmal!

Noch einmal möcht' ich den Wellenschlag
Des alten Meeres hören,
Mir sollt' einen einzigen Frühlingstag
Eine Liebe das Herz bethören!

Noch einmal möcht' ich der Jüngling sein,
Der ich war mit zwanzig Jahren,
Doch müßte vergessen sein die Pein,
Die ich bis in die dreißig erfahren!

Und dann! Und dann, mag kommen, was will,
Ich will mich nicht beklagen,
Wenn mich vier Männer, ernst und still,
Hinaus in die Stille tragen.
(S. 39)
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Eigensinnig

Die Liebe läßt sich nicht befehlen:
Komm her zu mir und sei nun da!
Sie liebt es, sich heranzustehlen
Und ungerufen ist sie nah! -

Die Liebe läßt sich nicht verjagen,
Wie Tauben von dem nahen Dach;
Wie schwer sie sei, du mußt sie tragen,
Sei sie nun Lust, nun Ungemach!

Die Liebe läßt sich nicht erhandeln,
Sie trotzt dem Schmeicheln, dem Gebot;
Doch mit der Liebe läßt sich's wandeln
Durch's Leben in den schwersten Tod!
(S. 44)
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Die Künstlerbraut

Im Wald bewegt und regt sich's kaum,
Wie ein Erwarten zieht's durch ihn -
Zum Waldbach unterm Buchenbaum
Beugt sich die durst'ge Blüte hin.

Des Käfers leichten Flügelschlag,
Der Tau, der aus dem Veilchen tropft,
Das ist's, was nur vernehmen mag
Ein Menschenherz, das leise klopft.

Am Waldbach unterm Buchenbaum,
Da liegt ein blühend Menschenkind,
Das träumt im Wachen einen Traum,
Schön, wie der Liebe Träume sind! -

Es träumt von einem hohen Mann,
Der bald den Waldpfad schreiten wird,
Und dem es, jauchzend himmelan,
Dann in die Arme gleiten wird! -

O Leben, schöner als der Traum! -
Es schmückt sich doch die Künstlerbraut
Für Ihn nur unterm Buchenbaum,
Der ewig nach dem Schönen schaut!

Des Künstlers Weib einst! Selig Los!
Waldblüte, das ist Dir beschert!
Des Künstlers, der, was klein und groß,
Im Spiegel seiner Kunst verklärt! -

Sie ist kein weiblicher Narziß
In deren Brust kein Echo spricht!
Ruft Einer, weckt er es gewiß,
Doch wiederhallt's für And're nicht!

Was hast Du, junge Mädchenblüt',
Mit Blumen Haupt und Brust geschmückt?
Wenn, Brust an Brust die Liebe glüht,
Wird ja die Rose doch zerdrückt!
(S. 60-61)
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Ein Jugendtraum

I.
In süßen, fernen Jugendtagen,
Als bang die Liebe in mir schlief,
Und halb voll Wagen,
Halb voll Zagen,
Mein Herz sein erstes Liebchen rief,

Da hat auch einst mein Blick gefunden,
Was lang ersehnte mein Gemüt.
Mit Ihr verbunden
Muß gesunden,
(So dacht ich -) wer im Fieber glüht.

Und ich, der ich im Fieber glühte,
Versprach mir, Liebster ihr zu sein!
Du Menschenblüte
Voller Güte
Bald bist Du mein, und ich bin Dein!

Ich stahl mich aus dem Kreis der Pflichten,
Es schlief selbst ein die Wißbegier;
Und in Gedichten,
Traumgesichten,
War meine Seele stets bei ihr!

Ich hatte niemals sie gesprochen,
Doch wußt' ich, wenn sie kam und ging;
Bis halb gebrochen,
Halb voll Pochen,
Mein Herz zu nahn sich unterfing.

Ich ahnte ihres Kommens Stunde
Und wartete ganz leis, ganz nah,
Vom holden Munde
Zu dem Bunde
Ersehnt' ich schon ihr süßes Ja!

Da kam sie aus dem Mondenscheine,
Sowie aus Elfenzauberland,
Doch ach, die Feine,
Braune, Kleine -
Sie kam - an eines Andern Hand!

Er schlang den Arm um ihre Hüfte,
Sie hauchte leis: "Ich liebe Dich!"
Wie Rosendüfte
Durch die Lüfte,
Zog's sanft. Ich weinte bitterlich!


II.
Wie viel Jahre sind verflogen,
Seit ich jenes Wort gehört,
Und in fremde Fern' gezogen -
Ohne daß ich jener Liebesbogen
Herzlos zerstört!

Ach, ich darf mich nicht beklagen,
Denn ich ward geliebt seitdem,
Habe manches Joch getragen,
Und voll Mißmut hör' ich selbst mich fragen:
Trau, schau! Doch wem?

Aber als der müde Knabe,
- Einen Fuß erst an dem Strand,
Heimgekehrt am Wanderstabe -
Gleich der Rose auf dem Liebesgrabe
Wieder sie fand:

Schien er, wie der grünen Feige
Goldkorn, innerlich zu glühn
Und sowie oft Rosenzweige
Wieder prangen an des Jahres Neige
Nochmals zu blühn.


III.
Dann kamen wir wohl zusammen,
Ich weiß es nicht wie und nicht wann;
Des Jünglings lodernde Flammen
Erwachten noch einmal dem Mann!

Des Jünglings lodernde Flammen,
Sie hätten uns beide versehrt:
Nie kamen wir wieder zusammen,
Weil die Flammen sich selber verzehrt.

Das herrlichste Gold auf der Erde
Ist jenes nicht, das man erringt:
"Was der Hufschlag der Phaetonpferde
Auf die Wolke wirft, die bald versinkt!"
(S. 65-68)
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Liebeswiedersehen

Des Mondes Silber floß in Strömen nieder,
Wir saßen am Clavier und sangen Lieder,
Die brachten uns vergang'ne Zeiten wieder!

Wie war so mancher Silbermond verschwunden
Seit jener Stunde, da wir uns gefunden,
Nun kam uns wieder eine jener Stunden!

Wie vom Pocal, durch blendend weißes Linnen
In eine Schale junge Weinflut rinnt,
Durch Klärung Glut und Goldglanz zu gewinnen,
Und traumhaft dann die Sinne einzuspinnen: -

So durch das Netz, das uns ein Mondstrahl spinnt,
Fühl' ich zu mir des Wohllauts Goldstrom rinnen,
Indeß mein Herz im Stimmeneinklang sinnt,
Wie es der Herzen Einklang rückgewinnt!
(S. 73)
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Ehe

An einer Quelle, fern im Libanon,
Steigt eine Ceder in die blauen Räume;
Dort singen Vögel ihre Liederträume,
Melodisch wie der Quelle Silberton.

Die Ceder saugt ihr Leben aus der Quelle,
Die ihren Lieblingsbaum erquickt und tränkt,
Wofür dem Quell die Ceder Schatten schenkt!

Es ist, als flösse sanfter jede Welle,
Die ihren Lauf zum Cederschatten lenkt,
Und jeder dunkle Ast ist thaugetränkt!

So süßes Einverständnis ist der Lohn
Der Liebe zweier treuverbund'nen Gatten:
Er schützt den Lebensweg mit seinem Schatten,
Sie hilft dem Kämpfer auf des Sieges Thron.
(S. 74)
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Antwort

"Von Rosen sing' nicht mehr, Poet, noch Liebe!"
So heiß' auch blüh'n nicht mehr die rothen Rosen.
Nur der macht Ros' und Lieb' zu heimathlosen,
Der uns den Lenz für immerdar vertriebe!

Verbiete Du dem Bach sein Frühlingstosen,
Den Sang - des Waldes-Kammervirtuosen,
Dem jungen Ast die hoffnunsgrünen Triebe.

Solang die Rosen aus dem Nest von Moosen
Sich winden und die Falter sie umkosen,
Ist kein Poet, der unbegeistert bliebe!

Wenn ein Planet die Erd' im Lauf zerriebe -
Die letzte Glut erzeugte letzte Rosen,
Und in der Elemente wildem Tosen
Säng' ein Poet von seiner letzten Liebe!
(S. 75)
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Nach dem Balle

Einst tanzte der Herodias blondes Kind
Zu Galiläa vor Herodes, neigend
Den Leib von Elfenbein, die Arme zeigend -
Nun starr wie Bronce, dann pfeilschnell wie der Wind!

Und sie gefiel dem Obersten des Reiches,
Er küßte wohl ihr Lippenpaar, ihr weiches,
Und sprach und schwur: "Was Du verlangst, sei Dein!"

Da zuckt' auf den Lippen ein blitzendes Lächeln.

Sie neigte tief sich vor den Großen allen,
Und ließ ihr Lockengold zur Ferse fallen:
"Johannis' Haupt, des Täufers, das sei mein!" -

Du bist zum Tanz, o Herrin, auch gekommen,
Ich staunte, bis der Morgen hat getagt. -
Du hast nicht lange nach dem Kopf gefragt
Und hast mein Herz aus meiner Brust genommen! -
(S. 78)
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Sehnsucht

Wenn Du nicht bald, mein Ideal, erscheinst,
Dann bin ich nicht mehr, der ich bin, geblieben;
Dann fehlt mir wohl die Macht, Dich so zu lieben,
Wie ich's vermag, wenn Du Dich jetzt mir einst!

Ein Taubenschlag ist voller bunten Tauben
Mein Herz; doch täglich seh' die Zeit ich rauben
Ein flüchtig Täubchen meiner vollen Seele.

Die Tauben, das sind die Träume voll Hoffnung!

Wohl lassen Tauben fern vom Heim sich nieder,
Doch kehren sie zum alten Schlage wieder -
O, daß mein letzter Wunsch nicht fort sich stehle!

Der Wunsch, die Hoffnung kehrt nicht heim dereinst. -
Und kommst Du, sind vielleicht von allem Lieben
Die leere Schalen mir zurückgeblieben,
Daß nur entfloh'ne Täublein Du beweinst!
(S. 86)
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Brennende Fragen

Rosen, brennende Fragen der Erde,
Fragt die Geliebte in Düften und Farben,
Ob sie mich liebt, so wie ich sie liebe?
Bei allen Rosen, die blühten und starben,
Flehet, daß nicht sie die Antwort verschiebe,
Weil nur zu welken und sterben mir bliebe,
Ließ' nach dem Thau ihres "Ja" sie mich darben -
Rosen, brennende Fragen der Erde! -

Sterne, brennende Fragen des Himmels:
Fragt die Bejahende Ihr um die Treue!
Könnt' ich der Liebsten Wankelmuth tragen?
Wird sie nicht locken das Schöne, das Neue?
Wollet für mich, o Ihr Sterne, sie fragen,
Ob nicht ihr Wagen wird einst ein Verzagen,
Ob sie mich lieben wird treu, ohne Reue -?
Sterne, brennende Fragen des Himmels!

Augen, brennende Fragen der Liebsten:
Wollt Ihr Euch selber zur Antwort mir geben?
Vorwurfsvoll scheint Ihr dem Zweifler zu sagen:
"Giebst Du nicht selber uns Licht erst und Leben?
Brauchst Du die Rosen und Sterne zu fragen,
Wenn wir doch Sonnen sind, Dir nur zu tagen!"
- Laßt denn in Eurem Lichte mich leben -
Augen, brennende Fragen der Liebsten!
(S. 90-91)
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Aus: Gedichte von Alfred Friedmann
Leipzig Verlag von Wilhelm Friedrich 1882

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Friedmann_(Schriftsteller)



 

 


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