Georg Forsters Frische Teutsche Liedlein - Liebeslieder




Georg Forsters Frische Teutsche Liedlein

Inhaltsverzeichnis der Liebeslieder:
 


Anmerkung:
Bei jedem Lied steht in eckigen Klammern []  dasselbe Lied in der uns geläufigeren Schreibweise; zusätzlich sind bei einigen Worten Erklärungen angefügt worden.
 

 


Lied I. 78

1. Mein hertz hat sich mit lieb verpflicht
zu dir mich irt auch nicht
des klaffers dicht
ob jm sein halß zerpricht
durch falschen has auß bösen neid
sein gifftig schneid
glaub dz ich dich darumb nit meidt
kein unmut leid
und wer er noch so gscheyd.

2. Du bist meins gfallens überal
nach wunsch und rechter wal
freud one zal
han ich von dir zu mal
an dir doch gar kein mangel ist
falsch red ist mist
deßhalb nicht schafft des klaffers list
zu keiner frist
man weiß wol wer er ist.

3. Was glückes ich jm wünsch und gan
des gee den schwetzer an
sein untrew kan
nit unvergolten stan
erscheinen wirt in kurtzer zeyt
wie vast er schreyt
an seinem pler mir gar nichts leit
es felt jm weyt
mein hertz sich dir ergeht.
(S. 48)

[1. Mein Herz hat sich mit Lieb verpflicht't
zu dir, mich irrt auch nicht
|mich irrt=macht irre
des Klaffers Dicht,
|=des Schwätzers Erdichtung (Lüge)
ob ihm sein'n Hals zerpricht
|zerpricht=zerbricht
durch falschen Haß aus bösem Neid
sein giftig Schneid.
|=seine giftige Schneide seiner Reden
Glaub, daß ich dich darumb nit meid!
Kein'n Unmut leid,
|Unmut=Mißstimmung, Betrübnis
und wär er noch so gscheit!

2. Du bist meins Gfallens überall
nach Wunsch und rechter Wahl;
Freud ohne Zahl
han ich von dir, zumal
an dir doch gar kein Mangel ist.
Falsch Red ist Mist;
|Mist=gar nichts, ohne Wert
deshalb nicht schafft des Klaffers List
|nicht schafft=erreicht nichts
zu keiner Frist,
man weiß wohl, wer er ist.

3. Was Glückes ich ihm wünsch und gann,
|gann=gönne
des geh den Schwätzer an!
Sein Untreu kann
nit unvergolten stahn,
|stahn=stehn
erscheinen wird in kurzer Zeit.
|erscheinen wird=wird offenbar werden
Wie fast er schreit,
|fast=sehr
an seinem Plärr mir gar nichts leit,
|Plärr=Geplärre; leit=liegt
es fehlt ihm weit.
|=er geht ihm weit daneben, es mißlingt
Mein Herz sich dir ergeit.
|ergeit=ergibt]
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Lied I. 79

1. Kein ding auff erd mich frewen thut
für dich allein mein herzigs ein
Du gibst meim hertz vil freud und mut
glaub das ich dich mit trewen mein
Darumb hab ich
gantz willigklich
ergeben mich
in deyne hend
halt fest an mir
wie ich an dir
dein unverkert bis an mein end.

2. Bedenck wie dir mein junges hertz
mit rechter trew ist underthon
Ker dich schönß lieb herwiderwertz
ee ich werd aller freuden on
Wann mich kein zeyt
on dich erfrewt
ferr nach und weyt
biß thus erkent
hilff glück das ich
pleib ewigklich
dein unverkert biß an mein end!

3. Richt dich darnach und zweifel nicht
ich will von dir nit scheiden ab
Schaff das mein kranckes hertz nit zerbrich
ich pleib der dein biß in mein grab
Das selb ermiß
meyn nit vergiß
du bist auch gwiß
das ich nit wend
gantz frumm und frey
sey wo ich sey
dein unverkert biß an mein end.
(S. 48)

[1. Kein Ding auf Erd mich freuen tut
für dich allein, mein herzigs Ein.
|für dich allein=als du; Ein=Einziges
Du gibst mei'm Herz viel Freud und Mut,
glaub, daß ich dich mit Treuen mein!
Darumb hab ich
ganz williglich
ergeben mich
in deine Händ.
Halt fest an mir,
wie ich an dir,
dein unverkeht bis an mein End!
|unverkehrt=unverändert

2. Bedenk, wie dir mein junges Herz
mit rechter Treu ist unterton!
|unterton=untertan
Kehr dich, schöns Lieb, herwiederwärts,
eh ich werd aller Freuden ohn;
|Freuden ohn=freudelos
wann mich kein Zeit
|wann=denn
ohn dich erfreut
ferr, nach und weit
|ferr=fern; nach=nahe
bis tu 's erkennst!
|tu 's=du es
Hilf, Glück, daß ich
pleib ewiglich
|pleib=bleib
dein unverkehrt bis an mein End!

3. Richt dich darnach und zweifel nicht,
ich will von dir nit scheiden ab!
Schaff, daß mein kranks Herz nit zerbrich,
|kranks=krankes
ich pleib der Dein bis in mein Grab!
|pleib=bleib
Dasselb ermiß,
mein nit vergiß!
Du bist auch gwiß,
daß ich nit wend,
ganz frumm und frei,
sei wo ich sei,
dein unverkehrt bis an mein End.]
_____


Lied I. 80

1. Es müt vil leut
die peut
so mir durch gunst
und kunst
zu gstanden ist.
Leit nit daran
wer kan
sich hieten gantz
vor glantz
und hinder list?
So nur allein
hertzlieb
ich dir gefal
kein kal
mich irren thut
derhalb trag ich ein freyen mut.

2. Las mich der maß
fürbas
beduncken gar
fürwar
du artlichs bild
Es wird durch sich
trewlich
der selbig neidt
mit leid
also gestilt
Das man erkent
behendt
dein hertz gen mir
mit gir
dem diener dein
was wilt du mer mein Kettherlein?

3. Scheiden muß ich
das mich
nit hart betrübt
noch übt
Zu der sach
allein so bald
dein gstalt
verlassen zwingt
und bringt
mir ungemach
doch zeyt hat end
und wend
offt traurikeyt nimbt leid
nach freuden vol
und wils denn wol so gehet es wol.
(S. 49)

[1. Es müht viel Leut
|müht=ärgert
die Peut,
|Peut=Beute
so mir durch Gunst
und Kunst
zu gstanden ist.
|zu gstanden=zugestanden
Leit nit daran.
|=liegt nichts daran
Wer kann
sich hieten ganz vor Glanz
|hieten=hüten; Glanz=falscher Glanz
und Hinderlist?
|Hinderlist=Hinterlist
So nur allein
|so=wenn
Herzlieb,
ich dir gefall,
kein Kall
|Kall=Gerede, Geschwätz
mich irren tut.
|=macht mich irre
Derhalb trag ich ein'n freien Mut.

2. Laß mich dermaß
|dermaß=im selben Maß, ebenso
fürbaß
bedunken gar
fürwahr,
du artlichs Bild!
Es wird durch sich
treulich
derselbig Neid
mit Leid
also gestillt,
daß man erkennt
|erkennt=zuerkennt, anerkennt
behend
dein Herz gen mir
mit Gier,
|Gier=Verlangen
dem Diener dein.
Was willt du mehr, mein Kätterlein.
|Kätterlein=Kosename von Katharina

3. Scheiden muß ich,
das mich
nit hart betrübt
|hart=sehr
noch übt
|übt=beschäftigt
zur Sach;
allein so bald
dein Gstalt
|Gstalt=Gestalt
verlassen zwingt
und bringt
mir Ungemach.
|Ungemach=Unruhe, Verdruß
Doch Zeit hat End
und wend't
oft Traurigkeit,
nimmt Leid
nach Freuden voll.
Und will's denn wohl, so geht es wohl.]
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Lied I. 81

1. Erkennen thu mein traurigs gmüt
in dem dein güt
gewaltig ist
Dann zu dir stet hertz mut und sinn
von mir vorhin
das wissen bist.
Ob ich dich meid
durch argen neid
mich etwas leidt
on willen mein
yedoch sol sein
im hertzen unvergessen dein.

2. Sey wo ich wöll bey anderm schertz
yedoch mein hertz
sol sein bei dir
Wann du bist mir zunemen ein
das hertze mein
auß gantzer gir
Und keiner der
mein hertz sunst mer
zu freuden gher
in keiner sach
darumb dir mach
mein hertz gewaltig tausent fach.

3. Der gleichen auch thu gegen mir
als ich gen dir
in höchster maß.
Sper zu dein hertz und thu als ich
dann keine dich
verdringen laß
Von meiner huld
umb keinerley schuld
allein gedult
ob yederman
dich mir nicht gan
ich wil dich dennoch nimmer lan.
(S. 49)

[1. Erkennen tu mein traurigs Gmüt,
|Gmüt=Gemüt
in dem dein Güt
gewaltig ist;
dann zu dir steht Herz, Mut und Sinn,
|dann=denn
von mir vorhin
das wissen bist!
|=das weißt du von mir von vornherein
Ob ich dich meid
|Ob=wenn auch
durch argen Neid,
mich etwas leid't
|=ist mir leid, zuwider
ohn Willen mein;
jedoch soll sein
im Herzen unvergessen dein.

2. Sei wo ich wöll bei anderm Scherz,
|wöll=will; Scherz=Vergnügen
jedoch mein Herz
soll sein bei dir;
wann du bist, mir zu nehmen ein
|wann=denn
das Herze mein
aus ganzer Gier,
|Gier=Verlangen
und keiner, der
mein Herz sunst mehr
zu Freuden gehr
|gehr=begehre
in keiner Sach.
Darumb dir mach
mein Herz gewaltig tausendfach!

3. Dergleichen auch tu gegen mir
als ich gen dir
|als=wie
in höchster Maß,
|=im höchstem Maße
sperr zu dein Herz und tu als ich;
|als=wie
dann keine dich
|dann=denn
verdringen laß
|=lasse ich verdrängen
von meiner Huld
umb keinerlei Schuld!
|=aus gar keinem Grunde
Allein Geduld!
Ob jedermann
|ob=wenn auch
dich mir nicht gann,
| gann=gönnt
ich will dich dennoch nimmer lahn.
|lahn=lassen]
_____


Lied I. 82

1. Nun grüß dich Got mein truserlein
ich bin dir hold von hertzen
Dann du bist gar ein junckfraw fein
mit schimpff und auch mit schertzen
Auch glimpff und fug
zart junckfraw klug
ist dir gantz angeboren
deßhalb dann ich
auß hertzen sprich
in eren
thust uns al freuden meren.

2. Mit singen bist du hoch gepreist
fraw Clio muß dir weichen
Dein lieblich zucht das auch beweist
darin niemant vergleichen
Thut dir fürwar
zart junckfraw clar
darum ist nur verloren
du bist die recht
Appollo gschlecht
in eren
thust unß als leid verkeren.

3. Freundtlich geberdt zu aller frist
thust yederman erzeigen
Selig fürwar der jüngling ist
den du wirst han zu eigen
Dann wol behut
zart junckfraw gut
für all bist außerkoren
ich wünsch dir glück
für all böß tück
in eren
ja al dein tag verzeren.
(S. 50)

[1. Nun grüß dich Gott, mein Truserlein,
|Truserlein=Kosewort (Drosselein)
ich bin dir hold von Herzen;
dann du bist gar ein Jungfrau fein
|dann=denn
mit Schimpf und auch mit Scherzen;
|=mit Kurzweil und Vergnüglich sein
Auch Glimpf und Fug,
|=Angemessenheit und Schicklichkeit
zart Jungfrau klug,
ist dir ganz angeboren.
Deshalb dann ich
aus Herzen sprich:
|sprich=spreche
In Ehren
tust uns all Freuden mehren.

2. Mit Singen bist du hoch gepreist,
|gepreist=gepriesen
Frau Clio muß dir weichen.
Dein lieblich Zucht das auch beweist,
|Zucht=feiner Anstand, Wohlerzogenheit
darin niemand vergleichen
|vergleichen=vergleichbar mit dir
tut dir fürwahr,
zart Jungfrau klar,
darumb ist nur verloren.
Du bist die Recht,
Apollo Gschlecht,
|Gschlecht=Geschlecht
in Ehren
tust uns alls Leid verkehren.
verkehren=umwenden

3. Freundlich Gebärd zu aller Frist
|Gebärd=Gebahren
tust jedermann erzeigen.
Selig fürwahr der Jüngling ist,
den du wirst han zu eigen;
|han=haben
dann wohl behüt't,
|dann=denn
zart Jungfrau gut,
für all bist auserkoren.
|für=über
Ich wünsch dir Glück,
für all bös Tück
|für=sicher vor
in Ehren
ja all dein Tag verzehren.]
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Lied I. 83

1. Ach unfal groß
wie gar on maß
thust du mich yetz betrieben
Durch scheidens pein
dann elend sein
gewalt an mir thut yeben
Das ist mir schwer
ach glück nun ker
es widerumb zu freuden!
das ich nit lang
in solchem zwanck
die aller liebst muß meiden.

2. Weil es die zeyt
nun also geyt
daß es muß sein gescheiden
So bit ich dich
yetzund freundlich
meins hertzen höchste freiden
Das du yetz mein
schwer schmertz und pein
bey dir selbst wolst bedencken
und mir darbey
in dein hertz frey
lieblich wöllest versencken.

3. Nun gseng dich Gott
mein mündlein rot
und danck dir Gott von hertzen
Der lieb und trew
die du on rew
erzeygst in schimpff und schertzen
Mit lust und gir
dardurch du mir
mein hertz gantz hast besessen
darumb schrey ich
gar hertzigklich
alzeyt dein unvergessen.
(S. 50-51)

[1. Ach Unfall groß,
|Unfall=Unglück
wie gar ohn Maß
tust du mich jetz betrieben
durch Scheidens Pein;
dann elend Sein
|dann=denn
Gewalt an mir tut ieben!
|ieben=üben
Das ist mir schwer.
Ach Glück, nun kehr
es wiederumb zu Freuden,
daß ich nit lang
in solchem Zwang
die Allerliebst muß meiden!

2. Weil es die Zeit
nun also geit,
|geit=gibt
daß es muß sein gescheiden,
|gescheiden=geschieden
so bitt ich dich
jetzund freundlich,
meins Herzen höchste Freiden,
|Freiden=Freuden
daß du jetz mein
Schwer, Schmerz und Pein,
|Schwer=Beschwernis
bei dir selbst wollst bedenken
und mich darbei
in dein Herz frei
lieblich wöllest versenken.

3. Nun gseng dich Gott,
|gseng=segne
mein Mündlein rot,
und dank dir, Gott, von Herzen
der Lieb und Treu,
die du ohn Reu
erzeigst in Schimpf und Scherzen
|=mit Kurzweil und Vergnüglich sein
mit Lust und Gier,
|Gier=Verlangen
dardurch du mir
mein Herz ganz hast besessen!
Darumb schrei ich
ganz herziglich,
allzeit dein unvergessen.
|unvergessen=eingedenk]
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Lied I. 84

1. Ich klag und rew
mein grosse trew
sol gantz und gar verloren sein
und glaub das mein
glück hab schon gantz vergessen
mag mir kein trost ermessen
dann das es sey der alte sit
kein saw acht keiner muscat nit.

2. Es thut mir ant
das unerkant
sol werden mein getrewer will
den ich in still
für ander thet erzeygen
keiner sich nie so eigen
ergeben hat mit solchem fleiß
doch wird kein rap vom baden weiß.

3. Und ob ich wer
vil falscher mer
und ungetrew als Judas was
so meint ich das
mir möcht nicht übler werden
gelont auff diser erden
hoff ich die zeyt volg schir hernach
untrew treff jren herren auch.
(S. 51)

[1. Ich klag und reu
|reu=bereue es
mein große Treu
soll ganz und gar verloren sein,
|=ohne Nutzen (Lohn)
und glaub, daß mein
|mein=meiner
Glück hab schon ganz vergessen.
Mag mir kein'n Trost ermessen,
|mag=kann
dann daß es sei der alte Sitt:
|dann=als den; Sitt=Sitte
Kein Sau acht't keiner Muskat nit.
|=ähnlich wie: Perlen vor die Säue werfen

2. Es tut mir ant,
|ant=es ist mir schmerzlich
daß unerkannt
soll werden mein getreuer Will,
den ich im Still
für ander tät erzeigen.
Keiner sich nie so eigen
ergeben hat mit solchem Fleiß;
doch wird kein Rapp vom Baden weiß.
|Rapp=Rabe

3. Und ob ich wär
viel falscher Mär
und ungetreu als Judas was,
|als=wie; was=war
so meint ich, daß
mir möcht nicht übler werden
|möcht=könnte
gelohnt auf dieser Erden.
Hoff ich, die Zeit folg schier hernach,
|schier=bald
Untreu treff ihren Herren auch!]
_____


Lied I. 85

1. Mein gmüt
und blüt
ist gar entzünd
in lieb und brint
und ficht mit macht
in hoher acht
bey dir zu sein
mein Keyserin
kein mensch kein mensch on dich
kan erfrewen mich.

2. Lieb han
und kan
sunst anderst kein
dann dich allein
schabab unwerd
seind yetz auff erd
al muter kind
die irgend sind
kein mensch kein mensch on dich
kann erfrewen mich.

3. Laß mich
lieb dich
han nit umbsunst
das schafft kein gunst
macht auch kein mut
mein gröstes gut
denck selbst bey dir
mein höchste zir
kein mensch kein mensch on dich
kan erfrewen mich.
(S. 51)

[1. Mein Gmüt
|Gmüt=Gemüt
und Blüt
|Blüt=Blut, Geblüt
ist gar entzünd't
in Lieb und brinnt
|brinnt=brennt
und ficht mit Macht,
|ficht=ringt, bemüht sich
in hoher Acht,
|=sehr darauf bedacht
bei dir zu sein,
mein Kaiserin!
Kein Mensch, kein Mensch ohn dich
|ohn dich=außer dir
kann erfreuen mich.

2. Lieb han
|han=haben
und kann
sunst anderst kein
dann dich allein.
|dann=als
Schabab, unwert
|Schabab=abgewiesener Liebhaber
seind jetz auf Erd
all Mutterkind,
die irgend sind.
Kein Mensch, kein Mensch ohn dich
kann erfreuen mich.

3. Laß mich
lieb dich
han nit umbsunst!
Das schafft kein Gunst,
macht auch kein'n Mut,
mein größtes Gut;
denk selbst bei dir,
mein höchste Zier!
Kein Mensch, kein Mensch ohn dich
kann erfreuen mich.]
_____


Lied I. 87

1. Kundschafft mit dir het geren ich
thet es nur dir gefallen
Trew lieb und dienst ich dir versprich
laß dir das nit misfallen.
Mein hertz sagt mir
alß guts von dir
heymlich zu allen zeyten
wolt geren sein
bey dir allein
mocht ich der zeyt erpeyten.

2. Darumb mein hort dich zu mir ker
du bist mein schatz auff erden
Dein wil ich sein, merck mein beger
thu mir zu willen werden
Ein kleine zeyt
mir freude geyt
so du mich thust geweren
mein hoffnung ich
setz gantz in dich
mein lieb mit dir zu meren.

3. Ach las schöns lieb gefallen dir
mein dienst mit rechten trewen
Erzeig dich freundtlich gegen mir
und thu mein hertz erfrewen
Ein kleine weil
kumm her und eyl
thu mir dein lieb beweisen
so wil ich dich
glaub sicherlich
mein lebenlang drumb preysen.
(S. 52)

[1. Kundschaft mit dir hätt geren ich,
|Kundschaft=Bekanntschaft; geren=gern
tät es nur dir gefallen;
treu Lieb und Dienst ich dir versprich,
laß dir das nit mißfallen!
Mein Herz sagt mir
alls Guts von dir.
Heimlich zu allen Zeiten
wollt geren sein
|geren=gern
bei dir allein,
mocht ich der Zeit erpeiten!
|mocht=könnte; erpeiten=erwarten

2. Darumb, mein Hort, dich zu mir kehr,
du bist mein Schatz auf Erden!
Dein will ich sein, merk mein Begehr,
tu mir zu Willen werden!
Ein kleine Zeit
mir Freude geit,
|geit=gibt
so du mich tust gewähren.
Mein Hoffnung ich
setz ganz in dich,
mein Lieb mit dir zu mehren.

3. Ach laß, schöns Lieb, gefallen dir
mein'n Dienst mit rechten Treuen,
erzeig dich freundlich gegen mir
|gegen mir=gegen mich
und tu mein Herz erfreuen!
Ein kleine Weil
kumm her und eil,
|kumm=komm
tu mir dein Lieb beweisen!
So will ich dich,
glaub sicherlich
mein Leben lang drumb preisen!]
_____


Lied I. 88

1. Ich setz dahin
hertz mut und sinn
und hab gedacht
wie ich mit macht
Dir dienen solt
ich bin dir hold
von hertzen ser
ich bit dein eer
Habs in der still
das wer mein will.
ach schönes meydelein
ich bit laß mich dein sein!

2. Ir sein noch vil
die zu dem zil
al schiessen sind
mein schönes kind.
Halt adlers weis
dein lob ich preis
hie vor und nach
meins hertzen gmach
Von mir nit wend
biß auff dein end.
ach schönes meidelein
ich bit laß mich dein sein!

3. Ach glückes trew
dein lieb vernew
und so ich mich
dir ewiglich
Zu dienen geb
dieweil ich leb
biß zweifelß on
ich dich nit lon
Was wiltu mer
allein dein ehr?
ach schönes meidelein
ich bit laß mich dein sein!
(S. 53)

[1. Ich setz dahin
Herz, Mut und Sinn
und hab gedacht,
wie ich mit Macht
|mit Macht=mit Fleiß, mit aller Anstrengung
dir dienen sollt.
Ich bin dir hold
von Herzen sehr,
ich bitt dein Ehr:
|=bei deiner Ehre
Hab's in der Still,
|hab's=behalte es
das wär mein Will!
Ach schönes Maidelein,
laß mich dein sein!

2. Ihr sein noch viel,
|ihr sein=ihrer sind
die zu dem Ziel
all schießen sind,
|schießen sind=schließen
mein schönes Kind.
Halt Adlers Weis!
|=mache es wie der Adler
Dein Lob ich preis
hievor und nach,
meins Herzen Gmach!
|Gmach=Ruhe, Aufenthalt
Von mir nit wend
bis auf dein End,
ach schönes Maidelein,
ich bitt, laß mich dein sein!

3. Ach Glückes Treu,
dein Lieb verneu!
|verneu=erneuere
Und so ich mich
|so=da
dir ewiglich
zu dienen geb,
dieweil ich leb,
bis Zweifels ohn,
|=sei ohne Zweifel
ich dich nit lohn!
|lohn=lasse
Was willt du mehr?
Allein dein Ehr.
Ach schönes Maidelein,
ich bitt, laß mich dein sein!]
_____


Lied I. 89

1. Des spilens ich gar kein glück nit han
der unfal thut mir zoren
Hab ich gut spil in henden schon
noch ist es als verloren
Was ich auffsetz
ich würff drey hertz
thet hertzwurff wider warten
da wz kein blat
noch hertz noch radt
gen mir in irer karten.

2. Wiewol sie doch in henden het
hertz schellen graß und eychen
Gar bald sie schellen werffen thet
mir zu eim narren zeychen
Ein blat von graß
das deutet das
sie mir kein gmüt wil tragen
so wirff ich hertz
und denck mit Schmertz
ich soll kein glück eriagen.

3. Noch ist es dem ein schwere pein
den spilsucht hat umbfangen
Das denck ich yetz im hertzen mein
und geht mir selbs zuhanden
Das ich nit kan
mein spielen lan
und trag sein gar gfallen
an disem ort
mir gworffen würd
auff mein drey hertz zwo schellen.
(S. 53)

[1. Des Spielens ich gar kein Glück nit han
der Unfall tut mir Zoren;
|=das Mißgeschick macht mich zornig
hab ich gut Spiel in Händen schon,
noch ist es alls verloren;
|noch=dennoch; alls=alles
Was ich aufsetz,
ich würf drei Herz,
tät Herzwurf wieder warten,
|warten=erwarten
da was kein Blatt,
|da was=da war
noch Herz noch Rat,
|noch=weder; Rat=rot
gen mir in ihrer Karten.

2. Wiewohl sie doch in Händen hätt
Herz, Schellen, Gras und Eicheln,
gar bald sie Schellen werfen tät
mir zu ei'm Narrenzeichen.
Ein Blatt von Gras
das deutet, daß
sie mir kein Gmüt will tragen.
|=nichts von mir wissen will
So wirf ich Herz
|wirf=werfe
und denk mit Schmerz,
ich soll kein Glück erjagen.

3. Noch ist es dem ein schwere Pein,
den Spielsucht hat umbfangen.
Das denk ich jetz im Herzen mein
und geht mir selbs zu Handen,
daß ich nit kann
mein Spielen lahn,
|lahn=lassen
und trag sein gar kein Gfallen.
An diesem Ort
mir gworfen würd
|gworfen=geworfen; würd=wird
auf mein drei Herz zwo Schellen.]
_____


Lied I. 90

1. Jetz manchen tag
ich schmertzen trag
das ich hertzlieb sol meiden dich
Wies dann die zeyt
yetzund ergeyt
die selbe denn regiret mich.
Muß gschehen lan
dafür nit kan
traw mir kündt ich es weren
kein stund noch zil
wer mir zu vil
dann du frewest mich in eren.

2. Ach schmertzlich gir
hab ich nach dir
auß gantzen trewen ich dirs klag
Vil schwerer pein
tregts hertze mein
on dich mein gmüt nit rasten mag
Und hab kein ru
wie ich im thu
hoff zeyt sol sich verkeren
auff besser ban
on argen wan
dann du frewst mich in ehren.

3. Offt ich gedenck
mein hertz bekrenck
allein nach dir mein keyserin
On argen list
die selb du bist
die mich ernert hertz mut und sin
Und hoff warlich
du werdest auch mich
in solchem fal geweren
und thu an mir
als ich an dir
dann du frewest mich in eren.
(S. 54)

[1. Jetz manchen Tag
ich Schmerzen trag,
daß ich, Herzlieb, soll meiden dich.
Wie 's dann die Zeit,
jetzund ergeit,
|ergeit=ergibt
dieselbe denn regieret mich,
muß gschehen lahn,
|=muß geschehen lassen
dafür nit kann.
Trau mir, künnt ich es wehren,
kein Stund noch Ziel
wär mir zu viel;
dann du freust mich in Ehren.
|dann=denn

2. Ach, schmerzlich Gier
|Gier=Verlangen
hab ich nach dir,
aus ganzen Treuen ich dir's klag.
Viel schwerer Pein
trägt 's Herzen mein,
ohn dich mein Gmüt nit rasten mag
|mag=kann
und hab kein Ruh,
wie ich ihm tu,
|=wie ich es auch beginne
hoff, Zeit soll sich verkehren
|verkehren=umwenden
auf besser Bahn,
ohn argen Wahn;
dann du freust mich in Ehren.

3. Oft ich gedenk,
mein Herz bekränk
|bekränk=mache ich krank
allein nach dir, mein Kaiserin.
Ohn argen List,
|=wahrlich
dieselb du bist,
die mir ernährt Herz, Mut und Sinn;
|ernährt=erhält
und hoff wahrlich,
du werdst auch mich
in solchem Fall gewähren.
Und tu an mir
als ich an dir;
|als=wie
dann du freust mich in Ehren!]
_____


Lied I. 91

1. Meins traurens ist
ursach mir gbrist
dz ich niemants darff klagen
Dann dir allein
mein clarer schein
pein muß ich deinthalb tragen
Ich wolt, glaub mir
schir
ee den tod erkiesen
dann dich also verliesen.

2. Dweyl nun kein rat
hülff oder that
sollichs mit fug mag wenden
So bhüt dich Gott
klars mündlein rot
dort und an allen enden
Der wölle dir
mir
gthane trew vergleichen
und nimmer von dir weichen.

3. Doch eins wil ich
als hoch müglich
mir ist zu letzt begeren
Versich mich gar
holdselig und klar
werstu mich geweren
mein lieb und müe
ye
zun zeyten gedencken
thusts wird ich dir nicht wencken.
(S. 54)

[1. Meins Traurens ist
Ursach, mir gbrist
|gbrist=daß es mir gebricht
daß ich niemand's darf klagen
dann dir allein
|dann=als
mein klarer Schein.
Pein muß ich deinthalb tragen.
Glaub mir,
schier
|=fast, beinahe
eh den Tod erkiesen
|eh=lieber, eher; erkiesen=wählen
dann dich also verliesen.
|verliesen=verlieren

2. D'weil nun kein Rat
|d'weil=, da, weil
Hülf oder Tat
sollichs mit Fug mag wenden,
|sollichs=solches
so bhüt dich Gott,
|bhüt=behüte
klars Mündlein rot,
dort und an allen Enden!
|an allen Enden=überall
Der wölle dir
mir
gtane Treu vergleichen
|gtane=getane
und nimmer von dir weichen!

3. Doch Eins will ich,
als hoch müglich
|müglich=möglich
mir ist, zuletzt begehren;
versich mich gar,
|=ich vertraue darauf
Holselig und Klar,
werst du mich des gewähren,
|werst=daß du werdest
mein Lieb und Müeh
je
|=immer
zu 'n Zeiten gedenken.
Tust 's, wird ich dir nicht wenken.
|=werde ich nicht von dir wanken]
_____


Lied I. 92

1. Elend bringt pein
dem hertzen mein
das ich dich lieb muß meiden
Mein hertz schreit ach
vor leid der sach
der klaffer thut mich neiden
Mit seiner macht
hat er mich bracht
in trauren und in schmertzen
das er erblind
der mirß nit günd!
das wünsch ich jm von hertzen.

2. "Laß drumb nit an,
mein stoltzer knab
ker dich nicht an des klaffers schwatz
Bleib alweg mein
als ich bleyb dein
du schöner außerwelter schatz.
Kum herzu mir
mit gantzer gir
mein hertz thut dein begeren
gantz eigen dein
ja will ich sein
dieweil ich leb auff erden."

3. Schöns lieblichs bild
in trewen mild
hastu mein hertz besessen
All stund und tag
treyb ich mein klag
ich kan dein nicht vergessen
Stetz wer mein will
bey dir in still
nach lust hertzliebster trost zu sein
glück für und schick
all augenblick
wünsch ich mich dir ins hertz hinein.
(S. 55)

1. Elend bringt Pein
dem Herzen mein,
daß ich dich, Lieb, muß meiden.
Mein Herz schreit ach
vor Leid der Sach.
|=vor Leid darüber
Der Klaffer tut mich neiden.
|Klaffer=Schwätzer, Verräter; neiden=hassen
Mit seiner Macht
hat er mich bracht
|bracht=gebracht
in Trauren und in Schmerzen.
Daß er erblind,
der mir 's nit günnt,
|günnt=gönnt
das wünsch ich ihm von Herzen!

2. "Laß drumb nit ab,
mein stolzer Knab,
kehr dich nicht an des Klaffers Schwatz!
Bleib allweg mein,
als ich bleib dein,
|als=wie
du schöner, auserwählter Schatz!
Kumm her zu mir!
|kumm=komm
Mit ganzer Gier
|Gier=Verlangen
mein Herz tut dein begehren;
ganz eigen dein
ja will ich sein,
dieweil ich leb auf Erden."

3. Schöns, lieblichs Bild,
in Treuen mild
hast du mein Herz besessen.
All Stund und Tag
treib ich mein Klag,
ich kann dein nicht vergessen.
Stets wär mein Will,
bei dir in Still
nach Lust, herzliebster Trost, zu sein.
Glück, füg und schick!
|=Glück, füge und richte es ein
All Augenblick
wünsch ich mich dir ins Herz hinein.]
_____


Lied I. 94

1. Ein A. freundtlich
schön und lieblich
hab ich erwelt
mir zugestelt
mit jr mein leben enden.
Das hat gehort
an einem ort
der klaffer loß
an ehren bloß
der wils uns beiden wenden.
Sein klaff hat gmacht
zu wegen bracht
dz ich mein A. muß meyden
das bringt mir hertzlichs leiden.

2. Klaff wie du wilt
gen mir nichts gilt!
die tugentsam
von edlem stam
hat mir mein hertz besessen
Sey wo ich sey
won ich jr bey
mein mut und sin
stet gen jr hin
ich kan jr nit vergessen.
Mein freundtlich grüß
von worten süß
thu ich jr alzeyt schicken
mein hertz thut sie erquicken.

3. Ich hoff und wart
der widerfart
zum Anlein fein
bey jr zu sein
mich an jr seiten setzen.
Ir roter mund
macht mich gesundt
meins hertzen lust
jr weisse brust
wird mich als leids ergetzen
Dann werden wir
nach beyder gir
in freud und wunnen schweben
dieweil wir han das leben.
(S. 56)

[1. Ein A. freundlich,
schön und lieblich
hab ich erwählt,
mir zugestellt,
|=mich entschlossen
mit ihr mein Leben enden.
Das hat gehort
|gehort=gehört
an einem Ort
der Klaffer los,
|=der durchtriebene Schwätzer
an Ehren bloß,
der will's uns beiden wenden.
Sein Klaff hat gmacht,
|Klaff=Geschwätz; gmacht=gemacht
zu wegen bracht,
|=ins Schlechte wenden, verderben
daß ich mein A. muß meiden,
das bringt mir herzlichs Leiden.

2. Klaff, wie du willt,
gen mir nichts gilt!
Die Tugendsam
von edlem Stamm
hat mir mein Herz besessen.
Sei wo ich sei,
wohn ich ihr bei,
mein Mut und Sinn
steht gen ihr hin,
ich kann ihr nit vergessen.
|ihr=ihrer
Mein freundlich Grüß
von Worten süß
tu ich ihr allzeit schicken,
mein Herz tut sie erquicken.

3. Ich hoff und wart
der Wiederfahrt
|=Wiederkehr
zum Annlein fein,
bei ihr zu sein,
mich an ihr Seiten setzen.
Ihr roter Mund
macht mich gesund,
meins Herzen Lust,
ihr weiße Brust
wird mich alls Leids ergetzen.
Dann werden wir
nach beider Gier
|Gier=Verlangen
in Freud und Wunnen schweben,
|=in Freude und Wonne dahinleben
dieweil wir han das Leben.
|han=haben]
_____


Lied I. 95

1. Von hertzen gern
on all beschwern
ich elend leid
zu diser zeyt
hoff bald gut gluck
dz mir zu ruck
vermeint zu sein
wirdt geben schein
in steter hut
mein wol gemut
drumb nimm mein gmüt und hertz vergut.

2. Von hertzen gern
bin ich gewern
in rechter lieb
und steter yeb
dein tugent rein
verhüt allein
dein trew und eer
von mir nicht ker
in steter hut
mein wolgemut
drumb nim mein hertz und trew vergut.

3. Von hertzen gern
wolt ich entbern
vil ee mein gut
mit freyem mut
ee ich von dir
und du von mir
solst gscheiden sein
drumb halt dich mein
in steter hut
mein wolgemut
und nim mein hertz und trew vergut.
(S. 56-57)

[1. Von Herzen gern,
ohn all Beschwern
ich Elend leid
zu dieser Zeit;
hoff, bald gut Gluck,
daß mir zuruck
vermeint, zu sein,
|=das ich gegen mich zu sein meinte
wird geben Schein,
|=wird erglänzen
in steter Hut,
mein Wohlgemut.
Drumb nimm mein Gmüt und Herz vergut.
|Gmüt=Gemüt; vergut=für gut

2. Von Herzen gern
bin ich gewährn
|=dauere ich aus, halte ich stand
in rechter Lieb
und steter Ieb.
|Ieb=Ausübung (der rechten Liebe)
Dein Tugend rein
verhüt allein!
|verhüt=behüte
Dein Treu und Ehr
von mir nicht kehr,
in steter Hut,
mein Wohlgemut!
Drumb nimm mein Herz und Treu vergut!

3. Von Herzen gern
wollt ich entbehrn
viel eh mein Gut
|viel eh=eher
mit freiem Mut,
eh ich von dir
und du von mir
sollst gscheiden sein.
|gscheiden=geschieden
Drumb halt dich mein
|drumb=darum
in steter Hut,
mein Wohlgemut,
und nimm mein Herz und Treu vergut!]
_____


Lied I. 96

1. Es lebt mein hertz
in freud und schertz
und ist bey dir
in gir
mein höchste ru.
Du bist mein theyl
und werdes heil
mein zuversicht
verpflicht
ja spat und fru.
Dein wesen
erlesen
ist mein genesen
und liebet mir ob allen
alls was ich thu
schreib ich dir zu
allein alls dir zu gefallen.

2. Lieb aller lieb
ich mich ergib
und bin behafft
das schafft
deyn gut geper.
Mit eynem har
zwingstu mich gar
kein creatur
so pur
mir liebet mer
Dein zarte
hoch arte
thut manigfarte
in allen ehrn erschallen
des gleich ich thu
und schreib dir zu
allein als dir zugfallen.

3. Seit als mein gmüt
in liebe wüt
so bit ich dich
trewlich
und hoff du thuß
Halt dich zu mir
als ich zu dir
nit liebers mer
ich ger
noch anders sunst
Einglossen
durch schossen
hertz schreines schlossen
bey dir ewig zu stallen
kein freud sonst thu
mir achten zu
allein dir zugefallen.
(S. 57)

[1. Es lebt mein Herz
in Freud und Scherz
|Scherz=Vergnügen
und ist bei dir
in Gier,
|Gier=Verlangen
mein höchste Ruh.
Du bist mein Teil
|=ein Teil von mir
und werdes Heil,
mein Zuversicht
verpflicht't
|=der ich verpflichtet bin
ja spat und früh.
Dein Wesen
erlesen
ist mein Genesen,
und liebet mir ob allen.
|liebet mir=ist mir lieb; ob=über
Alls, was ich tu,
schreib ich dir zu,
allein alls, dir zu Gefallen.

2. Lieb aller Lieb,
ich mich ergib
|ergib=ergebe
und bin behaft't,
|behaft't=umstrickt
das schafft
|=das bewirkt
dein gut Gepähr.
|Gepähr=Gebahren
Mit einem Haar
zwingst du mich gar,
|gar=ganz und gar
kein Kreatur
so pur
|pur=rein
mir liebet mehr.
|liebet=ist mir lieb
Dein zarte
hoch Arte
|=hohe (edle) Art
tut mannigfarte
|mannigfarte=mannigfach, vielerorts
in allen Ehrn erschallen.
Desgleich ich tu
und schreib dir zu,
allein alls dir zu Gfallen.

3. Seit alls mein Gmüt
|seit=da
in Liebe wüt't,
so bitt ich dich
treulich
und hoff, du tu 's:
|du tu 's=daß du es tust
Halt dich zu mir
als ich zu dir;
|als=wie
nit Liebers mehr
ich gehr
|gehr=begehre
noch anders sunst!
Einglossen,
|=eingelassen
durchschossen
Herzschreines Schlossen,
|Schlossen=Schlösser, Riegel
bei dir ewig zu stallen.
|=sich einzurichten, sich festzusetzen
Kein Freud sonst tu
mir achten zu,
|=um keine Freude kümmere ich mich sonst
allein dir zu Gefallen.]
_____


Lied I. 97

1. Ach lieb mit leid
wie hast dein bscheid
kleglich in kurtz gespilt auff mich!
Ich het gemeint
wer stet vereind
das lieb nit solt verwandeln sich
Nun hat unglück
gebraucht sein tück
genumen hin
mein sin
darumb betrübt ist hart
mich rewt die zart
weiplicher art
die vast schön iung
lieplich und frumb.

2. Ellend du hast
mich streng gefast
in sehnen und verlangen groß!
Das al mein freud
zu rucken leit
und ste on allem trost gantz ploß
Was fieng ich an
verweister man?
weiß nit wellend
ellendt
ich kum yetz wo ich wöll
ist ungefell
stet mein gesel
schafft die schön jung
lieblich und frum.

3. Sendliches leid
ist yetz mein weid
entfrembt ist mir meins hertzen lust
was hülfft mich das
ich bey jr was
und sol nun sein al freud umb sunst
Gar schmertziglich
muß leiden ich
betrübter man
ich kan
nit umb wenden zu freud
keins trost mich geyd
seid das ich meid
die hoch schön jung
lieblich und frumm.
(S. 58)

[1. Ach Lieb mit Leid
wie hast dein Bscheid
|=wie hast du in Kürze kläglich Bescheid gegen mich gegeben
kläglich in Kurz gespielt auf mich!
Ich hätt gemeint,
wär stet vereint,
daß Lieb nit sollt verwandeln sich.
Nun hat Unglück
gebraucht sein Tück,
genummen hin;
|=hinweg genommen (das Liebesglück)
mein Sinn
darumb betrübt ist hart.
|hart=sehr
Mich reut die Zart
weiplicher Art,
|weiplicher=weiblicher
die fast Schön, Jung,
|fast=sehr
Lieblich und Frummb.
|Lieplich=Lieblich; Frummb=tüchtig, rechtschaffen

2. Elend, du hast
mich streng gefaßt
in Sehnen und Verlangen groß,
daß all mein Freud
zurucken leit
|=zurück (hinter mir) liegt
und steh ohn allen Trost ganz ploß.
|ploß=bloß
Was fing ich an,
verwaister Mann?
Weiß nit, wel End
Elend.
|=welches Ende Elend haben wird
Ich kumm jetz, wo ich wöll,
|=wo ich jetzt auch hinkomme
ist Ungefäll
|Ungefäll=Unglück
stet mein Gesell.
Schafft die Schön, Jung,
|schafft=das bewirkt
Lieblich und Frummb.

3. Sehndliches Leid
|sehndliches=sehnliches
ist jetz mein Weid,
entfremd't ist mir meins Herzen Lust.
Was hülft mich, daß
ich bei ihr was,
|was=war
und soll nun sein all Freud umbsunst!
Gar schmerziglich
muß leiden ich
betrübter Mann,
ich kann
nit umbwenden zu Freud.
Keins Trost mich geit,
|=für mich gibt es keinen Trost
seit daß ich meid
die Hoch, Schön, Jung,
Lieblich und Frumm.]
_____


Lied I. 98

1. Schwer langweilig ist mir mein zeyt
seid ich mich hab gescheiden
Von dir mein schatz und höchste freud
erst merck ich, das ich muß leiden,
Was leiden ist
ach wee der frist!
wirt mir zu lang mit schmertzen
das ich offt klag
es scheint kein tag
dein wirt gedacht im hertzen.

2. Dann mich yetzund mein lange fart
in trawrens pein thut setzen
Mein einigs E. gedenck der wort
do mit ich mich thet letzen
Mit was gestalt
in dein gewalt
ich mich dir hab ergeben
darumb ich sprich
das ich on dich
kein stund mag frölich leben.

3. Und das ich dein edle freundschafft
die zeyt in leid muß meiden
Ich bit dich nit acht was man clafft
ich will der dein beleiben.
Do mit wil ich
bevelhen mich
deim gantzen trewen hertzen
on zweifel frey
sey wo ich sey
trag ich nach dir groß schmertzen.
(S. 58-59)

[1. Schwer langweilig ist mir mein Zeit,
|schwer=verstärktes sehr
seit ich mich hab gescheiden,
|gescheiden=geschieden
von dir mein Schatz und höchste Freud.
Erst merk ich, daß ich muß leiden,
|erst=erst jetzt
was Leiden ist.
Ach weh der Frist!
|Frist=Zeit (der Trennung)
Wird mir zu lang mit Schmerzen,
daß ich oft klag,
es scheint kein Tag,
|=es erscheint kein Tag, an dem deiner nicht gedacht wird
dein wird gedacht im Herzen.

2. Dann mich jetzund mein lange Fahrt
|dann=denn
in Traurens Pein tut setzen.
Mein einigs E., gedenk der Wort,
|einigs=einziges
domit ich mich tät letzen;
|=damit ich mich verabschiede
mit was Gestalt
|=in welcher (treuen) Weise
in dein Gewalt
ich mich dir hab ergeben!
Darumb ich sprich,
|sprich=spreche
daß ich ohn dich
kein Stund mag fröhlich leben,

3. und daß ich dein edle Freundschaft
die Zeit in Leid muß meiden.
Ich bitt dich, nit acht, was man klafft,
|klafft=schwatzt
ich will der Dein beleiben!
|beleiben=bleiben
Domit will ich
|domit=damit
befehlen mich
dei'm ganzen treuen Herzen,
ohn Zweifel frei;
|=unbedingt, fest
sei wo ich sei,
trag ich nach dir groß Schmerzen.]
_____


Lied I. 100

1. Elend ich rieff
und seuffts so tief
das ich hertzlieb sol meiden
Dein schön gestalt
gantz manigfalt
bringt mich in senlichs leiden.
Das schafft das ich
dir nit freundtlich
bey wonen mag in freuden
und also muß
mit schwerer buß
von dir mein trost sein gscheiden.

2. Noch nie so hart
kein scheiden ward
mir durch gwalt erzeiget
Als yetz den tag
fürwar ich sag
hat glück sein tück geneiget
Mit falschem haß
verflucht sey das
so mir mein freud thut brechen
ich hoff zu Gott
er wird mein spot
mich an dem selben rechen.

3. Rast rw noch peut
zu keyner zeyt
mag ich on dich nit haben
Darumb ich bit
du wölst mich mit
deinr hülff und lieb thun laben
Dann du bist die
der ich mich ye
ergeben hab für eigen
in rechter trew
und trag kein rew
solch wil ich dir erzeygen.
(S. 59-60)

[1. Elend ich rief
|rief=rufe
und seufz so tief,
daß ich, Herzlieb, soll meiden
dein schön Gestalt
ganz mannigfalt,
bringt mich in sehnlichs Leiden.
Das schafft, daß ich
|schafft=bewirkt, verursacht
dir nit freundlich
beiwohnen mag in Freuden
|mag=kann
und also muß
mit schwerer Buß
|Buß=Pein
von dir, mein Trost, sein gscheiden.
|gscheiden=geschieden

2. Noch nie so hart
kein Scheiden ward
mir durch Gewalt erzeiget,
als jetz den Tag,
fürwahr ich sag,
hat Glück sein Tück geneiget
mit falschem Haß.
Verflucht sei das,
so mir mein Freud tut brechen!
Ich hoff zu Gott,
er wird mein'n Spott,
|Spott=Schmach, Verspottung
mich an demselben rächen.

3. Rast, Ruh noch Peut
|Peut=Gewinn
zu keiner Zeit
mag ich ohn dich nit haben.
|mag=kann
Darumb ich bitt,
du wöllst mich mit
deinr Hülf und Lieb tun laben;
dann du bist die,
|dann=denn
der ich mich je
|je=immer
ergeben hab für eigen
in rechter Treu,
und trag kein Reu,
solchs will ich dir erzeigen.
|erzeigen=erweisen, dartun]
_____


Lied I. 101

1. Ey wie so gar freundlich lieblich
erzeigst du dich hertzlieb gen mir
Das mich erfrewt ganz inniglich
und wil mein hertz stetz sein bey dir
Und wo ich sunst bey leuten bin
so hats kein sin
allein bey dir ich frölich bin.

2. "Glaubs mein gesel und weiß fürwar
das mir des gleichen ist also
Wann ich bey dir nit ymerdar
so wird mein hertz doch nimmer fro
Und dunckt mich auch langweilig sein
mein höchste pein
das du nit solt bald sein der mein."

3. Freundtliches lieb was wiltu mer?
mein leib und gut ist eygen dein
Du bist die ich für all beger
darzu bistu die gwünschte meyn
Und ich sunst kein andre han wil
heimlich und still
es ist schöns lieb alzeyt mein will.
(S. 60)

[1. Ei, wie so gar freundlich, lieblich
erzeigst du dich, Herzlieb, gen mir!
Das mich erfreut ganz inniglich,
und will mein Herz stets sein bei dir.
Und wo ich sunst bei Leuten bin,
so hat's kein'n Sinn,
allein bei dir ich fröhlich bin.

2. "Glaub 's, mein Gesell, und weiß fürwahr,
|weiß=wisse
daß mir desgleichen ist also!
Wann ich bei dir nit immerdar,
|wann=wenn
so wird mein Herz doch nimmer froh.
Und dunkt mich auch langweilig sein,
mein höchste Pein,
daß du nit sollt bald sein der Mein."
|sollt=sollst

3. Freundliches Lieb, was willt du mehr?
Mein Leib und Gut ist eigen dein.
Du bist, die ich für all begehr,
|für=über
darzu bist du die Gwünschte mein;
und ich sunst kein andre han will,
heimlich und still,
es ist, schöns Lieb, allzeit mein Will.]
_____


Lied I. 106

1. Ich weis nit wie ichs halten sol
mir gfelt ein hertzigs meidlein wol
und darff jrs doch nit sagen.
Ich fürcht sie hab mirß nit vergut
mein hertz gantz peinlich nach jr thut
kan jrß dleng nicht vertragen.
"Sag jrß mit fleiß
in beichtens weiß
wirt dich villeicht nit schlagen"
ich fürcht ich brang
nur vil zu lang
ich wil es warlich wagen.

2. Ich traw jhr tugent nem es an
in zucht und eer als ichs gemein
und werd mich nit verschmehen
Dann lebt mein hertz in eitel freud
ich weiß auff erd kein solche meid
drutz augen die das sehen
So wol gestalt
ach glück nun schalt!
mein sinn ston mir zu jagen.
ich bit dich o
nun bald es thu
ee mein scheiden thut nahen.

3. Merck ich dein lieb nit ee ich far
so hat unfal mich zalet gar
und werd des selten fro
Dann wer sterben ein kleiner schmertz
ich leb nit lang het ich kein hertz
und stetz in trawren vergeh.
Es dunckt mich schir
ich fantasir
ich schlaff mit wee stee oder gee
darf schneller hülff
schrey drumb und gilff
ach retten helffen mordio!
(S. 62-63)

[1. Ich weiß nit, wie ich's halten soll,
mir gfällt ein herzigs Maidlein wohl
|gfällt=gefällt
und darf ihr 's doch nit sagen,
ich fürcht, sie hab mir's nit vergut.
|=sie nehme es von mir nicht gut auf
Mein Herz ganz peinlich nach ihr tut,
kann ihr's d'Läng nicht vertragen,
|d'Läng=auf die Dauer; vertragen=Geduld haben
"Sag ihr's mit Fleiß
in Beichtens Weis,
wird dich vielleicht nit schlagen!"
Ich fürcht, ich brang
|ich brang=ich ziere mich
nur viel zu lang,
ich will es wahrlich wagen.

2. Ich trau, ihr Tugend nehm es an
|ich trau=ich vertraue darauf
in Zucht und Ehr, als ich 's gemein,
|als=wie; ich 's gemein=ich es meine
und werd mich nit verschmähen.
Dann lebt mein Herz in eitel Freud,
ich weiß auf Erd kein solche Maid,
- drutz Augen, die das sehen! -
|drutz=trotz
so wohl gestalt't.
Ach Glück, nun schalt,
|schalt=richte es ein
mein Sinn stohn mir zu jagen!
|stohn=stehen
Ich bitt dich: O,
nun bald es tu,
eh mein Scheiden tut nahen!

3. Merk ich dein Lieb nit, eh ich fahr,
|merk=bekommen ich zu spüren
so hat Unfall mich zahlet gar
|=so hat Unglück mich ganz und gar ausgezahlt
und werd des selten froh.
Dann wär Sterben ein kleiner Schmerz,
ich lebt nit lang, hätt ich kein Herz,
und stets in Trauren vergeh.
Es dunkt mich schier,
|schier=fast
ich phantasier;
ich schlaf mit Weh, steh oder geh,
darf schneller Hülf,
|darf=brauche
schrei drumb und gilf:
|gilf=rufe, schreie, wimmre
Ach retten, helfen, Mordio!
|retten, helfen=rettet, helft! Imperative]
_____


Lied I. 107

1. Eren werd
auff erd
von tugent schön
ich krön
weiblicher art
von der ich wart
hertzlich erfrewt
zu wölcher zeyt
ich wider kam
das sie mich an jr armen nam.

2. Wil jr
mit gir
und rechter trew
on rew
mit steter yeb
in rechter lieb
verbunden sein
im hertzen mein
nit anders denck
und mich jr gantz für eigen schenck.

3. Traut frumb
darumb
zu loben ist
on list
wolpertig sit
dz glaub ich bit
das glück wol wöll
vor ungefäll
jr behüten wol
das jr kein unfal schaden sol.

4. Halm teil
jhr heyl
meins leben ist
kein frist
all stund im tag
allein sie hab
mein gmüt verwund
kein mensch mich gsund
sunst machen kan
sie leg dann selbst jr hülff daran.

5. Die wort
mein hort
trewlich bedenck
nicht krenck
das mein gmüt
durch all dein güt
schick mir dein trost
so wurd erlöst
mein hertz auß leid
das deine lieb nicht von mir scheid.
(S. 63)

[1. Ehren wert
auf Erd,
von Tugend schön,
ich krön,
weiblicher Art,
von der ich ward
herzlich erfreut,
zu wölcher Zeit
|=zu der Zeit, als ich
ich wieder kam,
daß sie mich an ihr Armen nahm.
|an ihr Armen=in ihre Arme

2. Will ihr
mit Gier
|Gier=Verlangen
und rechter Treu,
ohn Reu,
mit steter Ieb,
|=mit ständiger Erweisung meiner Liebe
in rechter Lieb
verbunden sein
im Herzen mein.
Nit anders denk
und mich ihr ganz für eigen schenk.

3. Traut Frummb,
|Frummb=Tüchtige, Rechtschaffende
darumb
zu loben ist,
ohn List,
|=wahrhaftig
wohlpärtig Sitt,
|=züchtige, wohlanständige Sitte
das glaub! Ich bitt,
daß Glück wohl wöll
vor Ungefäll
|=vor Unglück, Mißgeschick
ihr hüten wohl,
|=sie behüten wohl
daß ihr kein Unfall schaden soll.

4. Halm Teil
|=zum halben Teil
ihr Heil
meins Lebens ist,
kein Frist,
all Stund im Tag,
allein sie hab
mein Gmüt verwund't.
Kein Mensch mich gsund
sunst machen kann,
sie leg dann selbst ihr Hülf daran.
|dann=denn

5. Die Wort,
mein Hort,
treulich bedenk,
nicht kränk
|kränk=mache krank
das mein Gmüt!
Durch all dein Güt
schick mir dein'n Trost!
So wurd erlöst
|wurd=wird
mein Herz aus Leid,
daß deine Lieb nicht von mir scheid.]
_____


Lied I. 108

1. O Weiblich art
hart
trübstu mein hertz!
schertz
hat nimmer stat
drat
hastu vergessen deiner wort.
Du lebst im sauß
auß
ist al dein trew
new
die du mir stets
thetst
durch glüb und schrifft versprechen dort.
Schrifftlich und sunst
durch liebes brunst
hab ich dir verkunt meinen gruß
so wiltus ye
sein gheissen die
von der ich untrew lernen muß.

2. Das ist mir leid
eid
sey mein gezeug
treug
mich nit also!
o
was setz ich trew zu weiben?
Wie mocht es gesein
dein
weiblich gut
hut
zu diser zeyt
seit
mir offt het mögen schreiben
So sich ich wol
dein trew ist hol
und wil sein gnant von flandern
het ichs dir doch
bißher und noch
vil weniger trawt dann andern.

3. Ey freundtlichs weib
treib
nit lust an mir!
dir
hab ich mit fleiß
leiß
gedient in trewen hulden!
Meinstu ob ich
dich
unschuldigklich
zich
so du dich nit
mit
deiner gschrifft thetst entschulden
Als dann wil ich
gantz eygentlich
dein unschuld thun ermessen
find ich dich grecht
so sey es schlecht
und aller zorn gantz vergessen.
(S. 64)

[1.O weiblich Art,
hart
|=sehr
trübst du mein Herz!
Scherz
|=Freude, Vergnügen
hat nimmer Statt,
drat
|=schnell
hast du vergessen deiner Wort.
Du lebst im Saus,
aus ist all dein Treu,
neu,
|=sich erneuernd, d. h. veränderlich
die du mir stets
tätst
durch Glüb und Schrift versprechen dort.
|Glüb=Gelübde
Schriftlich und sunst,
durch Liebesbrunst
|durch=aus, wegen
hab ich dir verkünd't mein'n Gruß.
So willt du 's je 
|je=immer
sein gheißen die,
|gheißen=geheißen
von der ich Untreu lernen muß?

2. Das ist mir leid;
Eid,
sei mein Gezeug!
|Gezeug=Zeuge
Treug
|=betrüge
mich nit also!
O!
Was setz ich treu zu Weiben!
Wie mocht es gesein!
|=wie konnte es sein
Dein
weiblich Gut,
Hut
zu dieser Zeit
seit
|=sagt
mir oft, hätt mögen schreiben.
So sich ich wohl,
|sich=sehe
dein Treu ist hohl
und will sein gnannt von Flandern.
|von Flandern=flatterhaft (sprichwörtlich)
Hätt ich's dir doch,
bisher und noch,
viel weniger traut dann andern!
|traut=zugetraut; dann=als

3. Ei, freundlichs Weib,
treib
nit Lust an mir!
|Lust=Gelüsten, d. h. Spott
Dir
hab ich mit Fleiß
leis
|=im Stillen
gedient in treuen Hulden.
Meinst du, ob ich
|ob=daß, wenn
dich
unschuldiglich
ziech,
|=geziehen (verklagt) hätte
so du dich nit
|so=da
mit
deiner Gschrift tätst entschulden;
|entschulden=rechtfertigtest
alsdann will ich
ganz eigentlich
dein Unschuld tun ermessen.
Find ich dich grecht,
|grecht=recht, rechtschaffen
so sei es schlecht
|schlecht=glatt, in Ordnung
und aller Zorn ganz vergessen!]
_____

 

Aus: Georg Forsters Frische Teutsche Liedlein in fünf Teilen
Abdruck nach den ersten Ausgaben 1539, 1540, 1549, 1556
mit den Abweichungen der späteren Drucke
Herausgegeben von M. Elisabeth Marriage
Halle a. d. S. Verlag von Max Niemeyer 1903
 

 

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