Ludwig Fulda (1862-1939) - Liebesgedichte



Ludwig Fulda
(1862-1939)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Dank

Hab' ich mein ganzes Leben verdämmert?
Hab' ich's verschlafen in dumpfem Traum?
Daß ein Herz im Busen mir hämmert,
Wußt' ich kaum.

Aber nun fühl' ich es zittern und pochen,
Wachgerüttelt aus steinerner Ruh',
Und die mächtig den Weckruf gesprochen,
Das bist du.

Hast es gelehrt, dich lieben zu müssen,
Hast es Sehnsucht gelehrt und Qual,
Und ich möchte dafür dich küssen
Tausendmal.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 4)

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Verwandlung

Du Herz voll Lieb' und Treue,
Das meinen Liedern lauscht:
Wer schuf das All aufs Neue?
Wer hat mich selbst vertauscht?

Wer hat für mich besoldet
Der Träume buntes Heer?
Die Welt ist wie vergoldet;
Ich kenne sie nicht mehr.

Zu meinen Füßen blinkt es
Wie frischer Morgentau,
Und aus den Lüften winkt es
In wolkenlosem Blau.

Es raunt mit holden Stimmen,
Und noch aus nächt'gem Flor
Wie Freudenfeuer glimmen
Die Sterne rings hervor . . .

Ich aber lach' und weine
Und segne Tag und Nacht
Das Wunder, das die eine,
Die einzige vollbracht.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 5-6)

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Flucht

Liebchen mein!
Ohne Besinnen
Möcht' ich von hinnen
Mit dir allein,
Weit, weit,
Wo es Blüten schneit
Von duftenden Bäumen;
Dort, dort
Immerfort
Möcht' ich säumen,
Zeitenlos
Rasten und träumen
In deinem Schoß.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 7)

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Glück

Nun sag' mir, du goldenes Märchen,
Du meines Lebens Mai:
Ist wohl ein glücklicher Pärchen
Auf Erden als wir zwei?

Wir alle beide vergaßen,
Was anderen wichtig blieb,
Und haben nur über die Maßen,
Ganz über die Maßen uns lieb.

Du bist mir Himmel und Heiland,
Bist meine Königin
Auf einem verzauberten Eiland,
Von dem ich der König bin.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 8)

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Vor Tag

Noch ist es Nacht.
Ich horche hinaus:
Ganz dicht vor dem Haus
Frühzeitig erwacht
Ein Vögelein singt,
Daß hold und süß mir zum Herzen es dringt:

Piep, piep, piep!
Hast du sie lieb
Und sie dich,
Mach' es wie ich:
Bau dir ein Nest,
Halte sie fest!


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 9)

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Fragen

Liebchen, willst du mit mir fliehen
In die weite blaue Welt,
Nach den goldnen Küsten ziehen,
Wo der Frühling Tafel hält,
Wo das Glück, das schwelgerische,
Seine süße Zauberei
Ausgelegt auf buntem Tische -
Alles, alles für uns zwei?

Liebchen, willst du mit mir wandern
Aus der Fremde heimatwärts,
Treulich einen Arm im andern
Und gekettet Herz an Herz,
Daß vom irdischen Gefilde
Sich zum Himmel kühn und frei
Eine Silberbrücke bilde -
Alles, alles für uns zwei?

Liebchen, willst du mit mir wohnen
Unter traut bescheidnem Dach,
Nur belauscht von Buchenkronen
Und vom kecken Murmelbach,
Wo vor Menschenhast geborgen,
Vor des Werktags Einerlei
Feiertäglich jeder Morgen -
Alles, alles für uns zwei?

Liebchen, willst du mit mir leben
Und mit nimmermüder Glut
Meiner Seele hingegeben
Teilen mein geheimstes Gut?
Dann aus meinem sonnenhellen
Herzen, dem die Not entwich,
Soll ein Strom von Liedern quellen -
Alles, alles nur für dich.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 10-11)

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Treue

Ich von dir lassen?
Kannst du's fassen?
Kannst du glauben,
Es könne die Welt
Mich dir rauben,
Der dich fest in den Armen hält?
Laß zusammen
Die Herzen glühen,
Laß sie entflammen
Und Funken sprühen;
Laß uns erproben
Mit tapferem Blick
Innig verwoben
Unser Geschick!
Du die Meine,
Ob Wogen sich türmen,
Ich der Deine
In Wettern und Stürmen;
Hab' dich gefunden
Durch Himmelsgebot,
Bin dir verbunden
Bis in den Tod.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 12-13)

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Geschenk

Die Rose hier in dunkelroter Glut,
Warum entsendet sie so heiße Strahlen?
Warum verwelkt sie stumm in Sehnsuchtsqualen?
An deinem Herzen hat sie jüngst geruht.

Solch flammend Liebesweh versehrt mich auch:
Indes ich ihren Duft begehrend schlürfe,
Ist mir, als ob ich Taumel schöpfen dürfe
Aus deines süßen Atems Blumenhauch.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 14)

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Was du mir bist

Was du mir bist,
Das fühl' ich erst, seit du mir ferne.
Erloschen sind mir alle Sterne;
Ein tiefes Dunkel ist
Gleich pfadlos ewiger Nacht
Um meinen trüben Blick gebreitet,
Und spähend fragt er, wann der Strahl erwacht,
Der mich zu dir zurückgeleitet.
An deinem Herzen möcht' ich gerne
Verträumen meines Lebens ganze Frist:
Was du mir bist,
Das fühl' ich erst, seit du mir ferne.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 15)

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Sehnsucht

Herzliebste mein, was fang' ich an?
Das magst du selbst entscheiden:
Ich bin ein blasser, kranker Mann;
Die Sehnsucht heißt mein Leiden.

Und Heimweh, seit du fern mir bist,
Verzehrt mich ohn' Erbarmen;
Denn meine einz'ge Heimat ist
In deinen weichen Armen.

Ein Wort von dir, ein Druck der Hand,
Ein Blick der süßen Augen,
Die wären ganz allein im stand,
Zur Heilung mir zu taugen.

O hab' mich lieb! O bleib mir gut,
Mir großem krankem Kinde,
Damit ich Kraft und Heldenmut
In meinen Schmerzen finde.

Das Haupt an deine Brust geschmiegt,
An deinen Hals gekettet,
Von deinen Küssen eingewiegt -
Da wär' ich bald gerettet!


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 16-17)

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Ritornelle

Stolze Kamelien!
Mein Lieb hat alle Glut von Egmonts Klärchen
Und alle Mild' und Anmut von Cordelien.

Schwärmerische blaue Violen;
Ich hatt' ein Herz, da kam ein süßer Dieb
Und hat es mir mit leiser Hand gestohlen.

Zärtlich rankender Epheutrieb.
Mein Liebchen tanzt wohl ab und zu mit andern;
Doch mich allein auf Erden hat sie lieb.

Schwermütig blühender Holunder.
Bald scheint sie mir mein lieber Kamerad
Und bald ein unergründlich Märchenwunder.

Garstige, wegversperrende Nesseln,
Ihr stacht mich einst; doch nun bin ich gefeit,
Vor euch geschützt durch milde Rosenfesseln.

Duftende Maienglöckchen.
Nicht eine Welt von Schätzen wiegt mir auf
Von ihrem braunen Haar ein zartes Löckchen.

Schüchternes kleines Vergißmeinnicht.
Ich armer Falter hab' die Welt vergessen
Und flog mit breiten Schwingen in das Licht.

Lauer Frühlingslüfte Fächeln!
Ich duld' es gern, wenn sie ein wenig schmollt,
Weil mich bezaubert ihr versöhntes Lächeln.

Schmeichlerisch würzige Kamillen;
Verlangt sie das Unmögliche von mir,
So werd' ich bös und thu' ihr dann den Willen.

Zartes, samtenes Edelweiß,
Du blühst im Schnee; drum darf ich dir nicht nahen:
Die Sonne meiner Liebe brennt zu heiß.

Ueppig wuchernder Ginster.
Sie kam: da ward es heller Sonnenschein;
Sie ging: da ward es plötzlich wieder finster.

Betäubende Orangenblüten;
Sie hatte schon im Leben manches Leid;
Ich möcht' ihr jedes durch ein Glück vergüten.

Ragende, rosenumschlungene Palmen;
O blaues Meer, wann hört das süße Lieb
Mein Lied, vermengt mit deinen ew'gen Psalmen?

Blasse trauernde Orchideen,
Ihr neigt in eurem Glase müd das Haupt;
Habt ihr sie auch seit gestern nicht gesehen?

Strauß von herzigen Alpenveilchen.
Vom heißen Weh der Trennung bin ich krank,
Und sterben muß ich, dauert's noch ein Weilchen.

Sehnsucht hauchende Narzissen!
Warum nicht find' ich Schlaf in dunkler Nacht?
Ihr Engelköpfchen fehlt auf meinem Kissen.

Weißer, weicher, wehender Flieder!
Den Reichtum meines Herzens kenn' ich erst,
Seit ich ihn ihr zu Füßen legte nieder.

Goldgelb leuchtende Ranunkeln.
Weilt sie bei mir, so fürcht' ich nicht die Nacht;
Denn ihre Lippen find' ich auch im Dunkeln.

O dunkle Rose, Blumenkönigin,
Dir ganz allein, dir darf ich's anvertrauen,
Daß ich in ihren Armen selig bin.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 18-21)

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Ueber den Brenner

Der Himmel hatte keinen Reiz gespart,
In goldner Frühlingsahnung lag die Weite;
Ich aber seufzte nur die ganze Fahrt:
O wäre doch mein Lieb an meiner Seite!

Die Berge ragten heiter in das Blau,
Mit klarem Schnee bedeckt die stolzen Zinnen;
Nur ich beharrte, mich ins Nebelgrau
Von Herzeleid und Sehnsucht einzuspinnen.

Was schmückst du dich, erwachende Natur?
Für wen, ihr Blümlein, eilet ihr zu sprießen?
Dies alles, alles gönn' ich einer nur,
Und nur mit einer mag ich's noch genießen.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 28)

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In Venedig

I.
Unsterblicher Meister Tizian,
Wie muß ich arm dich nennen!
Du lebtest und schufest im stolzen Wahn,
Die lieblichsten Frauen zu kennen.

Was ewig unerreicht dir blieb,
Mir ward es zum seligen Lohne;
Du kanntest ja nicht mein süßes Lieb,
Sie aller Frauen Krone. -


II.
Du zauberhafte, hehre
Verwunschne Stadt im Meere,
Du bleibst mir fremd und stumm;
Mit allen deinen Schätzen
Kannst du mir nicht ersetzen
Mein fernes Heiligtum.

Wie könnte mich beglücken,
Wie mir den Sinn berücken
Was ihn so reich umschließt,
Wenn sie, der all mein Leben
Geweiht und übergeben,
Nicht lächelnd mitgenießt!

Der Zukunft Thor steht offen,
Darin ein selig Hoffen,
Vor meinen Blicken liegt:
Daß hier an meiner Seite
Einst die Geliebte schreite,
In meinen Arm geschmiegt.

Und wenn die Vollmondstrahlen
Sich in den Fluten malen
Beim Abendglockenklang,
Wenn durch die Säulenhallen
Uralte Weisen schallen
Und träumender Gesang,

Dann in beglücktem Schweigen
Die Gondel zu bestiegen
Lädt uns die laue Nacht,
Daß wie vom Liebeshauche
Verschönt, verjüngt enttauche
Die halbversunkne Pracht. -

Du Stadt im Märchenschimmer,
Dein Zauber lockt mich nimmer,
Bis mir ein Gott gewährt,
Daß dich die wundersüßen,
Geliebten Augen grüßen,
Von Seligkeit verklärt.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 29-31)

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Beruhigung

Von schwarzer Eifersucht durchdrungen,
Dem Feste fern, hab' ich gewacht,
Voll Zweifel, ob mein Lieb, umschlungen
Von fremdem Arm, an mich gedacht.

Mir war das Herz schon fast zersprungen,
Da ward ein Brieflein mir gebracht,
Draus klang es wie mit Engelszungen:
"Ich habe nur an dich gedacht."

Die Süße hat getanzt, gesungen
Vor buntem Schwarm die halbe Nacht,
Hat lächelnd sich im Kreis geschwungen
Und doch dabei an mich gedacht.

Sie hat den Alten wie den Jungen
Die Köpfe gründlich heiß gemacht;
Doch bei dem Sieg, der ihr gelungen,
Hat sie getreu an mich gedacht.

Und als das laute Fest verklungen
Und sie entschlafen leicht und sacht,
In ihres Traumes Dämmerungen
Hat sie an mich, an mich gedacht.

Hätt' ich die ganze Welt bezwungen,
Erbeutet aller Fürsten Macht,
Nichts Köstlichers hätt' ich errungen,
Als daß sie nur an mich gedacht.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 32-33)

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Vorbei

Mein Liebchen, es gab wohl eine Zeit,
Da war ich ganz verteufelt gescheit;
Du kannst es noch heut erkennen und merken
An meinen äußerst vernünftigen Werken.

Mein Liebchen, nun aber gesteh' ich es frei:
Mit meiner Vernunft ist's völlig vorbei;
Bald wirst du es selber entdecken müssen
An meinen unvernünftigen Küssen.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 34)

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Uebertroffen

Südlicher Himmel, lächelst mir zu;
Ich mach' mir nichts draus:
Meine Liebste zu Haus
Lächelt tausendmal schöner als du.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 35)

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Historie

Als ich zuerst mein Lieben gestand,
Da hat der Druck der zitternden Hand,
Hat ihr erglühendes Angesicht
Wortlos gesprochen: Ich hasse dich nicht.

Und als ich sie dann mit Zweifeln gequält,
Ob echt und für immer ihr Herz gewählt,
Und ob ich auf Erden ihr einziges Licht,
Da hat sie geseufzt: Ich hasse dich nicht.

Und als ich vertrauend beteuert: Ich weiß,
Du liebst mich wieder verlangend und heiß;
Was gäb' es, das unseren Bund zerbricht!
Da hat sie gejubelt: Ich lasse dich nicht! -

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 36)

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Ungeduld

Ob ich ertrage,
Daß uns noch scheiden
Fernlose Tage,
Qualvolle Nächte,
Bis ich mit beiden
Armen umflechte
Dich, meine Süße? -

Ach, wie ich büße,
Daß mich vertrieben
Höllische Wichte
Von deinem lieben
Rosengesichte,
Von des Genusses
Ewiger Einheit,
Von deines Kusses
Bräutlicher Reinheit,
Von den vertrauten,
Schmeichelnden Lauten
Deines Geplauders
Und der Erquickung
Wonnigen Schauders
In deiner Glieder
Weicher Umstrickung!

Bald, bald
Hab' ich dich wieder! -
Halte noch, halt'
Brandendes Herz;
Lern' dich bezwingen!
Wärst du von Erz,
Müßtest ja springen,
Wär' dir nicht kund,
Daß sich erneue
Heiliger Bund,
Daß auf den Wegen
Sehnender Treue
Sie dir beflügelt
Eilet entgegen.

Seid noch gezügelt,
Stürmende Sinne!
Goldnem Gewinne,
Göttlicher Feier
Führet der Freier
Glühend euch zu. -

Einzige du,
Die mir gespendet
All diesen Schimmer
Seliger Wonnen,
Nimmer, ach nimmer
Sei er geendet,
Sei er zerronnen!
Laß uns im stolzen
Schenken und Werben
Innig verschmolzen
Leben und sterben! -

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 39-40)

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Wiedersehen

Wiedersehen, Wiedersehen!
Ist dir nicht bei diesem Klang,
Als ob tausend Wimpel wehen
Den geschmückten Pfad entlang?

Als ob tausend goldne Schalen
Schäumen von gewürztem Wein,
Als ob tausend Sonnenstrahlen
Flammen in das Herz hinein;

Als ob tausend Düfte steigen,
Tausendstimm'ger Chor erklingt
Und ein wilder Freudenreigen
Tausend Glückliche beschwingt?

Zu den Stunden möcht' ich flehen
Um vertausendfachten Lauf:
Wiedersehen, Wiedersehen,
Tausend Schmerzen wiegst du auf!


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 41)

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Ostern

Die Lieb' ist erstanden,
Zum Himmel gestiegen;
Zwei Herzen liegen
In Ketten und Banden.
Der Frühling ist kommen
Mit blühenden Wangen;
Der hat sie gefangen
Und mitgenommen.
Doch leuchtet den zweien
So goldener Flimmer,
Daß sie sich nimmer,
Nimmer befreien.
Und wißt ihr, wie das Wunder geschah?
Ostern ist da!
Das ist ein Branden,
Ein Stürmen und Siegen:
Die Lieb' ist erstanden,
Zum Himmel gestiegen.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 42)

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Stelldichein

"Um die bewußte Stunde,
Am wohlvertrauten Ort . . ."
Mir tönt die holde Kunde
Wie himmlischer Accord.

Um die bewußte Stunde
Am wohlvertrauten Ort
Häng' ich an deinem Munde
Und geh' nicht wieder fort.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 43)

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Unmöglich

Sie fragte: Kannst du mir böse sein?
Ich sagte: Nein,
Das kann ich nicht,
Mein Blumengesicht, mein Lebenslicht,
Und möchtest du gerne wissen warum,
Die Antwort ist stumm
Und doch so deutlich zu verstehn,
Wenn deine Augen in meine sehn;
Da kannst du erkennen, da kannst du lesen:
Dein ist mein ganzes, ganzes Wesen,
Mein Denken, Fühlen und Leben dein;
Drum kann ich dir nicht böse sein.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 44)

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Botschaft

Ihr trauten Blüten, wandert hin
Zu aller Blumen Königin
Und flüstert neiderfüllt ihr zu:
"Ach, wären wir so hold wie du!" -

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 45)

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Verlöbnis

Du meine Braut!
O süßer Laut!
Der meinen Lippen entklungen!
Wie ganz mich erfüllt,
Nun hab' ich's enthüllt;
Sonst wäre das Herz mir gesprungen.

Du saßest so bleich,
So schmerzenreich
Vor mir mit gefalteten Händen:
Da wußt' ich gut,
Es könne die Glut
Nur mit dem Leben noch enden.

Dein bin ich, dein,
Mein bist du, mein;
Nichts kann uns trennen und scheiden!
Was glücklicher Wahn
Nur halb gethan,
Hat mächtig vollendet das Leiden.

O sei nur getrost!
Dich hab' ich erlost;
Dich will ich hegen und halten,
Will liebeswarm
Mit rüstigem Arm
Das sonnigste Glück dir gestalten.

Mein bleiches Lieb,
Aufblühend gib
Dem Leben neues Vertrauen;
Nicht mehr allein,
Wir wollen zu zwein
Die Zukunft zimmern und bauen.

Komm, stütze dich
Recht fest auf mich,
Bis deine Schwäche geschwunden.
Du meine Braut!
Der süße Laut,
Läßt der dich nicht gesunden?

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 46-47)

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Hochzeitsreise
(Akrostichon)

Heut schaust du selber, was ich oft dir pries:
Oelwälder, die mit blauen Wellen kosen,
Cypressen, Palmen und ein Meer von Rosen,
Herrlich vereint zum ird'schen Paradies,

Zum Wundergarten, den ein Gott uns wies,
Entrückt dem Frost und rauher Stürme Tosen.
In goldner Schrift dem Blick, dem fassungslosen,
Thut sich ein Märchen auf; o komm und lies:

Schau tief ins Zauberbuch, das aufgeschlagen,
Rotglühend liegt vor deinem jungen Sinn;
Es wird dir mehr als Menschenlippen sagen.

Ich find' es ja, seit ich der Deine bin,
So schön wie nimmer in vergangnen Tagen,
Erneut durch dich, geliebte Zauberin.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 50)

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Gerechtigkeit

Küss' ich dein rechtes Auge, leide,
Daß ich es küsse nicht allein;
Laß mich sie küssen alle beide;
Das linke soll nicht neidisch sein.

Denn Recht und Billigkeit zu ehren
Ist in der Liebe Fug und Brauch,
Und sollte sich der Mund beschweren,
O nur Geduld, ich küss' ihn auch.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 51)

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Willkomm, mit Rosen

Die Rosen stellen dir das Feuer da,
An dem ich stürbe, wenn ich einsam bliebe;
Ihr tiefes Rot ist heiß und glühend zwar,
Doch nicht so heiß wie meine Sehnsucht war
Und halb so glühend nicht wie meine Liebe.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 53)

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Kurze Antwort

Liebchen, was treibst du den ganzen Tag?
"Tausenderlei."
Wenn ich dir ferne, was fühlst du, sag?
"Tausenderlei."

Beichte! Was hast du geträumt in der Nacht?
"Tausenderlei."
Und beim Erwachen, was hast du gedacht?
"Tausenderlei."

Hegtest du heimliche Wünsche, sprich?
"Tausenderlei."
Waren auch welche dabei für mich?
"Tausenderlei."

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 54)

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Gedenktag

Weißt du noch? Zwei Jahre schon ist's her,
Und uns beiden war das Herz so schwer,
War von Liebe bis zum Rand gefüllt
Und die Zukunft nebelgrau verhüllt.
Leiden sah ich dich mit bittrem Gram,
Als ich früh am Morgen zu dir kam
Und sich leis die Frage mir entrang:
Willst du mit mir gehn ein Leben lang?

Und du saßest bleich und ruhig da;
In den Augen glomm ein stilles Ja;
Wie von einem Schauer überweht,
Schlossen sich die Hände zum Gebet;
Nur der Mund blieb reglos, ohne Laut,
Und wir waren Bräutigam und Braut.

Weißt du noch, wie weit, wie endlos weit
Damals dir erschien die frohe Zeit,
Wie dein blasses, schmerzgebeugtes Haupt
An des Glückes Botschaft nicht geglaubt,
Bis zuletzt nach langer banger Pein
In dein Stübchen fiel der Sonnenschein
Und du endlich frei von hartem Joch
An die Brust mir sankest? Weißt du noch?

Schon zwei Jahre! Wie die Zeit entrann!
Wieder schlich der Zauberer heran,
Welcher uns verhext hat alle zwei,
Der gewalt'ge Tausendkünstler Mai.
Wieder tret' auch ich zu dir herein,
Und ich spreche: Du Geliebte mein,
Schaltest eine Weile schon im Haus,
Forschest meiner Seele Tiefen aus,
Hast geprüft an manchem bunten Tag,
Ob ich wohl dir noch gefallen mag,
Und die Frage hat nun andren Klang:
Willst du mit mir gehn ein Leben lang?

Voll Erwartung steh' ich vor dir da.
Sprich ein mutiges und helles Ja!
Gib die Hand mir; presse Mund auf Mund,
Neu besiegelnd unsern alten Bund;
Denn obgleich vor Jahr und Tag getraut,
Sind wir wieder Bräutigam und Braut.
Und so laß getrost die Jahre fliehn,
Wie am Himmelszelt die Wolken ziehn.
Selten blinkt ein ungetrübtes Blau;
Manche Saat verhagelt, liebe Frau.
Aber bleiben unsre Herzen warm,
Wollen siegreich wir aus allem Harm
Uns erheben leichtbeschwingt und frei,
Und wenn über fünfzig Jahr' der Mai
Einzieht in die festgeschmückte Welt,
Dann vom letzten Frühlingshauch geschwellt
Wird mein Herz mit leiserem Gepoch
Wiederum dich fragen: Weißt du noch?


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 55-57)

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Weihnachten

Unterm Weihnachtsbaum
Findest du von mir
Keine sonderliche Kostbarkeit,
Und ich wage kaum,
Zu bekennen dir,
Was ich zu dem Feste dir geweiht.

Alt ist mein Geschenk,
Völlig unscheinbar,
Und es überreichend, schüchtern fast,
Bin ich eingedenk,
Daß seit manchem Jahr
Du das kleine Ding besessen hast.

Aber neu lackiert
Und im Innern frisch
Nimmt es sich gewiß nicht übel aus,
Wenn es schmückt und ziert
Deinen Gabentisch
In dem alten, lieben Elternhaus.

Unterm Weihnachtsbaum
Neben Tand und Scherz
Und an goldner, hohler Nüsse Statt
Auf geringem Raum
Liegt mein dummes Herz;
Nur ein Schelm gibt's besser, als er's hat.

Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 61-62)

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Treue Liebe

Treue Liebe kann nicht altern,
Treue Liebe nicht vergehn;
In gar vielen frommen Psaltern
Finden wir's geschrieben stehn.

Dennoch altert sie geschwinde,
Wechselt stetig wie der Mond
Und vergeht wie Spreu im Winde,
Wie das Herz, in dem sie wohnt. -

Schwöret, nimmer euch zu trennen,
Ewig in der Liebe Bann:
Was wir Menschen ewig nennen,
Lächelnd hört's die Gottheit an.

Und es folgt der Tag den Tagen,
Und es folgt das Jahr dem Jahr,
Und die Zeit mit leisem Nagen
Läßt kein Ding unwandelbar.

Wolken ziehn und Ströme gleiten,
Morsch zerbröckelt das Gestein,
Und von starren Ewigkeiten
Träumt das Menschenherz allein.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 117-118)

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Warum?

Ein milder Blick ist Sonnenglut;
Doch du verbirgst sein Licht.
Ein sanftes Wort macht alles gut;
Du aber sagst es nicht.

Als ich dir sprach: Ich hab' dich lieb,
Da ward dein Auge feucht;
Die Wolke, die am Himmel blieb,
Du hast sie nicht verscheucht.

Warum in unser Glück hinein
Erbaust du so behend,
So unermüdlich, Stein auf Stein,
Die Mauer, die uns trennt?


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 120)

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Mißklang

Dich hab' ich mir erlesen,
Geliebte, dich allein,
Von allen Erdenwesen
Die Nächste mir zu sein.

Dich wählt' ich zum Genossen,
Hab' Arm in Arm verschränkt,
Hab' dir mein Herz erschlossen
Und, was darin, geschenkt.

Nun wandr' ich hier alleine,
Nun starr' ich in den See:
So wohl that mir nur Eine,
Nur Eine mir so weh.


Aus: Neue Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart 1900 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 121)

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Hast du mich lieb?

Hast du mich lieb? O süßer Klang;
Hast du mich lieb? Ich hör' es immer;
Es raunt im hohen Lindengang,
Es bebt im blauen Mondesschimmer.

Es flüstert durch die weite Flur,
Durch Wellenspiel und Wolkenferne,
Durch jeden Athem der Natur,
Durch jeden Nachtgesang der Sterne.

Ich höre, wenn der Tag entflohn
Und mir der Traum die Stirn umflittert:
Hast du mich lieb? - wie Harfenton
Aus unerforschter Höhe zittert.

Hast du mich lieb? Die Welt ist mir
In dieser Melodie versunken.
Hat sie mich lieb? Das wißt nur ihr,
Ihr stillen goldnen Himmelsfunken.

Aus: Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart und Berlin
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger [1890] (S. 128)

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Liebesandacht

Du bist mir erschienen aus besseren Welten,
Herabgestiegen für mich allein;
Den blühenden athmenden Frühling schwellten
Die süßen Himmelsmelodein.
Sie pochten ans Herz, sie zogen ein,
Ich lauschte still und selig erschrocken
Und wußte schauend, woher sie stammen:
Deine Gedanken und deine Locken
Sind von der Sonne goldenen strahlenden Flammen.

Einsam durch der Menschen Gedränge
Bin ich gewandert ohne Ruh';
Nimmer war in der brausenden Menge,
Nimmer ein Wesen so rein wie du.
Alle die Engel lächeln dir zu;
Denn du Hohe bist von den Ihren,
Sollst die Noth der Erde nicht theilen;
Nur die Welt und mein Leben zu zieren
Bist du gekommen, magst du lieblich verweilen.

All mein Lieben, das feurig und offen
Zu den Göttern emporgewallt,
All mein Glauben und all mein Hoffen
Schmolz mir zusammen in eine Gestalt.
Wenn in der Ferne der Lärm verhallt,
Fühl' ich meine Adern durchrauschen,
Möchte gläubig ohn' Ende, ohn' Ende
Deiner tönenden Stimme lauschen
Vor dir kniend, auf meinem Haupt deine Hände.

Aus: Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart und Berlin
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger [1890] (S. 129)

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Sonett

Wie Morgenglut nach schweren Dämmerungen
Bist du heraufgeschwebt verklärend, blendend,
Den wärmsten Strahl in meine Brust entsendend,
Daß ihr erprobter Panzer jäh zersprungen.

Wer bist du, sprich! Wie nennst du dich? Verklungen,
Wie Schellenton dem Ohre sich entwendend,
Ist mir die Welt, da neue Welten spendend
Dein rauschend Wecklied in mein Ohr gedrungen.

Wer bist du? Nenne mir den Göttersaal,
Der dich gehegt, die lautre Himmelsphäre,
Aus der du kamst die Wunder zu entsiegeln!

Ich frag' umsonst. Du ahnest nicht einmal,
Daß diese Welt unendlich ärmer wäre,
Wenn deine Augen fehlten, sie zu spiegeln.

Aus: Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart und Berlin
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger [1890] (S. 130)

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Erwachen

Die stumme Nacht entwich; auf rothen Schwingen,
Sich in den Thaudemanten stolz bespiegelnd,
Mit Flammenkuß des Lebens Mund entsiegelnd
Schwebt heitrer Tag empor.
Nun löst des Traumes vielverworr'ne Schlingen
Das schwerterscharfe Licht;
Mit ihm verbündet bricht
Erinnrung mächtig durch die offnen Schranken;
Gewappnet treten Leid und Lust hervor
Und stürmen neu den Hochsitz der Gedanken.

Ich bin erwacht. Zu meinem Haupte drängen
Des Denkens blanke Schwerter, blanke Schilde,
Und alle glänzen sie von deinem Bilde,
Du Kind des heil'gen Tags.
Dir jauchzt mein Herz mit Morgenglockenklängen;
Die Blumen beugen sich;
Denn mild und königlich
Bestiegest du den Thron der goldnen Frühe,
Die Welt belebend leisen Scepterschlags,
Daß sie verschönert dir entgegenblühe.

Ich bin erwacht, erwacht zum ersten Male!
Denn schlummernd nur durchlief ich meine Bahnen
In ahnungsvollem Traum, verträumtem Ahnen;
Ich sah die Sonne nicht,
Nur halbgeschlossnen Augs im Flimmerstrahle
Das Bleichgestirn der Nacht.
Ich bin erwacht, erwacht!
Ich athme tief, daß sich der Busen tauche
In ein verjüngend Meer vom goldnem Licht,
Und meine Stirn erglüht vom Morgenhauche.

Wie deucht mir nun Vergangenheit vergangen,
Ein Dunstgewölk, am fernsten Himmelsbogen
In blaues Nichts zerflattert und zerflogen
Vor deiner Gegenwart!
Wie Bach und Fluß und Strom gleich Silberschlangen
In wechselvoller Bahn
Dem großen Ziele nahn,
Sich an das Weltmeer freudig hinzuschenken,
So hat getreu mein Leben dein geharrt,
So ging an dich verloren all mein Denken.

Nun rast' ich gern. Wo fänd' ich deinesgleichen,
Die Welt durchpilgernd über Thal und Hügel,
Ja selbst entschwebend auf des Traumes Flügel
Ins weite Märchenland?
Kein sonnig Märchen könnte dich erreichen,
Und keines Dichters Mund,
Kein Tönen gäbe kund,
Was staunend Sonn' und Erd' und Luft berichtet:
Wie still dein Geist dem Lichte sich verband,
Wie groß dein eignes Wesen du gedichtet.

Und größer ward auch ich, das Große schauend.
Nun fiel der Zaun, der mein Bereich umfriedet,
Die sanfte Fessel, die mich angeschmiedet
An immer gleiche That.
Mich selbst erkennend, deinem Stern vertrauend
Verließ ich mein Geheg
Und folgte deinem Weg,
Der sich zur höchsten Zinne wendet.
Leicht schrittest du voran den Schwindelpfad
Und lächeltest; ich aber war geblendet.

So folg' ich dir, die Augen halb geschlossen.
Denn wo du führst, ist strahlenreiche Frühe,
Und sel'ger Duft verkündet mir, es blühe
Die hold verjüngte Welt.
Doch niedersteigen möcht' ich lichtumgossen,
Von deinem Spruch geweiht,
Daß ich in heil'gem Streit
Mit Flammenschwert die Finsterniß vertriebe,
Kein Träumer nur, ein Kämpfer und ein Held!
Denn unverwundbar ward ich durch die Liebe.

Aus: Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart und Berlin
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger [1890] (S. 131-133)

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Ritornelle

Rauschende Linden.
Mein Weh ist tief;
Ich kann das Wort nicht finden.

Dunkle Tannen.
Nur wenige Tage,
Dann zieht sie von dannen.

Düstre Cypressen.
Sie liebt mich nicht,
Sie wird mich vergessen.

Aus: Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart und Berlin
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger [1890] (S. 134)

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Stromab

Stromab! Stromab! Ich steh' am Rand
Des Ufers mit verhaltnem Weinen,
Und eine liebe liebe Hand
Ruht abschiednehmend in der meinen.

Stromab! Stromab! Nun ist's geschehn;
Wie Welle rauscht, die Segel wallen.
Ein weißes Tüchlein seh' ich wehn,
Hör' einer Stimme Ruf verhallen.

Stromab! Stromab! Zwei Furchen nur
Verrathen wo das Schiff gezogen;
Schon überspülen ihre Spur
Die fremden theilnahmlosen Wogen.

O letzter Blick! O letztes Wort!
Die heiße Thräne rinnt hernieder;
So ziehet Glück und Jugend fort
Stromab, stromab und kehrt nicht wieder.


Aus: Gedichte von Ludwig Fulda
Stuttgart und Berlin
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger [1890] (S. 134-135)

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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Fulda



 

 


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