Friedrich Andreas Gallisch (1754-1783) - Liebesgedichte



Friedrich Andreas Gallisch
(1754-1783)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Mein Vorsatz

Procul esto gloria vulgi
Tibull

Entfernt von marmornen Palästen,
Fern von der Grossen üpp'gen Festen,
Von niedrer falscher Schmeicheley,
Von Eitelkeit und Stolze frey,
Und fern von süssen Assembleen,
Wo lächerliche Presiösen,
Wo Stolz und Schmähsucht in Dormösen,
Wo Heucheley im schwarzen Rock,
Unwissenheit in Staatsperücken,
Und fader Witz im seidnen Rock,
Sich voll von Eigendünkel blähn,
Erst ceremoniös sich bücken,
Dann sprachlos vor einander stehn,
Sich ganze Stunden lang besehn,
Und wenn sie sich dann satt gesehn,
Vom schönen Wetter, von Cometen,
Von Bällen, von Commerzien,
Von Anstand, Putz, Concert und Spiel,
Autoren, Schriften und Gefühl
Tiefdenkend und censorisch reden,
Und doch von allen nichts verstehn;
Von finstern rostigen Pedanten,
Die erst durch des Verstandes Kraft
Entdeckten - dass sie nichts verstanden,
Und ihrer Wissenschaft befreyt,
Die mich noch niemals so berauschte,
Dass ich für ihre Ewigkeit
Nur eine Stunde Freuden tauschte,
Und fern von aller Kunst und Zwang
Will ich mit fröhlichem Gesang
Im Myrthenhain Cytherens irren
Wo Turteltäubchen zärtlich girren;
Wo ich an Amors kleiner Hand
Die heiterste der Musen fand.
Umringt von frohen Liebesgöttern
Will ich da - nicht mit Lorbeerblättern -
Mit Rosen nur, die Daphnens Hand
Zu holden Kränzchen für mich wand,
Mein sorgenloses Haupt umkränzen.

Dann töne dieses Saytenspiel
Von Helden nicht, und nicht von Kriegen:
Gestimmt zu süsserem Vergnügen
Sing' es voll Scherz und voll Gefühl
Von schlauer Nymphen leichten Tänzen,
Vom Zephyr der die Rose küsst,
Vom Bach der unter Büschen fliesst,
Von Lämmergen die munter springen,
Vom Monde der durchs Laub mir winkt
Und auf dem glatten Teiche blinkt,
Von Vögeln die in Zweigen singen,
Von meiner Daphne süssen Blicken,
Von dieser meiner Brust Entzücken,
Die ihre Freunde für die Welt
Ihr Mädchen für den Himmel hält.

Dann buhle meine Muse nicht
Um späten Nachruhm; ihr Gedicht
Wetteifre mit der Ode nicht:
Sie sing' im leichten Hirtentone.
Ihr süsser Reiz sey Zärtlichkeit,
Und ihr Verdienst Nachlässigkeit:
Sie singe ihre kleinen Lieder
Nur Euerm kleinen Kreiss, ihr Brüder!
Und Eures Auges frohen Blick
Und Daphnens Herz - o welches Glück! -
Geb ihr Cythere dann zum Lohne!
(S. 1-3)
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Fanny

Fanny sah ich hingesunken
Am Altar zur Gottheit flehn;
Ach, ich war von Liebe trunken,
Und die Heilige so schön!

"Weh mir!" rief ich, "weh mir, Armen,
Dass ich dieses Mundes Kuss,
Das Umfassen dieser Armen
Und diess Lächeln missen muss!

Ach, entreiss mich der Beschwerde!
Mache fromme Betherin
Mich zum Heiligen - oder werde
Du geschwind zur Sünderin!"
(S. 4)
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Klagen der Liebe
Frey nach dem 251sten Sonnett des Petrarch

Wenn des alten Titans Schoose
Ihr goldnes Haupt Aurora hebt,
Und in dem Glanz der jungen Rose
Am heitern Morgenhimmel schwebt,

O dann erwacht das Heer der Schmerzen
Das tief mir in der Seele wohnt:
"Dort!" sprech ich mit gebeugtem Herzen,
"Dort ist der Sitz wo Laura thront!"

"Glücksel'ger Titan! jeden Morgen,
Wo deine Gattin dir entflieht,
Ist dir die Stunde nicht verborgen
Da sie dein Auge wiedersieht!

Doch ich - ach soll ich meine Liebe,
Soll ich mein Mädchen wiedersehn,
So muss ich Armer durch die trübe
Graunvolle Nacht des Todes gehn!"

"Ihr weinet nicht bey Euerm Scheiden!
Sie, deines grauen Hauptes Glück,
Kehrt dir mit allen ihren Freuden
In jeder stillen Nacht zurück!"

"Mir aber trübet meine Tage,
Mich foltert jede Nacht voll Gram
Sie, die ins Grab, an dem ich klage,
Mein ganzes Denken mit sich nahm;"

"Und seit der Tod der Welt sie raubte,
Zurück sie rief ins Paradies,
Nichts mehr zu wissen mir erlaubte,
Als dass - mein Mädchen Laura hiess!"
(S. 12-13)
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Chloris

Wenn der holde Stern der Liebe
Am azurnen Himmel blinkt,
Und nun Phöbus in die trübe
Fluth des Meers erröthend sinkt;

Und die Nacht im feuchten Thaue
Sanft vom Himmel niedersteigt,
Und im Hayn und auf der Aue
Dann das Lied des Vogels schweigt;

Nur die kleine Philomele
Lunens mildes Licht begrüsst,
Und in jede feine Seele
Schauerndes Entzücken giesst;

Dann schleicht Chloris an die Quelle
Jenes Hayn's zur süssen Ruh:
Jede kleine Silberwelle
Rieselt ihr ein Schlaflied zu.

Um das Mädchen nicht zu stören
Hemmt die Nachtigall ihr Lied,
Die - getäuscht - in ihr Cytheren
Schön auf Rosen schlummern sieht.

Selbst der Zephyr flattert minder -
Sanft zu kühlen sie bemüht -
Dass vor seinem Wehn geschwinder
Nicht der Schlaf ihr Auge flieht;

Streut bescheiden keine Blüthe
Auf ihr blendendes Gesicht. -
Ueberall wohnt stiller Friede,
Nur - in meinem Herzen nicht:

Weil, indess dort in dem Hayne
Eingewiegt von Morpheus Macht
In des Mondes lindem Scheine
Chloris schläft - hier Amor wacht!
(S. 14-15)
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Töffel

Wie froh ich gestern Abends war!
Wir waren eine ganze Schaar
Von Schäkern in der Schenke!
Wir spassten so voll Fröhlichkeit
Und thaten wie nicht recht gescheut,
Und machten tausend Schwänke.

Wir tanzten um die Säule her,
Als ob der Erdball unser wär,
Und schwenkten unsre Mädchen;
Und waren traun! weit lustiger
Als mancher goldbefranzter Herr
Und manche Dam' im Städtgen!

Da trat der lange Hans hervor,
Und knipp mein Gretchen in das Ohr,
Sie knipp ihn in die Seite,
Und kizzelt' ihn, und lachte gar! -
Wie froh ich gestern Abends war!
Wie traurig bin ich heute!
(S. 16)
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An ein liebekrankes Mädchen

O du, die das Gefühl der Liebe
Aus Seufzern nur und Thränen kennt,
Mir sagt dein Kummerblick, wie sich ein Herz betrübe,
Dem hoffnungslose Gluth tief in dem Innern brennt!

Kann noch ein Wunsch empor zum Himmel dringen,
So sey das Ende bald von deiner Pein erreicht:
Und der auf ewig dein, der jezt mit Händeringen
Und stummen Blicken um dich schleicht!
(S. 17)
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Amor

Den Blick gesenkt zur Erde
Schleicht Amor blöd' und stumm
Mit bittender Gebärde
Um unser Herz herum;
Versucht uns zu bethören
In traurender Gestalt,
Und rührt in banger Zähren
Sanftlockender Gewalt.

Zu schwach zu widerstehen,
Verführt durch Schmeicheleyn
Lässt man sich hintergehen
Und nimmt den falschen ein:
Kaum dass er uns begeistert,
Zeigt sich der Wütherich,
Gebietet, und bemeinstert
Der ganzen Seele sich!

Verscheucht aus unsern Herzen
Vernunft und süsse Ruh,
Und führt ihm Unruh, Schmerzen,
Furcht, Hass und Thränen zu.
Dann herrscht er voller Tücke
Und scheucht mit seinem Heer
Der Jugend ganzes Glücke
Vor seinem Fusstritt her.

Ihr unbefangnen Herzen,
Traut dem Verführer nicht,
Der mit dem Blick voll Schmerzen
Von Mitleid mit euch spricht!
Der Blöde, der Verzagte,
So bald er euch gewann,
Ist dann, so schön er klagte,
Ein grausamer Tyrann!
(S. 18-19)
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Wunsch am Grabe

Gern geb' ich Ruhm und Ehre der Welt dahin,
Will meinen Pfad des Lebens gern unbemerkt
Hinunter wallen, mich nicht umsehn,
Wenn mir des Hohnes Gelächter nachschallt;

Wenn eine Thräne zärtlicher Sehnsucht nur
Einst meiner Asche traurende Freundschaft weyht
Und spricht: "Er liebte mich so zärtlich,
Weine nicht Auge! - du siehst ihn wieder!"
(S. 21)
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Die Gesichte
Ein Fragment

Unter dicht verwachsnen Zweigen
Sah ich eine Raupe schleichen,
Bis sie einen sichern Ort gewann,
Wo sie sich zum Schlaf ein Häusgen spann.

Ich fand den Ort in wenig Tagen wieder,
Da kam mit glänzendem Gefieder
Der schönste Schmetterling aus seiner Hülle hervor;
Erwacht zu einem schönern Leben
Sah ich ihn jezt die bunten Flügel heben,
Und plötzlich schwang er sich empor.
Bald stieg er auf, bald sank er nieder,
Bald flattert er, bald ruht' er wieder,
Eilt, jezt der Blumenkönigin
Der lieblichsten von Cythereens Rosen
Mit regem Fittig liebzukosen,
Schlüpft jezt zum niedern Veilchen hin,
Jezt seinem Weibchen zu, und theilte seine Zeit
In Liebe, Scherz und Fröhlichkeit.
Vom heissen Sonnenstrahl gebeugt
Sah ich am Abend eine Rose;
Sie hatt' ihr Haupt dem mütterlichen Schoose,
Der Erde, traurig zugeneigt.

Am frühen Morgen kehrt' ich wieder,
Da sah ich, wie ein kühler Thau hernieder
Auf alle Blumen floss,
Und wie er in den Schoos
Der Rose neue Leben goss.
Sie richtete sich auf, und strahlte
Mit sanftem Glanz umher; auf jedem Blättgen malte
Aurorens Purpur sich, und süsser Balsamduft
Verbreitete sich durch die Luft.

Mit bleicher Wang' und blassem Munde
Sah ich ein Mädchen, müd' und schwach
In eines Sommertages lezter Stunde,
Als Dämmrung schon auf Flur und Haynen lag:
Ihr mattes Aug' erlosch, und schloss zur süssen Ruh
Besiegt vom Schlaf sich zu.

Doch als in voller Pracht dem Meere
Der neue Tag entstieg, da stand sie, wie Cythere
Mit jedem Reiz geschmückt, den nur die Schönheit kennt,
Vom Lager auf, und hüpfte mit schlauen Blicken
Und holdem Lächeln, das mit allem seinem Entzücken
Das Herz nur fühlen kann, nicht nennt,
In Amors wollustvollen Kriegen
Zu sehen und zu siegen. - -
(S. 22-24)
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Die Ueberraschung
E poi?

O wenn nur einmal diese Lust
Ein gut Geschick mir gönnte,
Dass ich in deinem Schlafgemach
Dich überraschen könnte,

Wenn du von Müdigkeit besiegt
Nachlässig dich entkleidest,
Und schon an süssen Träumereyn
Der künft'gen Nacht dich weidest!

Da wollt' ich bey dem düstern Licht
Des Lämpchens leise schleichen,
Um deinen Blicken unentdeckt
Dein Bettchen zu erreichen.

Sein seidner Vorhang sollte mich
Vertraulich erst verstecken,
Und plötzlich führ ich dann hervor
Die Furchtsame zu schrecken:

Und säh ich dann vom Schreck betäubt
Das arme Mädchen beben,
Dann gäb ein Kuss in meinem Arm
Dir wieder neues Leben.

Dann bät ich, mir für mein Vergehn
Die Strafe zu erlassen,
Und, o gewiß ich bät zu schön
Mich unerhört zu lassen!

Könnt' ich Vergebung dann für mich
In deinen Augen lesen,
So wollt' ich aus Erkenntlichkeit
Dir selbst die Schleifen lösen,

Und vom Gewande dich befreyn,
Und dann zu Bette bringen,
Und, wenn du wolltest, oben drein
Von Utz ein Schlaflied singen.

O welche Wollust, wenn du dann
Mich zu belohnen eiltest,
Und gütig mit mir Glücklichen
Dein liebes Bettgen theiltest!

Und wenn du mir aus Dankbarkeit
Ein Plätzchen eingeräumet,
Mir früh geständst: "So schön hab' ich
Noch keine Nacht geträumet!"
(S. 26-27)
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Amors Kuss
Nach Secundus. Basium XV

Als einst mit rauschendem Gefieder
Und spitz'gem Pfeil vom Himmel nieder
Dich zu verwunden Amor kam,
Da sah er deine Locken wallen,
Sah sie um Stirn und Nacken fallen
Sah deiner Wangen holde Schaam:

Er sah mit feuervollen Blicken
Dein Auge rollen - welch Entzücken,
Das hier der kleine Gott empfand! -
Er sah den Busen sanft sich heben,
So schön, als gäb ihm Cypris Leben -
Da fiel der Pfeil ihm aus der Hand!

Schnell floh er hin zu deinen Küssen,
Der Knabe, welcher hingerissen
Von deinen Reizen dich umfing:
Von seinem Göttermunde flossen
Des Nektars Ströme, und ergossen
Sich in die Brust an der er hing.

Da schwur er laut bey allen Mädchen
Des Himmels, bey den schönen Nächten
Der Mutter die ihn einst gebahr:
"Nie sollte, nie in künftgen Tagen
Der Pfeil dich zu verletzen wagen
Der schon auf dich gerichtet war!" -

Was Wunder nun, dass Götterküsse
Wie Cytherens Nektar süsse
Dein Mund, der Charis Thron, uns giebt,
Und dass, trotz seiner heissen Triebe,
Kalt, unbesuchet von der Liebe
Dein Herz doch keinen Jüngling liebt?
(S. 29-30)
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Die Liebe

Küss ich die glühenden
Lächelnden Wangen,
Die gleich dem blühenden
Rosenstock prangen,
Küss' ich Gisellen mit fröhlichem Sinn,

Lach' ich der schielenden
Blasen in Lüften
Die von den spielenden
Westen verdüften,
Lach' ich der Welt - und was giebt sie Gewinn?

Für deine seligen
Freuden, Cythere,
Geb ich mit fröhlichen
Muthe gern Ehre,
Geb ich die Schätze der Erde dahin!
(S. 31)
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Die Mondnacht

Da blickst du nun mit blassem Schein
Zur stillen Erde nieder,
Und findest deinen Freund, allein,
Gekränkt von Liebe wieder;
Siehst wie ich sehnlich meinen Blick
Nach jener Hütte drehe,
Und nassen Auges dann zurück
Nach deinen Strahlen sehe!

O warum bleibt mein Auge mir
An dir so gerne hangen?
Hoff' ich vielleicht, o Mond, von dir
Noch Hülfe zu erlangen?
Hoff' ich, es könnt' ein sprödes Herz
Dein milder Stral erweichen,
Und dann des trüben Kummers Schmerz
Von meiner Seele scheuchen?

Vielleicht erfuhrst du einst wie ich,
Wie im Gefühl der Liebe
Ein ungeliebtes Herze sich,
Für Sehnsucht krank, betrübe;
Und suchst nun, Freund, aus Sympathie
Mit feyerlichen Bildern
Und hoffnungsvoller Phantasie
Des Jünglings Gram zu mildern?

Ach! du bist todt, und bleibest kalt
Bey meinen Trauertönen!
Doch deine schmeichelnde Gewalt
Entlockt mir sanfte Thränen -
Ja, hiess der Gott der dich erschuf
Nicht uns aus Staube gehen,
Uns, zu dem herrlichsten Beruf,
Zu lieben ihm ersehen?

O der, der dich und Creatur
Erschuf und liebt' und nährte,
Und - göttlich - für diess alles nur
Ein liebend Herz begehrte,
Wie sollte dessen Zärtlichkeit
Darüber sich betrüben,
Wenn sich voll seiner Seligkeit
Zwey ihm Erschaffne lieben?

Nein; "liebet!" hat er selbst gesagt,
Die Himmel hallten's wieder:
Er blickt in sternenheller Nacht
Von seinen Himmeln nieder,
Sieht, wo ein ungeliebtes Herz
In seines Mondes Scheine,
Ergriffen von dem bangen Schmerz
Verschmähter Liebe, weine:

Und schickt dann süsse Linderung
Und Himmelstrost der Quaalen
Und hoffende Beseligung
Ihm in des Mondes Stralen, -
Welch ein Gedanke! wie durchglüht
Diess meine Brust, zu wissen:
Es ist ein Gott! ein Gott! er sieht
Auch meine Thränen fliessen!
(S. 32-34)
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Wo ist die Liebe?
Antwort auf Daphnens Frage

Die Liebe, Daphne, thronet
Allmächtig überall,
Herrscht in der Stadt, und wohnet
Am kühlen Wasserfall,
Scherzt auf beblümten Triften
Und ladet uns im Hayn
Den schönsten Bund zu stiften
Durch süsse Dämmrung ein.

Sie buhlt in Abendwinden
Um sanftgekrümmtes Moos,
Sie blüht in stillen Gründen
In jedes Veilchens Schoos;
Sie zeigt in Rosenblättern
Im Thau des Morgens, mild
Gepflegt von Liebesgöttern
Verschämter Wangen Bild,
Sie lehrt den Käfer schwirren,
Singt in der Nachtigall,
Heisst zärtlich Tauben girren,
Lässt freudenvollen Schall
Der Hirten Flöten glücken,
Tanzt ihren Schritten für,
Spricht jezt aus meinen Blicken,
Und lacht und scherzt aus dir!
(S. 35-36)
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An mein Mädchen

Wie sind mir die lieblichen Stunden
Der Jugend so fröhlich verschwunden,
Bezauberndes Mädchen, durch dich!
Du leitest bey Küssen und Kosen
Durch Pfade, bestreuet mit Rosen,
Am samtenen Fingerchen mich.

Für dich nur bestimmt zu empfinden
Denkt dich nur mein Herz; mir verschwinden
An deiner sanftathmenden Brust
Die Freuden der Welt: Ich entbehre
Gern Glücke, gern Schätze und Ehre
Im Taumel der süssesten Lust.

Wen schmeichelndes Hoffen, wen Sehnen,
Wen Lächeln, wollüstige Thränen,
Wen heiterer Scherze Gefühl,
Wen zärtlicher Schwermuth Entzücken,
Wen Plaudern und Küsse beglücken,
Der hat ja der Freuden so viel!
(S. 37)
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Damöt und Phillis

Damöt
Ein einzger holder Blick von Dir,
O Mädchen, machte mich zum Glücklichsten der Erden!
Lass diesen holden Blick mir werden,
Was gilts, ich mache dich zur Glücklichsten der Erden!

Phillis
Und diesen Blick trug sich zum Lohn
Der junge Daphnis längst davon,
Er der noch eh mein Blick ihm lachte
Zur Glücklichsten der Welt mich machte!
(S. 38)
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An den Frühling

Kehrst du nun mit deinen Freuden allen,
Deinem milden sonnenreichen Blick,
Deinen Blumen, deinen Nachtigallen,
Deinen Westen, Frühling, uns zurück?

Sieh, ich harrte deines Lächelns, freute
Deiner lieben heitern Tage mich:
Und des Kummers düstre Nacht zerstreute
Vor den Blicken meiner Hoffnung sich!

Und an dich ein einziger Gedanke
Hielt den matten abgehärmten Geist
In dem Kerker noch, in dem ich wanke
Nach der Gruft, die Gram mich suchen heisst.

Frühling, täusche nicht des Jünglings arme
Liebekranke Seele! giesse Lust,
Giess all' dein Gefühl, all' deine warme
Zärtlichkeit in meines Mädchens Brust!

Weihe zu der Liebe Heiligthume
Ganz ihr Herz, gieb Sehnsucht ihrem Sinn,
Oder sieh, mit deiner ersten Blume
Welk' ich sonst geknickt von Liebe hin!
(S. 39-40)
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An Glyceren

Urit me Glycerae nitor
Splendentis Pario marmore purius;
Urit grata protervitas
Et vultus nimium lubricus adspici
Horat

Mädchen, Göttin von Gestalt,
Lächelnde Glycere,
Mit dem Auge voll Gewalt,
Schön, wie selbst Cythere;

Süsse Feindin meiner Ruh,
Quelle meiner Schmerzen;
Königin! hier herrschest du,
Hier in diesem Herzen!

Mädchen sieh, auch ich empfand
Deinen Blick mit Schmerzen,
Und die sanfte Freude schwand
Schnell aus meinem Herzen.

Ach, noch brachte keine Kunst,
Becher nicht, nicht Lieder,
Und kein Scherz mir je die Gunst
Dieser Schönen wieder;

Dennoch Göttin schwör ich dir:
Einer deiner Blicke,
Schenktest du nur Einen mir,
Brächte sie zurücke!
(S. 41-42)
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Die Antwort
An Eine unter Allen

Saepe tacens vocem verbaque vultus habet
Ovid

Mädchen, wem dein Lächeln winket,
Wen dein Händedruck erfreut,
Wem du lächelst, o der trinket
Volles Maas der Seligkeit!

Unter allen den entzückten
Jünglingen, die um dich stehn,
Nenne mir den Hochbeglückten,
Lass mich den Geliebten sehn!

Wie? du lächelst? - Gleich der Rose
Färbt sich glühend dein Gesicht? -
Ich verstehe dich, du Lose!
Nenne mir den Jüngling nicht!
(S. 48)
_____



Die kluge Wahl

Ihr die ihr von Augen und Wangen
So hurtig zu Sklaven euch macht,
O prüfet das heisse Verlangen
Das euch in dem Busen erwacht!
Zu früh, ihr Jünglinge, bindet
Euch oft ein thörichter Schwur;
Euch hatten Rosen entzündet,
Und Dornen findet ihr nur!

Ich Glücklicher! - die ich erkohren
Mein Mädchen auf immer zu seyn,
Sie, der ich bedachtsam geschworen,
Ist wie die Sonne so rein!
Es spricht ihr aus jeder Geberde
Das Herz, unschuldig und gut;
Sie lacht mir zum Himmel die Erde,
Sie stählt mir den fröhlichen Muth.

Sie führt durch die Thäler des Lebens
Auf blumigen Matten mich hin:
"Lass Trauter," so spricht sie, "vergebens
Die duftende Blüthe nicht blühn!
Komm, singe mir fröhliche Lieder,
Sey weis', und geniesse der Welt!
Dein harr' ich im Himmel, wenn nieder
Der Vorhang des Todes einst fällt!"

Ich fand sie zur Seite der Tugend,
Ich fand sie der Unschuld im Arm:
"Was machst du?" - "Ich kränze die Jugend,
Und scheuche vom Alter den Harm." -
"Wo wohnst du?" - "Auf lieblichen Auen,
Wo Weisheit und Thorheit sich gränzt,
Die zärtliche Thränen bethauen,
Und Stral der Hofnung beglänzt." -

"Wer bist du?" - "Die Schwester der Liebe!
Mir dankt sie den freudigen Blick;
Ich dank ihr die zärtlichen Triebe,
Uns danken die Welten ihr Glück." -
"O Mädchen im flatternden Kleide,
Sey mein! Wie wallt mir so warm
Mein Blut! O wie heisest du?" - "Freude!" -
So sprach sie, und sprang mir in Arm.
(S. 54-55)
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Mädchenspiegel

Pallida virgo cupit, rubicunda dat, alba recusat

Ein Mädchen, blass von Stirn und Wangen
Hegt tief in ihrer Brust ein sehnliches Verlangen
Nach Amors süssen Näschereyn
Und eines Jünglings Schäkereyn:
Sie seufzet; was sie quält zu sagen
Zu züchtig, und zu schwach es standhaft zu ertragen,
Und denket nicht, dass ihr Gesicht,
Ein einzger Seufzer mehr als hundert Worte spricht.

Ein Mädchen, roth von Wang' und Munde
Wünscht sich die Wonne, die im Bunde
Mit Paphien ein jedes Herze schmeckt:
Sie eilet bald sie zu geniessen,
Und reicht dem Jüngling selbst den heissen Mund zu küssen, -
Sobald es nur die Mutter nicht entdeckt.

Ein Mädchen, weiss wie neugefallner Schnee
Hält Amors süssen Trieb für Schande;
Verachtet seine Macht, und höhnet seine Bande:
Ein Jüngling seufzt um sie, allein umsonst! denn eh
Gäb sie ihm selbst den Tod, statt einmal ihn zu küssen.

Die Thörin! wahrlich ich stürb nicht zu ihren Füssen!
Weit süsser dünket mich der Liebe sanfter Tod
In jenes Mädchens Arm, von Mund und Wange roth!
(S. 56-57)
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Florian und Floriaenchen
oder die beyden Zippen

Kein Ding ist in der weiten Welt,
Das allgemein so wohl gefällt,
Das so behagt als Liebe:
Der Wurm der mit der Made spielt,
Der Hecht der nach der Hechtin schielt
Brennt von dem süssen Triebe.

Die Schabe die im Keller sizt,
Der Ochse der im Joche schwizt,
Der Sperling auf dem Baume,
Der Reyher der den Falken spiesst,
Der Jäger der den Reyher schiesst
Gähnt nach dem süssen Traume.

Was Wunder nun, dass Florian
Einst Floriänchen liebgewann?
Er gar ein niedlichs Hähnchen;
Doch wie's hernach das Schicksal wiess
Die sprödeste grausamste Miss
Das kleine Floriänchen.

Umsonst hub Morgens Florian
Von seiner Quaal zu singen an,
Bald hoch, bald tief und kläglich:
Sie blieb bey ihrem harten Sinn,
Und hielt ihm stets ihr Schwänzchen hin
Und quälte ihn tagtäglich.

Die Liebe lehrt' ihn artig seyn;
Durch tausend süsse Schmeicheleyn
Sucht' er sie zu bekehren:
Er trägt ihr Federn in das Nest,
Und bringet ihr von Ost und West
Gar viel' und süsse Beeren.

"O," spricht sie mit verschämten Blick,
"Nimm deine Possen nur zurück!
Du wirst mich nicht berücken!
Was suchst du in dem Nestchen hier?
Zu was die Beeren? Kann ich mir
Nicht selber welche pflücken?"

Sie fliegt davon, er fliegt ihr nach,
Und sie die Grausame sucht, ach!
Ihn nur noch mehr zu pein'gen:
Sieht Vogelbeeren an dem Baum,
Sie fliegt, er schreyt, sie hört ihn kaum,
So hängt sie in dem Leingen.

Verzweifelnd flattert Florian,
Und sieht, der hochbetrübte Mann,
Sein einziges Verlangen,
Bey allem Kaltsinn seine Lust,
Die einzgen Wünsche seiner Brust
Todt in der Schlinge hangen!

Umsonst sucht er sie zu befreyn,
Sie zappelt, schliesst die Aeugelein,
Und senket ihr Gefieder.
Und nicht die ganze Vogelschaft
Mit nun umsonst vereinter Kraft
Bringt sie ins Leben wieder.

"Todt ist sie!" schreyt er, "Sie ist hin!"
"So sollst du Wald den treuen Sinn
Von meiner Lieb' erfahren! -"
Er fliegt zum nächsten Baum, er stürzt
Ins Leingen sich, der Wald bestürzt
Sieht ihn zum Orkus fahren.

Und dreymal rasselt Blatt an Blatt,
Was Kehlen nur zum Schreyen hat
Beweint den armen Knaben;
Das ganze grosse Vögelchor
Sucht seine alten Flöhre vor
Die Todten zu begraben.

Die Eule heult das Todtenlied,
Des Sperbers Schnabel ist bemüht
Das Grabeloch zu scharren;
Zwey Spaze senken sie hinab,
Das Chor der Meisen steht ums Grab,
Die Aelster macht den Pfarren.

Sie hält die Parentation,
Und zeigt was hier für bösen Lohn
Thät treue Liebe schenken.
Ein Schwälbgen sezt den Leichenstein,
Ein Staar gräbt diese Innschrift ein
Zu beyder Angedenken:

"An diesen Bäumen hiengen sie,
Aus Liebe er, aus Kaltsinn sie
Das spröde Floriänchen,
Und der verliebte Florian
So viel man von ihm sagen kann
Das allertreuste Hähnchen.
(S. 62-65)
_____



An Sie

Noch lächelt mir von deinem Munde
Nicht jener Zug der Zärtlichkeit,
Der meinem Wunsch die süsse Stunde
Des ersten Kusses prophezeyt;
Noch siehst du mich vorübergehen,
Und mir sind deine Grüsse stumm,
Und mir noch einmal nachzusehen
Drehst du dich Holde noch nicht um.

Mit frohem Beyfall siehst du nieder,
Wenn man von Lieb' und Freude singt,
Und fühlst nicht, wie durch alle Lieder
Dein Reiz, der sie beseelte, dringt:
Reichst mir die weiche Hand zum Tanze,
Und lächelst nicht, wenn man sie drückt,
Stralst in der Schönheit ganzen Glanze,
Und weisst nicht, wie er mich entzückt.

Allein die Zeit die ihren Flügel
Nun schneller mit dem Nordwind hebt
Zeigt mir, wie auf beschneytem Hügel
Der Liebe Morgenröthe schwebt:
Ich blick' in ferne Zeit zurücke,
Seh auf die gegenwärt'ge hin,
Und find' in ihr der Zukunft Glücke
Bereits entfaltet aufzublühn.

Der erste Winter sank zur Erde,
Dich liebt' ich - ungekannt von dir;
Mit süsser freundlicher Geberde
Sprachst du im zweyten oft mit mir;
Im dritten sangst du meine Lieder;
Den ganzen Sommer sah ich dich;
Jezt sinkt der vierte Winter nieder -
O jetzo Mädchen liebst du mich!
(S. 66-67)
_____



Der Wert der Liebe
Einem Freunde an seinem Vermählungstage gesungen

Wenn auf der Morgenröthe Flügel
Der junge Tag sein Haupt erhebt,
Und lieblich über Thal und Hügel
Im ganzen Reiz des Frühlings schwebt,
Mit leisen Fittigen die Rose
Ein Heer erwachter Weste kühlt,
Und in dem thaubeperlten Moose
Froh um uns her der Käfer spielt;

Wenn aus zerrissner Wolken Schleyer
Des Mondes Stral zur Erde sinkt,
Und dann in nächtlich stiller Feyer
Rein über Thal und Hügel blinkt:
Wer wandelt durch die Dämmerungen,
Wer sieht wie sich der Tag erhebt,
Und fühlt nicht, wie sein Herz durchdrungen
Vom Schauer heil'ger Liebe bebt?

Sie die voll Leben, Kraft und Milde
Den Himmel und die Erd' umschlingt,
Durch paradiesische Gefilde
Wie durch die öde Wüste dringt,
Sie blicket rein vom Himmel nieder,
Ein jeder Stern trägt ihre Spur,
Der Erdkreis singt ihr Jubellieder
Und Liebe predigt die Natur.

O, ihr der Lieb' erschafne Seelen,
Folgt ihrem lauten Schmeichelruf!
Denn sie zur Gottheit sich zu wählen
Ist mehr als Pflicht noch, ist Beruf:
Und wer mit hohnender Geberde
Der Liebe Heiligthum entehrt,
Ist nicht der Schönheit dieser Erde,
Nicht ihrer hohen Freuden werth.

Doch wollt ihr wahre Lieb' empfinden,
So prüft sie, eh ihr von ihr brennt;
Und lasst euch ihren Reiz nicht binden,
Bevor ihr ihren Werth nicht kennt;
Zwar Thorheit ists, in Blüthejahren
Mit kaltem Herzen sie verschmähn,
Doch sie zu kennen bringt Gefahren
Eilt ihr nicht ganz sie zu verstehn.

Wen heiser Durst nach niederm Triebe
Im Taumel seiner Sinne reizt,
Wer bey den Regungen der Liebe
Nur nach der Wollust Küssen geizt,
Der wird die Wonne bald verlieren
Von der sein Sinn, das Herz nicht, spricht,
Die Wollust fühlt er mit den Thieren,
Des Menschen Vorrecht fühlt er nicht.

Die Rose jugendlicher Wangen
Macht bald der blassen Lilie Raum;
Bliebst du an jener Rose hangen
So zittre, fliehet einst dein Traum!
Doch schilt dann frevelnd nicht die Liebe:
Hört dich ein Gott, den du entweyhst
Wenn du ihm im unheilgen Triebe
Aus falschem Herzen Weyhrauch streust?

Nicht für des Thoren Tändeleyen
Der buhlend um die Herzen hüpft,
Nicht für der Wollust Träumereyen
An die der Sinn sich sklavisch knüpft,
Nicht für des Geizes Raubbegierde,
Und nicht zu hoher Tugend Grab -
Dass sie des Himmels Vorschmack würde
Sank Liebe einst zur Welt herab.

Und dann nur, wenn im Glanz der Jugend
Sie vor dem Blick der Seele schwebt,
Von Güt' erzeugt, genährt von Tugend
Zu edler That das Herz erhebt,
Es kühn von Durst nach Ehr' entzündet,
Und voll Gefühl und Menschlichkeit
Es gut und mild zu seyn verbindet,
Dann zeigt sie ihre Göttlichkeit.

Dann schaut, entzückt von ihrem Glanze
So froh und frey die Seel' umher,
Und fühlt bey ihrer Freuden Tanze
Der Lebensbürden keine mehr:
Sieht schon elysische Gefilde
Auf Erden um sich her im Geist,
Und lächelt, wenn von diesem Bilde
Zur Wahrheit sie die Urne reisst.

Wenn aber auch oft sanfte Herzen
Statt Freuden ihre Klag' erfüllt,
Und manchem Blick gelockt von Schmerzen
Der Wehmuth bange Zähr' umhüllt;
Lockt euch, mit kalter Lust vereinet
Der Ruhe besserer Gewinn,
Ihr die ihr diese Zähre weinet
Gäbt ihr für eine Welt sie hin?

Und wenn sie dann nun kömmt die Stunde,
Die der beglückten Liebe schlägt,
Die Honig auf dem Rosenmunde
Und Seligkeit im Busen trägt;
Wenn sie nun kömmt, der Treu zum Lohne
Die über Zeit und Schicksal siegt
Und der verdienten Freude Krone
Nach durchgeweinten Tagen wiegt:

Wenn sie nun kömmt - doch deiner Feyer
Ist, Liebe, dieses Lied zu klein;
Vergieb der jugendlichen Leyer
Lief die Gefahr dich zu entweyhn!
Und wenn sie dich vielleicht enzweyhte -
O blicke zornig nun auf mich,
Und kehre doppelt gütig heute
Zu meinem Freunde, Liebe, dich!
(S. 68-72)
_____



Gretchen! Geh mit mir zu Tanze!
Nebst einer Nutzanwendung

"Hörst du wie die Fiedel klingt,
Wie man schreyt und wie man springt
Und aus vollem Halse lacht
Dass die ganze Schenke kracht?
Gretchen, geh mit mir zu Tanze!"

Gretchen that als hört' sie's nicht,
Hänschen lacht ihr in's Gesicht:
"Du so rasch, so flink und schön
Willst nicht mit zu Tanze gehn?" -
Gretchen gieng mit ihm zu Tanze!

Halb verschämt gieng Gretchen mit,
Trippelt erst im kleinen Schritt,
Sprang dann immer lustiger,
Immer rascher rund umher:
Gretchen sprang wacker im Tanze!

Und man bliess die Lichter aus,
Und der Fiedler gieng nach Haus:
Sie, sie tanzte gern noch mehr,
Ach! da war die Schenke leer!
Gretchen gieng traurig vom Tanze!

Nun die ganze Woche lang
Wie war's Gretchen doch so bang!
Alle Sonntag tanzte sie,
Alle Bauern schwenkten sie -
Gretchen gieng immer zu Tanze!

Junge Bursche leicht im Sinn
Griffen ihr an's runde Kinn;
Gretchen schalt und lachte bass,
Trieb mit Küssen ihren Spass -
Gretchen war lustig beym Tanze!

Junge Bursche trieben viel
Unter Kuss und Scherz ihr Spiel:
Ach! ein Augenblick erschien -
Gretchen gab ihr Kränzchen hin! -
Gretchen gieng weinend vom Tanze!

Bey dem Tanze liebes Herz
Hüte dich für freyem Scherz,
Dass dir's nicht wie Gretchen geht:
Gretchen, sonst so rasch gedreht,
Gretchen geht nicht mehr zu Tanze!
(S. 73-75)
_____



An ein singendes Mädchen

Du singst zur Liebe uns zu rühren
Ein Lied von süsser Liebe Zaubereyn;
Allein du singst zu spät uns zu verführen!
Noch eh' du sangst, war jedes Herz schon dein!
(S. 90)
_____



An Sie

Noch tanzt im Schmuck der Frühlingsrose
Die Jugend deinem Schritte vor,
Noch hüpft aus jedes Tages Schoose
Für dich der Freuden schmeichelnd Chor:
Noch spriesst wohin du kommst Entzücken,
Durch deiner Reize Zaubereyn,
Auf Jedes Mund, in Jedes Blicken
Und noch sind alle Herzen dein!

Allein weisst du, ob morgen wieder
Der Tag so schön zur Erde sinkt?
Ob er das Bild entflohner Brüder
Durch neue Lust zurücke winkt?
Und, wenn mit glänzendem Geschmeide
Er jede seiner Stunden krönt,
Ob morgen nicht der Ruf der Freude
Dem kältern Herzen schwächer tönt?

O komm, noch heute zu geniessen,
Und brich die Blumen weil sie blüh'n!
Heut' eilt der Scherz dich zu begrüssen
Und morgen flieht er vor dir hin!
Es lacht die Königin der Herzen,
Die Heut' den vollen Kelch dir reicht,
Der Zähre morgen, die in Schmerzen
Der Reue dir vom Auge schleicht!
(S. 91-92)
_____



Die Freude der Jugend

So lange noch im blühenden Rosenhayn,
Der Jugend heilig, lauter die Quelle fliesst
Die uns mit schwätzendem Gelispel
Hüpfende Freuden entgegen rieselt,

So lang uns dämmerndes Morgenroth,
Des Mondes Schweben, oder des Hayns Gesang,
Der Rose Duft, des Westes Säuseln
Süsse Begeistrung in Busen giesset;

O lass uns freundlich winkender Mädchen Blick
Nicht unbelauscht entschlüpfen; im vollem Glas
Nicht ungekostet hoch vom Rande
Brausenden Nektar entgegensteigen!

Es mag der Greis bey düsterner Lampe Schein
Die Nacht durchhusten, bis ihn der Schlaf befällt,
Uns scheucht die Fittige des Schlummers
Schönrer Beruf von dem trunknen Auge.

Ihm sey es Lust am staubigen Bücherbret
Dem Lauf des Himmels, oder der Wissenschaft
Geheimen Gründen nachzuspähen,
Milzsucht und Seuchen auf sich zu laden:

Sie, deren Auge zärtliche Sehnsucht blickt,
So sehr bescheidne Grazie das Herz verbirgt,
Das ihr, wie allen Erdentöchtern
Für die zu reizende Liebe schlägt.
(S. 93-95)
_____



Rosinde

Ich hasse das Rösgen, wie schön es auch sey,
Das buhlet mit allen den Westen im May;
Ich hasse das Veilchen, das öfnet den Schoos
Wohl jeglichem Würmchen, das spielet im Moos!

Ein Auge das Minnesold Allen verspricht,
Und wär's eines Engels, es reizet mich nicht!
Ein Herz das die Seufzer von Allen erhört,
Ist nicht der Seufzer von Einem mehr werth! -

Rosinde, wie tanzte sie fröhlich und hehr,
Umgeben von schmachtenden Buhler einher!
Sie blickte, sie drückte verstohlen die Hand,
Und jeglicher fühlte sein Herz sich entwandt.

Sie flüsterte leise bey Spiel und bey Scherz
Zu jedem: "Wie liebt dich so innig mein Herz!
Du Einer von Allen! mehr bist du mir werth
Als alles was Liebe von Allen gewähnt!"

Wen so ihre gleissende Rede berückt
Der hielt sich vom treusten der Mädchen beglückt,
Ach aber was sprach er, wenn Jeder ihm priess
Die Freuden, die sie nur allein ihm verhiess!

"Du Falsche, du, unstät wie Wasser und Wind,
So unbezähmt immer verweht und verrinnt,
Dich flieh' ich auf ewig, einst rächet an dir
Die Liebe die Schwüre gebrochen an mir!"

Sie bat sie mit Thränen; sie hörten sie nicht:
Da zwang sie die Freude herauf in's Gesicht,
Da sprach sie: "Noch lebet noch webet der May,
Bringt neue statt welkender Blümchen herbey!"

Da blickte sie lockend und lachend umher,
Ob irgend ein Herz zu gewinnen noch wär:
Sie jagte voll Kummer, voll Unruh und Müh
Die fliehende Liebe, und haschte sie nie!

Im Schatten der Eiche da sahn wir ihr zu
Ich und mein Liebgen, und küssten in Ruh,
Wir sahen die Blümgen alle vergehn;
Sie kehrten nicht wieder! - die Eiche blieb stehn.
(S. 96-98)
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Lilla's Klagen

Einst flohen ohne Klage,
Zu schön so schnell zu fliehn,
Die frohsten meiner Tage
Mir unumwölkt dahin;
Mir lachte jeder Morgen:
Da kannte meine Brust
Nur für die Freude Sorgen,
Gefühl nur für die Lust!

Sie, die auch noch im Leide
Mein ganzes Herz bewegt,
Die noch den Zug der Freude
Selbst unter Zähren trägt,
Sie, meiner Seele theuer -
Wie schnell, wie jugendlich
Ergoss ihr süsses Feuer
In meinen Busen sich!

O Liebe! damals blickte
Dein göttliches Gesicht,
Das Freud und Tugend schmückte,
So melancholisch nicht!
Da weint' ich andre Thränen!
Da - gutes armes Herz,
War süsser Liebe Sehnen
Dein einzger sanfter Schmerz!
(S. 99)
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Die Lieb ist ein Spiel

Von allen den Mädchen, die wohnten im Thal
Und sprangen auf Fluren und Au'n,
War keine wie Fanny so reizend von Haar,
Von Augen und Busen zu schau'n;
Kein Schäfer der Gegend ertrug ihren Blick,
Sie machte der Traurigen viel:
Denn ach! sie wies sie mit Kaltsinn zurück,
Und schalt die Liebe ein Spiel!

Doch Jockey, geübt in den Künsten der Lust,
Zu schwören, verläugnend das Herz,
Zu weinen, zu ächzen, zu sinken dahin
Getroffen vom zärtlichen Schmerz:
Doch Jockey sah Fanny, er seufzte, er schwur,
Er sprach von heissem Gefühl;
Sie kehrte sich von ihm: so brünstig er bat,
So schalt sie die Liebe ein Spiel.

"O Mädchen!" begann er, "mein Herz ist so treu!
Dir sagt, was ich fühle, mein Blick;
Die Schmerzen der Liebe verzehren diess Herz:
Gieb Mädchen mir Liebe zurück!"
Da sprach er vom Tode, da that er so zahm
Als er zu Füssen ihr fiel!
Sie seufzte, sie zitterte, weinte und sprach:
"Ist Liebe dir mehr als ein Spiel?"

Er siegte. Sie gab sich dem Falschen dahin:
"Dein bin ich, o Jockey, nun sey
Dem Mädchen um das du so lange gefreyt,
Sey Lieber auf ewig ihm treu!" -
Ach! aber ihr armes betrogenes Herz
Erlag der Schmerzen Gefühl
Als schnell ihren Armen der Flüchtling entfloh
Und rief: "die Lieb' ist ein Spiel!"
(S. 100-101)
_____



Herz und Augen
An Phyllis

Einst das Herz sprach zu den Augen:
"Lügner! wie ihr mich betrügt!
Immer soll ich Honig saugen,
Wo doch Gift verborgen liegt!
Eine Huldin soll ich finden
Wo ein Weib nur täuschend lacht,
Und an keinen Reiz mich binden
Den nicht ihr mir sichtbar macht!"

"Will der Ruh im Schoos ich liegen
Ha, da schweift ihr wild umher;
Schwazt von seligem Vergnügen
Das für mich zu finden wär:
Heisst mich alte Treu verhöhnen
Von verbotner Glut entbrannt,
Und beweist mit falscher Thränen
Freuden, die ich nie gekannt!" -

Und die Augen: - "Schweigst du nimmer?
Ach wir sähen hell und klar,
Bötest du nur, Thor! nicht immer
Dein gefärbtes Glas uns dar!
Werden nicht die süss'sten Triebe
Nur durch uns dir eingestreut?
Oder hat ein Blick der Liebe
Dich wohl jemals noch gereut?"

"Aber du Verräther lehrest
Schönheit, die nicht ist, uns sehn;
Heisest, wo du gern dich nährest,
In verbotnes Land uns gehn:
Lehrst in falscher Thrän' uns rühren,
Machst uns frech - uns, sonst so scheu!
Machst uns, ach! den stärksten Schwüren
Ewger Liebe ungetreu!" -

Holde Phyllis, Herz und Augen
Wurden Freund' als sie dich sahn;
Süsse Wonne einzusaugen
Wagten beyde dir zu nahn:
Du, die ganz ist was sie scheinet,
Wurdest beyder Siegerin,
Beyde gaben dir vereinet
Willig Zank und Freyheit hin.
(S. 102-104)
_____



Der süsse Tod

- Haesimus calentes
Et transsudimus hinc et hinc labellis
Errantes animas! -
Petron

Sanft in dem blühenden Hayn
Sanft murmelt ein Bächlein im Moose,
Da sass sie mir zitternd im Schoose
Bey nächtlichem Mondenschein.

Sie drückte mich fest an die Brust,
Da hob sie sich leise, da irrten
Die Augen umher, da verwirrten
Mich süsse Gefühle der Lust.

Die Nachtigall flötet' ihr Lied;
Da lagen wir Mund am Munde
In stiller seliger Stunde
Von Flammen der Liebe durchglüht.

Da tauschten die Seelen sich um,
Und suchten, vergessend des Lebens,
Die Sprache der Zungen vergebens:
Da wurden die Lippen so stumm!

Es schlossen die Augen sich zu:
Es wollten die Sinnen entrinnen,
Da war's uns als wollten beginnen
Die Wonnen elysischer Ruh!

Ist dieses Ihr Götter der Tod,
So lasset, ach lasset mich scheiden!
Gern geb ich die irdischen Freuden
Für Freuden die dieser mir both!
(S. 105-106)
_____



Hans

Was Grethe wollte möcht' ich wissen;
Sie folgt mir immer auf den Füssen
Wo ich nur geh und stehe nach:
Kneip ich ein Mädchen in die Backen,
Husch ist mir Grethe auf den Nacken
Und brummt und schmollt den ganzen Tag.

Wann ich dort bey der grossen Buche
Mir etwas frische Blumen suche,
Gleich ist sie da, und pflückt sie ab:
Lezthin verlohr sie's Halstuch drüber,
Ich nahm's - da lachte sie darüber,
Und knipp mich bis ich's wieder gab.

Sie pochte gestern an mein Fenster, -
Erst dacht' ich 's wären Gespenster -
Rief: "Wo so spät her in der Nacht?"
Sie rief: "ich suche meinen Kater!"
Da musst' ich lachen, denn ihr Vater
Der hatt' ihn längst in's Haus gejagt!

Kurz, sie neckt mich vor andern allen;
Ich glaub' ich hab' ihr gar gefallen,
Und sie hatt's nicht zu sagen Muth:
Hm! Wenn sie mir's noch sagen sollte
Und ihre Noth recht klagen wollte, -
Ich glaub' ich würd' ihr doch wohl gut!
(S. 107-108)
_____



Liebessold

Sold der Liebe zu gewinnen
Musst du dulden Hitz' und Frost,
Musst gewöhnen deine Sinnen
So zum Wasser wie zum Most:
Oefters muss dein Antlitz klagen
Ob auch's Herz im Busen lacht,
Wenn auch Sorgen es zernagen
Sey auf heitern Blick bedacht!

Achtsam deiner Göttin nahend
Musst du bald voll Ehrfurcht stehn,
Bald mit Freuden sie umfahend
Sie in raschen Sprüngen drehn:
Wenn sie klagt so musst du weinen,
Lachen wenn sie fröhlich ist;
Das nur immer vor ihr scheinen
Was im Herzen selbst sie ist.

Wie an einem Gängelbande
Lass dich leiten hin und her;
Zu gewinnen Liebespfande
Sey dir keine Müh zu schwer;
Kleine Dienste fleissig übe,
Denn es wird, wo Liebe wohnt,
Kleiner Dienst von Gegenliebe
Oft mit hohem Sold belohnt.

Aber sey vor allen Dingen
Stets ein Muster wahrer Treu!
Treue hilft sie dir erringen
Dass sie dir ergeben sey:
Treue macht dich ihren Blicken
Angenehm, ihr Herz dir hold;
Treue lehrt sie dich entzücken
Mit dem schönsten Liebessold.
(S. 115-116)
_____



An Traumantia
Nach Jul. Caes. Scaliger

Beym Spiel der Liebe raubte
Ich schlau zwey Küsse dir,
Und Mädchen, zwey erlaubte
Dein Mund gezwungen mir,
Und zweye noch gewährte
Bewegt von Lieb' und Scherz,
Eh ich sie selbst begehrte,
Freywillig mir dein Herz.

Auch meine Lippen fühlten
Zwey Küsse sich entwand;
Zwey nahmst du als wir spielten
Trotz meinem Widerstand;
Und als dann hingerissen
Mich schnell dein Arm umfing,
Da war's wo mit zwey Küssen
Mein Mund dich noch empfing.

Und nun! - Nun zürnt die Spröde!
Bereut das süsse Spiel;
Was soll die schnelle Röthe? -
Gabst du mir wohl zu viel? -
Du schlägst die Augen nieder?
Ich kenne diesen Blick! -
Nimm deine Küsse wieder!
Gieb meine mir zurück!
(S. 117-118)
_____



An Daura

Daura! wenn mich oft in einsamer Stunde
Schwermuth mächtig beschleicht,
Und der Gram sein Gefieder düster und schwer
Ausbreitet über mein Herz;

Und Gedanken meine Seele dann foltern,
Schwarz wie Schrecken der Nacht,
Dass mich Schauder ergreift, und kaum noch mein Herz
All' seinen Jammer erträgt;

Dann, dann rufet, gütig lindernd die Quaalen,
Oft dein göttliches Bild
Phantasie mir in's Herz: des Lichtes ein Stral
Dringt durch die Schrecken der Nacht.

O, dann thränt mein Auge, scheltend im Eifer
Das kleinmüthige Herz:
"Wie? du jammerst, du zagest in einer Welt
Wo deine Daura dich liebt?"
(S. 119-120)
_____



Einladung zur Liebe

At nos vivamus mea Lesbia, et amemus!
Catull

Komm süsses Mädchen, liebe
Das Herz das für dich glüht!
O sieh, der Tag ist trübe
Der ohne Lieb' entflieht,
Und schöner lacht der Morgen,
Hüpft froh das bunte Heer
Verliebter süsser Sorgen
Vor seinem Tritte her!

O komm an meine Seite!
Uns locket die Natur
Wollüstig, im Geleite
Des Frühlings auf die Flur:
Du hörst die Nachtigallen,
Siehst ämsig durch den Hain
Den West in Blüthen wallen
Um sie auf uns zu streun,

Du siehst den Geist der Liebe
Der durch die Wesen bebt,
Und fühlst von seinem Triebe
Dein junges Herz belebt:
Mit Thränen in den Blicken
Sinkst du voll süsser Lust
Und sprachlos für Entzücken
An des Geliebten Brust!

Wenn wieder zum Kamine
Der rauhe Nord uns scheucht,
Wo mit vertrauter Miene
Die Freundschaft zu uns schleicht,
Durchküßt und durchempfunden
Flieht dann, und reicht im Fliehn
Der Zirkel froher Stunden
Der Unschuld Kranz uns hin.

So komm dann, komm und liebe
Das Herz das für dich glüht;
Wie ist das Leben trübe
Das ohne Lieb' entflieht!
Wie lacht der Zukunft Morgen,
Hüpft froh das bunte Heer
Verliebter süsser Sorgen
Vor seinem Tritte her!
(S. 121-122)
_____



Rinaldo an Armide

Armide meine Göttin! sieh
Wie alles alles um uns blühet;
O fühlst du wie die Melodie
Des Hayns das ganze Herz durchglühet? -
O Mädchen! Schöpfrin meiner Lust!
Du frische jugendliche Rose!
Du mein? - Ich, in Armidens Schoose? -
Du drückest mich an deine Brust?

Zu hangen so an deinem Blick! -
O welch ein göttliches Vergnügen!
Mit jedem neuen Augenblick
Saugt dieses Aug' in vollen Zügen
Aus deinem, seligen Genuss;
Es seufzt mein Herz, zu schwach der Freude;
Du reichest mir die Hand, ich weide
Verzehrend mich an deinem Kuss!

Dann lachst du, holde Zauberin,
Ein neues jugendliches Leben
Dem liebekranken Jüngling hin
In einem einz'gen Blick zu geben.
Dann, von Genuss und Sehnsucht warm
Wag ich zu dir hinauf zu klimmen,
Seh Thränen dir im Auge schwimmen,
Und sink' aufs neu in deinen Arm.

So schleicht in süsser Träumerey
Des Lebens Frühling mir vorüber:
Mit jedem Tage mir getreu
Bin ich mit jedem Tag' dir lieber.
Umsonst umsonst ruft Ehr' und Ruhm
Mich aus dem stillen süssen Frieden;
Mein Ehr' und Ruhm ist in Armiden,
Und ich Armidens Eigenthum!
(S. 123-124)
_____



Das Glück verflossner Tage

Wahre Lieb' ist doch ein Glück!
Denk an die vorige Zeit zurück! -
An die Zeit wo Herz an Herzen,
Blick an Blick sehnend hieng,
Wo, umringt von frohen Scherzen,
Hoffnung uns zur Seite gieng.
Liebe, freudenvolle Stunden!
Tage so von Schmerzen leer!
Wonne sonst so schön empfunden!
Warum seyd ihr jezt nicht mehr?

Wahre Lieb' ist doch ein Glück!
Denk an die vorige Zeit zurück! -
Von dem Arm der Lieb' umschlungen
Schien der Weg des Lebens leicht,
Jede Grille ward versungen,
Jeder Gram durch Scherz verscheucht.
Eingewiegt von Freuden schliefen
Sorgen tief in unsrer Brust,
Und die neuen Morgen riefen
Uns zu neuer schönrer Lust!

Wahre Lieb' ist doch ein Glück!
Denk an die vorige Zeit zurück! -
Sanfte selbstgewählte Banden,
Süsser wollustreicher Schmerz,
Treu, auch ohne Schwur bestanden,
Ketteten da Herz an Herz:
In dem seligsten Genusse -
Selten Sterblichen gewährt -
Schien den Reiz von einem Kusse
Nicht der Glanz von Welten werth.

Wahre Lieb' ist doch ein Glück!
Denk an die vorige Zeit zurück! -
Wenn der Liebe sanfte Zähre
Im beseelten Auge stand
O wie da die niedre Sphäre
Fürm Gefühl des Himmels schwand!
Wenn nach langer Trennung Tagen
Aug' und Herz sich wieder sahn,
Welch entzückendes Behagen
Fühlte man mit Liebchen nahn!

Wahre Lieb' ist doch ein Glück!
Denk' an die vorige Zeit zurück! -
Güldne Zeit! du bist verschwunden! -
Zwar der Liebe süssem Ach!
Schlichen leere trübe Stunden
Sonder Freuden traurig nach:
Aber selbst im Flohr der Leiden
Bleibt noch wahre Lieb' ein Glück,
Und das Herz ruft noch im Scheiden:
Denk' an die vorige Zeit zurück!
(S. 127-129)
_____



Epistel an Fanny

Du, die mit leichtem Fuss durch Blumenfelder eilt
Die in des Lebens Thal Dir schön entgegen spriessen,
Die, alle Freuden zu geniessen,
Ihr Herz mit allen Freuden theilt!
Warum verleugnest Du den süssesten der Triebe,
Warum schlägt Dein fühlbares Herz
Für Saitenspiel, für Tanz, für Lust und frohen Scherz,
Für alles - nur nicht für die Liebe?
Glaubst Du, die gütige Natur
Gab diesen Purpurmund Dir einst zum Sprechen nur?
Lieh dieser Augen Blau die Macht uns zu entzücken,
Zu kalten zu fühllosen Blicken,
Und hauchte Dir den Geist der Charitinnen ein,
Nicht um geliebt, bewundert nur zu seyn?

Was hilft Bewundrung Dir, bey der mit blassen Wangen
Ein Jüngling traurig um Dich schleicht,
In seinem Auge Dir sein schmachtendes Verlangen
Der Liebe heissen Wunsch in seinen Seufzern zeigt?
Dich schuf einst die Natur durch Lieb' ihn zu entzücken;
Ein Mädchen wardst Du drum: doch, willst Du Göttin seyn,
Soll Deinem Reiz er Weyrauch streun,
Thu was Göttinnen thun, und eil' ihn zu beglücken!
Du selbst Du fühlest dann die Lust
Voll Danks geliebt und glücklich Dich zu wissen,
Sie, die, bewundert zwar, allein sich unbewusst,
Bey ihrer kalten Marmorbrust
Statüen der Göttinnen missen.
So komm dann Mädchen, liebe mich,
Eh noch der Reiz von diesem Tag verstreichet,
Eh noch - entfaltet schon aus seiner Knospe - sich,
Jezt schön im Morgenschmuck, das Blatt der Rose bleichet!

Komm, reiche mir die sanfte seidne Hand,
Lass mich den ersten Kuss auf Deine Lippen drücken,
Und dann bethränten Aug's empor zum Himmel blicken
Der Herz mit Herz so innig fest verband,
Dann wollen wir bald in den ungewissen
Umschattungen des Hayns, bald auf der freyen Flur
Die hohen Reize der Natur
Im Arm der Zärtlichkeit geniessen.
Da, wo um Deinen Fuss die Silberwelle spielt,
Wo ein muthwillig Heer von Westen
Erwacht auf blüthenschwangern Aesten
Mit Balsamfittigen Dich kühlt,
Da hören wir, geschaffen zu empfinden,
In stillen unbelauschten Gründen
Des Haynes Lustgesängen zu;
Ich lagre mich in's Gras, und Du
Du wiegest Dich auf meinem Schoose,
Indess die Veilchen, die im Moose
Der junge May verbarg, dein trauter Jüngling pflückt
Und tändelnd Deine Brust und Deine Locken schmückt.

Doch sind vielleicht Dir diese Scenen
Zu schäferlich, liebst Du die reiche Harmonie
Von künstlichen erkauften Tönen
Mehr als des Hayns kunstlose Melodie;
Glaubst Du, mit Band und Federn Dich zu schmücken
Verleih den zauberischen Blicken
Noch höhern Reiz, als in dem braunen Haar
Das Veilchen das der Hayn gebahr:
So komm mit mir hin wo im bunten Kreise
Gesellschaftlicher Lust der frohe Städter lärmt,
Wo im Gefühl der Freude Thor und Weise,
Beseelt vom Trieb sich zu vergnügen, schwärmt;
Wo, schön geschmückt mit Rosenkränzen,
Einladend uns, sich Freuden jung und schön
Beym Saitenspiel, bey leichten Tänzen
Mit Jünglingen und Mädchen drehn,
Da fliehen Liebenden die schönsten Lebensstunden
Weit fröhlicher dahin in Zärtlichkeit empfunden,
Wo man dess, den man liebt, und süsser Hoffnung voll
Die Tage zählt, wo man ihn finden soll,
Und liebgewinnt den Ort, wo man ihn oft erblickte,
Nach allem geizt was sich auf ihn bezieht
Und willig jede Freude flieht
Die nicht mit uns auch ihn zugleich entzückte.
Dann, wenn Du liebst, bestürmt der Saiten Sinfonie
Dein weiches Herz mit ihrem ganzen Feuer,
Dann dünket Deinem Ohr die leichtre Melodie
Des sanfteren Gesangs weit lieblicher und freyer.
Dann fühlst Du wie empor Dein ganzes Herz sich hebt
Wenn eine Zähre Dir bereit hinabzugleiten
Im schwimmenden halboffnem Auge schwebt,
Indess wollüstig durch die Saiten
Der bange Klageton in Lust hinüber bebt.

Zu wissen - welch Gefühl! - wenn Julien wir weinen,
Dass noch ein andres Aug' in sanften Thränen schwimmt,
Dass noch in unsern Schmerz den seinen
Ein andres Herz sympatisch stimmt;
Dann in dem weiten Saal, wo mit dem Trieb zu glänzen
Der Trieb zur Lust ein jedes Herz durchbebt,
Und wo ein sorglos Heer, jezt in geschlungnen Tänzen,
Und jezt umher in schnellen Kreisen schwebt,
Zu wissen da, man sey geliebt: umher
Durch Hunderte das Auge rastlos drehen,
Und dann auf einmal freudiger
Zum Einzigen Geliebten hinzusehen; -
Umringt den holden Gegenstand
Von Schaaren, die ihm huld'gen zu erblicken,
Und da, so zärtlich ihre Hand
Die Jünglinge entbrannten Herzens drücken,
Zu wissen, dass dein Druck ihr dennoch mehr gefiel;
Voll von dem seligsten Gefühl,
So viel ihr immer Herzen fröhnen
Und sehnen sich, geliebt zu seyn,
Doch von dem Preis von allen Schönen
Zu wissen: Sie sey Dein! -
Dann von dem Jüngling, dem Dein junges Herz sich weihte,
So reizend sich ihm auch ein frey'rer Busen wies,
So viel ein Auge, schwarz und schalkhaft, hoffen liess,
So gern man ihn durch lose Schöckereyn
Und manches süsse Wort erfreute,
Zu wissen, er sey Dein! -
Und auf einander stolz, so Arm in Arm geschlungen,
Zu fliegen durch die Reihn! -
O Mädchen! denke Dir ganz die Beseligungen
Der Lieb' und fühle dann die Wange röther glühn,
Und komm - sie möchten bald auf ewig uns entfliehn! -
Und komm, sie alle zu geniessen!
Jezt lass uns unser Herz der Liebe weyhn;
Sie wird mit jedem Tag uns zärtlicher liebkosen,
Mit jedem Tag uns inniger erfreun,
Und ihres Füllhorns alle Rosen
Auf unsre Pfade streun,
Komm! fürchte nicht, der Trennung Kummer stöhre
Einst unsrer frohen Tage Lust!
Weinst Du auch dann des Scheidens bange Zähre,
Durchfoltert dann der Kummer meine Brust:
O, das Gefühl des Glücks so innig einst empfunden,
Wird unsre Herzen dann auch noch erfreun
Und durch die Nacht umwölkter Stunden
Genossner Freude Schimmer streun!
Sprich, sollt' einst Tyranney Dich zwingen,
Ein Band, das Du verwirfst, um Deine Hand zu schlingen,
Welch einen süssern Trost Dir dann Dein Herze giebt,
Welch einen stärkern Trost zu lindern Deine Leiden
Als den: "Ich kannt' einst bessre Freuden,
Ach, ich hab' einst, und unschuldsvoll geliebt!
Da flohen liebe heitre Tage
Vorbey mir unter Glück und Scherz;
Da war es gänzlich mein, das Herz
Um das ich jezt wollüstig traurend klage!
Uns trennte zwar ein widriges Geschick;
Allein, es blieb, dass es im Tod mich noch erfreue,
Ein Angedenken ohne Reue
Durch Unschuld schön, in dieser Brust zurück!" -

Doch Leiden sind nicht stets der Lohn der Liebe,
Es mischt oft das Geschick sie ihren Freuden ein
Um Seelen die es liebt, wenn einst des Kummers trübe
Zerstöhrte Wolke flieht, nur höher zu erfreun.
Und Mädchen, sprich was wird in schönen künft'gen Tagen
Dein liebevoll berauschtes Herz Dir sagen,
Wenn einst nach ungewisser Nacht
Die schönste Morgenröthe tagt,
An der Dich, seine Braut, sonst seine Schöne,
Der Jüngling, dessen Aug' an Deinen Blicken hängt,
Beym fröhlichen Gemisch der feyerlichsten Töne
Mit offnem Arm als Gatt' umfängt?
Die Liebe, deren Rosenbanden,
Wenn kleine, wenn getäuschte Seelen oft
Im niedern Triebe sie verkannten,
Am Tag gefürchtet mehr von vielen als gehoft
Verwelkt von den entweyhten Händen fielen,
Die Liebe wird geschmückt mit neuer Zauberey
Dann um Dich schweben, wird noch immer im Gefühle
Der jugendlichen Schwärmerey
Bey unserm Herde flehn, die Sorgen mit uns theilen;
Die Freundschaft wird auf ihr Geheiss
Zu unserm häusslichen ihr immer offnen Kreiss
In Stunden süsser Eintracht eilen:
Und wenn um Dich ein Heer von Kindern spielt,
Jezt diess zu seyn begann, diess nach und nach sich fühlt,
Singst Du von ihr gelehrt an deines Söhnchens Wiege,
Siehst Deine Töchter, siehst wie jeden ihrer Züge,
Der Mutter Reiz allmählich sanft durchwebt,
Bis sich bey vollen sechzehn Jahren
Ihr jungendlicher Busen hebt,
Und auf der freyen Stirn und in den braunen Haaren
Mit tausend Reizungen der Gott der Liebe schwebt.
Dann sind sie was Du warst; Du siehst in ihren Wangen
Dann Deine Wangen wieder blühn,
Siehst wie im schmachtenden Verlangen
Des Jünglings Herz sie an sich ziehn,
Und fühlst noch dann, wovon beseelt von heissem Triebe
Dich jezt mein Herz zu überreden wagt,
Was Dir mit einem Mund die ganze Schöpfung sagt:
Der süsseste Beruf, das schönste Glück sey - Liebe!
(S. 148-159)
_____



An Dieselbe

Umsonst, dass ich mirs noch verheele,
Umsonst, dass meine kranke Seele
In Banden, die sie brechen soll,
Gern halb nur noch verstricket bliebe -
Sie sind zu drückend für mein Herz und meine Liebe!
Ich muss Dich lassen! - Lebe wohl!

Leb wohl! - Ach, wenn Du meiner Lieder
Für Dich diess lezte liest, da schleicht
Von Deiner Wange sich vielleicht
Ein unverhohlnes Thränchen nieder:
Wie sehr Dein Zweifel mich betrübt
Lässt Dich vielleicht diess Blättchen sehen;
Du fühlst, mir sey zu viel geschehen
Und sprichst: "Er hat mich doch geliebt!" -

Ja, Mädchen! Was, Dich zu betrügen,
Auch immer Dir Dein Herz ersann;
Welch eine Schaar von bunten Lügen
In Deinem Zirkel sich entspann;
Was mancher Freund auch, Dir zu zeigen
Wie scharf sein Blick, wie schlau sein Kopf,
Von dem verschrie'nen armen Tropf
Und von dem Wankelmuth ihm eigen
Vertraulich warnend Dir erzählt;
Was Dir auch mit beredtem Munde
Von mir, kraft ihrer Herzenskunde,
Manch alt Matronchen vorgeschmält -
Ich habe Dich geliebt und liebe
Dich mit der reinsten Liebe noch!
Wär ganz noch Dein, wenn nicht diess Joch
Mir länger unerträglich bliebe:
Nicht weil, wie Du wohl selbst gewähnt,
Mein leichter Geist umherzufliegen
Um alle Schönen nur sich sehnt;
Der Biene gleich, die ohne Gnügen
Aus allen Blumen Honig saugt,
Der Ros' izt schwört, und durch die Lüfte
Zum Veilchen eilt, wenn seine Düfte
Das Veilchen ihr entgegen haucht:
Nein! Weil nach manchem bangen Tage
Vom Schmerz getrübt geweiht der Klage,
Als endlich nun das Schicksal sich
Mit mir versöhnt, und wo durch Dich
Die Freuden sich nur schöner zeigten,
In Deinem Anschaun mich zu freun,
Die Hand zu allen ihren Reihn
Die Freuden mir gefällig reichten;
Weil da, was nur die Zärtlichkeit
Mir eingab, Fanny, Dich zu rühren
Du, kalt bey allen meinen Schwüren,
Taub für die Seufzer, Dir geweiht,
Gleichgültig auf mich niederblicktest,
Weil kaumgeborne Wünsche Du
Mit Deinem Blick voll ernster Ruh
Mir in die Brust zurückedrücktest:
Und wagt' ichs, kleine Schmeicheleyn
Dem Haar so stolz empor gewunden,
Der Schleif' an Deine Brust gebunden,
Dem Kleide das Du trugst zu streun,
Du immer riefst, ich spotte Deiner;
Der süssen Liebesreden keiner
Du trautest; keinen Blick verstandst;
Und nur geschäftig Dich zu blenden,
Zu kränken mich, mir aus den Händen
Der Wahrheit hellen Spiegel wandst;
Weil jezt noch, wenn ein Blick der Liebe
Ein Wort mich heute hoffen heisst,
Mich sicher morgen Deine trübe
Gefurchte Stirn zurücke weisst;
Weil dieses Auge, das mir heute
Verheisst das schönste Morgenroth,
Mit solchem Ernst mir morgen droht,
Als ob's mit Ungewittern dräute,
Und, was so oft im Ernst und Scherz
Mir Deine Freundin sagt, mein Herz
So oft sie's sagt gern glauben wollte,
"Dass Du für mich empfindlich bist"
Nicht auf der Stirn zu lesen ist
Wo es am klärsten stehen sollte.

Sprich liebes Mädchen selbst, o sprich
Wer trüg das halb was ich getragen?
Wer litt nur halb so lang? - Wer schlich
Nach wenig Dir durchseufzten Tagen
Sich nicht so gut es ging davon?
Was hab' ich, der in deinen Banden
So lang' der Liebe Schmerz bestanden,
Was hab' ich endlich nun für Lohn?
Ist's der, dass, wo ich stand, ich stehe?
In ew'gem Kreiss mich um Dich drehe,
Und nirgends Dir mich nähern kann?
Dass, so wie Tag an Tag verrauschet,
Wie eine Woche schliesst sich an
An die, die gestern erst verran,
Mein Herz auf Gegenliebe lauschet,
Und keine doch erlauschen kann?
O, das noch länger zu ertragen
Müsst ich ein Engel oder Stein,
Ein Schwärmer oder Feiger seyn;
Müsst ich ein Herz im Busen tragen
Leer an Gefühl, an Ehre leer,
Ein niedres Herz, das fähig wär
Sich einem Mädchen aufzudringen,
Und Liebe, die ihm keine Kraft
Der reinsten Zärtlichkeit verschaft,
Durch Trotz sich endlich zu erzwingen.
O wär ein Mann wie der nicht klein
In deinem Aug', ein Wurm der Erden,
Werth wahrer Lieb' ein Spott zu seyn,
So warst Du's nie, geliebt zu werden!

Ich hass' ein Herz, das meinen Blicken
So bald ich's seh' entgegenwallt;
Und wär's voll süsser Allgewalt,
Geschaffen, Götter zu entzücken,
So ist das Auge mir verhasst
Das schmachtend lacht so bald ich winke;
So wie der Arm der mich umfasst,
Noch eh' ich ihm entgegensinke:
Dies Auge, dieser Arm, diess Herz,
Die eines Faunen frecher Scherz
Sogleich in Flammen setzen würde
Sind mir an Reiz leer, wie an Würde,
Fremd jedem feineren Gefühl,
Fremd jener seligen Empfindung
Der Liebe, die dem schönsten Ziel,
Der treusten innigsten Verbindung
Nur langsam sich zu nähern liebt;
Die weislich ihre Freuden schonet,
Und oft wenn sie ein Herz belohnet
Wo sie versagt am meisten giebt.
Allein, da eifrig zu beharren
Wo wir vom Ziele das wir sahn
Uns mehr entfernen nur als nahn,
Das, Fanny, gränzt zu sehr an Narren!
Das würdiget den Mann herab
Dem zu was mehr sein kurzes Leben
Als es für leeren Wahn zu geben
Die Macht verliehen, die 's ihm gab,
Und zeigt in dem, den du besieget,
Dir einen feigen Sklaven an
Den, Mädchen, wenn nicht alles trüget,
Dein Herz unmöglich lieben kann!

Ich wünschte diesem Herzen theuer,
Geliebt wünscht' ich von ihm zu seyn;
Nur kalte Achtung war dem Feuer
Das mir im Busen lag zu klein:
Zum Ersten konnt' ich Dich nicht rühren -
Wohl! um nicht beydes zu verlieren -
Denn ach! das kränkte mich zu sehr! -
Sag' ich Dir nichts von Liebe mehr.

Um wieder meine Ruh zu finden
Lernt' ich gern, wie man Dich vergisst;
Allein da das unmöglich ist
So lang noch Herz und Aug' empfinden
Will ich mich wenigstens bemühn
Nicht ganze Tag' an Dich zu denken;
Nicht wenn die Morgenträume fliehn
Dir meinen ersten Wunsch zu schenken;
Nicht da zu finden alles leer
Wo ich Dir zu begegnen meide:
Und wo ich Dich von ohngefähr
Erblickt, zu mäs'gen meine Freude.

Das Angedenken jener Zeit
Die mich in Dir so sehr erfreute
Geht mir indess mit Traurigkeit
Vereint, das weiss ich, stets zur Seite!
Erinnern werd' ich ewig mich
Wie Du mein Herz so ganz erfülltest,
In welchen Fesseln Du es hieltest,
Und wie ich lebte nur durch Dich:
Wie alles, was nur um Dich webte
So theuer meinem Herzen war,
Bis auf die Feder in dem Haar
Die schmeichelnd mir entgegenschwebte:
Wie ich die lange Gasse hin
Nach deinem Licht am Abend späh'te
Und sprach, "dort sizt die Zauberin!"
Und oft den Kopf zurücke drehte
Eh' mangsam ich vorübergieng:
Wie mir's so wohl war Dir zur Seite
Wenn ich im Tanze Dich umfieng:
Und schwand das Glück das mich erfreute,
Wie da mein Blick zur Erde hieng,
Wie mir's so bange ward, so trübe!
Wie trüg'risch schmeichelnd da die Liebe
Mir Träume schuf, so wonnevoll,
Dass ich mich jetzo noch betrübe
Dass diese Träum' ich missen soll!
Ja, ewig werd' ich es empfinden
Dass in der Zeit, die da verrann,
Mich süssres Glück liess Hoffnung finden
Als ich je wirklich finden kann!
Dass jene Glut, rein und verschwiegen,
Die ich so lang' in mir genährt,
Mir oft entzückendes Vergnügen
In stiller Einsamkeit gewährt;
Dass als mein Herz zuerst entbrannte
Ich schönre Freuden vor mir sah,
Als da, da ich, Dir täglich nah,
Nur - eine Freundin in Dir kannte!
Dass -

Doch was hilfts in eitlem Wahn,
In so verführerischen Bildern
Mir jene güldne Zeit zu schildern
Die doch nie wiederkehren kann?
Ein Einz'ges Wort von Dir! - und heute,
Noch heute eilten Lieb' und Ruh
Mit allen Scherzen im Geleite
Uns, beyde zu beglücken, zu! -
Du hast diess Wort mir nicht gegeben;
Nun wohl, ich trete hier zurück,
Nimm meinen Dank für alles Glück
Das meiner Seele Du gegeben;
Für jede Stunde die im Scherz
An Deiner Seite mir verrauschte;
Selbst für die Nächte, wo der Schmerz
Den Schlaf an meinem Haupt belauschte;
Für Deinen himmlischen Gesang;
Für Deine süssen Zauberreden;
Das Lächeln, meinen Gram zu tödten -
Für Alles Fanny - meinen Dank!
Und nun leb wohl!

Vielleicht ach! schläget
Ein zärtlich Herz noch wo für mich,
Das, was die Liebe mir durch Dich
Geraubt, zu meinen Tagen leget!
Ich geh diess Herz zu suchen; gehe,
Das weiss der Himmel! ungern! - stumm! -
Und seh, ob ich Dich folgen sehe
Mich ängstlich hier noch Einmal um! -
Du folgst mir nicht? - Nun wohl, so lebe,
O Fanny, Fanny! - Lebe wohl!
Ein gütevoller Himmel gebe
Dir was er Engeln geben soll!
Beseelt noch einst der Liebe Feuer
Du liebes kaltes Mädchen Dich,
So sey er, Deinem Herzen theuer
Dein Freund, nicht schlimmer nur als ich!
Wenn dann der Tag Dir einst erscheinet
Der Dich mit ihm verbindet, schleicht
Erinnrung vor'ger Zeit vielleicht
Sich in Dein Herz; Dein Auge weinet;
Wie sehr Dein Zweifel mich betrübt
Lässt Dich diess Angedenken sehen,
Du fühlst, mir sey zu viel geschehen,
Und rufst: "Er hat mich doch geliebt!"
(S. 160-170)
_____



An Fanny
Als sie sich über die Kürze des Frühlings
und die Länge des Winters beklagte

Mädchen, weine nicht dass unsre Fluren
Finsterniss umgiebt;
Sieh! die Sonne, die den Creaturen
Neues Leben giebt,
Kehret bald zurück, dann lauschet wieder
Dein begierig Ohr
Auf der kleinen Haynbewohner Lieder,
Und das Veilchen hebt sein Haupt empor.

Weine nicht, dass uns, kaum halbgenossen,
Schon der Lenz entflieht,
Dass die Rose, kaum der Knosp' entsprossen,
Schon verblüht:
Sieh, nach rauhen trüben Wintertagen
Kehrt ein neuer Frühling uns zurück,
Und er bringt auf seinem Siegeswagen
Alle seine Freuden uns zurück.

Aber klage, klage jeder Stunde
Die uns undurchküsst entflieht,
Die der gute Zeus uns nicht im Bunde
Mit Cytheren und mit Libern feyern sieht:
Klag ihr, und für sie zu büssen
Lass mich Dir
Zwiefach Deine Wang' in dieser Stunde küssen,
Und den Mund, o Mädchen, zwiefach Dir!
(S. 191-192)
_____



An Toinette
Bey Uebersendung einer Rose

Diess Röschen, das des Freundes Hand
Genährt von Morgenthaue fand,
Die Zierde seiner Blumenbeete,
Schickt er der schönen Toinette:
"Nimmt sie dich," sprach er, "freundlich an,
So sollst du, weil ich's selbst nicht kann,
Ihr tausend Mal den kleinen süssen
Corallenmund statt meiner küssen.
Statt meiner Seufzer hauche du
Ihr deine Nektardüfte zu:
Dann wird sie liebes Röschen dich -
Ihr Götter, wie beneid' ich dich! -
Wird dich statt meiner voll Entzücken
Am unverhüllten Busen drücken:
Hier finde - was mir Zeus nicht gab! -
Dein schönes wollustreiches Grab.
Doch wird sie frostig sich geberden,
Wirft sie sich voller Stolz zur Erden,
Verschmäht die Spröde dich und mich,
Dann Röschen, räch uns beyd' und stich!"
(S. 193-194)
_____



Kleine Versgen an den kleinen Amor

Ueber Wiesen,
Zwischen Bergen,
Unter Riesen,
Bey den Zwergen
Folgt mir, ach!
Amor nach:
Jagt in Eil
Schnell mich jezt,
Wezt den Pfeil
Und verletzt
Dann mein Herz,
Dass ich Schmerz
Drob empfinde.
O dem Kinde
Schön gebohr'n
Riss im Zorn
Ich die Augen
Aus dem Kopf,
Könnt ich Tropf
Es nicht brauchen!
Aeugelein
Kann es machen!
Und kann lachen,
Ach, so fein
Dass verliebt
Wenn's beliebt
Es sogleich
Arm' und reich'
Gross' und klein',
Jung' und alt',
Wohlgestalt'
Mägdelein
Es kann machen! -
Kindelein,
Sollst behalten
Aeugelein,
Wenn dem kalten
Mägdelein
Das ich minne
In die Sinne
Durch dein Lachen
Feuer ein
Stracks willst jagen,
Kindelein,
Sollst behalten
Deine feinen
Wohlgestalten
Aeugelein!
(S. 195-196)
_____



Die gepflückten Veilchen

Sie war die gefälligste Schöne,
Der fröhlichste Jüngling war er;
Sie sang in sein Flötengetöne,
Er tanzte voll Lust um sie her;
Sie lagen vereint unter Buchen,
Und seufzten vereint nach Genuss:
Da hub er an Veilchen zu suchen,
Und pflückte bey Spiel sie und Kuss!

Sie giengen am Abend nach Hause!
Er pfiff seinen Sorgen ein Lied,
Sie weinte in einsamer Klause:
"Die Veilchen sind alle verblüht!
Den May hat ein Sturmwind zerstöhret!
O tragt mich in's düstere Grab!" -
So klagt sie, und härmt sich, und zehret
Ihr jugendlich Leben bald ab!

Du armes, du liebliches Mädchen,
Sonst unter den Schwestern beym Spiel
Die fröhlichste Seele im Städchen,
Dich tödtet dein sanftes Gefühl!
O sey du ein Beyspiel der Jugend
Von zärtlichem fröhlichen Sinn:
Ein Schritt von dem Pfade der Tugend -
Und alles, ach! alles ist hin!
(S. 202-203)
_____



Der Abschied

Schleicht die Erinnerung der Freuden sonst genossen,
Als im Gefühl der Lust
Der schönsten Träume voll uns Tage schnell verflossen,
Sich noch in deine Brust;
Schwebt noch vor deinem Blick das Bild der süssen Scenen,
Wo mich an deiner Hand
Hier in der Freude Sitz, beglückt durch ihre Thränen,
Die Liebe wandeln fand;
Und tilgt der Scherze Chor, das jezt in Rosenkränzen
Auf der beblümten Flur
Wollüstig um dich buhlt, jezt in geschlungnen Tänzen,
Nicht jener Freuden Spur:
So gönne, gönne mir in dieser lezten Stunde,
Die mir zu fliehn befiehlt,
Noch diesen heisen Kuss, den weinend deinem Munde
Mein Mund Geliebte stiehlt!
Er, zitternd im Gefühl von jenen schönen Tagen
Wo nur ein seltner Blick
Von dir mein Alles war, bebt, schüchtern ihn zu wagen,
Vor diesem Kuss zurück!
Und stammelt, sonst so rasch, sein Mädchen dich zu nennen,
Jezt langsam, zweifelsvoll
Und fragend sollte dich ein Wort beleid'gen können,
Sein Leztes Lebewohl!
O Mädchen, lebe wohl! Mich reisst von deiner Seite
Des Schicksals grimme Wuth,
Ich weine fern von dir, bis nach gekämpftem Streite
Mein Geist im Tode ruht!
Geniesse du indess des glänzendsten Geschickes
Ganz deines Herzens werth,
Des Herzens, das für mich im Schoose seines Glückes
Gewiss noch Wünsche nährt,
Und wenn's auf seiner Flur ein zärtlich Paar gefunden
Das süsse Lieb umgiebt,
Mit einer Zähre seufzt: "So ward in süssren Stunden,
So ward ich auch geliebt!"
(S. 204-206)
_____



An Laura

Dich ruft die neubelebte Flur,
Dich der verjüngte Hayn
Im Schoos der lächelnden Natur
Dich deines May's zu freun.
Sey glücklich, wenn ihr süsser Reiz
Dein sanftes Herz durchdringt,
Die Au dir lacht, die Laube blüht,
Die Nachtigall dir singt.

Dir lispl' indess, was fern von dir
Die Freundschaft klagend sprach,
Oft ein getreuer West in's Ohr,
Dir rausch' es jeder Bach,
Und jedes Blümchen, das bethränt
Vom Thau dein Finger bricht,
Verwandl' in deinen Händen sich
In ein Vergissmeinnicht.
(S. 208)
_____


Aus: Gedichte von Friedrich Andreas Gallisch
Herausgegeben von J. F. Jünger
Leipzig bey Johann Gottlob Immanuel Breitkopf 1784

 

Biographie:

Friedrich Andreas Gallisch wurde den 28. August 1754 zu Leipzig, wo sein Vater Apotheker war, geboren. Er genoß seinen ersten Unterricht im väterlichen Hause von Privatlehrern, und sodann auf der Fürstenschule zu Pforte bei Naumburg, kehrte darauf nach Leipzig zurück, um auf der dortigen Universität Medicin zu studiren, wurde daselbst 1775 Magister der Philosophie, bald nachher Doktor, und wenige Monate vor seinem Tode außerordentlicher Professor der Arzneiwissenschaft. Er starb an den Blattern den 15. Februar 1783, im neun und zwanzigsten Jahre seines Alters.
Natur und Glück schienen ihn beide zu ihrem Lieblinge auserkohren zu haben. Zwar nicht im Ueberflusse, aber doch im Wohlstande von würdigen Eltern erzogen, die es ihm an keiner Nothwendigkeit fehlen ließen, und bei einem festen blühenden Körper kannte er die Widerwärtigkeiten des Lebens nur wenig. Sein Körperwuchs war männlich schön und vollkommen regelmäßig, jeder seiner Bewegungen war Leben und Thätigkeit, seine Stimme gefällig und wohlwollend; der feurige offene, heitere Blick seines dunklen Auges versprach jedem, der sich ihm näherte, den Mann von Geist und Herzen; seiner freien Stirn hatte die Wahrheit selbst ihren Stempel aufgedrückt. Er war höflich und zuvorkommend gegen Fremde, gefällig und dienstfertig gegen jedermann, offen und vertraulich gegen seine Freunde, nie gegen Höhere kriechend, oder bis zur Demuth höflich, nie gegen Niedere gebieterisch oder demüthigend stolz. Seine Gutherzigkeit, seine Menschenliebe kannten keine Grenzen. Seine höchste Wollust war, sich die ganze Menschheit als Eine Brüderschaft, die ganze ungeheure Masse der Schöpfung gleichsam als Eine Familie zu denken, worin sich nichts drückt und drängt, wo alles brüderlich und einträchtig beisammen wohnt, wo sich nichts zerstöhrt oder vernichtet. Diese Gesinnungen äußerten sich in allen Handlungen und in seinem ganzen Wesen. Wenn er so genöthigt war, bei seinen chemischen Versuchen einen Körper durch den andern zu zerstöhren, so konnte man es ihm ansehen, daß ihm das eine Art von mitleidigem Unwillen auspreßte; da hingegen die Freude auf seinem Gesichte deutlich sichtbar wurde, wenn ein paar andere Körper einander freundschaftlich aufnahmen, und sich ihrer Verwandschaft nach mit einander mischten. So schwärmerisch dieß vielleicht lautet, so ist es doch charakteristisch. Sein Verstand war hell und durchschauend, sein Scharfsinn immer thätig, seine Geisteskräfte umfaßten sehr viel. Sein gesundes Gefühl und seine richtige Unterscheidungskraft ließen ihm in jeder Wissenschaft, in jeder Kunst, die ihm aufstieß, bald das Interessanteste und Nützlichste auffinden. Alles das, was man bloß lernt, um es zu wissen, war ihm eben so gleichgültig, als trockene Spekulationen und mühsam aufgespürte Resultate, die den Kopf ermüden und beschweren, ohne ihn zu bereichern. Nie verließ ihn seine Heiterkeit des Geistes. Er blieb immer derselbe, er mochte sich an seinem Pulte, in seinem Laboratorium, oder mitten in einem, dem geselligen Vergnügen gewidmeten, Zirkel befinden. Ueberall, wohin er kam, wurde er mit offenen Armen empfangen; denn Scherz und Fröhlichkeit folgten ihm auf dem Fuße nach. Er hatte das seltene Talent, einen jeden seinem Geschmacke, seinen Einsichten und Kräften gemäß zu unterhalten. Dichtkunst und Musik waren in seinen Erholungsstunde seine Lieblingsbeschäftigungen. Schon in seinen Schuljahren waren die ältern und neueren Dichter seine Freunde, und in seinem reiferen Alter wurde er gar bald mit ihnen vertraut. Unter jenen waren Lukrez, Ovid, Tibull, Properz, Juvenal, Virgil, Theokrit und Lucian seine Lieblinge; unter diesen waren es die Engländer, und besonders die Italiener. Den letzteren lernte er vorzüglich die glückliche Wahl seiner Sylbenmaaße, die Leichtigkeit der Reime, und den fließenden Versbau ab, welche seinen Gedichten, die übrigens größtentheils Unschuld und Fröhlichkeit athmen, eigen sind.
Nur erst nach seinem Tode erschienen seine Gedichte, die vorher in Musenalmanachen und Taschenbüchern gestanden hatten, unter folgendem Titel gesammelt: Gedichte von Friedrich Andreas Gallisch, herausgegeben von J. F. Jünger. Leipzig, 1784. 8. (8 Gr.) Doch sind einige seiner besten Gedichte in dieser Sammlung nicht befindlich. Vergl. Allgem. deutsche Bibliothek, Bd. 70. Stck. 1. S. 180. Goth. gel. Zeit 1784, Stck. 101. S. 825.
Außerdem hat er selbst, doch ohne seinen Nahmen zu nennen, herausgegeben: Ein Dutzend leichter Erzählungen. St. Petersburg 1782. 8. Desgleichen den Roman: Nettchen Rosenfarb. Erster Theil, das Mädchen. Zweiter Theil, die Frau. Leipzig 1782. 1783. 8 (1 Thlr 4 Gr.) (...)
Aus: Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten
Herausgegeben von Karl Heinrich Jördens
Sechster Band Supplemente
Leipzig in der Weidmannischen Buchhandlung 1811 (S. 127-129)

 

 


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