Deutsche Liebeslyrik - Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2017 / 2018

(die neuesten Gedichte oben)




Die Liebe will immer Weihnachten feiern . . .

Nur die Liebe vermag den Wandel
vom Dunkelsein zur Lichtwerdung zu vollbringen.
Die Liebe will immer Weihnachten feiern,
will anzünden und angezündet werden,
beschenken und behangen werden
mit bunterlei Sternen.
Störe die Weihnacht nicht - über sie leuchtet
der Engel der Liebe ...

Trenne Liebende nicht -
über sie leuchtet der Stern der Weihnacht.
Es erlöschen so bald die Lichte der liebenden Herzen,
sie werden - wie vom Wehen - über Nacht ausgeblasen.

Die Liebe ist der holde Baum der Weihnacht;
er ist - in Wahrheit nicht käuflich noch umzupflanzen.
Er ist unser aller Liebesgut.
Immer neigt er seine strahlenden Zweige -
uns Liebe zu pflücken.
Sein leuchtendes Ebenbild zu werden,
möchte ich mir wohl wünschen,
immer wieder aufzuerstehen.

Else Lasker-Schüler (1869-1945)
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Glückes genug

Wenn sanft du mir im Arme schliefst,
Ich deinen Atem hören konnte,
Im Traum du meinen Namen riefst,
Um deinen Mund ein Lächeln sonnte -
Glückes genug.

Und wenn nach heißem, ernstem Tag
Du mir verscheuchtest schwere Sorgen,
Wenn ich an deinem Herzen lag
Und nicht mehr dachte an ein Morgen -
Glückes genug.

Detlev von Liliencron (1844-1909)
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An den unsterblich Geliebten

Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Aber ich weiß,
Du wartest auf mich
Jetzt und immer.
Wissend und gut.
Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.

Ich sehne mich nach dir,
Nach deinen sanften Händen,
Nach deiner frommen Schönheit,
Nach deiner klugen Güte.
O ich sehne mich nach dir.

Alles, was ich habe, will ich dir schenken,
Alles was ich denke, will ich dir denken,
Ich will dich lieben in allen Dingen,
Meine schönsten Worte will ich dir singen,
All meine Schmerzen und Sünden will ich dir weinen.
Meiner Seligkeit Sonnen werden dir scheinen.
Was ich bin, will ich dir sein.

Meine Träume sind voll deiner Zärtlichkeit.
Mein Blut singt süß deine Unendlichkeit.
Weiße Seele
Unsterblich Geliebter.

Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe,
Im Schauer meiner Ängste,
Im Lachen meines Glücks.

Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe.

Francisca Stoecklin (1894-1931)
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Was ich am liebsten hätte

Gäbe mir der Reiche Millionen,
Öffnete der Sultan seine Pforte,
Böte selbst der Kaiser seine Kronen,
Und der Weise seine schönsten Worte,
Könnt' ich für die stolzesten der Gaben,
Einen Kuß von deinen Lippen haben,
Ließ ich gerne Gold und Kaiser-Kronen,
Ließ die Türken in Serailen wohnen,
Und vergäße in der Lieb' Entzücken,
Hin nach Gold und Kaiserthron zu blicken.

Sophie Albrecht (1757-1840)

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Der Liebste

Ach Liebster, wie nur kannst Du
Empfinden Traurigkeit,
Da mich doch so unendlich
Du glücklich machst allzeit?

Du meine Sonne schenkest
Mir Kraft, Lebendigkeit
Und tust des Lichtes Quelle
Mir auf unendlich weit.

Aus meinen vollen Händen
Brillantenregen fällt,
Ich könnte schier beglücken
Die ganze weite Welt!

Aspazija (1865-1943)
lettische Dichterin

übersetzt von Matthias Knoll

Aus: Aspazija: Die roten Blumen · Sarkanās puķes
Gedichte Dzejoļi. Zweisprachige Ausgabe
(2. Kapitel: Pusdienas karstumā · In der Hitze des Mittags, № 3)
Aus dem Lettischen übertragen
und herausgegeben von Matthias Knoll
(c) literatur.lv / edition Berlin 2018
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Die Liebe

Ach, gibt es ein göttlicher Weh als die Liebe,
Gibt es ein köstlicher Glück als ihr Leid,
Streift sie auch nur mit dem Finger dein Kleid
Mitten im sinnlosen Straßengetriebe!

Liebe fühlt fein, wie ein Nackter im Grase,
Liebe im Aug' sieht den Winter noch grün,
Macht auch den Waffenlosen todkühn
Und trutzig dein Herz zum Prellstein der Straße.

Mehr als die Weisen kann Liebe begreifen,
Liebe gibt tausend Glühlampen dem Geist,
Liebe hat alle Sternbahnen bereist,
Liebe ist rund um das Weltall ein Reifen.

Mit dem Liebe gerungen, der nur ist Ringer,
Wer um Liebe gelitten, der nur hat Ruhm;
Wer die Liebe verschwiegen, der nur war stumm;
Wer aus Liebe gesungen, der nur war Singer.

Max Dauthendey(1867-1918)
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Die Liebe ist ein Edelstein

Die Liebe ist ein Edelstein,
Sie brennt jahraus, sie brennt jahrein,
Und kann sich nicht verzehren;
Sie brennt, so lang noch Himmelslicht
In eines Menschen Aug' sich bricht,
Um drin sich zu verklären.

Die Liebe hat der Sterne Macht,
Kreist siegend über Tod und Nacht,
Kein Sturm, der sie vertriebe!
Und blitzt der Haß die Welt entlang,
Sie wandelt sicher den alten Gang,
Hoch über den Wolken, die Liebe!

Georg Herwegh (1817-1873)

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Neue Liebe

Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
So voll Unruh und zerstreut,
Als käm' über Berge selig
Schon die schöne Frühlingszeit?

Weil ein liebes Mädchen wieder
Herzlich an dein Herz sich drückt,
Schaust du fröhlich auf und nieder,
Erd' und Himmel dich erquickt.

Und ich hab' die Fenster offen,
Neu zieh in die Welt hinein
Altes Bangen, altes Hoffen
Frühling, Frühling soll es sein!

Still kann ich hier nicht mehr bleiben,
Durch die Brust ein Singen irrt,
Doch zu licht ist's mir zum schreiben,
Und ich bin so froh verwirrt.

Also schlendr' ich durch die Gassen,
Menschen gehen her und hin,
Weiß nicht, was ich tu und lasse;
Nur, daß ich so glücklich bin.

Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)
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Wenn je wir nicht mehr liebten, wie wir lieben ...

Wenn je wir nicht mehr liebten, wie wir lieben,
Wenn je du mich vergäßest, ich dich ließe,
Dann glaubt' ich keinem Gott mehr, wie er hieße,
Keins seiner Worte mehr, wo's auch geschrieben.
Dann glaubt' ich nicht an Zeichen mehr und Sterne,
Und keinen Schwur mehr, den die Menschheit schwört -
Ach, auf mein Herz horcht' ich nur noch von ferne,
Wie man den Specht im Walde klopfen hört.
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Ich werde nicht in deinem Herzen satt,
Nicht satt an deiner Küsse Glutergießen.
Ich will dich, wie der Christ den Heiland hat:
Er darf als Mahl den Leib des Herrn genießen.
So will ich dich, o meine Gottheit, haben,
In meinem Blut dein Fleisch und Blut begraben.
So will ich deinen süßen Leib empfangen,
Bis du in mir und ich in dir vergangen.
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Was für ein Feuer, o was für ein Feuer
Warf in den Busen mir der Liebe Hand!
Schon setzt es meinen zarten Leib in Brand
Und wächst an deiner Brust doch ungeheuer.
Zwei Fackeln lodern nun in eins zusammen:
Die Augen, die mich anschaun, sind zwei Kerzen,
Die Lippen, die mich küssen, sind zwei Flammen,
Die Sonne selbst halt ich an meinem Herzen.

Ricarda Huch (1864-1947)
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Tanze mit mir!

Komm, tanze mit mir! In den Flackerschein
meiner wilden Wünsche hüll ich Dich ein.
Die Geigen locken so süß, so leis,
ich bin so jung und ich bin so heiß
und ich schenke Dir in der einen Nacht,
was Deine Sehnsucht nie sterben macht.
Tanze mit mir!

Und lache mit mir und gieb mir Wein!
In mein goldnes Märchenhaar spinn ich Dich ein.
Ich bin so bleich – nun küsse mich rot,
küß meine wühlende Sehnsucht tot,
die in mir aufschluchzt mit zitterndem Laut. –
Der, den ich liebe, – der küßt seine Braut.

Eddy Beuth (1872-1938)
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Suleika

Ach, um deine feuchten Schwingen,
West, wie sehr ich dich beneide:
Denn du kannst ihm Kunde bringen,
Was ich in der Trennung leide!

Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen;
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Stehn bei deinem Hauch in Tränen.

Doch dein mildes, sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlider;
Ach, für Leid müßt ich vergehen,
Hofft ich nicht zu sehn ihn wieder.

Eile denn zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen;
Doch vermeid, ihn zu betrüben,
Und verbirg ihm meine Schmerzen.

Sag ihm, aber sags bescheiden:
Seine Liebe sei mein Leben;
Freudiges Gefühl von beiden
Wird mir seine Nähe geben.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Der süsse Tod

Sanft in dem blühenden Hayn
Sanft murmelt ein Bächlein im Moose,
Da sass sie mir zitternd im Schoose
Bey nächtlichem Mondenschein.

Sie drückte mich fest an die Brust,
Da hob sie sich leise, da irrten
Die Augen umher, da verwirrten
Mich süsse Gefühle der Lust.

Die Nachtigall flötet' ihr Lied;
Da lagen wir Mund am Munde
In stiller seliger Stunde
Von Flammen der Liebe durchglüht.

Da tauschten die Seelen sich um,
Und suchten, vergessend des Lebens,
Die Sprache der Zungen vergebens:
Da wurden die Lippen so stumm!

Es schlossen die Augen sich zu:
Es wollten die Sinnen entrinnen,
Da war's uns als wollten beginnen
Die Wonnen elysischer Ruh!

Ist dieses Ihr Götter der Tod,
So lasset, ach lasset mich scheiden!
Gern geb ich die irdischen Freuden
Für Freuden die dieser mir both!

Friedrich Andreas Gallisch (1754-1783)
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Der Geliebten

Ich dachte Dein,
Wo heil'ger Vorzeit Schauer wehen
Im grünen Hain, auf luft'gen Höhen:
Denkst Du auch mein?

Ich dachte Dein,
Trotz manchem schönen Frauenbilde
Im Saal, im Garten, im Gefilde;
Denkst Du auch mein?

Ich dachte Dein,
Wo hoch sich Burgruinen thürmen
Als feste Wehr in Kampf und Stürmen:
Denkst Du auch mein?

Sie denket mein!
Es tönt mir, gleich der Harf' im Winde
Durch diese Flur und stillen Gründe:
"Sie denket Dein!"

Und denkst Du mein,
So harr' ich aus in Leid und Sehnen:
Verschwinde jedes eitle Wähnen!
Ich denke Dein!

Karl Geib (1777-1852)
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Liebestaumel

Was geht die ganze Welt mich an,
Wenn ich die Holde sehen kann?
Herab zu mir, herabgebracht
Ist Paradies durch Liebesmacht!

Lach mir, du blaues Auge, du!
Raub meinem Herzen alle Ruh!
Ich schwimm' im Liebesmeer dahin;
Und doch ist mir so wohl im Sinn!

Laß küssen, laß umarmen dich!
O Paradieseswonn' um mich!
Laß leben ewig mich bey dir!
Sonst gib den Tod, du Holde mir!

Johann Martin Miller (1750-1814)
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Liebe

Schön'res gäb' es, als die Liebe?
Wie sich Blüth' mit Blüthe einet,
Lebt das Herz auch gern vereinet
Unter duft'gem Kranz der Liebe.
Alle Stern' ihn treu bewachen,
Und es flattert Kuß und Lachen,
Leiser Scherz und süßes Weinen
Sanft um's Herz glücksel'ger Jugend.
Was auch groß uns mög' erscheinen:
Liebe ist die schönste Tugend.

Matthäus von Collin (1779-1824)
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Liebeslied

Küsse mich - küß mich lang und heiß,
Bis dies Herz, dies wild erregte,
Dies von Sorgen dumpf bewegte,
Wie von Lethes Fluten trunken
Tief in deinen Schoß gesunken,
Nichts von Qual und Sorgen weiß -
Küß mich lang - küß mich heiß!

Küsse mich - küß mich lang und süß;
Aus der Ruh', die du gegeben,
Wecke wieder mich zum Leben,
Daß ich wachend, Stund' auf Stunde,
Leben trinke dir vom Munde,
Du mein Erdenparadies -
Küß mich lang - küß mich süß!

Küsse mich - küß mich immerdar,
Daß, wie Lipp' auf Lippe schließet,
Dasein ganz in Dasein fließet,
Ewigkeit den Bund uns segne,
Kein Verlieren uns begegne -
Nimmer Trennung - nimmerdar -
Küß mich immerdar.

Ernst von Wildenbruch (1845-1909)
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Liebes-Allmanach

Lieb' ist seliges Verschulden,
Lieb' ist himmlisches Erdulden,
Lieb' ist Leben, Lieb' ist Tod,
Lieb' ist Wonne, Lieb' ist Noth,
Lieb' ist Himmel, Lieb' ist Hölle,
Lieb' ist Feuer, Lieb' ist Welle,
Lieb' ist Anfang, Lieb' ist Ende,
Lieb' ist Schöpfungs-Sonnenwende,
Lieb' ist Leib und Lieb' ist Seele,
Lieb' ist's, liebste Ariele,
Lieb' ist's, die um Mitternacht
Dieses Lied für dich erdacht.
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Erste Liebe

Niemals hab' ich geliebt, o Geliebteste, wie ich dich liebe:
Wahr und gewiß ist das Wort, glaub' es dem Ariel nur!
Oft zwar hast du gefragt, woher mir die Liebe gekommen?
Weiß ich es selber, woher? - Grübele nicht, sie ist da!
Und so besitze dieß Herz, wie des Monds, der Gestirne Besitzthum,
Deren Geschenk dich erfreut, aber dich nimmer verletzt!
Wandl' im verschwisterten Licht mit Ariel, süß' Ariele!
Jegliche Trennung von dir - Finsterniß bringt sie und Tod.

Johannes Daniel Falk (1768-1826)
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Behandelt die Frauen mit Nachsicht!

Behandelt die Frauen mit Nachsicht!
Aus krummer Rippe ward sie erschaffen,
Gott konnte sie nicht ganz grade machen.
Willst du sie biegen, sie bricht;
Läßt du sie ruhig, sie wird noch krümmer;
Du guter Adam, was ist denn schlimmer? -
Behandelt die Frauen mit Nachsicht:
Es ist nicht gut, daß euch eine Rippe bricht.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Gegrüßt, gegrüßt, ihr vollen Fluten

Gegrüßt, gegrüßt, ihr vollen Fluten
Aus weitem, heil'gem Liebesmeer,
Gegrüßt, ihr Flammen und ihr Gluten,
Ich laß euch nimmer, nimmermehr;
Wer einmal von der Flut getrunken,
Wem von den Flammen nur ein Funken
Ins Herz gesunken, läßt euch nicht,
Strömt über, strahlt mit goldnem Licht!

Gegrüßt, o blaue Lenzeswonne,
O Sommerhimmel, goldig licht,
Gebt unsrer Liebe Duft und Sonne,
Laßt euer ewiges Gedicht
Ins hohe Lied der Gottheit rauschen,
Von Liebesgeben, Liebestauschen -
Die Welt, die Zeit, dahin, dahin -
Ein Sein, ein Herz, ein Kuß, ein Sinn!

Gegrüßt, o Herz, du heißes, wildes,
Zu dem das meine drängend spricht,
Wirf ab die Wucht des spröden Schildes,
Der vor der Liebe doch zerbricht,
Du kannst dich schützen nur im Geben,
Wir können nur im Sterben leben -
Mein Ich, dein Ich - dahin, dahin -
Ein Sein, ein Herz, ein Kuß, ein Sinn!

Adolf Stern (1835-1907)
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Heimlicher Jubel

Süsser, – Einziger, – Grosser, – Schöner!
Mein Herz bricht vor Glück, wenn ich dich denke!
O gib – o schenke,
Ein leises Grüssen der Fernen!

Herrlicher, Süsser, Schöner.
Der du Grosses erstrebst!
Ich jauchz es bis zu den Sternen:
Wie schön ist die Welt, weil du lebst!

Elsa Asenijeff (1867-1941)
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Es küssen Himmel und Erde

Es küssen Himmel und Erde
In einem Worte sich,
Das heißt im Himmel: "Es werde!"
Auf Erden: "Ich liebe dich!"
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Nie einen Kuß!

Nimm nie zum Abschied einen Kuß,
Das wär' ein Punkt, es wär' ein Schluß.
Mußt einen Doppelpunkt erringen,
Dann mög' der Nachsatz Glück dir bringen.
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Deinem Sterne einen Gruß

Deinem Sterne einen Gruß
Der so golden und blank,
Deinem Engel ein Lob!
Deinem Glück einen Dank!
Deinem Los ein Gebet!
Deinem Leben ein Heil!
Deinem Herzen die Lieb!
Und der Himmel dein Teil!

Peter Cornelius(1824-1874)
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Wer freundlich ist, auch gerne küßt

Küssen kann uns verbinden,
küssen rühret Mund und Brust,
küssen, küssen machet Lust,
küssen kann uns überwinden,
küssen macht die beste Treu,
küssen machet alles neu.

Solches merkt ich neulich eben,
Da ich mit Betrug und List
Eine schöne Nymphe küßt!
Ei wie stärkte sich mein Leben,
Als ich sie so wohl berückt
Und an meinen Mund gedrückt.

Sie tat zornig und ich lachte,
Weil mein ungewaschen Maul
Sich erwiese gar nicht faul,
Sondern so behende machte,
Daß ihr zuckersüßer Mund
Gleich auf meinen Lippen stund.

O wie zappelte mein Herze!
O wie lieblich kam mirs für,
Daß ich eine solche Zier
Unverhofft im stillen Scherze,
So erschlenderte fein sacht
Und um einen Kuß gebracht!

Wahr ist's, daß ich mich ergötzte,
Als mir neulich nicht geschehn,
Denn bei ihrem Sauersehn
Machte sie, daß ich mich letzte,
Weil bei ihrer Lieblichkeit,
Halber Zorn war eingestreut.

Und darüber mußt ich gehen;
Als ich nun nach Hause kam,
Und mir was zu Sinne nahm,
Konnt ich weder gehn noch stehen,
Sondern setzte mich gleich hin,
Ganz mit einen andern Sinn.

Saß auch eine lange Stunde,
Da ich nichts nicht anders tat,
Als nur mit den Füßen trat,
Und mit still und stummem Munde,
Stets die Lippen angeleckt,
Und mich hin und her gerekt.

Wär ich nicht verstöret worden,
Weil gleich jemand zu mir kam,
Und mich bei den Händen nahm,
Sagend: was ist das für Orden?
Säß ich, halt' ich, noch allein,
Und beleckte mich so fein.

Schaut ihr Nymphen, solche Lippen
Seind euch worden anvertraut,
Daß fast unsre ganze Haut
Sich zerstößt an diesen Klippen,
Wo ihr aber selber wollt,
Macht ihrs feiner, als ihr sollt.

Küßt derhalben immer wieder,
Wenn euch etwan jemand küßt
Weil ihr nichts hierbei vermißt,
Als daß eure Augenlieder
Müßen auf und niedergehn,
Küßen steht doch allzeit schön.

Adam Krieger (1634-1666)
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Lesebuch

Wunderlichstes Buch der Bücher
Ist das Buch der Liebe;
Aufmerksam hab ichs gelesen:
Wenig Blätter Freuden,
Ganze Hefte Leiden;
Einen Abschnitt macht die Trennung.

Wiedersehn! ein klein Kapitel,
Fragmentarisch. Bände Kummers,
Mit Erklärungen verlängert,
Endlos, ohne Maß.
O Nisami! - doch am Ende
Hast den rechten Weg gefunden;
Unauflösliches, wer löst es?
Liebende, sich wiederfindend.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Kein süßres Wort

Die Sprache hat kein süßres Wort erfunden,
Als wenn vertraulich Du die Lippen sagen,
Bald zuversichtlich nach beglückten Stunden,
Bald schüchtern, wenn sie's, kaum erst hoffend, wagen.

Denn was je mit dem Andren wird verbunden
An seligem Gefühl in Wonnezagen,
Wird in die Eine Sylbe eingewunden,
Wie Blumenstrauß, den Mädchenbusen tragen;

Und diese goldenduftge Blütenfülle
Wird auf das eigne Wesen dann bezogen,
Dem Du entspricht ein Ich; man fühlt ein Wogen

Von Trunkenheit in heilger Wonne Stille.
Denn Du und Ich, zu Wir vereint zusammen,
Hebt über der Gestirne Aetherflammen.

Wilhelm von Humboldt (1767-1835)
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Liebeslied

So schön wie du ist die Birke nicht,
aber sie hat doch dein Gesicht,

wenn sie nachts aus dem Dunkel schaut,
ganz von Liebe und Licht betaut.

O wäre ich ein Vogel, in ihrem grünen Haar
würde ich singen die tausend Jahr.

 Alfons Petzold (1882-1923)
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Getrennter Liebender Gebet zueinander

Komm auch heute zu mir
bleibe auch heute bei mir.
Begleite jeden meiner Schritte
heilige mir jeden Schritt.
Hilf mir, daß ich nicht in Stricke
falle noch strauchle.
Hilf mir stark und schön bleiben,
bis ich dich nächsten Morgen
so wieder bitte.
Durchdringe mich ganz mit dem Licht,
das du bist.
Wohne in mir wie das Licht in der Luft.
Auf daß ich ganz dein sei -
Auf daß du ganz mein seist
auch diesen Tag.

Christian Morgenstern (1871-1914)
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Alle Birken grünen ...

Alle Birken grünen in Moor und Heid,
Jeder Brahmbusch leuchtet wie Gold,
Alle Heidlerchen dudeln vor Fröhlichkeit,
Jeder Birkhahn kullert und tollt.

Meine Augen, die gehen wohl hin und her
Auf dem schwarzen, weißflockigen Moor,
Auf dem braunen, grünschäumenden Heidemeer
Und schweben zum Himmel empor.

Zum Blauhimmel hin, wo ein Wölkchen zieht
Wie ein Wollgrasflöckchen so leicht,
Und mein Herz, es singt sein leises Lied,
Das auf zum Himmel steigt.

Ein leises Lied, ein stilles Lied
Ein Lied, so fein und lind,
Wie ein Wölkchen, das über die Bläue zieht,
Wie ein Wollgrasflöckchen im Wind.

Hermann Löns (1866-1914)
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Ha! dieser süsse Aufruhr aller Sinnen . . .

Ha! dieser süsse Aufruhr aller Sinnen,
Dies Drängen, Streben, Schmachten und Zerrinnen
In heissen Thränen, die die Liebe weinet
So uns vereinet,

Sie lässt uns nie der Ruhe Glück geniessen,
Bis Herz an Herz sich wonnevoll wird schliessen,
Und dieses Busens ungestümes Schlagen
Dir mehr wird sagen

Als tausend Worte dir bezeichnen können -
Wer kann das Unaussprechliche benennen? -
Vergebens streb' ich, Holder! dies Entzücken
Dir auszudrücken.
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Hier ruht dein Bild auf meinem Herzen,
Du, Mann der Liebe und der Schmerzen!
Der jetzt voll Grausamkeit mich flieht. -
Du fliehst umsonst -! denn meine Seele eilet
Dem Manne nach, der das Gefühl nicht theilet
Das ewig mir im Busen glüht.
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Könnt' ich dein Herz für mich allein gewinnen,
Ich tauschte nicht mit grossen Königinnen;
Ich würd' entzückt den Rest von meinem Leben
Für deine Küsse geben.
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Und doch bist du immer mir zugegen,
Wann dich gleich mein Aug' und Herz vermisst:
Ungeduldig schelt' ich dann den trägen
Stundenlauf, wo du nicht bey mir bist.

Wachend denk' ich dein, und seh' dich immer
Vor mir schwebend, wie dein süsses Bild
Jeden Raum in diesem kleinen Zimmer,
Jede Faser meines Herzens füllt.

Susanne von Bandemer (1751-1828)
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Nun sieh Dein Werk ...

Du botst mir deinen Mund zum Kusse dar
und ich sprach "Nein", zum Trotz den wilden Gluten,
die, seit der Stunde, wo ich dich gesehn,
mein ganzes Sein wie Lavastrom durchfluten.

Die mich verzehren, mir die Seele fast
versengen wie mit Fegefeuerbränden;
ich weiß es ja, die tolle Leidenschaft,
die Sinnenglut für dich wird niemals enden.

Du selber in vermeßnem, eitlem Spiel
hast, als wir einst das erste Mal zusammen,
den Funken, bis er brannte, aufgeschürt!
Nun sieh dein Werk - - ich steh in hellen Flammen!

Else Galen-Gube (1869-1922)
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Pfingsten

Der kühle Morgen ist erwacht,
Die Sonne kämpft die Nebenschlacht,
Und siegend als ein freudger Held
Tritt sie ins alte Himmelszelt.

Vor Liebchens Fenster steh ich schon,
Sie ist wohlauf und kennt den Ton,
Ich singe, was ihr klinget süß -
Da hast du tausend Morgengrüß!

Wir wollen über die Berge gehn,
Wir wollen zusammen den Frühling sehn!
Horch, wie es froh vom Hügel schallt,
Es weht so frisch vom dunklen Wald.

Wohl ist er warm, dein würzger Mund,
O komm herab, ich küß ihn wund!
Hier unten ist so kühl und kalt,
Es weht so frisch vom dunklen Wald.

Du schaust umher so klar und schön -
Wie dir die Locken zu Antlitz stehn!
Du Augentrost, du Rosenblut,
Du treue Seele so lieb so gut!

Jetzt fliegest du mir in den Arm,
O Mädchen, du bist so süß und warm!
Und küßt die Sonne mit jedem Strahl,
O laß dich küssen millionenmal!

O blicke mich an, so innig froh,
Und küsse mich wieder, und wieder so!
O sage, was ist die schöne Welt,
Wenn sie nicht Liebe zusammenhält.

Ludwig Eichrodt (1827-1892)
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Nimmersatte Liebe

So ist die Lieb! So ist die Lieb!
Mit Küssen nicht zu stillen:
Wer ist der Tor und will ein Sieb
Mit eitel Wasser füllen?
Und schöpfst du an die tausend Jahr,
Und küssest ewig, ewig gar,
Du tust ihr nie zu Willen.

Die Lieb, die Lieb hat alle Stund
Neu wunderlich Gelüsten;
Wir bissen uns die Lippen wund,
Da wir uns heute küßten.
Das Mädchen hielt in guter Ruh,
Wie's Lämmlein unterm Messer;
Ihr Auge bat: nur immer zu,
Je weher, desto besser!

So ist die Lieb, und war auch so,
Wie lang es Liebe gibt,
Und anders war Herr Salomo,
Der Weise, nicht verliebt.

Eduard Mörike (1804-1875)
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Ja, du bist mein!

Ja, du bist mein!
Ich will's dem blauen Himmel sagen,
Ich will's der dunklen Nacht vertraun,
Ich will's als frohe Botschaft tragen
Auf Bergeshöhn, durch Heid und Aun.
Die ganze Welt soll Zeuge sein:
Ja, du bist mein!
Und ewig mein!

Ja, du bist mein!
In meinem Herzen sollst du leben,
Sollst haben, was sein Liebstes ist,
Du sollst, von Lieb und Lust umgeben,
Ganz fühlen, daß du glücklich bist.
Schließ mich in deine Arme ein!
Ja, du bist mein!
Und ewig mein!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1798-1874)
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Hymne

Ich liebe dich, du meines Lebens Wonne,
Und werd' dich lieben bis zur Sterbestunde
So wie der Frühling liebt in bunter Runde
Der Blumen Schmelz, den lichten Strahl der Sonne!

Ich liebe dich im Glücke meiner Tränen,
Die mir dein Bildnis im Kristalle geben,
So wie der Wand'rer liebt im Wüstenleben
Der Quelle Strahl, nach dem die Lippen brennen!

Ich liebe dich in allen Morgenstrahlen,
In jeder Blume und in jedem Sterne
Und wenn mir hold die Muse, bet' ich gerne
Zu dir empor, wie zu den Engeln allen!

Ich liebe dich, wie nur ein Sklav' die Freiheit,
Ein Märtyrer den ew'gen Himmel liebet;
Ob Freude mich entzückt, mich Schmerz betrübet:
Ich liebe dich in ewig süßer Neuheit!

Ich liebe dich, weil stets dein Auge kündet
Mir armen Sterblichen die ew'ge Jugend,
Weil es mich glauben läßt an fromme Tugend,
An Gott, an dich, an Liebe, die nie schwindet!

Und wie das Menschenherz in seinen Nöten
Ein Heil'genbild, ein Ideal verehret,
Zu dem es - abgefallen - wiederkehret
Um es in heil'ger Inbrunst anzubeten:

So bet' ich an - kein Bild der Menschenhände,
Kein Ideal in seliger Verblendung, -
In dir, in dir, im Werke der Vollendung:
Der Welten Schöpfer ohne Ziel und Ende!

Denn Gott allein ist Wahrheit, Lieb' und Leben
Und du Geliebte gleichst nur seinem Bilde!
Er schuf dich einst in seiner ew'gen Milde
Um zur Bewund'rung sich uns selbst zu geben!

Demeter Freiherr von Petrino (1796-1856)

Aus dem Rumänischen
von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)
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Grünes Blatt und wildes Gras . . .

Grünes Blatt und wildes Gras,
An dem Weg, den ich beschreite,
Gibt es Brunnen nicht noch Bach,
Wo auch ich mich bücken könnte,
Meinen heißen Durst zu löschen.

Dieses Feuer meines Herzens
Kann nichts löschen weit und breit hin,
Nicht der Spielmann mit der Geige,
Nicht der Mandolinenspieler,
Nur die Liebste mit dem Munde.
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Blättchen fein vom Weidenbaum . . .

Blättchen fein vom Weidenbaum,
Mariechen, Mariechen,
Was hast an der Brust du?
- Baldrian und Muskateller.
- Gib auch mir vom Baldrian,
Daß die Liebe gleich vergehe;
Gib mir auch vom Muskateller,
Daß ich ihn ans Herz mir stecke,
Denn die Lieb' zu dir hat, ach! mich
Ganz zugrunde schon gerichtet:
Macht aus mir ein anderes Wesen,
Dörrt mich aus wie einen Apfel,
Einen Apfel aus dem Garten
Ohne Licht und ohne Sonne.
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Heut' darf ich mit der Geliebten . . .

Heut' darf ich mit der Geliebten
Reden, herzen wie ich will,
Und wir beide sind nun fröhlich,
Haben nicht mehr Schmerz und Sehnsucht;

Schöner scheint die Sonne und heller,
Als sie je geschienen hat.
Heute ist das Mädchen bei mir,
Das ich mir so heiß ersehnt hab'.

Auch der Mond erglänzt im Scheine
Schöner, milder, als er tat;
Denn sie, der mein Sinnen galt,
Ist zu eigen mir geworden.
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Stille, Liebchen, stille . . .

Stille, Liebchen, stille,
Denn auch wir bau'n uns ein Haus noch,
Wo der Wald so dicht als möglich.
- Aber wo soll unser Bett sein?
- Auf dem blumenreichen Hügel.
- Und was soll als Kissen dienen?
- Beete voll von Walderdbeeren.
- Und wie wollen wir uns decken?
- Mit den Blumen auf der Flur
Mit dem Himmel voller Sterne.
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Wer zwei Liebende will trennen . . .

Wer zwei Liebende will trennen,
Der soll wie das Gras verdorren
Wie gemähtes Heu im Sommer!
Großes Feuer ist die Liebe.
Wer zwei Liebende getrennt hat,
Mögen ihm sein Fleisch die Raben
Oben auf dem Ast verzehren,
Knochen unterm Holzstoß stecken,
Weil er Liebende getrennt hat.

Rumänische Liebeslieder aus der Bukowina

übersetzt von Matthias Friedwagner (1861-1940)
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Liebes A. B. C.

A. B. C. D.
Wenn ich dich seh,
Dich, meine süße Lust,
Klopft die empörte Brust,
Wird mir wohl und weh,
Wenn ich dich seh.

E. F. G. H.
Wärst du doch da!
Drückte mein treuer Arm,
Holde, dich liebewarm!
Schätzchen, ach wärst du da!
Wärst du mir nah!

J. K. und L.
Aeuglein so hell
Glänzten in Liebespracht
Mir aus der Wimpern Nacht,
Trafen mich blitzesschnell,
Aeuglein so hell.

M. N. O. P.
Gleich einer Fee
Fesselst du Herz und Sinn,
Grübchen in Wang' und Kinn,
Rosenglut, Lilienschnee,
Reizende Fee!

Q. R. S. T.
Scheiden thut weh.
Halte mit Herz und Mund
Treu an dem Liebesbund,
Sage mir nie Ade!
Scheiden thut weh.

U. V. W. X.
Mach einen Knix,
Drückt dir ein junger Fant
Zärtlich die Schwanenhand;
Aber nur ernsten Blicks
Mach ihm den Knix!

Ypsilon Z.
Nun geh zu Bett!
Bricht doch die Nacht schon ein,
Kann ja nicht bey dir seyn,
Wenn ich auch Flügel hätt'!
Geh nur zu Bett!

Wilhelm Gerhard (1780-1858)
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Wie ich dich liebe!

Wie ich dich liebe!
Denn ich liebe alle dunkeln Fragen,
die die Wahrheit hinterm Auge tragen, -
und die Worte lieb' ich, die verschwiegen
auf dem Grunde einer Lüge liegen. -
Sag' mir nichts! - Ich will aus deinem Wesen
tief heraus mir jedes Goldkorn lesen; -
aus dem Schimmer der Verschwiegenheiten
will ich deiner Seele Bild bereiten; -
und es soll in meinem Herzen stehn,
hauchlos rein - und nur für dich zu sehn.
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Meine Augen trinken deine Blicke

Meine Augen trinken deine Blicke. -
Meine Seele weiß von deinem Fühlen.
Daß die schwere Nacht aus ihrem schwülen
Drücken kuppelnd einen Stern doch schicke! -
Meine Hände tasten nach deiner Sucht. -
Meine Lippen küssen deine Glut. -
Hörst du des heulenden Nachtsturms Flucht? -
Siehst du das Mondauge triefen von Blut? -
Lehne dich an mich. - So sind wir eins. -
Senke dein Schicksal in meins! -
Du! - wir zwei - - und die Welt so fern
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Sieh doch! - Der Stern! Der Stern!
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Du, ich soll dich wiedersehn

Du, ich soll dich wiedersehn
und deine Hände mit Küssen netzen
und vor deinen Füßen mein Herz zerfetzen
und dir meine Sehnsucht gestehn.
Du, - ich will vor dir knien
und mein Haupt in deinem Schoß vergraben, -
und du sollst mich wie einen Knaben
zu dir ans Antlitz ziehn.
Du - dann will ich zu dir weinen
und will dich Braut und Mutter nennen, -
bis uns die Nachtstunden trennen -
wo nur Sehnsüchte uns vereinen.

Erich Mühsam (1878-1934)
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An ein junges Mädchen
Bey Uebersendung eines Topfes mit Veilchen

Längs dem Bach im Wiesenthale,
Ging ich froh im Morgengold,
Sieh', und fand im Purpurstrahle
Diese Blümchen sanft und hold.

Freundlich lächelte der Morgen
Auf den thaubeperlten Pfad,
Wo sie blühten so verborgen,
Wie des Edlen schöne That!

Nimm die kleine Frühlingsgabe,
Wunderholde Zauberinn!
Als das Schönste was ich habe,
Mit der Güte Lächeln hin.

Sie sind deiner holden Jugend,
Deiner schönen Seele Bild, -
Prunklos, wie dein Sinn für Tugend,
Wie dein Herz im Stillen mild.

Christian Ludwig von Reissig (1784-1847)
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Was ist die Liebe denn?

I. Frage
"Was ist die Liebe denn?" - "Was ist das Leben?"
Mag es zurück als Gegenfrage hallen -
So lang kein Liebesstrahl darauf gefallen,
Ist's eines Chaos nebelhaftes Weben.

Siehst Du die Sonne leuchtend sich erheben
Und alle Nebel schwindend niederwallen?
Hörst Du der Lerche Morgensang erschallen
Und siehst sie jubelvoll gen Himmel schweben?

Willst Du ihr folgen in das Licht der Sonnen?
Willst Dich mit ihr im blauen Aether wiegen,
Bis Deinem Blick die Erde ganz zerronnen?

Wohl ist die Lieb' solch jubelnd Aufwärtsfliegen,
Doch - daß der Himmel für das Herz gewonnen:
Das ist der Gottheit Zeichen, drinn wir siegen!


II. Antwort
Weil nun die Lieb' mir alle, alle Poren
Des Herzens füllt, weil sie mich ganz durchdrungen
Fragst Du: ob ich noch gern wie sonst gesungen,
Da ich alleinzig mich der Kunst verschworen?

Die Liebe, die mich also ganz erkoren,
Wähnst Du, hab' wie ein starker Geist bezwungen
Den guten Genius mit Feuerzungen,
Der früher einzog zu der Seele Thoren?

Ein Engel ist sie, der vom Himmel kommen,
Die sel'ge Offenbarung mir zu bringen:
Lieb' und Gesang sind ewig eins geblieben.

Und einer Täuschung hat er mich entnommen:
Sonst wußte ich von Liebe nur zu singen,
Jetzt sing' ich, weil ich innig weiß zu lieben.

Louise Otto (1819-1895)
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Nil

Die Liebe ist wie der mystische Nil,
der aus dunkeln Gründen zum Meere fließt,
und die Ufer verheerend, ohne Damm, ohne Ziel
sich über die schauernden Lande gießt.

Und wenn verebbt der gewaltige Strom,
ein seliges Leben zu keimen beginnt,
eine Welt voll Blüten zum Himmelsdom
drängt sich, noch ehe die Flut verrinnt.

So ist die Liebe der mystische Nil,
ohne den meiner Seele Ufer verdorrt,
mit dem sie wächst zu göttlichem Ziel
und Blüten und Früchte trägt, fort und fort.

Hermione von Preuschen (1854-1918)
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An die Liebe

Alle suchen sie dich
und überall lockst du.
Aus tausend Verhüllungen schimmert
dein unenträtselt Gesicht.
Aber wenigen nur
gewährst du Erfüllung,
selige Tage, reines Glück.
Zärtlich wehn dich die Blumen,
die scheuen Gräser,
der Schmetterlinge heiterer Flug;
wilder der Wind
und das ewig sich wandelnde Meer.
Wunderbar strahlst du
aus den Augen des Menschen,
der ein Geliebtes
in seinen Armen hält,
vom tönenden Sternenhimmel überwölbt.
In die zitternde Seele
schweben Schauer
von Leben und Tod.

Francisca Stoecklin (1894-1931)




Das Geheimniß des Kusses

Wenn so Aug' in's Auge schauet,
Wenn so Lipp' an Lipp' sich schmieget,
Wenn so Brust an Brust sich wieget,
Himmel dann auf Erden thauet;

Seele sich mit Seel' vermählet,
Geist sich dann im Geiste spiegelt,
Stumme Rede dann besiegelt
Liebe, die das Herz erwählet.

Ird'sche Farben dann verschwinden,
Ird'sche Töne dann verklingen,
Geist und Leib entfesselt ringen,
Bis sich Geist und Geist verbinden.

Ein Gedanke dann nur waltet,
Ein Gefühl sich dann nur reget,
Eine Wonne Beide träget,
Heil'ges Schweigen Beid' umfaltet.

Sehnsucht kann nicht ganz sich stillen,
Irdisch ist der Leib gebunden,
Was sich einte, fühlet Wunden,
Thränen d'rum dem Aug' entquillen.

Rudolf Marggraff (1805-1880)
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Vorfrühling

Noch kein Blättchen am Baum,
Blümelein kaum
auf dem grünlichsten Rasen,
Nur Gänseblümlein weiß,
blau Ehrenpreis
dort im Acker, im blassen -
und ein Tröpfchen von Tau
grün hier - dort blau
und in Ferne der golden
erglühende Saum
an Wolken - der Traum
von der Sonne - der gleich holden.
Vorfrühling 1939
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Hab mich lieb

Ich liebe es am Abend Dir ein Lied zu singen
Ich möchte Dir ein Abendlied noch singen
das schwerer noch als schweres Silber wiegt
Doch diese Nacht hat nicht die leichten Schwingen
Worauf die Seele mir zu Sternen fliegt.
Von grauer Dämmrung ist die Welt umsponnen
Die einst mir Worte in die Seele schrieb.
Die Melodie ist, eh sie anhebt schon zerronnen.
Nur diese Worte bleiben: Hab mich lieb.
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Schweigen

Alle Worte, welche ich ausspreche,
sind schon so verbraucht, dass
ich lieber schweige. Schweigen ist
schwer, aber wer es erträgt, über-
trägt dieses Gewicht auf sich selbst.
Wenn er dereinst nach langem Verzicht
zu reden anhebt, fallen seine Worte wie
Kometen vom Nachthimmel
in die lauschende Welt.

Hans Scholl (1918 - 22. Februar 1943)
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Treue

Hand in Hand!
Nie zerrissen in des Volks Gedränge,
Nie geschieden durch des Pfades Enge,
Ueber blassen Schnee und glühnden Sand -
Hand in Hand!

Mund an Mund!
Selbst dem Wort, dem irdischen, mißtrauend,
Heimlichere Zeichen uns erbauend,
Schlürfen wir aus Quellen ohne Grund -
Mund an Mund!

Herz an Herz!
Lassen wir in göttlichem Vertrauen
Uns in unsrer Seelen Tiefe schauen
Freud' um Freude tauschend, Schmerz um Schmerz,
Herz an Herz!

Grab an Grab!
Gleichest, strenger Gott, du nur dem Schlummer?
Weckst du einst uns wieder? Rede, Stummer!
Grünet wieder der verdorrte Stab? -
Grab an Grab!


Gustav Pfizer (1807-1890)
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Suleika

Ach, um deine feuchten Schwingen,
West, wie sehr ich dich beneide:
Denn du kannst ihm Kunde bringen,
Was ich in der Trennung leide!

Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen;
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Stehn bei deinem Hauch in Tränen.

Doch dein mildes, sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlider;
Ach, für Leid müßt ich vergehen,
Hofft ich nicht zu sehn ihn wieder.

Eile denn zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen;
Doch vermeid, ihn zu betrüben,
Und verbirg ihm meine Schmerzen.

Sag ihm, aber sags bescheiden:
Seine Liebe sei mein Leben;
Freudiges Gefühl von beiden
Wird mir seine Nähe geben.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Frauenlob

Was macht des Weibes hohen Werth?
Was ist's, warum der Mann sie ehrt,
Auf ewig sich an Eine bindet,
Und Erd' und Himmel an ihr findet?

Ist es der leichte, stolze Gang?
Der Stimme süßer Lautenklang?
Das frische Jugendroth der Wangen?
Der Augen schüchternes Verlangen?

Dieß macht des Mannes Herz nicht weit.
Was Jugend schenkt, das nimmt die Zeit,
Nur was die Huldgöttinnen geben,
Bleibt unvergänglich durch das Leben.

Die Anmuth zieht die Herzen an,
Und macht die Kraft sich unterthan.
Dem Zauberland, das sie geschlungen,
Hat selten sich der Mann entrungen.

Und mehr ist noch die heil'ge Scham,
Die in der Unschuld Schleyer kam,
Den ersten Liebesbund zu gründen,
Und Hymens Fackel anzuzünden.

Und jener hohe, zarte Sinn,
Den die Natur dem Weib verlieh'n,
Des Mannes heiße Brust zu kühlen,
Und Dornen ihm zu Flaum zu wühlen;

Und wenn er nun, im finstern Wahn,
Nicht glauben mehr und hoffen kann,
Ihn liebend wieder zu erheben,
Ihm Frieden mit sich selbst zu geben;

Und jener Muth, auf den sogar
Sich Tapfre stützen in Gefahr!
Sie lächelt mit der Todeswunde,
Kein Schmerz ist auf dem bleichen Munde.

Dieß ist der Frauen Lob und Werth,
Dieß ist's, warum der Mann sie ehrt,
Sich ewig fest an Eine bindet,
Und Erd' und Himmel in ihr findet.

Aloys Schreiber (1761-1841)
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Liebst du um Schönheit

Liebst du um Schönheit,
O nicht mich liebe!
Liebe die Sonne,
Sie trägt ein gold'nes Haar.
Liebst du um Jugend,
O nicht mich liebe!
Liebe den Frühling,
Der jung ist jedes Jahr.
Liebst du um Schätze,
O nicht mich liebe!
Liebe die Meerfrau,
Die hat viel Perlen klar.
Liebst du um Liebe,
O ja mich liebe!
Liebe mich immer,
Dich lieb ich immerdar!

Friedrich Rückert (1788-1866)
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Eros

O, ich liebte ihn endlos!
Lag vor seinen Knie'n
Und klagte Eros
Meine Sehnsucht.
O, ich liebte ihn fassungslos.
Wie eine Sommernacht
Sank mein Kopf
Blutschwarz auf seinen Schoss
Und meine Arme umloderten ihn.
Nie schürte sich so mein Blut zu Bränden,
Gab mein Leben hin seinen Händen,
Und er hob mich aus schwerem Dämmerweh.
Und alle Sonnen sangen Feuerlieder
Und meine Glieder
Glichen
Irrgewordenen Lilien.

Else Lasker-Schüler (1869-1945)
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O stille dies Verlangen!

O stille dies Verlangen,
Stille die süße Pein!
Zu seligem Umfangen
Laß den Geliebten ein!
Schon liegt die Welt im Traume,
Blühet die duft'ge Nacht;
Der Mond im blauen Raume
Hält für die Liebe Wacht.
Wo zwei sich treu umfangen,
Da giebt er den holdesten Schein.
O stille dies Verlangen,
Laß den Geliebten ein!

Du bist das süße Feuer,
Das mir am Herzen zehrt;
Lüfte, lüfte den Schleier,
Der nun so lang' mir wehrt!
Laß mich vom rosigen Munde
Küssen die Seele dir,
Aus meines Busens Grunde
Nimm meine Seele dafür -
O stille dies Verlangen,
Stille die süße Pein,
Zu seligem Umfangen
Laß den Geliebten ein!

Die goldnen Sterne grüßen
So klar vom Himmelszelt,
Es geht ein Wehn und Küssen
Heimlich durch alle Welt,
Die Blumen selber neigen
Sehnsüchtig einander sich zu,
Die Nachtigall singt in den Zweigen -
Träume, liebe auch du!
O stille dies Verlangen,
Laß den Geliebten ein!
Von Lieb' und Traum umfangen
Wollen wir selig sein.

Emanuel Geibel (1815-1884)
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An Dich

Ich gebe Dir mein dunkles Herz -
Du gibst Dein helles mir zurück.
Ich geb Dir Leid und geb Dir Schmerz -
Du gibst mir Glück.

Ich liebe Dich und tu Dir weh
mit jedem Blick.
Du aber gibst das Leid
als Lust zurück.

Ich gebe Dir nur Halbes hin
von meinem flüchtigen Geschick.
Du gibst wie eine Königin
und schenkst Dich ganz zurück.

Wolfgang Borchert (1921-1947)
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Gebet

Meinen Liebsten zu behüten,
Bitt' ich dich, o Herr der Welt,
Der du aller Stürme Wüten
Ein gewisses Ziel gestellt.
Einen Engel wolle senden,
Daß er immer ihn umschwebe
Und mit seinen Himmelshänden
Über jeden Abgrund hebe.
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Liebesreime IV.

"Höre auf nun, Liebster, mich zu küssen,
Mich zu küssen mit dem heißen Munde;
Was hilft mir der Kuß von dieser Stunde
In der nächsten, die dich mir entrissen?"
Liebes Herz, nicht darum küsse ich,
Daß es helfe, noch den Mut dir stähle;
Ach, im Kusse klammert sich an dich
Meine arme, trennungsbange Seele.
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Liebesreime IX.

Der Teufel soll die Sehnsucht holen!
Ich lieg' in einem Bett von Nesseln,
Auf einem Rost von glühnden Kohlen,
In einem Netz von ehrnen Fesseln!
Das Auge sehnt sich aus der Höhle,
Der Busen sehnt sich aus dem Mieder;
Ich wollt', es sehnte auch die Seele
Sich aus dem Leib und käm' nicht wieder!
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Liebesreime XXVIII.

Ein klein Vöglein wär' ich gern,
Schwirrt' um meinen guten Herrn.
Honig hat er auf den Lippen,
Und ich dürfte davon nippen;
Wann ich wollte, könnt' ich's wagen,
Niemals würd' er mich verjagen.
Und zum Dank pfiff' ich ihm Lieder
Stolz von seiner Schulter nieder.
Käm' der liebe Mondenschein,
Schlief' in seiner Hand ich ein -
Wär' ich nur sein Vöglein klein!

Ricarda Huch (1864-1947)
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Beim Jahreswechsel

Welch Opfer kann ich dir, Iduna, weih'n,
Und welch Gelübde soll zur Leier tönen?
Mit welchem Kranz kann ich das Haupt dir krönen,
Mit welcher Gabe dein Gemüth erfreu'n?

Ich möchte selbst des Schicksals Lenker seyn,
Dann sollte mir die ganze Erde fröhnen,
Das Leben dir elysisch zu verschönen,
Und jeden Glanz des Glückes zu verleih'n.

Was ich besitze, hab' ich längst gegeben,
Mein ganzes Herz, getreu und ungetheilt,
Mit meiner Liebe schenk' ich dir mein Leben.

Die Stunden flieh'n, die rasche Zeit enteilt,
Und jedes Glück der Welt stürzt in Ruinen,
Der Liebe Palmen sieht man ewig grünen.

Christian Ludwig Neuffer (1769-1839)
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Glück ist wie Blütenduft . . .

Glück ist wie Blütenduft,
der dir vorüberfliegt. . .
Du ahnest dunkel Ungeheures,
dem keine Worte dienen -
schließest die Augen,
wirfst das Haupt zurück - -
und, ach!
vorüber ist's.

Christian Morgenstern (1871-1914)
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Weihnachtslied

Wer warst du, Herr, vor dieser Nacht?
Der Engel Lob ward dir gebracht.
Bei Gott warst du vor aller Zeit.
Du warst der Glanz der Herrlichkeit.
Beschlossen war in dir, was lebt.
Geschaffen ward durch dich, was webt.
Himmel und Erde ward durch dich gemacht.
Gott selbst warst du vor dieser Nacht.

Wer war ich, Herr, vor dieser Nacht?
Des sei in Scham und Schmerz gedacht!
Denn ich war Fleisch und ganz verderbt,
verloren und des Heils enterbt.
Erloschen war mir alles Licht.
Verfallen war ich dem Gericht.
Ich, dem Gott Heil und Gnade zugedacht,
war Finsternis und Tod und Nacht!

Wer wardst du, Herr, in dieser Nacht?
Du, dem der Engel Mund gelacht,
dem nichts an Ruhm und Preis gefehlt,
hast meine Strafe dir erwählt.
Du wardst ein Kind im armen Stall
und sühntest für der Menschheit Fall.
Du, Herr, in deiner Himmel höchster Pracht
wardst ein Gefährte meiner Nacht!

Wer ward ich, Herr, in dieser Nacht?
Herz, halte still und poche sacht!
In Gottes Sohn ward ich Sein Kind.
Gott ward als Vater mir gesinnt.
Noch weiß ich nicht: Was werd' ich sein?
Ich spüre nur den hellen Schein!
Den hast du mir in dieser heil'gen Nacht
an deiner Krippe, Herr, entfacht!

Jochen Klepper (1903-1942)
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Knappenliebe

Ich denke dein im tiefsten Bergverließ,
Du bist mein Stern, du hellest mir die Nacht.
Wenn ich die Schicht beginn, wenn ich sie schließ,
Mit dir ist sie begonnen und vollbracht.

Ich denke dein - fern von dem goldnen Tag -,
Nicht hemmt dein Bild die düstre Felsenwand.
Du bist mir nah beim wilden Wetterschlag,
Und deine Flügel halten mich umspannt.

Ich denke dein im Schoß der ewgen Nacht,
Und nimmer hat ihr Grauen mich geschreckt.
Der Schwaden flammt, der wilde Donner kracht,
Mich hält der Liebe Götterschild gedeckt.

Ich denke dein - und ist es Schicksals Schluß,
Schließt mich der Berg in seine Klüfte ein,
Ich sende sterbend dir den letzten Kuß,
Und sterbend, Mädchen, sterbend denk ich dein.

Heinrich Kämpchen (1847-1912)
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Idee zu einem Katechismus der Vernunft
für edle Frauen
Die zehn Gebote
 

1. Du sollst keinen Geliebten haben neben ihm: aber du sollst Freundin seyn können, ohne in das Kolorit der Liebe zu spielen und zu kokettiren oder anzubeten.
2. Du sollst dir kein Ideal machen weder eines Engels im Himmel noch eines Helden aus einem Gedicht oder Roman noch eines selbstgeträumten oder fantasirten; sondern du sollst einen Mann lieben, wie er ist. Denn sie die Natur, deine Herrin, ist eine strenge Gottheit, welche die Schwärmerey der Mädchen heimsucht an den Frauen ins dritte und vierte Zeitalter ihrer Gefühle.
3. Du sollst von den Heiligthümern der Liebe auch nicht das kleinste mißbrauchen: denn die wird ihr zartes Gefühl verlieren, die ihre Gunst entweiht und sich hingibt für Geschenke und Gaben, oder um nur in Ruhe und Frieden Mutter zu werden.
4. Merke auf den Sabbath deines Herzens, daß du ihn feyerst, und wenn sie dich halten, so mache dich frey oder gehe zu Grunde.
5. Ehre die Eigenthümlichkeit und die Willkür deiner Kinder, auf daß es ihnen wohlergehe, und sie kräftig leben auf Erden.
6. Du sollst nicht absichtlich lebendig machen.
7. Du sollst keine Ehe schließen, die gebrochen werden müßte.
8. Du sollst nicht geliebt seyn wollen, wo du nicht liebst.
9. Du sollst nicht falsch Zeugniß ablegen für die Männer; du sollst ihre Barbarey nicht beschönigen mit Worten und Werken.
10. Laß dich gelüsten nach der Männer Bildung, Kunst, Weisheit und Ehre.
Der Glaube:
1. Ich glaube an die unendliche Menschheit, die da war, ehe sie die Hülle der Männlichkeit und der Weiblichkeit annahm.
2. Ich glaube, daß ich nicht lebe, um zu gehorchen oder um mich zu zerstreuen, sondern um zu seyn und zu werden; und ich glaube an die Macht des Willens und der Bildung, mich dem Unendlichen wieder zu nähern, mich aus den Fesseln der Mißbildung zu erlösen, und mich von den Schranken des Geschlechts unabhängig zu machen.
3. Ich glaube an die Begeisterung und Tugend, an die Würde der Kunst und den Reiz der Wissenschaft, an Freundschaft der Männer und Liebe zum Vaterlande, an vergangene Größe und künftige Veredelung.
 

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834)
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Schmücke dich, Liebste

Schmücke dich, Liebste, der Abend naht.
Winde dir Ketten ins leuchtende Haar.
Siehe, die Sonne will sich verneigen.
Tiefer noch will sich die Stille verschweigen.
Kerze flammt am Altar.

Wisse, die Seele liebt sich zu verschwenden.
Brennende Feier und wehe Musik.
Leiser noch will ihr Geheimnis lallen.
Goldener Tropfen, zögerndes Fallen
Ist ihr unsägliches Glück.

Hülle dich, Liebste, in weiße Gewänder,
Ehe die Saite zerspringt.
Lächle im Saale der Engel und Rosen,
Laß dir die kindliche Stirne kosen,
Ehe das Echo verklingt.

Sei mir ein Fest und ein zärtliches Wunder,
Milder noch blühe dein Schein.
Wenn wir die magischen Worte tauschen,
Geht durch die Seele ein Flügelrauschen,
Dem wir uns weihn.

Schmücke dich, Liebste, oh, süßes Verwehen.
Bald ist der Sommer verklungen.
Über den Hügeln welken die Kränze,
Doch in die Höhen der himmlischen Tänze
Sind wir entrückt und verschlungen.

Hugo Ball (1886-1927)
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An die Geliebte
1797. Eisleben

Die letzten Veilchen, die ich fand,
Bring' ich, Geliebte, Dir,
O wären sie von meiner Hand
Lieb und willkommen Dir.

Was grünt und blüht und webt und lebt,
Was Odem trinkt um mich,
Das grünt und athmet, lebt und webt,
Geliebte, nur für Dich.

Ach nichts, was blüht und lebt und webt,
Begehrt mein Herz für sich.
Dieß Herz, von allem was da lebt,
Denkt, weiß, und liebt nur Dich!

Carl Bernhard Trinius (1778-1844)
_____




Ich denke Dein

Ich denke Dein!
Ob auch getrennt in weiter Ferne,
Ist meine Seele stets bei Dir;
Im Morgenroth - beim Glanz der Sterne,
Seh' ich Dein holdes Bild vor mir,
Und bei des Mondes Silberschein
Gedenk' ich Dein.

Ich denke Dein!
Auf heißer Sehnsucht lichten Schwingen,
Umschwebt mein Geist auch ferne Dich;
Dir meiner Liebe Gruß zu bringen,
Erfaßt oft Glutverlangen mich:
Doch muß getrennt von Dir ich seyn,
Gedenkend Dein!

Ich denke Dein!
Wenn hoch die Abendwolken glühen
Im letzten goldnen Sonnenstrahl,
Mit ihnen möchte ich dann ziehen,
Weit über Fluren, Berg und Thal,
Doch bleiben muß ich hier; allein
Ich denke Dein!

Ich denke Dein!
Wenn längst des Tages Licht geschieden,
Und Atair im Adler glänzt;
Wenn Alles ruht im tiefen Frieden,
Dein Haupt vielleicht schon Mohn umkränzt:
Dann hängt mein Blick an Arktursschein -
Und denke Dein.

Ich denke Dein!
Selbst wenn in Schlummers dunklen Träumen
Mein Aug den äuß'ren Sinn verschließt;
Da Du aus allen Himmelsräumen
Mein schönstes Sternenbild mir bist.
Belebt von Dir mein ganzes Seyn,
Gedenk' ich Dein!

Amalie Krafft (1778-1852)
_____



Die Liebe

Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Thür noch Riegel,
Und dringt durch Alles sich;
Sie ist ohn' Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel,
Und schlägt sie ewiglich.

Matthias Claudius (1740-1815)
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Heut war die Stunde . . .

Heut war
Die Stunde,
Um die die Welt
Geschaffen ward.
Ich lag im Arme der Geliebten
Und lächelte
Ein Dauerlächeln.
_____



Die Liebe ist so langsam . . .

Die Liebe ist
So langsam,
Daß sie,
Zum Ziele zu gelangen,
Am Leben nicht genug hat.
Sie geht
Bis an den Tod,
Und fängt vielleicht
Den Weg
Von neuem an.
_____



Sieh, die Geheimnisse . . .

Sieh, die Geheimnisse
Meines Lebens,
Sie bleiben in der Luft,
Den Liebenden
Erinnerung zu bringen,
Sie, wenn sie träumend
Von der Liebsten kommen,
Mit zartem Hauche
Zu empfangen.

Arno Nadel (1878-1943)
_____


 

Das allerseligste Herze ...

Ein reines Herz schaut Gott,
ein heilges schmecket ihn,

In ein verliebetes
will er zu wohnen ziehn.

Wie selig ist der Mensch,
der sich befleißt und übt,

Daß ihm sein Herze wird
rein, heilig und verliebt!
___


Der nächste Weg zu Gott ...

Der nächste Weg zu Gott
ist durch der Liebe Tür;

Der Weg der Wissenschaft
bringt dich gar langsam für.
___

 

Der guldene Begriff ...

Der guldene Begriff,
durch den man alles kann,

Ist Liebe; liebe nur,
so hast dus kurz getan.

Angelus Silesius (1624-1677)
Aus dem Cherubinischen Wandersmann
_______
 



Nähe des Geliebten

 
Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.

Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne
O wärst du da!

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Namenlos

O schwelge, Blick! und juble Dank dem Licht,
Das wunderbar erst in den Wundern waltet,
Bewußtlos reichen Schatz auf Schatz entfaltet -
O schwelge! bis das dunkle Auge bricht.

Sei unersättlich, darben wirst du nicht,
Wie schön, was stets sich wechselnd neu gestaltet,
Wie schön! was ewig gleich, doch nie veraltet,
Und o, wie schön ein Menschenangesicht!

Und mehr als schön – o es ist namenlos,
Was ich in deinem Engelantlitz sehe,
Was Himmelsthau in's welke Herz mir goß,

Was lang geahnt nur, jetzt in nächster Nähe
Sein heil'ges Dasein strahlend mir erschloß -
Ihr nennt es Liebe? – Schaler Laut, verwehe!

Joseph Emanuel Hilscher (1806-1837)
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Ewig ist die Liebe

Und wenn mich nachts das Sternenheer befällt,
Um mein Geheimnis still mir abzulauschen,
Dann fühl' ich, was mich ewig trägt und hält,
Dann hör' ich Gott mit seinem Mantel rauschen.

Gott hat die Welt in dunkle Nacht gehüllt,
Damit sich zeigt, was ewig dauernd bliebe:
Des Tages Wünsche sind im Schlaf gestillt -
Und sieh, auch selbst im Traum bleibt wach die Liebe.

Drum laß die Welten auf und niedergehn,
Laß Wetter dräuen, finster qualvoll, trübe:
Du wirst in alle Ewigkeit bestehn,
Denn Gott ist ewig, ewig ist die Liebe.

Gustav Kühne (1806-1888)
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Eins und alles

Meine Liebe ist groß
wie die weite Welt,
und nichts ist außer ihr,
wie die Sonne alles
erwärmt, erhellt,
so tut sie der Welt von mir!

Da ist kein Gras,
da ist kein Stein,
darin meine Liebe nicht wär,
da ist kein Lüftlein
noch Wässerlein,
darin sie nicht zög einher!

Da ist kein Tier
vom Mücklein an
bis zu uns Menschen empor,
darin mein Herze
nicht wohnen kann,
daran ich es nicht verlor!

Meine Liebe ist weit
wie die Seele mein,
alle Dinge ruhen in ihr,
sie alle, alle,
bin ich allein,
und nichts ist außer mir!

Christian Morgenstern (1871-1914)
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An die Liebe

Liebe! allerliebste Liebe!
Segne mich mit deinem Triebe.
Laß mich deinen Reiz empfinden,
Laß mich deine Glut entzünden,
Laß mich deinen Zucker schmecken,
Laß mich durch dein Lied erwecken,
Wenn ich Zeit und Lust versäume,
Müßig wach', und müßig träume.
Laß mir hübsch durch dein Geniessen
Zeit und Stunden schneller fließen.
Laß mirs in der Müh' zu wählen,
Aber nie an Schönen fehlen.
Und damit auch viel Beschwerden
Durch ein Mittel minder werden,
Laß mir künftig nur von allen
Eine schön seyn und gefallen.
Lehr' sie denn, sich gut zu schicken,
Gut zu spielen, gut zu blicken;
Lehr' sie meine Neigung kennen,
Klug zu frieren, klug zu brennen;
Lehr' sie witzig abzuschlagen,
Lehr' sie reizend ja zu sagen.
Aus den Worten, aus den Werken,
Laß ihr Wunsch und Willen merken.
Aber lehr' sie Wunsch und Willen
Nicht zur Unzeit zu erfüllen,
Daß sie sich erst artig schäme,
Und sich nicht zu bald bequeme.
Lehr' sie alle frohe Mienen,
Die der Lust zum Vortheil dienen;
Lehr ihr alle Fröhlichkeiten,
Lehr' sie auch, was sie bedeuten;
Daß sie stets in Unschuld prange,
Daß sie nie zuviel verlange;
Daß sie mirs vernünftig klage,
Wenn ich ihr zuviel versage.
Lehr' sie, wie man nie veralte,
Wie man Reiz und Wert behalte,
Wenn auch einst auf Brust und Wangen
Aller Rosen Schmuck vergangen.
Lehr' sie, wenn wir uns vereinen,
Treu zu seyn, und treu zu scheinen,
Daß sie mich mit nichts betrübe
Und mich immer stärker liebe.
Lehr' auch mich, durch deine Lehren,
Solchen Engel zu verehren,
Daß er, wenn ich ihn vergnüge,
Keine Lust zum Wechsel kriege.

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)
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Du ruhst in meinem Schoße ...

Die grünen Buchenblätter
Schatten so schwer und dicht,
Auf rotem Vorjahrslaube
Spielt blau das Sonnenlicht.

Du ruhst in meinem Schoße,
Dein Atem geht so leis,
Es fiel aus deinen Händen
Der Strauß von Ehrenpreis.

Der Duft aus deinem Blondenhaar
Berauschend mich umweht,
Um meine seligen Lippen
Ein stilles Lächeln geht.

Hermann Löns (1866-1914)
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Ein Liebeslied

Komm zu mir in der Nacht - wir schlafen engverschlungen.
Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen.

Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
Und färben sich mit deiner Augen Immortellen . . .

Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen
Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.

Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.

Else Lasker-Schüler (1869-1945)
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Bist du es, Geliebte, und harrest du mein . . .

Bist du es, Geliebte, und harrest du mein?
Schon schlafen die Bäume und wiegen sich ein,
Schon schließen die Blumen die Aeugelein zu,
Schon suchet die Grille die nächtliche Ruh',
Schon löscht das Glühwürmchen sein Fackelchen aus,
Schon ziehen die Sternlein zur Heerschau heraus,
Schon murmelt die Welle, als spräch' sie im Traum,
Schon zittern die Blätter am athmenden Baum,
Die Liebe allein, ach, die Liebe schläft nicht,
Sie träumet im Wachen, und sieht ohne Licht,
Und schweiget erst Alles, dann spricht sie allein:
Bist du es, Geliebte, und harrest du mein?

- Ich bin es, Geliebter, ich harre schon dein,
Laß schlafen die Bäume, die Lieb' schläft nicht ein!
Laß schließen die Blümlein ihr Aeuglein zu,
Mein Aug', meine Blume bist einzig nur du!
Laß suchen die Grille die Ruhe der Nacht,
Die Grillen der Liebe sind ewig zur Wacht!
Laß löschen Glühwürmchen sein Fackelchen aus,
Die Fackel der Liebe löscht Nachtthau nicht aus!
Laß ziehen die Sterne hinab und herauf,
Der Sehnsucht geh'n Sterne der Liebe nur auf.
Laß murmeln die Welle, als spräch' sie im Traum,
Für Schäume und Träume hat Liebe stets Raum!
Laß zittern die Blätter vom Schlummer so schwer,
Es zittert mein Herzblatt in Sehnsucht noch mehr!
So komm denn, Geliebter, die Lieb' schläft nicht ein,
Es wacht die Geliebte und harret schon dein!

Aus: Die Sage vom Helenenthale

Moritz Saphir (1795-1858)
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Mein Herz, ich will dich fragen

Mein Herz, ich will dich fragen,
Was ist denn Liebe, sag'? -
"Zwei Seelen und ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag!"

Und sprich, woher, woher kommt Liebe? -
"Sie kömmt und sie ist da!"
Und sprich, wie schwindet Liebe? -
"Die war's nicht, der's geschah!"

Und was ist reine Liebe? -
"Die ihrer selbst vergißt!"
Und wann ist Lieb' am tiefsten? -
"Wenn sie am stillsten ist!"

Und wann ist Lieb' am reichsten? -
"Das ist sie, wenn sie gibt!"
Und sprich, wie redet Liebe? -
"Sie redet nicht, sie liebt!"

Friedrich Halm (1806-1871)
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Alles gibt nur Sie mir kund . . .

Alles gibt nur Sie mir kund,
Hör in jedem Ton nur Sie,
Bebt ein Laut aus meinem Mund,
Jedes Wort bekennet Sie.
Seufze Sie bei Tag und Nacht,
Meiner Seele Dürsten Sie,
Wünsch' im Traume Sie, erwacht,
Ueberall empfind ich Sie.
Sie, die meine Glutgedanken,
Sie, die meine Wünsch' umranken,
Wie ein Gott schließt sie allein
In sich auch mein ganzes Seyn.
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Anders ist der Welt Gesicht . . .

Anders ist der Welt Gesicht,
Anders ist des Schicksals Walten,
Anders sing' ich ein Gedicht,
Seh' ich Alles sich entfalten,
Anders fühl' ich jetzt das Leben,
Selig bist du Seele mein,
Götterkraft ist mir gegeben,
Höher fühl ich jetzt das Seyn,
Neu bin ich, was mich umgibt,
Denn ich lieb' und bin geliebt,
Anders flieget jetzt die Zeit,
Seit Sie mir sich ganz geweiht.
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Staune nicht, daß immer Liebe . . .

Staune nicht, daß immer Liebe,
Rauschet meiner Harfe Lust;
Alle schönen, süßen Triebe,
Alles Gute in der Brust,
Was auf dieser Erde Weiten,
Athmet, wirket, bindet, hält,
Was im Wechsellauf der Zeiten,
Wundervolles zeugt die Welt:
Blumen, so die Felder weisen,
Sterne, die am Himmel kreisen,
Woher quillt ihr Zauberleben?
Sie, die Liebe, hat's gegeben.

Sandor Kisfaludy (1772-1844)

(Aus dem Ungarischen von Johann Graf Mailath 1786-1855)
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An die Liebe

Liebe, süße Liebe,
Bittere Glückseligkeit;
Schönstes Spiel der Engel,
Meisterstück der Ewigkeit:

Bis zum Herzzerspringen
Lernt' ich ganz erfassen dich,
Ueber's Grab nach Jenseits
Zieht dein süßer Zauber mich!

Liebe, süße Liebe,
Bittere Glückseligkeit;
Schönstes Spiel der Engel,
Meisterstück der Ewigkeit.

Kalman Lysznyai (1823-1863)
(Aus dem Ungarischen von Demeter Dudumi 1855)
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Paloczenlied

Mein Engel, meiner Augen Licht,
Bist eine Rose du, bist du ein Diamant?
Ich weiss es nicht.
Bist du 'ne Rose:
Lass mich sie pflücken!
Bist du ein Diamant,
Sollst mich entzücken.
In meinen Armen
Voll Lieb' erwarmen,
An meiner Brust
Voll unendlicher Lust.

Mein Engel, meiner Augen Licht,
Bist du ein Traum? bist du ein Stern?
Ich weiss es nicht.
Bist du ein Traum:
Will durch ihn träumen,
Bist du ein Stern,
Will ohne Säumen
Herab ihn reissen.
Warum willst gleissen
Am Himmel du?
Wink' näh'r mir zu!
Seh' dich nicht gerne
In unendlicher Ferne.

Kalman Lysznyai (1823-1863)
(Aus dem Ungarischen von Gustav Steinacker 1809-1877)
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Liebeslied

Dich sehen,
ist: die Heimat haben!
dich sehen,
ist: zu Hause sein!
alle Sehnsucht ist begraben,
alle Wünsche schlummern ein!

Und ich weiß nichts mehr von draußen,
weiß nichts mehr von Müh und Plag,
und wie einsam es gewesen
und wie freudlos jeder Tag!

Alles ach ist selig schöner
Friede nur und Sonnenschein!
dich sehen,
ist: die Heimat haben!
dich sehen,
ist: zu Hause sein!

Cäsar Flaischlen (1864-1920)
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Liebesnacht

Schwül wie im Sommer war die Nacht
Sie hat uns in's Gesicht gelacht
So dunkelheiß, so liebestoll,
Daß unsre Sehnsucht überschwoll . . .

Die Sterne flackerten uns zu
Ein liebes süßes: Gute Ruh!
In unser kleines Kämmerlein
Sah nur der volle Mond hinein.

Er zog das Auge schief und quer,
Als würde ihm das Sehen schwer,
Als hätte er noch nichts gewußt
Von heimlich süßer Liebeslust.

Und rauschend fiel der Vorhang zu . . .
In meinem Arm erbebtest du!
Und Raunen leis, - und Traumesklang -
Und himmlischsüßer Engelssang . . .

Hinfloß die heiße Seligkeit,
Dann müde Ruhe voll und weit,
Zu siegesstolzer Einsamkeit
Ward unsre Liebe stark geweiht! -

Durch eine Spalte, fingerschmal,
Fiel silberweiß, des Mondes Strahl . . .
Und durch die Stille träumend ziehn
Weltferne Liebesmelodien . . . . 

Hans Benzmann (1869-1926)
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Liebchens Garten

Könnt' als Bach ich mich ergiessen:
Müsst' in Liebchens Garten fliessen,
Dass, nach Sommertages Schwüle,
Meine Flut als Bad sie kühle.

Könnt' als Baum ich mich erhöhen:
Müsst' in Liebchens Garten stehen,
Dass mein Laub vor Sonnenhitze
Ihre zarten Wangen schütze.

Könnt' als duft'ge Blum' ich glühen,
Müsst' in Liebchens Garten blühen,
Dass sie heitern Muths mich pflücke,
An des Busens Schnee erquicke.

Könnt' als West ich mich erheben:
Müsst' in Liebchens Garten schweben,
Würd' im Schlaf von ihren Lippen
Tausend süsse Küsse nippen.

Könnt' als Nachtigall ich singen:
Müsst' in Liebchens Garten dringen,
Dass, gerührt durch meine Treue,
Sie zuletzt ihr Herz mir weihe.

Karl Kisfaludy (1788-1830)
Aus dem Ungarischen von Gustav Steinacker (1809-1877)
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Im Garten

Die hohen Himbeerwände
Trennten dich und mich,
Doch im Laubwerk unsre Hände
Fanden von selber sich.

Die Hecke konnt' es nicht wehren,
Wie hoch sie immer stund:
Ich reichte dir die Beeren,
Und du reichtest mir deinen Mund.

Ach, schrittest du durch den Garten
Noch einmal im raschen Gang,
Wie gerne wollt' ich warten,
Warten stundenlang.

Theodor Fontane (1819-1898)
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Wo Liebende sich finden . . .

Wo Liebende sich finden,
Da sind geweihte Stellen;
Wo sie sich heiß umwinden,
Da Kirchen und Kapellen;
Wo Seel' in Seel' ergossen,
Wo Lipp' an Lippe brennt,
Da wird ein Sakrament,
Da wird Gott selbst genossen,
Wie's auch die tolle Welt benennt.
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Die Liebe, welche wahrhaft liebt,
Ist jene, die sich ganz ergiebt,
Die jeden Herzenswunsch gewährt,
Die Alles zu genießen lodert,
Was das Gefühl der Einheit mehrt,
Und die doch Alles gern entbehrt,
Wenn es das Heil des Andern fodert.
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Die Liebe hängt ihr Leben,
Hängt ihr gesammtes Sein,
Wie einen Edelstein,
Dem Liebling an den Hals,
Dem sich ihr Herz ergeben.

Georg Friedrich Daumer (1800-1875)
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Oft, wenn wir ruhen Mund an Mund . . .

Oft, wenn wir ruhen Mund an Mund
Und meine Adern an den deinen pochen,
Nach innen lausch' ich plötzlich still;
Ich fühle, wie aus unsrer Seele Grund
Ein Wort, noch nie auf Erden ausgesprochen,
Empor sich ringen will.

O! der Natur Geheimniß ruht
Und alles Lebens in dem Wort beschlossen,
Doch matt bisher noch ists verhallt.
Höher aufflammen laß der Küsse Gluth,
Daß es zuletzt, in vollen Klang ergossen,
Von unsern Lippen wallt!

Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
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Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß ...

Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß;
Ich liebe dich, weil ich nichts anders kann;
Ich liebe dich nach einem Himmelschluß;
Ich liebe dich durch einen Zauberbann.

Dich lieb' ich, wie die Rose ihren Strauch;
Dich lieb' ich, wie die Sonne ihren Schein;
Dich lieb' ich, weil du bist mein Lebenshauch;
Dich lieb' ich, weil dich lieben ist mein Sein.

Friedrich Rückert (1788-1866)
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Die Lieb'
Oberbayrische Mundart

Die Lieb, die Lieb, die süsse Lieb,
Die hat's uns angethan,
Die sitzt so tief im Herzen drin,
Dass Niamd' ergründen kann,

Und wenn's a no so bitter schmeckt,
Und d'Augen macht so trüb,
Und wenn's a lauter Schmerzen bringt,
's is' doch die süsse Lieb.

Mir kimmt's fast wie a G'witter für
Mit all seim Schreck und Graus: -
Wenn's no so blitzt und donnert - z'letzt
Schaugt d'Sonn doch wieder raus.



Liebessprache
Oberbayrische Mundart

Die Lieb' is so g'spassi,
Hat an eigene Sprach:
Koin Professor kann's reden,
Aber d'Spatzen auf'm Dach.

Viel Wort brauchst nöt z'machen:
A Druck mit der Hand,
Und a Blick in d'Augen
Und a Schmatzl am Rand.

Dös san ihre Zeichen,
Die Jeder versteht,
Wenn ihm sonst a nix G'lahrt's
In sein' Kopf eini geht.

Ernst Anton Zündt (1819-1897)
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Golden

Die goldene Mittagssonne
Durch zitternde Wipfel dringt,
Seine goldene Wunderweise
Der goldene Pfingstvogel singt.

Das goldene Lied von der Liebe,
Von goldenem Glücke den Sang,
Von alten, goldenen Zeiten
Den alten, goldenen Klang.

Ich sehe die Zukunft leuchten
Golden und wunderbar
Und küsse mit bebenden Lippen
Dein goldenes Nackenhaar.

Hermann Löns (1866-1914)
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Liedchen

Wie jauchzt meine Seele
Und singet in sich!
Kaum daß ich's verhehle,
So glücklich bin ich.

Rings Menschen sich drehen
Und reden gescheut,
Ich kann nichts verstehen,
So fröhlich zerstreut. -

Zu eng wird das Zimmer,
Wie glänzet das Feld,
Die Täler voll Schimmer,
Weit, herrlich die Welt!

Gepreßt bricht die Freude
Durch Riegel und Schloß,
Fort über die Heide!
Ach, hätt' ich ein Roß! -

Und frag' ich und sinn' ich,
Wie so mir geschehn? -
Mein Liebchen herzinnig,
Das soll ich heut' sehn.

Joseph von Eichendorff (1788-1857)
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Geweihte Stätte

Wo Zweie sich küssen zum erstenmal,
Bleibt nach auf Erden ein Duft und Strahl;

Es leuchtet der Platz, es wärmt der Weg,
Von seligem Zittern bebt der Steg;

Und der Baum geht früher in Blüt' und Blatt,
Wenn ein Sonnenregen geregnet hat.

Die Erde wimmelt von Klang und Licht,
Wie Feiertag ist's, und ist doch nicht.

Wär' auch die Sonne am Untergeh'n,
Auf Erden ist's eben wie Aufersteh'n.

Denn Alles ist Seele und Sonnenstrahl,
Wo Zweie sich küßten zum erstenmal.

Johann Georg Fischer (1816-1897)
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Im wunderschönen Monat Mai . . .

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

Heinrich Heine (1797-1856)
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Stoßseufzer

Sehnen! Sehnen! gib uns frei!
Glück der Liebe! komm herbei!
Täuschung! ende doch dein Spiel!
Hoffnung! zeig' ein goldnes Ziel!
Liebe! schürtest du die Flammen,
Leben! gib uns auch zusammen!
Welt! verleg' uns nicht den Lauf!
Eden! Eden! tu' dich auf!

Peter Cornelius (1824-1874)
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An ***

Wie süß du meiner Seele bist,
Ich weiß es nicht zu sagen!
Was still in meinem Innern sprießt,
Will nicht an's Licht sich wagen.
Vom Lenze, der in meiner Brust
Geweckt ein neues Leben,
Vermag ich, wollend und bewußt,
Den Schleier nicht zu heben.

Es sei! Wozu versucht ich auch
Ihn absichtsvoll zu lüften?
Du merkst den warmen Frühlingshauch
An seinen linden Düften.
In meinen feuchten Augen siehst
Du Licht des Morgens tagen -
Wie süß du meiner Seele bist
Brauch' ich dir nicht zu sagen!

Betty Paoli (1814-1894)
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Ich bin geliebt! Ja, tön' es, meine Leier ...

Ich bin geliebt! Ja, tön' es, meine Leier,
Laut durch die stille Nacht. Ich bin geliebt!
Und was mir selige Gewißheit gibt,
Sprach nicht ihr Mund, ihr Auge sprach's voll Feuer.

O, dieser Blick, als Alle fortgegangen,
Und sie allein mir gegenüber saß!
Es lag in diesem Blick, ich weiß nicht was,
Und stammelte unschuldiges Verlangen.

Und brannten düster gleich am Festesschluß
Die Kerzen rings, der Augen Glanzgefunkel
Erleuchtete das zweifelhafte Dunkel.

Sie ließ mir ihre Hand; sie sank zum Kuß -
Vernehmt's, ihr Sterne dort, ihr stummen Zeugen,
Ich bin geliebt! Wozu es euch verschweigen?
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Süßes Zweifelgefühl durchbebte mich, als im Gespräch itzt
Entpantoffelt ihr Fuß sanft sich auf meinen gestellt
Unterm Tisch, von Keinem gesehn und selber von ihr auch
Im Vergessen vielleicht, nimmer mit Absicht gestellt.
Doch jetzt hielt, da ihm ein kupferner Kreuzer entfallen,
Einer der Gäste das Licht unter den Tisch, da entzog
Eilig das Füßchen sich meinem Fuß und schlich erst zurücke,
Als der Leuchter am Ort vorige Hellung ergoß.
Ha, jetzt ging mit dem Leuchter auch mir auf einmal ein Licht auf!
Wer sich im Reden vergißt, fürchtet nicht solchen Verrath.
Ha, jetzt läugn' es nur länger noch, daß du, Evchen, mich liebest,
Mehr als je dein Mund sagte das Füßchen mir ja.

Christian Martin Winterling (1800-1884)
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An den unsterblich Geliebten

Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Aber ich weiß,
Du wartest auf mich
Jetzt und immer.
Wissend und gut.
Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.

Ich sehne mich nach dir,
Nach deinen sanften Händen,
Nach deiner frommen Schönheit,
Nach deiner klugen Güte.
O ich sehne mich nach dir.

Alles, was ich habe, will ich dir schenken,
Alles was ich denke, will ich dir denken,
Ich will dich lieben in allen Dingen,
Meine schönsten Worte will ich dir singen,
All meine Schmerzen und Sünden will ich dir weinen.
Meiner Seligkeit Sonnen werden dir scheinen.
Was ich bin, will ich dir sein.

Meine Träume sind voll deiner Zärtlichkeit.
Mein Blut singt süß deine Unendlichkeit.
Weiße Seele
Unsterblich Geliebter.

Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe,
Im Schauer meiner Ängste,
Im Lachen meines Glücks.

Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe.

Francisca Stoecklin (1894-1931)
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Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß ...

Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß;
Ich liebe dich, weil ich nichts anders kann;
Ich liebe dich nach einem Himmelschluß;
Ich liebe dich durch einen Zauberbann.

Dich lieb' ich, wie die Rose ihren Strauch;
Dich lieb' ich, wie die Sonne ihren Schein;
Dich lieb' ich, weil du bist mein Lebenshauch;
Dich lieb' ich, weil dich lieben ist mein Sein.

Friedrich Rückert (1788-1866)
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Glück

Ich bin so voll von Liebe,
Wie die Traube ist voll von Süße,
Mein Herz ist wie im Sommer
Der volle Apfelbaum.

Ich gehe stille Wege
Mit ruhigem Gemüte,
Der hohe blaue Himmel
Ist mir kein leerer Raum.

Ich bin mit allem Leben
Verwurzelt und verwachsen,
Die Sonne ist meine Mutter,
Gott ist mein schönster Traum.

Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
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Der Stumme an die Geliebte

Worte können es nicht sagen,
Nur den Blicken ist's gewährt,
Was mein Herz macht glühend schlagen,
Was es sehnsuchtsvoll verzehrt.

Wenn des Tages Lärmen schweiget,
Lautlos herrscht die stumme Nacht,
Sich zu dem Geliebten neiget
Luna in der stillen Pracht.

Stille nur die Sterne blinken
In dem grenzenlosen Raum,
Stille sie hinauf uns winken
Aus des Lebens flücht'gem Traum.

Wird's den Menschen ganz beglücken,
Ist dem Schweigen er geweiht;
Stumm ist immer das Entzücken,
Stille ist die Seligkeit.

Lasse du auch mich bekennen,
Was in Schweigen eingehüllt;
Keine Sprache könnt' es nennen,
Was das Herz mir ewig füllt.

Ludwig I. von Bayern (1786-1868)
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Sehnsucht

Wie brennt mein ganzes Herz nach dir!
Dein liebes Bild schwebt stets vor mir;
All' Orten, wo ich geh' und steh',
Da folgt's und macht mir wohl und weh!

O du, die ich in Allem schau,
In Waldes Grün, in Himmels Blau,
Wenn sich die frühe Lerche schwingt,
Ist's deine Stimme, die mir singt!

Im süßen Mond- und Sternenschein
Sind's deine lieben Äugelein,
In schwüler Nacht der Nelkenduft,
Dein Odem ist es, würzt die Luft.

Und Nelkenduft und Nachtigall
Und Sternenglanz verschmelzen all,
Und dunkle Wasser brausen drin,
Die Welt erlischt, vergeht der Sinn.

Mir ist, ich schwimm' aus mir heraus
Und ström' ins All wollüstig aus, -
Und leb' ich noch und athme noch?
Ich bin nicht mehr und liebe doch!

Mir träumt, ich bin das große Meer,
Und du die Sonne drüber her,
Und aufwärts, aufwärts für und für
Gehn alle Wogen nur nach dir!

Ich fasse dich inbrünstiglich;
Hinunter, Sonne, zieh' ich dich,
Hinunter in das Abendroth,
Hinunter in den süßen Tod.

Und endlich, endlich hab' ich sie!
Nun tos't, ihr Wellen, spat und früh;
Nun geht, ihr Sterne, ab und auf -
Wir ruhn, und weck' uns Niemand auf!

Friedrich Gottlob Wetzel (1779-1819)
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Du fragst, wozu das Küssen tauge?

Du fragst, wozu das Küssen tauge,
Und was es eigentlich will sagen?
Um sich zu blicken Aug' in Auge,
Und Seel' um Seele zu befragen.

Wenn Auge sich in Auge spiegelt
Und sich zu Seele Seele findet,
Dann wird im Kusse rasch besiegelt,
Was treue Herzen ewig bindet.

Drum willst du je dich küssend neigen,
So giebt es Eines, das bedenke:
Daß leis in andachtvollem Schweigen
Auch Seele sie in Seele senke.

Wo nur die Lippen sich berühren,
Da wirst du bald verschmachten müssen;
Der Liebe Wonnen ganz zu spüren,
O lerne mit der Seele küssen!

Robert Prutz (1816-1872)
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Ich habe dich so lieb

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei - verjährt -
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt
Ist leise.

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

Joachim Ringelnatz (1883-1934)
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Es macht mir nichts

Hauptsache ist, daß frei das Herz von Lüge
Und Zweifel sei! Wenn ich im übrigen
Statt eines Rosenkranzes ein Glas Wein
In Händen halte, - o das macht mir nichts!

Ob ich die Schönheit dieser Rosenknospe
Im Garten mir betrachte oder während
Im Bad ich weile, - o das macht mir nichts!

Trink aus drei Gläser, bis zum Rand gefüllt
Mit edelm Wein! Wenn du darauf den Frieden
Der Nacht durch reichliche Gebete dir
Erkaufen mußt, - fürwahr, das macht dir nichts!

Ich hoffe, daß du Liebe mich besuchst
Am zweiten Tage dieses Opferfestes.
Und wenn du nicht bei Tag kommst, sondern nachts, -
Es macht mir nichts, - bei Gott, es macht mir nichts!

Nedim (18. Jh.)
türkischer Dichter

(In der Nachdichtung von Hans Bethge 1876-1946)
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Für dich!

Für dich schmück' ich und binde mein Haar
Mit duft'gen Blumen, für dich allein,
Deinen sanften Tadel fürcht' ich nur,
Deine Lieb' ist all' mein Sein.

Für dich putzt mich mein schönstes Kleid,
Einfach und nett, für dich allein,
Kein and'res Auge soll in der Stadt
Sich mir in Liebe weihn.

Für dich stimm' ich der Lauten Klang,
Sonst wär' sie stumm, allein für dich,
Für die Biene ist des Juni Hauch
Nicht das, was du für mich.

Frances Sargent Locke Osgood (1813-1850)

(In der Übersetzung von Alexander Büchner 1827-1904)
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Liebesnacht

O wenn im Glanze weißer Kerzen
Sich sanft entzündet unsre Nacht
Und aus den lang verhaltnen Herzen
Die Sehnsucht nach dem Kuß erwacht;

Wenn wir tief innen von Verlangen
Durchschauert aneinander hin
Gewirbelt aus uns selber drangen,
Um vor der Liebe hinzuknien;

Wenn wir gerundet ohne Wehmut,
Wie Wachs für Feuerglanz vergeht,
Den Scheitel senken stumm vor Demut
Ist unser Kuß wie ein Gebet.

Emanuel von Bodman (1874-1946)
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Nacht du süßen Entzückens . . .

Nacht du süßen Entzückens, o wie ich dich gefeiert!
Nacht des Liebe-Beglückens, wo ich zuerst sie entschleiert!

Dein gedenk' ich noch heute voll der Erinnerung Strebens,
Ihr der Braut aller Bräute sing ich mein Lied voll Bebens.

Erst mit schüchternem Zagen mochte mein Muth sie schrecken,
Bis sie lernte ertragen mein lustweckendes Necken.

Leis' erst rührt mit der Hand ich sanft an Bändern und Schleifen,
Dann entbrannter verstand ich Störendes abzustreifen.

Fort von dem Busen schob ich des Schleiers neidische Hülle,
Sanft in dem Arm erhob ich der Glieder glänzende Fülle.

Ihr, die vordem so stille keuschem Gefühl ergeben,
Goß mein entzückter Wille Flammen ins Herz voll Beben.

Welch ein wonniges Biegen ihrer Glieder, der schönen!
Welch ein Wiegen und Schmiegen! Seufzen in flammenden Tönen!

Liebe trieb ihr Geschäfte kunstgeübt voll Gewandtheit,
Lieh ihr zaubrische Kräfte, Männermuth und Entbranntheit.

Mich in den Armen hob sie leicht empor gleich dem Balle,
Fort von dem Busen schob sie selbst die Kleider mir alle.

Gleiche selige Wonnen fühlten wir zwei selbander
Und wir gossen wie Sonnen Strahl um Strahl in einander.

Arabisches Volkslied
(In der Nachdichtung von Julius Altmann 1814-1873)
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Von strahlenden Dingen

Es strahlt in ihrer Krone Pracht
Die Kais'rin von Byzanz,
Die Meerfrau glitzert in der Nacht
In schönerm Perlenglanz.

Wie Pfauenaugen schimmert fern
Des Bischofs goldnes Kleid,
Und über ihm - der Hirten Stern
In größrer Herrlichkeit.

Die Liebe geht im Zauberschein
Durch unser dunkles Land,
Hält doch den höchsten Edelstein
Verborgen in der Hand.

Irene Forbes-Mosse (1864-1946)
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Eine verliebte Ballade für Yssabeau d'Außigny

Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal
dein Nachtgebet, und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir, und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mit wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund . . .
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hats auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart
für mich so tief im Haar verwahrt . . .
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund . . .
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Und habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
. . . ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

François Villon (1431- nach 1463)
(In der Nachdichtung von Paul Zech 1881-1946)
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Vorausbestimmung

Bevor die Gottheit noch das schimmernde
Kristall des Firmaments errichtet hatte,
Als du und ich noch schlummerten im Nichts, -
Schon damals waren unsre beiden Namen
Verbunden durch die Gottheit, wunderbar.

Eh noch die Sterne waren und der Mond,
Eh Wasser war und Feuer und die Erde,
Eh deine Stimme war und dein Gedanke,
Schon damals war durch Gott vorausbestimmt
Das Schicksal unsrer Liebe, wunderbar.

Abu-Said (978-1062)
(In der Nachdichtung von Hans Bethge 1876-1946)
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