Carl Geisheim (1784-1847) - Liebesgedichte

 



Carl Geisheim
(1784-1847)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Der Stern der Liebe

Ist die Sonne kaum gesunken,
Sieh, da stellt ein Feuerfunken
Glänzend sich am Himmel ein:
Welch ein Stern mag das wohl sein?

Ei, du bist mir auch ein schmucker,
Liebevoller Sternengucker!
Kennst das schönste Himmelslicht,
Kennst den Stern der Liebe nicht!

Holdchen, laß dich nicht bethören!
Zu der Liebe zwei gehören;
Deine Augen, glaub' ich gern,
Ja, die sind der Liebe Stern.
(S. 57)
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Herzliebchen

Herzliebchen ist gar schön und hold,
Ist's mir nur eben gut;
Macht mir der Zeiten Blei zu Gold,
Wenn hübsch es zu mir thut.

Herzliebchen aber manchen Tag
Ist auch gar wunderlich,
Da es mich gar nicht küssen mag,
Und sich nicht härmt um mich.

Dann stimmt auch mir kein Takt und Ton,
Grimm treibt mich hin und her;
Wär' auch davon gelaufen schon,
Wenn's nicht Herzliebchen wär'.
(S. 60)
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Dächt' ich nur immer dran!

Ich liebe dich so innig,
Ganz dein, ja dein nur bin ich,
Mein Schatz, dir zugethan;
Dächt' ich nur immer dran!

Ich hab' in meinem Herzen
Vor ew'gen Himmelskerzen
Ein fromm Gelüdb' gethan,
Dächt' ich nur immer dran!

Ich weiß, ich weiß, die Liebe
Weis't, wie des Baumes Triebe,
Den Menschen himmelan;
Dächt' ich nur immer dran!

Lieb' ist des Friedens Blüthe,
Bei Liebe, da ist Güte,
Da ist kein Trug und Wahn;
Dächt' ich nur immer dran!

Zwar wohl nicht immer gütig,
Wird Liebe wohl auch wüthig,
Wird ihr nicht lieb gethan;
Dächt' ich nur immer dran!

Ist Liebe wach im Herzen,
Dann zündet seine Kerzen
Im Hause Gott mir an;
Dächt' ich nur immer dran!
(S. 61-62)
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Auszug

Mir ward in meinem Stübchen bang,
Mich trieb's, mich jagt's hinaus;
Mich zog, ich weiß nicht welcher Drang,
Fort in ein andres Haus.

Im schönern Stübchen sitz ich nun,
Doch sitz ich drin allein,
Und nimmer noch will's Herz mir ruh'n,
Bei dir will's, Holde, sein.

Bald, sicher, wandr' ich wieder aus,
Wandr' aus von Dach zu Dach,
Bis ich gelang' in's Herzenshaus,
Zu dir in's Brautgemach.
(S. 64)
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Rath und That
Triolet

Weit lieber als die schönste Rede
Ist mir die schöne, rasche That!
So sprach zu mir die schönste Spröde.
Weit lieber als die schönste Rede
Vernahm ich diesen guten Rath;
Ich stahl den Kuß, um den ich bat.
Weit lieber als die schönste Rede
Ist mir die schöne, rasche That!
(S. 65)
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Der Kuckuk

Den ersten Kuckuk hört' ich schrein
Im neuen Maimondsgarten;
Da fiel es mir zu fragen ein,
Wie viel ich, eh' ich könne frein,
Noch Jahre müsse warten? -

Der Vogel schwieg; kennt sicherlich
Wohl meine Herzbeschwerden;
Denn sagt' er, Liebchen, mir, daß ich
Noch Jahre warten soll auf dich,
Müßt' ich des Kuckuks werden.
(S. 66)
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Musikalischer Seufzer

Ich steige lustig auf und ab
Der Töne Zauberleiter.
Es treibt die Kunst bergauf, bergab
Mich weiter, immer weiter.

Von vorne geht es täglich an
Das Klettern und das Schmettern;
Das Ziel der Sehnsucht aber kann
Ich doch mir nicht erklettern.

Dann kommt gar oft der Wunsch mir queer,
Daß, statt für Sang und Geigen,
Die Scala eine Leiter wär',
Beim Liebchen einzusteigen.
(S. 67)
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Liebesbriefchen

Kaum ging von dir
Ich eben fort,
Zur Heimath hier,
Zum stillen Ort:
Als schon auf's Neu',
Dir immer treu,
Mein Wunsch mich trägt
Zu dir, und mir,
Unheimlich hier,
Das Herz nach dir
Hinwallend schlägt.

Wär' ich Papier,
Von Briefen wär'
Die Post zu schwer
Bis hin zu dir.
Ich setz' mich hin;
Die Feder fließt,
Doch mich verdrießt,
Daß selbst ich nicht
Die Dinte bin,
Die jetzt zu dir
Statt meiner spricht.

Der Klecks, den dumm,
Wohl gar in Wuth,
Auf das Papier
Die Feder thut:
Der zeigt, wie drum
Ich brummig bin,
Wie ungeschickt!
Weil zu dir hin
Der Blick nur blickt;
Dort, wo du bist,
Bei dir nur ist
Mein Geist und Sinn. -
Den Klecks betracht'
Ich nur mit Neid,
Du wirst ihn sehn; -
In Einsamkeit
Muß ich hier stehn!
In meinem Joch
Bin ärmer doch
Ich Versifex,
Als dieser Klex.
Buchstaben stehn
Auf dem Papier,
Sie alle gehn
Beglückt zu dir.
Ich buchstabier'
Mich hin zu dir;
Doch wie den Bub'
Schulmeisters Stub'
Nur zwängt und quält,
Weil Lieb' ihm fehlt:
So friert's mich an,
Daß ich mein Glück
In deinem Blick
Nicht lesen kann.
O wärest du
Ein Buch, mein Schatz,
Und schicktest mir
Dich selber zu:
Ach, Tag und Nacht
Läs ich in dir
Ohn' Rast und Ruh.
(S. 68-70)
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Der Reiter und sein Roß

Frisch auf! mein fröhliches Roß!
Mein Flügel, mein Pfeil und Geschoß;
Frisch auf
Zum lustigen Lauf!
Durch das Land wie der Wind,
Eh die Stunde verrinnt.

Frisch auf! denn sie harret ja mein,
Bei der immer ich wünschte zu sein.
Frisch auf,
Bergab, bergauf!
Mein Roß voll Muth,
O, wie bin ich dir gut!

Frisch auf! wie entzückt mich dein Trott!
Ich schwebe dahin wie ein Gott.
Frisch auf!
Mich beflügelt dein Lauf,
Und es strahlet mein Stern
Durch dich minder mir fern.

Frisch auf! mein trauliches Roß!
Willkommen begrüßt uns im Schloß.
Frisch auf!
Harr' aus in dem Lauf.
Wie dort hold es uns blinkt,
Und die Liebliche winkt!
(S. 71)
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Zum Kuckuk

Zum Kuckuk gehet das Mägdelein
Im Walde.
Wann kommt, fragt's, wieder der Liebste mein,
Wie balde?
Der Kuckuk höret nicht auf zu schrein,
Nicht werden die Jahre zu zählen sein!
Stell, Mägdelein ein das Hangen, Verlangen!
Dein Liebster ist zum Kuckuk gegangen,
Zum Kuckuk.

Den Kuckuk fraget er nun nach dir
In der Ferne;
Sieht schöne Mädchen dort so wie hier
Gar gerne;
Er liebet Jedwede mit neuer Begier,
Und Jede, Jedwed' auch glaubet ihm schier;
Soll's aber endlich nun kommen zum Fangen,
Husch, ist er schon wieder zum Kuckuk gegangen,
Zum Kuckuk.

Und alle die Küsse der heißen Gluth,
Unzählig;
Die Träume der Hoffnung in Ebb' und Fluth,
So selig!
Der Liebe fröhlicher, glücklicher Muth,
Morgenröthlicher Wange lebendiges Blut,
Das Kränzlein, der Ring, die bräutlichen Spangen,
Alles, Alles ist zum Kuckuk gegangen,
Zum Kuckuk.

So gehen die Schätze, die Freuden der Welt
Zum Kuckuk,
So Hab und Gut und das flüchtige Geld
Zum Kuckuk,
Wenn die Liebe nicht und die Treu' es hält,
Wenn sie nicht das Haus und das Herz bestellt.
Was Hoffnung und Habsucht träumend verlangen,
Alles geht, ist Liebe zum Kuckuk gegangen,
Zum Kuckuk.
(S. 73-74)
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In der Ferne

Ich hab' den himmelsklaren Berg erstiegen,
Den Sänger seit Jahrhunderten besangen;
Von schönen Landen ist sein Haupt umfangen,
Die wie ein Zaubergarten vor mir liegen.
Erinnerung, Begeisterung durchfliegen
Die alte, neue Welt; doch ein Verlangen
Folgt meinem Auge nach, - ein stilles Bangen,
Als würde hier das Schönste mir verschwiegen.
Der Blick der Sehnsucht ruht am Himmelsrande,
Fern dort am Strand'; es flüchten meine Träume
Zu dir, Geliebte, zu dem Vaterlande,
Zu holen dich in diese fremden Räume;
Denn dieses schöne Land der goldnen Bäume
Wird erst zur Welt und mein durch Liebesbande.
(S. 207)
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Der Schlüssel

Zu deines Schlafgemaches Hinterthüre
Lag dort der Schlüssel wunderbar verführlich.
Welch ein Gelüst ergriff mich? Unwillkürlich
Steckt' ich ihn ein, als ob er mir gebühre.
Den Himmelsschlüssel zu dem Schatze führe
Nun treu ich bei mir, zwar danach begierlich,
Doch wie ein Geizhals nie ich ungebührlich
Mich selbst bestehle, nur ihn traut berühre.

Und lausch' ich oft auch an der Thür am Morgen,
Wenn du noch schläfst, dich wähnest ohne Sorgen
In deiner Kammer Heiligthum geborgen;
Nun selig bin ich, schöner Zukunft Jahren
So holder Gaben Reichthum aufzusparen,
Zu solchem Schatz den Schlüssel zu bewahren.
(S. 207-208)
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Seelenkunde

Leicht sind die Augen deines Sinn's Verräther;
In ihnen lesen, ist mir Offenbarung;
Sie haben dein Geheimniß in Verwahrung,
Sind offen oft des Schweigens Übertreter.
Wohl sühnen sie der kargen Worte Sparung,
Doch sind sie auch die argen Übelthäter
Am armen Herzen, blitzend ihm verschmähter,
Verkannter, hoffnungsloser Lieb' Erfahrung.

Hold auch in Worten und Gesang, spricht Minne,
Sie hat des Klanges Mild' und Feuer inne;
Doch was sie hegt und trägt im tiefsten Sinne,
Das - alle Sprach' ist dann dagegen Plunder -
Sagt nur der Kuß, der Seeleneinheit Zunder,
Der Lieb' entscheidend und doch stummes Wunder.
(S. 208)
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Stumme Sprache

Wie möcht' ich gern, was ich empfand, besingen,
Was wundersam dein Kuß mir sagte, schildern;
Die schönste Flur ist allzuarm an Bildern,
Kein Echo kann je wo ihn wiederklingen.
Mag Schöpferkraft auch mächtig mich durchdringen,
Wenn du mich küssest; - Worte zu entwildern,
Zur Schilderung des Wunders sie zu mildern,
Wird keinem Sänger, keinem Lied' gelingen.

Wohl fühl' ich auf den Lippen Klänge schweben,
Tief aus dem Herzen Flammenworte beben,
Die gern dir, Liebe, möchte Seelenkunde,
Von deines Kusses Zauberwirkung geben;
Doch lieber seliger zur schönen Stunde
Verstummt und schweigt mein Mund an deinem Munde.
(S. 209)
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Heimkehr

Ich komme heim; du bist nicht da; ich frage;
Niemand doch sagt mir, ob du bist im Hause.
Die Zimmer all' bis zu der kleinsten Klause
Durchrenn' ich, hoffend, daß dein Blick mir tage.
Nicht, wo du sein kannst, ungewisser Sage,
Nicht der Vermuthung gönnt die Unruh' Pause;
Mir wird das Haus zur Wüste, zur Karthause,
D'rinn hin und her ich mäulend irr' und zage.

Bald aus dem Fenster späh' ich, bald zur Thüre,
Bald an der Uhr, der murrend ich befehle,
Daß, bald zu kommen, dich die Stunde rühre. -
Da kommst Du! - Still! Denn nie ich dir's erzähle;
Gefährlich wär' mir's, wenn mein Schatz erführe,
Daß, fehlt er mir, ich so mich um ihn quäle.
(S. 209-210)
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Der Kuß

Adam konnte nicht vergessen,
Daß er Eden einst besessen;
Dacht' oft an das alte Glück;
Ging mit seiner Eva klagend,
Oft in Noth und Leid verzagend,
An das Paradies zurück.

Vor der streng verschloßnen Pforte
Schaut er in die Wunderorte
Seiner Seligkeit hinein.
Und es wogen in dem Herzen
Wieder neu die alten Schmerzen,
Draus verjagt, verbannt zu sein.

Blicket hin zu seinem Weibe,
Seines Vorwurfs Ziel und Scheibe,
Sieht sie ernst und finster an:
Du bist Schuld, das will er sagen,
Dir, so will er zürnend klagen,
Danken wir den schweren Bann.

Schon bewegt des Ärgers Kunde
Drohend sich auf Adams Munde:
Sieh, da stehet Eva auf;
Und als auf den Lippen eben
Will der Zorn in Lauten beben,
Drücket einen Kuß sie drauf.

Adame schweigt, er kann nicht reden,
Und ihm ist, als sei ihm Eden
Plötzlich wieder aufgethan: -
So die Even, wenn sie wollen,
Setzen Männer, wenn sie grollen,
In des Paradieses Wahn.
(S. 257-258)
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Das Blatt und das Röselein

Auf einem Stengelein saßen
Ein Blatt und ein Röselein,
Und schienen gar über die Maßen
Glückselig im trauten Verein.

Doch fing das Blatt an zu wanken,
Fiel ab und flog in den Bach;
Erschrocken, ohn' Wahl und ohn' Schwanken,
Flugs stürzte sich Röselein nach.

Das Blatt schwamm jach in die Weite;
Noch schneller das Röselein war,
Zu schwimmen dem Liebling zur Seite,
Zu theilen der Fluthen Gefahr.

Das Blatt doch abwärts sich wandte,
Bald vor, bald wieder zurück;
Sein flüchtiger Sinn nicht erkannte
Der Lieb' ihm getreuliches Glück.

Da fingen sich kosende Blätter
Am Ufer das Röselein ein:
Bleib', Liebchen, wir wollen dir Retter,
Du sollst hier die Königin sein!

Nein! Nein! - Ach, seht ihn enteilen,
Den Flüchtling, den lieben, im Bach!
O laßt mich! Ich kann hier nicht weilen;
Ich muß, ich muß ewig ihm nach!
(S. 264-265)
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Meine Laterne

Jüngst hatten die neidischen Raben
Die nächtlichen Wege begraben,
Die gefährlichen Stege zu Ihr.
Nicht Einer der freundlichen Sterne
Wollt' leuchten mir hin zu der Ferne;
Doch ich ging mit meiner Laterne,
Und meine Laterne mit mir.

Auf steinigem, schlüpfrigen Stege,
So stolpr' ich und gleit' ich die Wege,
So tapp' ich und tapr' ich zu Ihr.
O, seufz' ich, o leuchtet mir, Sterne! -
Voll Sehnsucht träumend zur Ferne;
So ging ich mit meiner Laterne,
Und meine Laterne mit mir.

Schwer athmend zum Ziele nun kam ich,
Und bald auch Ihr Stimmchen vernahm ich
Am Fenster: Was willst du denn hier?
Bleib, bleib, denn dir leuchten nicht Sterne,
Mit deiner Laterne mir ferne! -
Da ging ich mit meiner Laterne,
Und meine Laterne mit mir.
(S. 293-294)
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Schön Dank

Kam eine Maid gegangen,
Wie eine Birke schlank;
Ehrfürchtig ich sie grüßte,
Doch sprach sie nicht: Schön Dank.

Sie geht; - doch ihrem Tritte
Folg' ich nun liebekrank.
Sie kommt, ich grüße wieder;
Doch sprach sie nicht: Schön Dank.

Noch ferner sie zu grüßen,
Mir Muth und Freude sank;
Mein Gruß der stillen Liebe
Verdiente doch: Schön Dank.

Ich ward ob ihres Stolzes
In meiner Liebe wank;
Und als sie jüngst mich grüßte,
Da brummt' ich barsch: Schön Dank!
(S. 295)
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Aus: Gedichte von Carl Geisheim
Erster Band
Breslau im Verlage bei Josef Max und Komp. 1839

 


Biographie:

https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Geishaim,_Johann_Karl_Wilhelm


 

 


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