Leopold Friedrich Günther von Goeckingk (1748-1828) - Liebesgedichte

Leopold Friedrich Günther von Goekingk



Leopold Friedrich Günther von Goeckingk
(1748-1828)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Lieder zweier Liebenden

Erstes Buch


Bey Uebersendung des Schlüssels zur Gartenthür

Soll ich dich in den Brunnen werfen?
Schick ich dich hin zu Amarant?
Sollt ich vielleicht das Schwert zu meinem Tode schaerfen?
Selbst geben in des Moerders Hand?

Was soll ich thun? Vernunft, du prahlest immer
Mir deine weisen Lehren vor,
Doch lauter steiget noch der Liebe sanft Gewimmer
Aus der beklemmten Brust empor.

Wohlan es sey! Zwar koennt' ich widerstehen,
Weil dieses Herz mir das verspricht:
Doch Amarant, in dir, in dir den Moerder sehen,
Das will ich und das kann ich nicht.

Da nimm ihn hin! Komm, wenn die kleine Glocke
Die Nonnen zu der Hora weckt,
Verhülle dich besorgt in deinem Ueberrocke,
Und geh, von deinem Muth bedeckt.

Schon an der Thür sollst du den Busen hoeren,
Der wie ein Eisenhammer pocht;*
Sollst fühlen, wie das Blut in allen Herzensroehren
Beym Feuer deiner Küsse kocht.

Was willst du mehr? Schon das sollt' ich nicht geben;
Wem gaeb' ichs auch wohl ausser dir?
Doch, willst du kühner seyn? Nimm lieber gleich mein Leben;
Langsam nimmt sonst der Gram es mir.

Macht mich der Rausch von deiner Liebe trunken,
So kannst du leicht mein Sieger seyn:
Doch würde, wenn ich nun durch dich ins Grab gesunken,
Dich so ein Sieg wohl noch erfreun?
(S. 1-3)

* Unter Eisenhammer wird hier ein Hüttenwerk verstanden,
wo das Eisen verarbeitet wird, dergleichen es in Nantchens Gegend viele gibt.
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Nach dem ersten naechtlichen Besuche

Bin ich nüchtern, bin ich trunken?
Wach' ich, oder traeum' ich nur?
Bin ich aus der Welt gesunken?
Bin ich anderer Natur?
Fühlt' ein Maedchen schon so was?
Wie begreif' ich alles das?

Weiss ich, dass die Rosen blühen?
Hoer' ich jene Raben schreyn?
Fühl' ich, wie die Wangen glühen?
Schmeck' ich einen Tropfen Wein?
Seh' ich dieses Morgenroth? -
Todt sind alle Sinnen, todt!

Alle seyd ihr denn gestillet?
Alle? Habet alle Dank!
Koennt' ich so in mich gehüllet,
Ohne Speis' und ohne Trank,
Nur so sitzen Tag für Tag
Bis zum letzten Herzensschlag.

In die Nacht der Freude fliehet
Meine Seele wieder hin!
Hoert und schmeckt, und fühlt und siehet
Mit dem feinen innren Sinn!
O Gedaechtniss! schon in dir
Liegt ein ganzer Himmel mir!

Worte, wie sie abgerissen
Kaum ein Seufzer von ihm stiess,
Hoer' ich wieder, fühl' ihn küssen:
Welche Sprache sagt, wie süss?
Seh' ein Thraenchen - Komm herab!
Meine Lippe küsst dich ab!

Wie ich noch so vor ihm stehe,
Immer spreche: gute Nacht!
Bald ihn stockend wieder flehe:
Bleibe, bis der Hahn erwacht!
Wie mein Fuss bei jedem Schritt
Wanket, und mein Liebster mit!

Wie ich nun, an seine Seite
Festgeklammert, küssend ihn
Durch den Garten hin begleite!
Bald uns halten, bald uns ziehn!
Wie da Mond und Sterne stehn,
Unserm Abschied' zuzusehn.

Ach da sind wir an der Thüre!
Bebend haelt er in der Hand
Schon den Schlüssel. - Wart', ich spüre
Jemand gehen, Amarant!
Warte nur das Bischen doch!
Einen Kuss zum Abschied noch!

Ich verliere, ich verliere
Mich in diesem Labyrinth!
Traeumt' ich je, dass ich erführe,
 Was für Freuden, Freuden sind?
Wenn die Freude toedten kann,
Triffst du nie mich wieder an.
(S. 4-6)
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Der Frühlingsmorgen

Dieser Tag ist gaenzlich mein!
Und der Himmel ist so blau,
Und die Troepfchen Morgenthau
Blinken so im Sonnenschein,
Und die Tauber laufen so
Hinter ihre Taeubchen her,
Und die Spatze, naerrisch froh,
Tanzen in die Kreuz und Queer,
Und die Hühner waelzen sich
In dem warmen Sand herum,
Und die Haehne fliegen mich,
Blind vor Freuden, um und um;
Alle Schnaebel, grad' und krumm,
Wetzen sich zu Streit und Kuss,
Und der Truthahn, stolz und dumm,
Steht da, aergert, brüstet sich,
Wie ein junger Kritikus,
Und der Pfau, mit seinem Schweif,
Tritt einher so keck und steif,
Wie die hochgebornen Herr'n
Mit erkrochnem Ordensstern.

Alles ziehet in die Brust
Neues Leben, neue Lust,
Mit der Frühlingsluft hinein!
Alles schenkt' ich heute hin,
So zufrieden wie ich bin!
Selbst der Bosheit Spoettereyn
Naehm' ich heute lachend hin,
So zufrieden wie ich bin:
Denn der schoene Tag ist mein!

Heut' ist alles moeglich mir,
Was mir sonst unmoeglich ist!
Willst du Lieder, Ruhmbegier?
Heute saeng' ich Eins, so schoen
Wie von Gleimen, Nantchen küsst:
Aber, lass mich heute gehn!
Bringst du Acten, Dienstbegier?
Heute referirt' ich schier
Aus Geschmiere, bunt und kraus,
Etwas menschliches heraus:
Aber, packe dich von hier!
Schade waer' es, diesen Tag
So verschleudern, so entweihn.
Renn' um Ehre, wer da mag!
Waer' es auch mein Sterbetag,
Dennoch wollt' ich mich erfreun!

Sattelt! sattelt! ich muss hin
Zu der grossen Koenigin
Meines Herzens! durch den Hain,
Ueber Graben, Stock und Stein,
Reit ich heute ohne Scheu,
Heut' einmal recht sorgenfrey
Mit der Saengerin zu seyn.

An dem Riesenhoehlenbach*
Wollen wir uns lagern, ach!
Wollen da so froehlich seyn
Wie die Voegelchen im Hain;
Wollen da auf ihrem Schooss
Tafel halten, und du Mooss
Sollst uns wiegen, und du Hain
Sollst ein Wiegenlied dazu
Singen, und du Linde du,
Statt des Sonnenschirmes seyn.

Zaeumt den Rappen! ich muss hin
Zu der Liedersaengerin!
Welt! wie bist du heute schoen!
Was da siehet, starrt dich an,
Doch, wer Nantchen sehen kann,
Wird auf dich nicht lange sehn;
Und, o Glück, ich bin der Mann?
Und die deutsche Sapho soll
Ruhn in diesem Arme hier?
Clive! tauschtest du mit mir?
O gewiss, du tauschtest wohl,
Aber ich nur nicht mit dir.
Hast Guineen Saecke voll,
Geh, und kaufe denn dafür
Ihre Freud' und ihren Scherz,
Ihre Lieder und ihr Herz!
Denk' einmahl, das kostet mir
Nur ein wenig wenig Schmerz.

Bringt den Rappen! ich muss hin
Zu der Freudengeberin!
Zwar ihr Herz ist immer mein:
Aber ach! die Hand! die Hand! -
Zwinge mindstens in kein Band,
Liebes Glück! sie straeubend ein!
Lass sie, lass sie mein noch seyn!
Und, wo nicht, so bitt ich dich,
Wiege heute Sie und mich,
Brust an Brust, zum Schlummer ein,
Aus dem Rausch der Freuden, ach!
Mit dem Morgenrothe, wach
In Elysium zu seyn.
(S. 7-10)

* Eine Gegend bei Clettenberg, in der Grafschaft Hohnstein
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Der Winterabend
Vor einer Reise zu Nantchen

Welch ein Wetter! - soll ich fort?
Oder soll ich bleiben?
Wie die düstern Wolken dort
Sich einander treiben!
Wie der Knopf am Kirchenthurm
Schwankt auf seiner Stange!
Horch! wie, mehr vor Schnee und Sturm
Als vor Menschen bange,
Aller Raben Angstgeschrey
Um ein Obdach flehet,
Und der Kautz im Thurme, frey
Gegen sie sich blaehet;
Wie von meinen Fenstern ab
Dicke Schlossen prallen,
Rasselnd von dem Dach herab
Morsche Ziegel fallen,
Und noch lauter als das Horn,
Das den Schlaf zerstreuet,
Straf mich nicht in deinem Zorn!
Kunz, der Heuchler, schreyet!
Sieh! wie selbst die Rosse dort
Fortzugehn sich straeuben!
Welch ein Wetter! - Soll ich fort?
 Oder soll ich bleiben? -

Was besinnen! - Heinrich! he!
Sattle noch den Rappen!
Sollt' ich auch in tiefem Schnee
Nach dem Wege tappen,
Sollt' ich auch an starrer Hand
Meinen Renner leiten,
Und zuerst vom Felsenrand
In die Tiefe gleiten.
Mag ich ganze Meilen mich
In dem Forst verirren,
Mag der Schuhuh fürchterlich
Ueberm Kopf' mir schwirren,
Und der Wind durchs trockne Laub
Alter Eichen rauschen,
Und ein Raeuber auf den Raub
In dem Dickicht lauschen,
Mir mit aufgespanntem Hahn
Nach der Kehle greifen,
Und auf einem Wolfeszahn
Seiner Bande pfeifen.
Was sind Raeuber, Schnee und Wind!
Sie ist mein gewaertig!
Heinrich! Heinrich! o geschwind!
Ist der Rappe fertig?
(S. 11-12)
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Bei Uebersendung ihres Bildnisses

Was verschoenern! was verstecken!
Nur gemahlt so wie ich bin!
Alle kleine Sommerflecken,
Wie sie da sind, treulich hin!

Doch was half mir diese Bitte?
Seine kleinste Sorge war,
Ob mein Herz darunter litte?
Schoener mahlt' er Stirn' und Haar,

Schoener mahlt' er Kinn und Nase,
Aergert' ich mich noch so sehr:
Frag' ihn, Liebster, ob er rase?
Denn das bin ich nimmermehr.

Und was sollen diese Lügen?
Bildet sich der Mann wohl ein
Mich gefaellig zu betrügen,
Schoener, als ich bin, zu seyn?

Ob die Schoenheit mich empfehle?
Das ist meine Sorge nicht,
Denn du liebest Nantens Seele,
Thoren, nichts als ihr Gesicht.

Alles hiess ich diesem Tropfe,
Diesem Stümper, endlich gut,
Aber brennen nicht im Kopfe
Meine Augen voller Glut?

Der Natur nicht, bloss dem Glücke
Dank' ich diess, mein Amarant,
Denn der erste deiner Blicke
Setzte ploetzlich sie in Brand.

O die Augen! o die Augen!
Schade was für das Gesicht;
Ha! zum Maler mag er taugen,
Zum Geliebten taugt er nicht.

Dieses Schmachten, dieses Sehnen,
Dacht' ich so in meinem Sinn,
Diese halb versteckten Thraenen -
Kurz, die Seele mahlt er hin.

Und wie will ich in dem Bilde
Gern vor Amaranten stehn!
Wenn er zornig ist, so milde,
Wenn er seufzt, so freundlich sehn!

Wenn er betet, wenn er dichtet,
 Schlaf er oder sey er wach,
Immer nur auf ihn gerichtet
Folget ihm mein Auge nach.

Will er, boeser Menschen müde,
In sein Cabinet entfliehn,
O wie soll ihm Trost und Friede
Von dem Bild' entgegen ziehn!

Und nun sieh! - ich moecht' ihn schlagen! -
Sieh die Augen, lieber Mann!
Ist es nicht als wenn sie sagen:
"Geh doch, sieh uns nicht so an!"

Und nicht wahr, so saure Züge
Machen dir im Ansehn Qual?
Willst du frohere? So fliege
Morgen zum Original'.
(S. 13-15)
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Flur und Wald

Wer darum nur die Morgenroethe grüsset,
Nur darum gern durch Saat und Hecken streicht,
Weil's ihn ergoetzt, wenn durch sein Bley erreicht,
Ein Huhn die rothen Aeuglein schliesset;

Wer darum nur zum reinen Himmel blicket,
Nur darum seufzt: Wo bleibt der Abendstern?
Weil er im Lerchengarne, ach! so gern!
Das Koepfchen voll Gesang zerdrücket;

Wer darum nur dem Laerm der Stadt entfliehet,
Nur darum in dem Rohr der Teiche ruht,
Weil er so gern den Hecht, betrieft mit Blut,
Am Widerhaken zappeln siehet:

Der biete nie mir seinen Arm zum Gange
Durch Flur und Wald, wo mir die Lerche singt,
Das Rebhuhn zirpt, der Hecht im Teiche springt;
Weg mit dem Mann! Er macht mich bange.

Nimm du, o Freund, mich auf in deine Arme!
Mit dir ging' ich, ich wüsste nicht, wie weit?
Du freuest dich, wenn ein Geschoepf sich freut,
Und haermst dich mit bey seinem Harme.
(S. 16-17)
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Als sie Amarant auf der Reise vermuthete

Mit Geschrey, verirrter Pilgrim, schweben
Wilde Gaense auf des Adlers Bahn,
Alle Fenster, alle Thüren beben
In den Hespen, und der Wetterhahn

Drehet kreischend auf des Giebels Spitze
Sich in kurzen Kreisen, und der Sturm
Stoert hervor, aus tiefer Mauerritze,
Eul' und Kaeuzchen auf dem Kirchenthurm.

In die Wette mit einander wehen
Alle Winde; Schneegestoeber füllt
Erd' und Himmel; wie die Leichen stehen
Thürm' und Meilenzeiger eingehüllt.

Blaest der Sturm nicht an der Himmelshoehe
Selbst das Licht von allen Sternen aus?
Wehe, meinem armen Freunde, wehe,
Trieb' ihn heute seine Lieb' heraus!

O wie will er durch zwey lange Haine,
Und drey tiefe Flüsse, heute sich
Zu mir finden? Arme Nante, weine,
Denn um wen das alles, als um dich?

Und vielleicht, dass im verschneyten Graben
Er vergebens itzt um Hülfe schreit,
Oder umgerissen ihn die Fluthen haben,
Wo kein Fischer seine Hand ihm beut.

 Werdet still, ihr Winde! Nimm die Hülle,
Lieber Mond, von deinem Antlitz ab!
Aber horch! was trappelt? - Stille! stille! -
Horch! - O Himmel! seines Rappen Trab!
(S. 18-19)
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Alles, nur nicht die Ruhe
An Nantchen

Ein jeder Schurk' ist Herr von meinem Leben,
Wie Ravaillac von Heinrichs Leben war;
Was sollt' ich denn vor dir, o Tod! noch beben?
Da ist mein Leib! - mein Geist - lacht der Gefahr!

Ein jeder Brand ist Herr von meinem Gute:
Was hienge sich mein Herz an diesen Tand?
Nur wenig Glück brauch' ich bey meinem Muthe,
Und diesen Muth setzt keine Flamm' in Brand.

Der Koenig ist zwar Herr von meinem Range,
Allein zum Glück nur in der Koerperwelt:
Was waer' ich viel für seinem Titel bange?
Wenn Weisen nur mein Nahme noch gefaellt.

Drum, was du thun willst, Schicksal! nun das thue,
Verfolgst du mich: ich bleibe willig stehn;
Du, Nantchen, nur bist Herr von meiner Ruhe,
Nimmst du mir die, dann ist's um mich geschehn!
(S. 20-22)
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Ist sie von Adel?

Auf meines Vaters Wappen stehn
Nicht Helme oder Fahnen,
Allein sein Geist war engelschoen,
Und meiner Mutter Ahnen:
Ein frommes Herz und guter Sinn:
Wohl mir, dass ich kein Fraeulein bin!

Mein Vater scharrte Thaten nur,
Nicht Louisd'or zusammen;
Sein Weib war mild wie die Natur,
Und rasch wie Feuerflammen
Zum Geben, langsam zum Gewinn:
Wohl mir, dass ich nicht reicher bin!

Ein schlaefrig Auge, das bey dir
Zuerst sich aufgeschlossen,
Gab die Natur zur Mitgift mir,
Und tausend Sommersprossen
Statt eines Grübchens in dem Kinn':
Doch gut, dass ich nicht schoener bin.

Waer' ich ein Fraeulein: Koent' ich dich
So sehn und Vetter nennen?
Und waer' ich reich: Wie würd' um mich
Der Durst nach Golde rennen!
Und waer' ich schoen: das Stutzerheer
Macht' endlich eine Naerrinn mehr.

Kein Fraeulein, und nicht schoen, nicht reich,
Ging Eigennutz und Adel
Und Stutzer mir vorbey, denn gleich
Sah jeder meine Tadel.
Nur du allein bliebst vor mir stehn:
Bin ich nicht edel, reich und schoen?
(S. 24-25)
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Vergessenheit

Wenn die Hühner sich auf ihren Latten
Eine Schlafbank waehlen für die Nacht,
Und die Sonn' aus meinem Schatten
Einen ackerlangen Riesen macht:

Husch' ich in den Garten - deine Lieder
Gehen mit in meinem Pompadour -
Werfe lang ins Gras mich nieder,
Und vergesse Menschen und Natur.

Alle die Aurikeln, Nelk' und Rosen,
Die ich sonst - wie meine Mutter, mich -
Anzusehn und liebzukosen
Und zu warten pflegte, missen mich.

Und mein Laemmchen, das ich sonst zu füttern
Ueber kein Vergnügen je vergass,
Bloecket an den Gartengittern
Oft umsonst nach einer Hand voll Gras.

Und mein Papchen,* dem ich auf der Gabel
Zucker durch des Kaefichs Staebe gab,
Wetzt umsonst den krummen Schnabel
An dem glatten Ringe schaukelnd ab.

Sollen meine Blumen nicht verwelken,
Lamm und Vogel schmachten? Komm o Mann!
Lobe Vogel, Lamm und Nelken!
Laemmchen, hüpfe! Papchen, schwatze, und ihr Blumen, blühet dann!
(S. 26-27)

* Papchen=Papagey

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Bey Uebersendung eines Paars Filet-Manschetten

Horchend lauscht' ich manche Nacht,
Ob sich Anne* nicht mehr rühre?
Hurtig war ich auf, und sacht
Trippelt' ich zur Kammerthüre,
Sass bei meines Laempchens Schein
Ganze Naechte, ganz allein.

Nicht für einer Fürstinn Pracht
Haett' ich sonst, im oeden Zimmer
Ganz allein, nur Eine Nacht
Selbst bey tausend Kerzen Schimmer
Gegen Schrecken mich gewehrt:
Was die Liebe doch nicht lehrt!

Schnarchend lag Spadille** da
Lang und breit auf meinem Schoosse,
Und ermuntert' er sich ja,
Ha! was macht' er dann für grosse
Wunderaugen, dass ich Ding
Gar nicht mehr zu Bette ging.

Diese Netze strickt' ich dann,
Und bey jedem Knoten flogen
Hundert Seufzer zu dem Mann,
Der mich selbst ins Netz gezogen;
Was? gezogen? nein doch, nein!
Lief ich denn nicht selbst hinein?

 Ist es nicht so gut darin?
Zehn Mahl besser als im Freyen?
Kannst du Glück! so wie ich bin,
Einen Wunsch mir noch verleihen?
Aber stoesst er mich hinaus -
Dann ist alles, alles aus!
(S. 28-29)

* Ihr Mädchen; ** Ihr Hund

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Nach einem Balle

Nun ruhet aus, ihr stumpf gejagten Füsse,
Bis einst ich im verdienten Myrtenkranz
Den Braeutigam bei Floetenton umschliesse:
Hinweg mit andern Tanz!

Darfst du den Arm um meinen Nacken schlagen,
Du, den nur erst mein Auge heut' erblickt?
Und du die Hand mir heiss zu drücken wagen,
Den meine Amm' entzückt?

Ha! kommt heraus aus dem berauschten Saale,
Hieher mit Euch, wo Papchen eurer lacht,
Wo nicht der Pauken Wirbel, nicht die Schale
Voll Rum, die Helden macht.

Wie sollt ihr da zur Erde sehn, ihr Herren!
Die ihr so kühn durch Busenschleyer seht,
Dem Schüler gleich, an den Manschetten zerren,
Der vor dem Rector steht!

Empfinden lassen will ich euch, dass Herzen,
Bewacht wie Nantens Herz, nicht so geschwind,
Als ihm beliebt darum herum zu scherzen,
Des Narren Beute sind.

Die Eitelkeit wird, euch zu troesten, lügen:
Ich sey Statüe! Ha! dann soll mit einmahl
Ein Blick der Lieb' auf Amaranten fliegen,
Für euch ein Wetterstrahl!
(S. 30-32)
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Im Herbst

Sieh, Amarant, wie werden an der Laube
Die Blaetter gelb und roth!
Horch! wie da schon der Nord, zu seinem Raube
Sie abzuholen, droht!

Was wird uns nun im Vollmond noch verstecken?
Kalt sey die Nacht; für mich
Ist's warm genug; doch wird kein Schnee entdecken,
Wer durch das Pfoertchen schlich?

Wird nicht der Gaense Schnattern, nicht das Knarren
Der Thüren, das Gebell
Der Hunde, dich verrathen? Welch ein Harren
Für mich, am Kammerschwell?

Ein jeder Laut ruft da gewiss dem bangen,
Verzagten Herzen zu:
Horch', Nante! deine Mutter koemmt gegangen,
Und, was sie sucht, bist du!

Doch, den sie finden wird, auf leisen Socken
Einschleichend, wie ein Dieb,
Der, - ha! wie steht sie staunend und erschrocken! -
War heut' ihr noch so lieb!

Nein! lieber Mann! wo willst du sonst mich sprechen?
Und finden sollst du mich!
Nur solch ein schönes Mutterherz zu brechen -
Ich liebe sie - wie dich.
(S. 33-34)
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Der Papagey

Die Liebe, die so manches mich
Gelehrt, lehrt andre wieder.
Zu ganzen Stunden setz' ich mich
An Papchens Kaefig nieder,
Und ruf' ihm zu, als saeh' ich Land:
Amarant!

Zwey Sylben hat er erst gewagt,
So sehr ich ihn auch übe;
Doch da mein Vetter Fritz mir sagt:
Das Ama heisse: Liebe!
So antwort' ich, von Lieb' entbrannt:
Amarant!
(S. 35)
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Unmoeglicher Besuch; an Amarant

Koennt' ich mich zum Raben machen:
Ueber Flüsse, Berg' und Thal
Floeg' ich täglich zwanzig Mahl,
Rief' an deinem Fenster leise:
Ich bin da! mein Amarant!
Und von meiner schnellen Reise
Ruht' ich aus in deiner Hand.

Koennt' ich mich zum Rehe machen:
Durch die Saaten, durch den Wald
Lief' ich taeglich, ach! wie bald!
Ueber deine Gartenhecken
Spraeng' ich, hops! mit einem Sprung,
Und wie wollt' ich dann dich necken
Unter der Verwandelung!

Koennt' ich mich zum Karpfen machen:
Mit der Elbe floess' ich dann
Taeglich hin zu dir, o Mann!
Aus dem Wasser, spraeng' am Ende
Meiner Fahrt ich hoch herauf,
Und mich fischten deine Haende
An dem Ufer glücklich auf.

Aber, wünsch' ich armes Maedchen
Noch so viel mich hin zu dir:
Dennoch bleib' ich immer hier.
Nicht drey Schritte kann ich gehen,
Dass nicht jeder fragt: Wohin?
Wohl nur, dass man nicht kann sehen,
Wo ich mit dem Geiste bin.
(S. 36-38)
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Einladung auf das Land

Morgen flieg' ich auf das Land,
Komm, mein frommer Amarant,
Lass uns Hirten werden!
Komm! vergiss am Wasserfall
Ruhm und Acten, Spiel und Ball,
Diesen Tand der Erden.

Was den Hirten Rosen streut:
Unschuld und Zufriedenheit,
Haben wir ja Beyde!
Und den Hirten gleich zu seyn:
Welcher Koenigskrone Schein
Strahlt so viele Freude?

O so lass den kurzen May
Dieses Lebens uns getreu
Mit einander schmecken!
Wenn der Sommer uns erreicht,
Hinkt die Lust, im Winter schleicht
Sie den Gang der Schnecken.

Und, o Mann! wie ungewiss,
Ob nicht Todesfinsterniss
Unser Aug' umziehet,
Eh es von der ganzen Zahl
Sommerfreuden, nur ein Mahl
Eine wirklich siehet?

 Komm denn, küss' als Hirtin mich!
Aber ach! ich bitte dich,
Schone deiner Pferde;
Denn ich mag nicht, dass ein Thier
Blos aus Leidenschaft zu mir
Abgemartert werde.
(S. 40-41)
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Am Tage eines abgeredeten Besuchs

Wenn der Schlaf, um Mitternacht,
Fest auf allen Augen lieget,
Wenn allein dein Maedchen wacht,
Und auf langen leisen Zaehn
Sich bey jedem Schritte wieget:
Werden wir uns wieder sehn.

Wie? das waeren bis dahin,
Funfzehn, ganze Funfzehn Stunden?
Ha! wenn ich nicht bey dir bin,
Schleicht der Zeiger an der Uhr;
Schnell verfliegen die Secunden,
Wenn ich bey dir sitze, nur.

Was vertreibt mir diese Zeit?
Ach! kein Lesen und kein Schreiben!
Eher noch als Kleist, (so weit
Ists mit Nanten!) moegte mir
Annens Schwatzen sie vertreiben:
Sie spricht wenigstens von dir.
(S. 42)
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Wachen und Schlafen

Wie war ich sonst dem Wachen doch so gram,
Dem Schlafe wie so gut!
Wenn ungelockt er auf die Augen kam,
Noch unbenetzt von süsser Thraenen Flut.

Ich gaehnte schon, so bald der Hesperus
Am Horizonte stand,
Gab nickend oft dem Naehpult einen Kuss,
Und leise fiel mein Strickzeug aus der Hand.

Fand ich nicht oft am Abend meinen Kopf,
Auf meinen Arm gelegt,
An dem Klavier; und sucht ihn, wie ein Tropf,
Wenns vor ihm steht, das Glück zu suchen pflegt?

Wie bin ich nun dem Schlafe doch so gram,
Dem Wachen, wie so gut!
Jetzt, Lucifer, siehst du am Naeherahm
Mich noch so glüh als haett' ich sanft geruht.

Hier ist dein Bild, mein zwyites liebes Du!
Ich werfe weinend dann
Ihm Kuss auf Kuss von meinen Lippen zu;
Wie laechelt's mich so innig dankbar an!

Ich flüstre gar, als koennt' es mich verstehn,
Ihm meine Seufzer vor,
Denk' als ein Kind: (auch der Betrug ist schoen!)
Nun klingt ihm jetzt vielleicht sein rechtes Ohr. *

 Wenn auch der Schlaf die Augenlieder treu
Mit Schwanenflügeln streicht,
Macht meine Hand ihn endlich doch so scheu,
Dass er verwirrt zu meiner Ann' entweicht.

Denn so der Schlaf dich meinem Geist' entriss:
Ach, ach! was haett' ich dann?
Ob dich ein Traum mir zeig', ist ungewiss,
Drum schmieg' ich mich im Wachen an dich an.
(S. 43-44)

* Die Landleute haben den Aberglauben,
dass, wenn ihnen das rechte Ohr klinget,
ein Abwesender Gutes, klingt ihnen aber das linke, Böses von ihnen spricht.
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Bei Zurücksendung der Lettres de Babet

Für einen Mann zu kochen und zu spinnen -
Unwürdiger Beruf!
Wenn's der nur ist, wozu mit diesen Sinnen
Und diesem Geist mich die Natur erschuf.

Hat sie nur bloß die wundervollen Zonen
Für Maenner ausgespannt?
Und darf ich, gleich dem Stier, sie nur bewohnen?
Der, wenn er stirbt, sein Futter nur gekannt?

Soll ich nicht auch in jenem Leben leben?
Wer wird ein Wunder thun,
Und meinem Geist dort Saphos Denkkraft geben,
Liess ich ihn hier bei Toepf' und Spindeln ruhn?

Ists nicht genug, die Haelfte meines Lebens
Geschaeft'ge Martha seyn?
Ists Hochverrath, ists Thorheit, ists vergebens,
Der Weisheit kaum die andre Haelfte weihn?

O Maenner! Maenner! so uns zu erziehen! -
Wenn Nesseln an dem Bach
Des Lebens unter Euren Veilchen blühen:
Wer soll sie jaeten? Eure Gattin? ach!

Was sind schon mir die Maedchen nicht für Dinger,
Gilt's für mein Herz und Geist!
Was sind sie? Ha! Gesellschaft für die Finger,
Wenn mich der Zwang Quadrille spielen heisst.

O dass ich doch nur eine Babet haette!
Wie wollt' ich mit ihr thun!
Wir liebten uns einander um die Wette,
Wir wollten Nachts auf einem Küssen ruhn;

Umfasst, zusammen durch das Leben eilen,
Die Bürden leicht und schwer,
Die Freuden gross und klein zusammen theilen -
O weisst du, Freund! denn keine Babet mehr?
(S. 45-46)
_____



Zweytes Buch

Bey Uebersendung einer Locke

Vor meinem Spiegel stand ich früh,
Hielt Musterung der Locken, zog von allen
Die Nadeln aus, dass auf die Schultern sie
Wie Baech' herab von Felsen fallen.

Die schoenste sucht' ich dir heraus;
Ich schnitt sie ab mit deiner Bilderscheere,
Und weinend stiess ich da den Seufzer aus:
Ach! dass es eine Krone waere!

Doch so - nur eine Locke, Freund!
Die nicht verdient, dass sie hinauf sich schwinge,
Wo hell das Haar von Berenicen scheint,
Noch dass ein Pope sie besinge.

Und dennoch hat sie Werth, o Mann!
Denn du erhaeltst mit ihr mein Herz voll Liebe;
Und boet' ein Fürst für das mir Kronen an,
So glaube, dass die Kron' ihm bliebe.

Freund! nimm denn meine Locke hin!
Dann werd' ich doch, nicht ganz, für dich begraben,
Und wenn ich laengst ein Spiel der Winde bin,
Wirst du von mir den Theil noch haben.
(S. 49-50)
_____



Bitte an den Frühling

Komm, o Frühling, aber doch
Nicht just meinetwillen;
Denn zum Glücke fang' ich noch
Keinen Schwarm von Grillen.
Aber sieh! wie bleich und stumm
Amarant dort sitzet,
Und den Mund zu einem Hum!
So verdrüsslich spitzet!

Seine blauen Augen sind,
Wie der Himmel, trübe;
Ja! ich glaube, dass er blind
Sich noch laes' und schriebe,
Wenn du laenger, holder May,
In dem Walde schliefest,
Und nicht bald mit der Schalmey
In das Feld ihn riefest.

Seine Dinte will ich dann
In das Wasser giessen,
Seine Bücher, unter Bann,
In den Kasten schliessen.
Unbekümmert, was ein Schwarm
Siecher Weisen schreibet,
Lern' er hier in meinem Arm,
Wer gesunder bleibet.

Goldne Sonne, Himmelskind!
Wolltest du erwachen,
O wie würd' er nicht geschwind
Schon im Maerze lachen!
Ach! zum Opfer wollt' ich dir
Zwey Kalender weihen,
Die mit dunklem Wetter, schier
Noch acht Tage draeuen.
(S. 51-52)
_____



Nach der Vorstellung von Romeo und Julie

So kann denn selbst die fromme treue Liebe
Der grosse Sturm zum Schiffbruch seyn?
Ich traeumte sonst, ihr leises Lüftchen triebe
Den leichten Nachen dieses Lebens
In deinen Port, o Ruh'! hinein?

Ach! seh' ich dich den Todesbecher trinken,
So will ich fort, Romeo, will ihn dir
Entringen, will dir hin zu Füssen sinken,
Mich um dich klammern, schluchzend bitten:
Bleib, grosse Seele, bleib doch hier!

Doch, Julie! wenn du nicht einen Tropfen
Für dich hast, dann bewein' ich dich!
Muss nicht die Angst den Lebensquell verstopfen?
Denn lass ihn fliessen, und er windet
Durch Sümpf' ins Thal des Todes sich.

Sieh, Amarant! auch mich kannst du verlieren.
Geschieht's, beweine du mich dann!
Doch auf den Pfad des Todes dich zu führen:
Das soll es nicht! denn, Hass, dem feigen,
Und Liebe, dem beherzten Mann!

Das soll es nicht! Es koennt' uns ewig scheiden;
Und fliegt mein Geist zum Himmel hin
Schon itzt voraus, die zweyte meiner Freuden
Ist, dort auch, die: dass ich auf ewig
Bey deiner Liebe selig bin!

Das soll es nicht! des Herzens voller Güte,
Des Kopfs voll Geist, ist diese Welt
Kaum werth, allein bedürftig; und was blühte
So frisch der Lorbeer, den die Ehre
Für dich in ihren Haenden haelt?

Wenn aber du den Kelch (dem Thoren - trübe,
Dem Weisen - klar,) noch vor mir leerst -
Ach! bin ich nicht ein Maedchen? und voll Liebe?
O guter Gott! und all' ihr Engel!
Mir, mir den Todestrank zuerst!
(S. 53-55)
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An Amarant
Krank für Liebe

Meine Mutter fragt mich immer:
Trinkst du auch den Mandeltrank?
Trink ihn! taeglich wirst du schlimmer! -
Ach! die Liebe macht mich krank!

Nimm doch, spricht sie oft bey Tische,
Wirst so mager und so matt,
Noch ein Stückchen von dem Fische! -
Ach! die Liebe macht mich satt!

"Siehst du nicht die Scheere liegen?
Liegt ja grade vor dir, Kind!
Kann dich so das Auge trügen?" -
Ach! die Liebe macht mich blind!

"Bist so still? was mag dir fehlen?
Geht dir was im Kopf' herum?
Weisst du gar nichts zu erzählen?" -
Ach! die Liebe macht mich stumm!

"Ey! ich moechte fast dich schlagen;
Zieh den Schlepp auf! was für Staub?
Soll ichs dir noch zehn Mahl sagen?" -
Ach! die Liebe macht mich taub!

"O! die liebe Langeweile!
Waere Amarant doch hier!" -
Hoerst du, Liebster? Eile! eile!
Leben bringst du ihr und mir!
(S. 56-57)
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An Amarant
Lob und Tadel

Lobt dich ein guter weiser Mann,
Wie tanzt mein Herz vor Freuden!
Lobt dich ein Weib, wie bin ich dann
Im Stillen zu beneiden!

Nur, tadeln sie, als Sonderling,
Dich laechelnd und bescheiden:
Was muss ich, ach! ich armes Ding,
Mit stummem Munde leiden!

Doch tadelt, Freund, ein Maedchen dich,
So denk' ich: Lass sie neiden!
Allein ihr Lob - wie wunderlich! -
Kann ich durchaus nicht leiden!
(S. 58)
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An den Mond

Lieber Mond! verstecke dich,
Wenn mein Liebster zu mir fliegt,
Dass die Neugier müde sich
Auf dem platten Bauche liegt.

Lieber Mond! verstecke dich,
Wenn zu viel mein Auge sagt;
Denn wer ist so schwach, wie ich?
Lieber keinen Streit gewagt!

Lieber Mond! verstecke dich,
Wenn er meine Lippen küsst;
Denn ich Arme schaeme mich,
Ob er gleich ein Engel ist.

Lieber Mond! verstecke dich,
Wenn die Abschiedsstunde schlaegt,
Dass bei meinem Kummer sich
Nicht das Herz in ihm bewegt.

Lieber Mond! verstecke dich,
Wenn zurück mein Liebster kehrt,
Bis du - was klingt süsser? sprich! -
Seiner Floete Ton gehoert!
(S. 60-61)
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An Amarant
Als er sie mit Lauren verglich

Sey du Petrarch, mich zu besingen!
Und ich will deine Laura seyn!
Doch stürme nicht mit Bitten auf mich ein,
Sonst kann ich keine Laura seyn;
Denn ach! du würdest mich bezwingen!
(S. 62)
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Als sie Amarants Nachtbesuch erwartete

So ist denn endlich alles still?
Dann ist es Zeit, das Schütt der Thraenen aufzuziehen;
Und du, mein Herz! das immer laermen will,
So laerme nun, dass deine Seufzer fliehen!

Denn alles ruhet. - Anne zieht
Den Odem schnarchend schon herauf aus tiefer Lunge;
Spadille, der allein mich weinen sieht,
Hat, zum Verrath von Nanten, keine Zunge.

Auch meine gute Mutter kann
Diess Pochen meiner Brust nicht aus dem Schlummer wecken;
Doch wüsste sie - ach! Maedchen! ach! wie dann?
Sie toedtete der Gram, und dich, der Schrecken!

Und doch, mein Herz! erlaubst du mir
Den wunderbaren Mann zu sehen und zu küssen?
Ha! welch ein Kuss? Den koennen trotzig wir
Der Welt gestehn, kann selbst der Himmel wissen.

Schlaf, theure Mutter, schlafe nur,
Und traeume nicht einmahl, dass Nante sich verloren;
Denn Amarant, der oft mir Liebe schwur,
Hat oeftrer noch auf meine Ruh geschworen.

Herz! das für den nur Liebe fühlt,
Den Mensch und Engel liebt, wer kann dich schuldig sprechen?
Und liebt' ich ihn, wenn ich ihn faehig hielt,
Er koenne dich und seine Schwüre brechen?

Ein unbegraenzt Vertrauen legt
Den Arm auf seinen Arm, die Hand in seine Haende. -
Doch stille! horch! Die Klosterglocke schlaegt! -
Drey Viertel? ach! - Zeit! nimmst du nie ein Ende?

Ha! wie mein Odem zitternd schnaubt!
Vom Wirbel bis zum Zeh' brenn' ich in Feuerflammen!
Hu! Fieberfrost! wie schüttelst du mein Haupt!
Ihr Kniee! fallt ihr unter mir zusammen?

Auf keiner Stelle hab' ich Rast!
O! dass er doch nur nicht so überlange bliebe!
Und dennoch ist diess Zittern, glaub' ich fast,
Nicht eben Furcht; was sollt' es seyn als Liebe?

Wie dreht sie mich im Kreis herum,
Dass alle meine Kraeft' und Sinne mich verlassen!
Komm, Amarant! ich stürze schwindlich um!
Komm! lass mich nur an deiner Brust erblassen!

Doch kann er treu dem Schwure seyn,
Wenn ich mich so berauscht ihm vor die Augen stelle?
Drum krieche nur du kleiner Docht hinein,
Mein Laempchen brennt fürwahr sonst gar zu helle.

Würd' er mich nicht erroethen sehn,
Und merken, wie, verwirrt, ich mit der Zunge stocke?
Doch Naerrnin! lass dirs wie es will ergehn,
Denn hoerst du wohl? da lautet schon die Glocke!
(S. 63-66)
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An Nantchen
Nach einem Brande

Ich hatte diese Nacht mich kaum
Zum Schlummer hingestreckt,
Da ward ich, ach! aus süssem Traum
Schon wieder aufgeschreckt.

Die Trommel gieng, die Glocke klang,
Der Waechter stiess ins Rohr,
Aus jeder Thür und Fenster sprang
Ein blosses Hemd' hervor.

Wie stob ich aus dem Bett' heraus!
Mein süsser Traum verschwand,
Mein Muth dazu, des Nachbars Haus
Stand lichterloh in Brand.

Kommt, Bild und Briefe! bleibet mein!
Kommt! folgt mir bis ins Grab!
Und nun, mein Haeuschen, muss es seyn,
Nun wohl! so brenn' itzt ab!

Auf unsern Kirchhof lief ich da
Mit meinem Schatz', und stand
Und küsste dein Portrait, und sah
Gelassen in den Brand.

Dein Schutzgeist, welcher über mir
Dein Bild mich küssen sah,
Sprach zu der Flamme: Stehe hier!
Und ploetzlich stand sie da!
(S. 67-68)
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Anwendung der Dichtkunst
An Amarant

Nur ein kleiner Haufe weint,
Weil ihn wirklich Schmerzen nagen;
Aber, Unzufriedne klagen
Ueberall, wo Sonne scheint.

Auch den sanften Trostgesang
Mag der Weinende nicht hoeren;
Elegien aber mehren
Unzufriedner Herzen Drang.

Koennt' ich in die Welt, durch Macht
Süsser Lieder, Freude bringen,
Haett' ich, unter allen Dingen,
Wohl das best' hinein gebracht.

Denn, wie würde nicht geschwind
Solcher Frohen Zahl sich mehren,
Als bey einem Koerbchen Beeren
Amarant und Nante sind!
(S. 69)
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An Amarant,
als er sie mit einigen berühmten Dichterinnen verglichen hatte

Vergleiche mich der guten Karschin nicht,
Sie singt aus Noth, ich aber sing' aus Liebe,
Singt, bis die Welt von ihr bewundernd spricht,
Da ich der Welt so gern verborgen bliebe.

Sie draenget sich zu kargen Fürsten hin,
Vergisst den Stolz, der grossen Seelen ziemet,
Indess ich klein, so eigensinnig bin,
Dass mein Gesang, nur dich, nicht Fürsten rühmet.

Vergleiche mich der Deshoullieres nicht;
Zwar neid' ich ihr die zaertlichen Gesaenge,
Doch wenn der Mund von Schaeferliebe spricht,
Was fühlt das Herz im grossen Weltgedraenge?

Vergleiche mich der grossen Sapho nicht,
Sie sang, wie ich, zwar Liebesmelodien,
Doch von dem Kranz, der ihre Stirn' umflicht,
Verdient kein Reiss in Nantens Haar zu blühen.

Doch, würdest du so hart wie Phaon war,
Und wolltest scheu vor meinem Blick entweichen,
Dann kannst du mich der armen Sapho zwar,
Doch, Amarant! im Schicksal nur vergleichen.
(S. 70-71)
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An Amarant
Ueber seinen Hang zur Satyre

Aus welches Mannes Herzen quoll
Mehr Freundschaft in die Welt, mehr Liebe?
So voll des Guten ists, so voll,
Dass mit der Haelft' es edel bliebe.

Du koemmst in einen fremden Kreis,
Und alle Augen sind gefangen,
Du gehst, (wie gut mein Herz das weiss!)
Und jedes Herz ist mit gegangen.

Doch, dass der Spott, der leis' und laut
Nicht Ordensband, nicht Zepter schonet,
Sobald ein Thor sie traegt, vertraut
Bey so viel Tugenden noch wohnet:

Das - bist du nicht zu kühn, mein Geist?
Vielleicht auch wohl zu weich geschaffen?
Allein es sey! die Lieb' ist dreist;
Hervor denn, Spott! mit deinen Waffen!

Hervor! du sollst mir dieses Herz
Verlassen, weil es mir gehoeret;
Zu lange hab' ich meinen Schmerz,
Feind meiner Ruhe, schon genaehret.

Wie? schwurest du an Swifts Statue
Hass und Erniedrigung den Thoren,
Wie Hannibal den Roemern früh
Demüthigung und Tod geschworen?

Erschufst, aus einer Million
Von Narren, du nur einen Weisen?
Erwarbst du einen Freund dir schon?
Wohlan! so will ich selbst dich preisen.

Nein! Beyfall laechelt dir die Welt,
Doch Rache knirschen dir die Thoren,
Und eh dein Witz ein Lob erhaelt,
Sind hundert Herzen schon verloren.

Unwiderstehlich bist du, Spott!
Mich, deinen Feind, kannst du bezwingen,
Wenn Steckenpferd und Donquixott,
Von dir gespornt, durch Reife springen.

Unwiderstehlich! Dennoch spricht
Mein Herz zu laut: du habest Maengel;
Nicht wahr, die Engel spotten nicht?
Flieh denn! so ist mein Freund ein Engel!
(S. 72-74)
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Amarants Antwort

Wohlan mein Herz! was fraegst du mich?
Sie will es, wohl! es sey geschworen!
Komm, gutes Herz! versoehne dich
Mit allen Narren, allen Thoren.

Du armer Spott! was murrst du doch?
Was suchst du Hülfe bey dem Witze?
Nimm diesen Abschiedsseufzer noch; -
Fort! nimm itzt Flügel von dem Blitze. -

Nun drücke mich an deine Brust!
Nun küsse mich! - Auf dieser Erden
Kann sonst mit nichts für den Verlust
Dein Amarant getroestet werden.

O! weiches Nantchen! alles Blut
Muss mit der Gall' ein Herz durchwühlen,
Wenn Fürstengroll und Uebermuth,
Mit Menschen, wie mit Fliegen spielen.

Ja! sanftes Maedchen! alles Blut
Steigt von dem Herzen in die Wangen,
Wenn das Talent auf Strohe ruht,
Und doch umzischt von Klapperschlangen.

Auch steiget ploetzlich edle Glut
Mir aus den Wangen in die Augen,
Wenn noch den letzten Tropfen Blut
Der Unschuld, die Chicanen saugen.

Und Rache schaeumend wird mein Blut,
Kocht in den Adern, spannt die Nerven,
Wenn Stolz und Neid, der Hoelle Brut,
Verdiensten, nach mit Steinen werfen.

Das soll ich sehn? und meinen Schmerz
Und meinen Geifer in mich fressen?
Unmoeglich! lehrte nicht dein Herz
Mich diese Narrenwelt vergessen!
(S. 75-76)
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Als er Nantchen auf seinem Schoosse hielt

Wie? du würdest mir zu schwer?
Sieh! wie wunderbar das ist!
Mein Gefühl sagt nicht, wie schwer du bist,
Und doch hatt' ich niemals mehr!
(S. 77)
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Der Vorsatz

Lernt' ich wie die Gabrieli* singen,
Wendet' ich, wie sie, zu dem mich hin,
Dessen Augen, in den Sinn
Meiner Worte, schneller dringen,
Als ich mit der Zunge bin.

Koennt' ich wie die Kaufmann** mahlen:
Wahrlich! Helden mahlt' ich nicht!
Deine Freuden, deine Qualen,
Liebste Liebe! wollt' ich mahlen,
Und dein freundliches Gesicht,
Bester! sollte mich bezahlen.

Lernt' ich dich, o liebste Liebe!
So beschreiben wie la Roche,
Dass ich Amaranten dann,
Wie er lebt und webt, beschriebe:
Seufzen sollt' ein jedes Maedchen:
Gieb auch mir, o liebste Liebe!
Gieb auch mir doch solchen Mann.
(S. 78)

* Von dieser Sängerin erzählt Brydone,
daß sie unter dem Singen auf dem Theater
nur ihren begünstigten Liebhaber angesehen habe.
** Angelica Kaufmann in London.
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Als sie ihm den Ossian zurückgeschickt,
und einen Brief darin verborgen hatte

Von allem was Natur und Schoenheit ist,
Reisst nichts so sehr mich zum Entzücken,
Zu Thraenen hin, Ruhm! Wollust! euch geweint!
Als wenn dein Freund im Fingal liest.

Doch heute trug diess Buch in seinem Rücken,
Ein Lied, - sey noch einmal geküsst! -
Ein Lied, wogegen diess Entzücken,
Und Ruhm des Barden - nichts mir ist!
(S. 79)
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An Nantchen
Die Erscheinung Apolls und Amors

Unter meinem Lindenbaume
Lag ich schlafend hingestreckt,
Als mich aus dem schoensten Traume
Nahes Gehn und Reden weckt.

Denn ein Mann am Blumenstabe,
Gieng da hoher Würde voll,
Auch ein wunderschoener Knabe;
Amor war es und Apoll.

"Sieh! wer ist das? Meinen Bogen,
Weiss ich sicher, hab' ich noch
Nie für diesen aufgezogen;
Endlich treff' ich ihn nun doch."

Ich erschrak, doch blieb ich liegen,
That, als schlief ich; denn Apoll
Rief: Halt ein! Wenn ihn besiegen
Keine zweyte Sapho soll.

"Lehrt' ich nicht genug ergründen?
Alles Schoene ward durch mich!
Aber solch ein Maedchen finden:
Lieber! das gehoert für dich!"

Amor sprach's, und eine Zaehre
Schlich Apollens Wang' herab.
"Ja! wenn Plutus hier nicht waere!
Alles reisst er von mir ab!

Doch sey ohne Saphos Schmerzen,
So wie Sapho, die gepflegt,
Die das schoenste aller Herzen
In dem schoensten Leibe trägt.

Plutus soll mit allen Narren
Stutzen, dass durch unsre Macht,
Nicht durch seine Silberbarren,
Edle Wollust beyden lacht."

Gut! rief Amor froehlich, spannte
Seinen Bogen, und der Pfeil -
Ha! da sass er! Nante! Nante!
Rief er, macht die Wunde heil!

Grade da kamst du gegangen.
Goetter! o wie ward mir da,
Als ich schon auf deinen Wangen
Die verheissne Wollust sah!
(S. 80-82)
_____



Antwort

Hast du dich dieser Welt entschwungen?
Lebst, wo Apoll und Amor spricht?
Du hast mein Lob, nicht meinen Dank erzwungen,
Denn heucheln - ach! das kann ich nicht!

Und weil ich das nicht kann, (verzeihe
Der Liebe diesen dreisten Blick
Auf solch ein Lied! denn sang es nicht die Treue?)
So nehm' ich selbst mein Lob zurück!

Eh deine Stimme, durch die Roehren
Des Ohrs, sich in mein Herz verlor,
Da sang ich gern von Amorn und Cytheren
Mir am Klaviere Lieder vor.

Oft traenkten sie mich mit Vergnügen,
Doch mit Empfindung selten nur;
Denn welches Herz laesst sich so leicht betrügen?
Du, du bist Wahrheit, o Natur!

Du Schoenste! hast mich angezogen!
Nur aus der Plunderkammer nicht,
Wo über alle Koecher, Pfeil' und Bogen,
Oft selbst der Witz ein Bein zerbricht.

Du traenktest mich nicht aus den Baechen
Süsslallender Empfindsamkeit,
Du lehrtest nur mich gute Worte sprechen,
Wie sie das Herz dem Munde beut!

Und lockt' ich nicht in diesem Kleide,
Mit dieser Sprach' ihn in das Netz?
Wozu denn nun des Witzes Prunkgeschmeide,
Wozu der Taendeley Geschwaetz?

Der Einbildung den Durst zu stillen,
Das kannst du zwar, Mythologie!
Auch konntest du des Roemers Busen füllen,
Ihm warst du mehr als Phantasie.

Ich trinke gern aus deinem Becher,
Wenn Ramler oder Uz ihn füllt;
Das Herz nur ist für ihn ein Sieb voll Loecher,
Wenn schon der Quell der Liebe quillt.

Sonst neigt' auf Amors Wunderdinge
Die Roemerin ihr Herz und Ohr;
Ich aber bin ein deutsches Maedchen! singe
Du deutscher Mann! mir Wahrheit vor!
(S. 83-85)
_____



An Nantchen
Stolz und Bescheidenheit

Wenn ich grosse Dichter lese,
Wie bescheiden
Denk' ich von mir selber dann!
Wie ich mich in ganzen Naechten
Von den Freuden
Ihres Ruhms, nicht müde sprechen kann!

Les' ich aber deine Briefchen
Und Gesaenge,
Ha! wie werd' ich stolz und stumm!
Alle grosse Maenner tauschten
Ihr Gepraenge
Gegen deine Liebe mit mir um!
(S. 86)
_____



An Nantchens Lieblingslinde, vor einer Reise

Wie hast du mich, du kleiner Baum! so lieb!
Wie so gelinde spielest
Du mit den runden Blaettern um mich hin!
Ob du vielleicht es fühlest,
Dass ich in deinem Schatten bin?

Wie lieb' ich dich! Hier ists, wo ich zuerst
(Wie brachten da die Winde
Uns deinen Duft!) mein Nantchen sah;
In deiner weissen Rinde,
Steht noch dein Stolz, ihr Name, da.

Als die Natur den rosenfarbnen May,
Ihr Schoosskind, niedlich schmückte,
Mit Veilchen ihn bekraenzt in dieses Thal
Zu frommen Hirten schickte,
Da küsste sie mich hier zum ersten Mahl.

Doch ach! du sollst nicht mehr, geliebter Baum,
Nicht mehr uns Arme kühlen,
Von dir bedeckt, wird hier der Liebe Scherz
Nicht mehr um Pfaender spielen;
O wenn du kannst, empfinde meinen Schmerz.

Von dir, o Lind'! und meinem Nantchen fern,
Soll auch die Floete schweigen;
Hier hange sie so lang' unangerührt
An deinen hoechsten Zweigen,
Bis mich zurück der Himmel führt.

Doch bringt der Schmerz mein Nantchen hin zu dir,
So lass den Zweig hernieder,
Reich' ihr die Floete hin, und spielet sie
Der Liebe, Klagelieder,
So rausche nicht in ihre Melodie.
(S. 87-88)
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An den Schlaf

Weisst du, Grambezwinger du!
Dass mein Nantchen ohne Ruh
Alle Nacht sich quaele?
Stille doch mit deinem Trank
Diesen wunderbaren Zank
Zwischen Leib und Seele.

Aber, aber, trinkest du
Ihr zum letzten Mahle zu,
Ha! zum letzten Mahle!
Dann so reiche mir geschwind
Auch für immer, liebes Kind,
Deine Schlummer-Schaale.
(S. 89)
_____



Als der erste Schnee fiel

Gleich einem Koenig, der in seine Staaten
Zurück als Sieger kehrt, empfaengt ein Jubel dich!
Der Knabe balgt um deine Pflocken sich,
Wie bey der Kroenung um Dukaten.

Selbst mir, obschon ein Maedchen, und der Ruthe
Lang' nicht mehr unterthan, bist du ein lieber Gast;
Denn siehst du nicht, seit du die Erde hast
So weich belegt, wie ich mich spute?

Zu fahren, ohne Segel, ohne Raeder,
Auf einer Muschel, hin durch deinen weissen Flor,
So sanft, und doch so leicht, so schnell, wie vor
Dem Westwind' eine Pflaumenfeder.

Aus allen Fenstern, und allen Thüren,
Sieht mir der bleiche Neid aus hohlen Augen nach,
Selbst die Matrone wird ein leises Ach!
Und einen Wunsch um mich verlieren.

Denn der, um den wir Maedchen oft uns stritten,
Wird hinter mir, so schlank wie eine Tanne, stehn,
Und sonst auf nichts mit seinen Augen sehn,
Als auf das Maedchen in dem Schlitten.
(S. 90-91)
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An Nantchen, als sie ihm Verschwiegenheit empfahl

Dass du mich liebst, sollt' ich verrathen?
Mir liegt Fontainens Elster noch im Sinn!
Dank sey dem Glück, dass ich in Friedrichs Staaten
Der glücklichste von allen Weisen bin!
Doch würd' ich dieses Glück verrathen,
Dann waer' ich wohl der größte Thor darin.
(S. 92)
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An sein Reitpferd

Mein treuer Hengst! du weisst, ich liebe dich;
Du sollst auch alt in meinem Stalle sterben;
Du weisst, nicht Zorn, nicht Wettlauf reizte mich,
Mit deinem Blut die Sporen roth zu faerben.

Ich will nicht reich durch deine Füsse werden,
Mehr bist du mir als Gold der Wetten werth,
Und warest doch von allen schnellen Pferden
In Newmarket das allerschnellste Pferd!

Ach! gutes Thier, was sind fünf tausend Pfund,
Die so geschwind dein leichter Huf errennet?
Mich machten sie nicht glücklich, nicht gesund,
Mich Kranken, der ein einzig Gut nur kennet.

Diess ist das Ziel, zu dem wir heute fliegen,
Und dieses Ziel, mein Alles in der Welt;
Der Ruhm, o Ross! hat dich gelehrt zu siegen,
Die Liebe lehrt allein, wie man gefaellt.

Kein Wasser sey zu tief, schwimm du hinüber,
Kein Schlagbaum sey zu hoch, kein Steg zu schmal,
Kein Graben dir zu breit, spring rasch darüber,
Sey nirgend, Ross! und sey doch überall!

Sieh auf, mein Pferd! auf halbem Wege schreitet
Die Sonne schon, doch eh' ihr letzter Schein
Noch Purpurfarb' auf mein Gesicht verbreitet,
Muss ich im Arm von meinem Nantchen seyn.

Nun biege dich, und nimm geschwind mich auf!
Rasch! tummle dich! diess Ziel noch zu erreichen.
Wie wird sie dir, zum Preis für deinen Lauf,
Den Schwanenhals mit sanften Haenden streichen!
(S. 93-95)
_____



An Nantchen
Dank für das Glück ihrer Liebe

Dass mir diese Welt mit allen
Ihren Narren, wohlgefaellt;
Dass, vom Dummkopf angefallen,
Von dem Neider angebellt,
Rach' und Spott zurücke prallen:
Dafür nimm, du Zauberin!
Diesen Kuss zum Danke hin!

Dass ich keine Sorgen naehre,
Titel nicht erschmeicheln mag,
Bunt Gepraenge gern entbehre,
Kurz, dass mir ein froher Tag
Mehr ist, als ein Jahr voll Ehre:
Dafür, holde Schmeichlerin!
Nimm diess Lied zum Danke hin!

Dass in zärtlichen Gesaengen
Deine Liebe sanften Schmerz
Mit der Freude weiss zu mengen,
So dass Schauer in mein Herz
Sich wie Meereswogen draengen:
Dafür nimm, du Saengerin,
Thraenen statt des Dankes hin!

Dass ich oft zur Sternenhoehe
Bald mit heiterm Angesicht,
Bald mit stillen Thraenen sehe;
Dass ich dann um Güter nicht,
Nur um dich und Weisheit flehe:
Dafür, du Bekehrerin!
Nimm mein Herz zum Danke hin!
(S. 96-98)
_____



Als Nantchen sang

Halt ein! halt ein! denn tausend Stroeme füllen
Mein Herz, und heben mich empor!
O! sing' um unsrer Lieb' und meines Lebens willen
Nie einem andern Jüngling vor!
(S. 100)
_____



Zum Gedaechtniss des 15. Julius

Bey deines Morgens erstem Sonnenstrale,
Steh' ich, dich mit Gesang erwartend, dankbar da,
Dich, o du Tag, an dem zum ersten Mahle
Ich Amaranten sah.

Die schwarzen Locken troffen noch von Regen,
Und hiengen, wie sein Frak, im Wirwar um ihn her;
Wir Maedchen alle waren zwar verlegen
Dabey, allein nicht er.

Mit seinen Augen, blau wie junge Veilchen,
Blickt' er uns laechelnd an. Als er so übersah
Den bunten Kreis, ruht' er auf mir ein Weilchen;
O Herz! wie schlugst du da!

Gleich aber wandt' er seine Adlerblicke
Von meiner Roethe weg, sucht' einen Weisen sich,
War um ihn her, wie um ein Licht die Mücke,
Und ach! vergessen ich.

So gleichen wir den Puppen denn im Schache,
Womit der Mann von Geist kaum zur Erholung spielt?
Und mehr bey dem Geschwaetz von einem Bache
Als bey dem unsern fühlt?

Ha! sollte da mein Blut nicht staerker wallen?
Sagt, welches Maedchen nicht auch Eitelkeit besitzt?
O haett' ihm nicht mein frohes Herz gefallen:
Was, Nante, waerst du itzt?

So aber sitz' ich hier in einer Laube,
Die diesen Mann und mich in künft'ger Nacht versteckt,
Und dann in Deutschland, wie ich glaube,
Die Glücklichsten bedeckt.
(S. 101-103)
_____



Drittes Buch

An Nantchen,
als er erfuhr, dass sie ihre Hand an einen andern überlassen wolle

Ha! nun kenn' ich endlich deine Tücke!
O du Falsche! o du Buhlerin!
Sieh! zerrissen hab' ich deine Stricke!
Dich verlieren, ist für mich Gewinn!
Schande! Schande! dass durch deine Blicke
Jemals ich bezaubert worden bin!
Aber, welches Aug' auf Erden ist
Scharf genug für deine Schlangenlist?

Hast du nicht bei Mondlicht manche Stunde
Ach! so gern an meiner Brust geruht?
Weggeküsst mit deinem Feuermunde
Meiner Augen milde Thraenenfluth?
Und verliess, im Riesenhoehlengrunde,
Deine Tugend nicht zuerst der Muth?
Aber ich, du weisst es wohl, ich rang
Mit der Wollust, bis ich sie bezwang.

Und warum diess Ringen? Sieh! gestehen
Will ich's dir, aus Tugend rang ich nicht!
Zwar ich hoere willig auf ihr Flehen,
Aber in dem Taumel! - was ist Pflicht?
 Nur, dich in voraus schon weinen sehen,
War für mich, mehr als das Weltgericht.
Lieber mir den Tod, als dich betrübt:
Sage, wer hat zaertlicher geliebt?

Rede nun! wo bleiben deine Schwüre?
Schwurst du, sichrer zu betrügen, sie?
Nicht genug, dass ich dein Herz verliere,
Sondern wie verlier' ich's, Falsche, wie?
Giebst du dich nicht einem wilden Thiere?
Denn was ist der sonst, der seine Knie
Mit Geschenken kriechend vor dir biegt,
Und, mit Brunst im Auge, Liebe lügt?

Geh denn! hole Amarantens Lieder,
Die er oft um Mitternacht ersann;
Geh und gib ihm seine Briefe wieder;
Der sie schrieb war ein bethoerter Mann;
Und ein jeder Tropfen, der hernieder
Auf das Lob von einer Falschen rann,
Brenne nun in schlummerloser Nacht
In dem Auge, das der Treue lacht!

O! ihr Küsse! die sie meinen Wangen,
In der Rebenlaube aufgedrückt,
Werdet so viel Bisse falscher Schlangen,
Wenn sie in dem Garten Veilchen pflückt!
O! du Druck der Hand! womit vergangen
Sie mich noch zum letzten mal berückt,
Presse doch ihr schwurvergessnes Herz,
Wenn die Reu' erwacht, mit Folter-Schmerz!

Und ihr Tropfen Schweiss, die mir entfielen,
Wenn ich zu ihr eilt' in fremder Tracht,
Drohende Gefahren mir zu Spielen,
Nacht zum Tage, und den Tag zur Nacht,
Oder, in dem hohen Schnee zu wühlen,
Zum Vergnügen, (ach! für wen?) gemacht:
O ihr Tropfen! badet feuerheiss,
Ihre Stirn' dereinst im Todesschweiss!

Schrecklich macht sie dieser Lieb' ein Ende,
Welcher keine gleich an Freude zwar,
Aber auch, von einer Sonnenwende
Bis zur andern, gleich an Untreu war.
Doch, was ist das? Himmel! ich verschwende
Diese Thraenen, Nante! noch sogar?
Strafe dich der Himmel nicht dafür!
Ja! dein eigen Herz vergebe dir!
(S. 105-108)
_____



Ob er sich versoehnen solle?

Soll ich noch vergessen? noch vergeben?
Soll ich, oder soll ich nicht?
Eins von beyden! Tod und Leben
Steht itzt in des Zweifels Wage
Laenger nicht im Gleichgewicht.

Mich verrathen hat sie, mich verrathen!
Hat verkauft mein Herz um Gold,
Und vertauscht den Geist, der Thaten
Sang und that, mit einem Koerper,
Der nur isst und trinkt und schmollt.

Auf im Feuer sollst du Locke fliegen!
Ich zertrete, was sie sang,
Und zernichte ihre Lügen,
Und zerreisse mit den Zaehnen
Was aus ihrer Hand entsprang.

Dich, ihr Bild, will ich behalten,
Jedem sagen, der es schaut:
Seht! das ist sie, die mit kalten
Blute mich verkaufen konnte!
Sehet! das war meine Braut!

Sey verflucht, du ihre Lieblingslinde!
Dich zertrümmere der Blitz!
Weggetilgt aus deiner Rinde
Werd' ihr Name! deine Wurzel
Sey hinfort der Schlangen Sitz!

Sey verflucht, du Bach der Riesenhoehle!*
Wo aus ihren Haenden, ach!
Mehr das Lechzen meiner Seele,
Als der Durst der Zunge, schlürfte;
Sey verflucht! versieg', o Bach!

Sey verflucht, du ihre Rebenlaube!
Wo in Naechten sonder Ruh,
Sie die Beeren aus der Traube
Mir in ihren Lippen reichte;
Sey verflucht! verdorre du!

Aber dennoch! - koennt' ich nur ihn finden!
Hin durch Laender weit und breit
Rennt' ich, um des Maedchens Sünden
Zu ersaeufen in dem Wasser
Deines Quells, Vergessenheit!

Ach! ich saehe sie vielleicht von neuen,
Liebte, seufzt' und würd' erhoert,
Faende statt der Ungetreuen,
Eine Seele, die die Erde
Sonst zum Himmel umgekehrt.

Weinen kann ich, ja sogar vergeben,
Aber ach! vergessen nicht!
Dieses Knirschen, dieses Beben,
Will nicht Rache, will nur Liebe,
Der mein Busen widerspricht.

Dass ich taub bey allem ihrem Flehen,
Blind vor ihren Thraenen bin!
O! wer lehrt mich hoeren, sehen? -
Nichts! die Lieb' ist hingestorben,
Stirb denn du mein Herz auch hin!
(S. 109-111)

* Eine Felsengrotte bei Clettenberg
_____



An Nantchen
Warnung vor ihrem neuen Liebhaber

Ach! gelassen, nicht mit Grimme,
Bitt' ich dich noch ein Mahl um Gehoer;
Oder kennst du meine Stimme,
Die dir sonst bezaubernd klang, nicht mehr?
Fürchtest du, der Schwermuth Klagen
Moechten dir am Herzen nagen?
Fürchte nichts! ich liebe dich zu sehr!

Kannst du itzt dich noch besinnen,
Armes Maedchen, so besinne dich!
Glaube, meine Thraenen rinnen
Mehr um deine Blindheit, als für mich.
Sey aus meinem Arm entronnen,
Stürze nur nicht unbesonnen
Ohn' Erretten in den Abgrund dich!

Welcher Trank hat deine Sinnen,
Diese Sclaven, wider dich empoert?
Giebt es itzt noch Zauberinnen,
Wie Ovid und Ariost sie lehrt?
Gab auch die Natur dem Weibe
Schwaechern Geist, bei schoenerm Leibe,
Dennoch ward so schwach er nicht genährt.

Zwar die Liebe trotzt Barbaren
Thraenen für den Kuss der Hirtin ab,
Lehret den Verschwender sparen,
Oeffnet Geitzigen des Goldes Grab;
Bricht, wie Glas, durch zarte Haende,
Staeb' und Riegel; hohe Waende
Springt die Feigheit selbst durch sie herab.

Lass sie mit den Thoren scherzen,
Mit zwo edlen Seelen scherzt sie nicht!
Durch die Sympathie der Herzen
Lockt sie hier, und dort, mit dem Gesicht.
Was den stillen Hirsch empoeret,
Selbst was Taeubchen girren lehret,
Das verdient den Namen Liebe nicht.

Nicht des Plato Schwaermereyen,
Nicht Petrarchens süsser Traurigkeit,
Nicht la Farrens Taendeleyen,
Nicht der Wollust sey mein Herz geweiht.
Aber etwas von dem allen
Moeg' in meinem Blute wallen,
Wo die Tugend Ebb' und Flut gebeut.

Diese Mischung traenkt mit Freuden,
Die von Tausenden nur Einer kennt.
Aber hatte nicht uns beyden
Diess Geheimniss die Natur gegoennt?
Wird - wie soll ich wohl ihn nennen? -
Wird auch der es jemahls kennen,
Welchem itzt dein Fuss entgegen rennt?

Wird sein Herz wie Wachs zerfliessen?
Wenn er ja noch deine Lieder liest!
Wird sein Geist den Kuss versüssen,
Den sein Mund von deinem Munde küsst?
Wird vor deinen Melodien
Wohl sein Eigensinn entfliehen,
Wenn der Ekel seine Freuden frisst?

Wird er mit des Witzes Kerze
Je die Nacht auf deiner Stirn zerstreun?
Wird er deinem stummen Schmerze
Seine trostberedte Zunge leihn?
Wird er weinend auf dich blicken,
Seufzend dir die Haende drücken,
Wann Clarissen Ungeheuer draeun?

Noch bey grauem Sternenhimmel
Wird er weg von deiner Seite fliehn,
In der Hund- und Ross-Getümmel
Froh und wild hinaus zum Morden ziehn,
Und bedeckt von Blut und Staube,
Wird er stehn bey seinem Raube,
Ohn' um deinen Kuss sich zu bemühn!

Aberwitz des lahmen Boten*
Oeffnet ihm der Weisheit goldnes Thor,
Lieblicher als Hillers Noten
Dünket Caro's** Bellen seinem Ohr;
Eine Volte seines Braunen
Hebt zu himmlischern Erstaunen
Als der Flug von Klopstock ihn empor.

Wenn aus Ahnenreichen Bauren
Sein Burgunder frechen Unsinn schreit,
O! wie wirst du heimlich trauren,
Wenn man so dein heilig Ohr entweiht;
Dass dein Blut, heraufgegangen
Aus den Zehen in die Wangen,
Wie dein Auge, jeden Anblick scheut.

Reize, die ich dann noch faende,
Wenn sie schon ein Raub der Jahre sind,
Nehmen schnell bei ihm ein Ende,
Denn sein Aug' ist für die Seele blind.
Willst du weinen? willst du zürnen?
Wenn ihn eine deiner Dirnen
Mit der Herrschaft über dich gewinnt?

Wagt' ich je den Stolz, zu sagen:
Ich verdiente dich der Maedchen Preis?
Das Vergangne will ich tragen;
Kannst du mich lieben? Nun, so sey's!
Ich will selbst zuerst dich preisen,
Schenke nur dich einem Weisen,
Der dich so wie ich zu schätzen weiß.
(S. 112-116)

* Ein politisches Blatt, sonst der hinkende Staatsbote genannt,
das in der Gegend häufig von den Landedelleuten gelesen wurde.
** Name eines Jagdhundes.
_____



Als der Kummer über Nantchens Wankelmuth
ihm eine Krankheit zuzog

Ganze Tage, ganze Naechte,
Sitz' ich hier, auf meine Rechte
Dieses Kummerschwere Haupt gestützt;
Sitze weinend, und betrübe
Meinen Geist, dass deine Liebe
Nun ein Andrer, falsches Herz! besitzt.

Thoericht such' ich da nach Gründen,
Wo die Hoffnung, Grund zu finden,
Wie so kühn sie immer sey, verzagt.
Kann ich mir begreiflich machen,
Was die Seele nie im Wachen,
Selbst im Traum zu denken nicht gewagt?

Sage mir, dass Vaterbitten,
Mutterthraenen dich bestritten,
Dass dein Kummer deinen Muth verzehrt,
Dass sie unter Thraenengüssen
Dir die Hand nur weggerissen,
Aber dass dein Herz noch mir gehoert.

Sage das, ich will es glauben,
Will mir das Bewusstseyn rauben,
Dass ich selbst den falschen Balsam gab;
Denn bey so viel tausend Schwüren,
Ungetreue! dich verlieren,
O! das foltert langsam mich ins Grab.

Oder kannst du jene Scenen,
Jenes Schmachten, dieses Sehnen,
Jene Seligkeit, und diese Pein,
Kannst du die mit deinem Bilde
Tilgen in mir? Sey so milde!
Meine letzte Bitte soll es seyn.

Kannst du das nicht, Ungetreue!
Nun wohlan! sieh her und freue
Deines Werkes, meiner Qualen, dich!
Wen ein schleichend Gift verzehret,
Stirbt entsetzlich, doch verheeret
Nicht entsetzlicher der Kummer mich?

Glaube nicht, dass vor dem Grabe
Je diess Herz gezittert habe,
Ohne Klopfen geht es noch dahin!
Gern verzeiht es deine Tücke,
Liess es dich nur nicht zurücke,
Und zurück - als meine Moerderin!
(S. 117-119)
_____



Als er seinem Tode entgegen sah

Meine Thraenen sind geweint!
Meine Seufzer sind verflogen!
Ruhig bin ich, keinem feind,
Selbst nicht der, die mich betrogen,
Zwar wie liegt die Müdigkeit
Schwer auf meinem ganzen Wesen!
Aber nur noch kurze Zeit,
Kranker! und du bist genesen!

O! dem Ekel sey es Dank,
Dass er gern den Gram begleitet,
Dass er gütig Speis' und Trank
Mir mit Wermuth zubereitet;
Denn in jedem Bissen Brod
Und in jedem Tropfen Weine,
Naehm' und traenk' ich spätern Tod
In die schmachtenden Gebeine.

Ha! zum allerersten Mahl
Seh' ich mich vergnügt im Spiegel!
Welch ein dürres weißes Thal
Sind itzt diese Rosenhügel
Meiner Wangen? wie so klein,
Wie so düster diese Sonnen?
Suada, Scherz und Schmeicheleyn,
Sind von meinem Mund' entronnen.

Nur noch wenig wenig Fluth
Treibt des Herzens traege Mühle;
Bald ihr müden Füsse ruht,
Ruht euch aus am nahen Ziele!
Ach! Gehirn! dein Feuer macht
Meines Lebens Abend schwüle.
Aber sieh! da kommt die Nacht!
Diese bringet mich ins Kühle.

Todesnacht! sollt' ich in dir,
Ungewiss, wie lange? schlafen,
O! wie koennte schon mich hier
Die Natur wohl haerter strafen?
Schlafen, oder nicht mehr seyn,
Das ist Eins, eh er's erfaehret;
Ruhe werde dem Gebein,
Und Gefühl dem Geist gewaehret.

Wieder wachen wirst du Geist!
Zwar wie liegt die trockne Hülle,
Die der Schmetterling zerreisst,
Gleich als schlief er noch, so stille?
Aber sieh! dort fliegt er schon
Auf die blaue Veilchen-Aue,
Sauget Honig aus dem Mohn,
Oder trinkt vom Rosenthaue.

Doch, o Seele! sey auch wach:
Wirst du diese Welt nicht missen?
Wirst du noch von Nantchen (ach!
Dort gewiss mein Nantchen) wissen?
Wirst du, oder wirst du nicht? -
Nicht? - Entsetzen! Tod! Erbarmen!
Schone! sieh! mein Herz zerbricht!
Moerder! fort aus meinen Armen!

Ahnung? Traum? was ist es? wie?
Bleibt mein Nantchen in mir leben?
Bleib' ich hier? und werd' ich sie
Wie die dichte Luft umgeben?
Wann die Reu' in ihr erwacht,
Werd' ich Tröster seyn, nicht Raecher?
Werd' ich? - Leben! gute Nacht!
Gieb mir, Tod! den Schlummerbecher!
(S. 120-122)
_____



Erinnerung

Meine Liebe lebet zwar
(Sagte Nantchen,) immerdar,
Aber meine Lieder leben
Sicher nicht ein Jahr!

Ach! mein Herz, du musst vergeben!
Umgekehrt macht sie es wahr!
(S. 123)
_____



Als er seinen Tod für gewiss hielt

Wie sehnt' ich mich, in deinem Arm zu schlafen!
Froh sah ich dir, wie Morus, ins Gesicht,
Denn alle deine Pfeile trafen
Mich, Gramvollender! nicht.

O! moechte mich die Ruhe noch umschweben,
So haett' ich nun vielleicht die Todesnacht
Verschlummert, waer' ins bessre Leben
Schon wieder aufgewacht.

Nun muss ich noch sie schlummern? muss die Erde
Nun noch ein Mahl im Frühlingsglanze sehn?
Und fühlen, dass ich Armer werde
Bald hin ins Dunkle gehn?

Weit warst du noch von meinem Rosengange,
Beschneytes Ziel, wo krumm das Alter ruht;
Schon aber saugt die Todesschlange
Mir aus das Bischen Blut.

Wo bleiben nun die guten Thaten alle,
Worauf hinaus die Augen weinend sahn?
Ich haette sie gethan, und falle,
Und habe nichts gethan.

Wird nun mein Haupt den Kranz von Myrten tragen,
Den mir im Traum die Hand der Ehre gab?
O! Niemand wird mit Thraenen fragen:
Wo ist des Mannes Grab?

Zehn tausend Mahl koennt' ich spazieren gehen
In deinem Garten, Weisheit! koennte da
Mehr volle Blumenbeete sehen,
Als Bayle vor mir sah.

Ich koennte noch - und bin nun schon am Ende! -
Natur, in deiner Bildergallerie
Nach Wundern suchen, ach! und faende
Das letzte Wunder nie.

Bald werd' ich nun von Philomelens Toenen
Nicht mehr geweckt; um meinen Gartensaal
Verblühen schon die Tausendschoenen
Für mich zum letzten Mahl.

Bald ruft dein Mund in Trillern an dem Flügel,
Amalia! den Kenner zum Gehoer,
Nur ich lieg' unter meinem Hügel
Und hoere dich nicht mehr.

Und alles das um eines Maedchens willen?
O welchen Plan vernichtet sie mit mir!
Was konnte meine Flüche stillen?
Warum vergab ich ihr?

Kann sie mich itzt aus meinem Kerker retten?
Erst mache sie geschehnes, ungeschehn,
Sonst muss sie mich in ihren Ketten
Zum Tode schleppen sehn.

Muss ich denn fort? Jenseit des Grabes lieget
Noch eine Welt, allein wer wünscht sie sich?
Fest, wie an eine Braut geschmieget,
Schmieg' ich an diese mich.

Doch ach! umsonst! ich sterb' und ungerochen;
Du aber, die du mich itzt nicht mehr kennst,
Frohlocke nicht; ich komm' in wenig Wochen,
Bin schrecklich, bin Gespenst!
(S. 124-127)
_____



An den Schlüssel zu Nantchens Gartenthür

So wie ich dich, (bist du auch nur von Eisen,
Und giebst du gleich nicht Fürsten-Sold, nicht Rang,)
Auf jenen Nacht verhüllten Reisen
Mit meinen Küssen fast verschlang:

So starrte nie der Ehrsucht lodernd Feuer
Im Arouet, den goldnen Schlüssel an,
Den seine sittenlose Leyer
Mit eines Koenigs Gunst gewann.

Der Antichambre goldne Flügelthüren,
Eroeffneten vor seinem Schlüssel sich,
Du konntest mich zu Nanten führen;
Wer hatte mehr? Er, oder ich?

Ich hatte dich! wie spielten um mein Leben
Die Freuden da gleich einem Bienenschwarm!
Nur halb so viel als du zu geben,
War selbst der Koenig viel zu arm!

Wer dich besass, (Neapels Schatz verloere
Den Sonnenglanz bey diesem aufgestellt!)
Besass das Herz, ja selbst die Ehre,
Des ersten Maedchens auf der Welt.

O! haett' ich nichts als einen Thron verloren,
Dann würd' ich stolz wie Sobiesky seyn,
Und zoege heiter zu den Thoren
Der Ruhe und der Weisheit ein.

So aber will die Weisheit mich nicht kennen!
Die Ruhe schlaegt vor mir die Thüren zu!
Will nichts mir eine Freystadt goennen?
O Tod! so goenne mir sie du!

Begleite mich, du den ich lieber habe,
Als alles, was zurück hier bleiben muss,
Begleite mich zu meinem Grabe,
Nimm zum voraus den Abschiedskuss!

Und unter meines Hauptes Küssen, zehre
Der Rost dich auf von meinem Thraenenbach!
Da lass uns ruhn! nicht Nantens Ehre,
Nur ihre Reue folgt uns nach!
(S. 128-130)
_____



Als er Nantchens Lieder ansah

Dieses Denkmals ihrer Liebe
Freuet einst sich dann die Welt,
Wenn ich weinend mich betrübe,
Dass sie, ach! der todten Liebe
Dieses Denkmal aufgestellt!
(S. 131)
_____



Elegie

Soll ich der Flucht von meinen Tagen schelten?
Soll ich auf sie und ihre Traegheit schmaehn?
Soll dieser Blick dort nach zufriednen Welten,
Wie? oder noch ins Thal des Kummers sehn?

Was willst du thun? du Geist! der sonst so stille,
Der jung und fromm, der Scherze Meister war?
Ist Schmerz dein Wunsch? Ist Traurigkeit dein Wille?
Was willst du thun mit diesem langen Jahr?

Der Jüngling rennt, um Veilchen einzusammlen,
Und sonnet sich auf kaum gebornem Klee;
Das Maedchen sitzt, geheimen Wunsch zu stammlen,
Und spiegelt sich im aufgeklaerten See.

Allein nur ich, ich habe keine Freuden,
Todt ist für mich die Stadt, und todt die Flur;
Den Froehlichen koennt' ich vielleicht beneiden,
Den Traurigen, was hehl' ichs? lieb' ich nur.

Zwar fluch' ich nicht der Liebe, nicht den Scherzen,
Denn ohne sie ist dieses Leben Nacht.
O selig der, in dessen Engelherzen
So Tag für Tag die Frühlingssonne lacht!

Doch muss nicht ich mich selbst im Frühling graemen?
Wer troestet mich? ich selbst versteh' es nicht!
Kommt, lehret nur mich meines Kummers schaemen,
So sehr mein Herz auch für den Kummer spricht.

Wem sag' ich das? vier kalten tauben Waenden!
Doch klagt' ich selbst vier heissen Freunden vor,
Sobald auch sie das Maedchen schuldig faenden:
Waer' aller Trost umsonst, und taub mein Ohr!

Ach! wer sie sieht, mag keine Andre sehen,
Dem, der sie hoert, singt Mara* nicht mehr süss,
Der, dem sie lacht, hoert auf die Welt zu schmaehen,
Dem, der sie küsst, wird sie zum Paradies.

Dem aber wird die Welt zum düstern Kerker,
Das Sonnenlicht zum Lampenschein darin,
Wer sie verliert. Der Weis' ist dann nicht staerker
Als wie der Thor. Hin ist ihm alles, hin!

Erlaubte gleich der Himmel, der zum Lachen
Und Weinen mich gebildet hat, die Thür
Des Lebens, selbst mir früher aufzumachen
Und wegzugehn, ich bliebe dennoch hier.

Ich bliebe hier, um nur an sie zu denken,
In meinem Gram allmaehlig zu vergehn,
Und endlich noch Vergebung ihr zu schenken,
Sie dann beglückt, und mich beweint zu sehn.

Fort! lasst mich hin zum Bach der Riesenhoehle,
Wo sie das Herz mir einst mit Schwüren gab:
Aushauchen will ich da die müde Seele;
Sie koemmt vielleicht und graebt mir selbst ein Grab.
(S. 132-135)

* Sonst Schmeling, in Berlin
_____



Zur Versoehnung

Brause nicht mit deinen Flüchen laenger
In des abgehaermten Maedchens Ohr;
Oeffne du nicht selbst, geliebter Saenger,
Ihr das Todesthor.

Denn vielleicht, nur eben durchgegangen,
Würd' es schon vor deinen Blicken klar,
Und du saehst zu spaete, statt der Schlangen,
Liljen um mein Haar.

Steh' und poche dann! Wird er dich hoeren?
Lieg' und bettle deine Kniee wund:
Werd' ich darum jemals wiederkehren
Aus des Todes Schlund?

Mit Gewalt - ich kenne deine Hitze! -
Sprengst du, mich zu suchen, wohl das Thor;
Aber ach! du dringst zu meinem Sitze
Mit Gewalt nicht vor.

In dem Lande, wo man nur die Treue
Und den Frieden, ihren Bruder, kennt,
Weiss man nicht, was dieser Erdball Reue
Oder Thraenen nennt.

Hier, nur hier, ists moeglich, deinen Jammer
Umzuschaffen in der Liebe Ruh;
Führe denn, o Liebe! meiner Kammer
Heut' ihn wieder zu!
(S. 136-137)
_____



Antwort

Noch immer dreht sich unter mir die Erde,
Noch lehn' ich mit der Stirn mich an die Wand;
Es ist zu viel, dass ich so glücklich werde,
Ich, der am Grabe stand.

So glücklich! und doch fang' ich an zu weinen?
So glücklich! und doch werd' ich so betrübt?
O Gott im Himmel! Nantchen haette keinen
Als mich allein geliebt?

Ha! jeder Bube mag mich itzt verfluchen,
Und stumm will ich, versenkt in meinen Gram,
Ein Plaetzchen nur zu meinen Füßen suchen,
Für meiner Augen Schaam!

Und gegen die, sie morgen aufzuschlagen,
Aus deren Arm muthwillig du entronnst,
Die morgen wird so sanft und zaertlich fragen:
"Liebst du mich noch wie sonst?" -

O weh mir! Immer tiefer wird die Wunde!
Denn Jahre lang ertrüg' ich ihren Zorn;
Doch ihre Güte - ach! schon eine Stunde
Zermalmt mein Herz wie Korn.

Hier bin ich, liebes Maedchen! ein Gerippe,
Wie deine Hand mich aus dem Grabe zieht.
Doch einen Kuss auf die verblasste Lippe,
Und dein Verwelkter blüht!
(S. 138-139)
_____



An Nantchen,
als er sich mit ihr versoehnt hatte,
und im Begriff war, ihre Gegend zu verlassen

So willst du fern noch hold dem Herzen seyn,
Das ehemals dein ganzes Herz besessen?
Wie viel, wie viel, wird künftig dich zerstreun!
Und o! wie leicht ist da dein Freund vergessen!
Schwer mach' ich's dir, Geliebte! aber ach!
Sey stark aus dir! Der Lieb' ist Kunst zu schwach!

Sieh nur die Wand in deinem Zimmer an,
Wo ich im Geist vor Kleist's Portraet entbrannte,*
Wo ich mit Stolz dir manchen grossen Mann
Als einen Freund von deinem Freunde nannte;
Wo ich die Welt in ihrem Ruhm vergass,
Ja selbst den Neid, weil ich dein Herz besass!

Vergiss es nicht, wenn künftig dich zum Schach
Die Langeweil' anstatt der Liebe führet,
Wie du zerstreut mit einem leisen Ach!
Statt eines Steins, oft meine Hand berühret;
Wie dann, gestreift von deinem Kleide nur,
Ich weiss nicht wie? mein Herz zusammen fuhr!

So oft ein Glas Burgunder vor dir spielt,
Erinnre dich, welch Feuer aus dir sprühte,
Wenn deine Hand es schwankend kaum noch hielt,
Welch Morgenroth auf deinen Wangen glühte,
Wie schüchtern du, wie stammlend mich genannt,
Als du dich sonst damit zu mir gewandt.

So oft der May im Veilchenkranze lacht,
Erinnre dich an jene Baech' und Büsche,
Wo du die Hand zum Becher oft gemacht,
Und deinen Schooss, für unser Mahl, zum Tische.
Wie oft fiel da der Wunsch dir weinend ein?
Ach! moechten wir nur arme Hirten seyn!

Wann wieder Schnee in Flocken um dich schwaermt,
So denke noch, wie du mir oft im Schlitten
Die starre Hand an deiner Brust gewaermt,
Und sacht gefragt: ob meine Lippen litten?
Doch wie verbarg, wann ihn der Nord bestrich,
Mein Mund geschwind in deinem Nacken sich!

Erinnre dich bey deinem Naehepult,
Wie du für mich noch kleine Netze stricktest,
Mit grosser Kunst, noch groesserer Geduld,
Ein Blumenbeet in meine Weste sticktest,
Wie statt des Thau's, der Gartenblumen traenkt,
Ich diesen oft der Thraenen Thau geschenkt.

Wann du hinfort mit deinem Hündchen spielst,
Erinnre dich, wie du mit seidnem Tuche
Den runden Mund ihm fest verstopfet hieltst,
Wenn aufgeweckt durch naechtliche Besuche,
Für dich und mich, Entsetzen und Gefahr
Im kleinsten Laut' von seiner Kehle war!

Verkündigt dir der Morgenstern den Tag,
Erinnre dich, wie sonst dein Aug' ihn sahe,
Als ich mit dir auf deinem Sopha lag,
Und zitternd sprach: O! sieh! der Tag ist nahe!
Denk' an den Kuss, den festumschlungen wir
Uns zugedrückt an deiner Gartenthür!

Doch, alles das verloescht einmal die Zeit!
Sie, welche selbst, denn wer kann sie gewinnen?
Dem Lebensstrom so früh zu stehn gebeut,
Laesst schneller noch der Liebe Bach verrinnen!
So soll auch ich - - versoehntes Nantchen! nein!
Ich werde nie von dir vergessen seyn!
(S. 140-143)

* In Nantchens Zimmer hingen die Bildnisse
verschiedener Dichter und Gelehrten
_____



Als er erfuhr, dass er an seinem
bisherigen Wohnorte bleiben werde

Falle nieder, Nantchen! falle nieder!
Deine Thraenen, werden Freudenlieder,
Deine Seufzer, Dankgebete seyn!
Siehe, Maedchen! sieh! du hast mich wieder!
Denn ich bleibe hier, und bleibe dein!

Statt, getrennt, des Nachts, in oeder Ferne,
Aus dem Fenster, Himmel, Mond und Sterne
Mit bethraenten Blicken anzusehn,
Soll dein Hauch das Licht der Blendlaterne,
Wenn ich gehen will, wie sonst verwehn.

Sollst sie wieder in das Gras verstecken,
Und dann flüstern: Schlaf! ich will dich wecken,
Wenn der Hahn zum zweiten Mahle kraeht!
Sollst mich wieder mit dem Halstuch decken,
Wenn der Wind mir in die Augen weht.

Sagt' ich nicht beim Abschied: Wenn ich bliebe,
Machte deine Freundschaft alles trübe,
Doch, getrennt, sey sie ein Strahl des Lichts?
Und nun bleib' ich. Liebe denn, ach! Liebe!
Keine Freundschaft! alles oder nichts!

O drum eile, liebstes Maedchen! Schone
Meiner Sehnsucht! Siehe nur, ich wohne
Ganze Meilen von dir, so allein!
Winde denn von Myrthen deine Krone,
Und auf ewig, ewig bist du mein!
(S. 144-145)
_____


Aus: Lieder zweyer Liebenden
Herausgegeben von Goeckingk
Wien Bey J. V. Degen Buchdruck und Buchhaendler 1804

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Friedrich_Günther_von_Goeckingk




 

 


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