David Goldfeld (1904-1942) - Liebesgedichte

 



David Goldfeld
(1904-1942)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Du bist mir nah; wie gut ist dieses Wissen,
Da zukunftlos die Horizonte grauen
Und ahnungsreich aus fahlen Finsternissen
Des nahen Schicksals dunkle Augen schauen.

In Dir, in deines Herzens schlichter Treue
Weiss ich mich tief verwurzelt mit dem Leben:
Ein jeder Tag beweist es mir aufs neue,
Wie innig hold ich dir anheimgegeben.

Wenn meine Lippen an die deinen drängen
Und unsre Seelen ineinanderschweben,
Erspüren wir, wie ganz wir uns gehören.

Entzückte, lauschen wir den Liebesklängen,
Die unsre Herzen zauberhaft verweben
Und nichts kann uns den süssen Einklang stören.
(S. 113)
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Täuschung

Ich höre Schritte im Dunkeln gehen.
Du warst so lange nicht bei mir.
Wir haben verlernt uns zu verstehen:
Bist du wieder an meiner Tür?

Rief dein scheuer Mund meine Seele?
Und deine Augen, suchten sie mich,
dass ich dir meine Tage erzähle
und meinen Traum, der traurig verblich?

Siehe, es harrte der Brunnen vergebens,
da verdarb sein Wasser, er stürzte ein -
So an der bitteren Neige des Lebens
wartet meine Liebe dein.
(S. 114)
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Erinnerung

Meine Blumen sind allein geblieben.
In den Gräsern schläft der Düftewind.
Was hat mich aus eurem Kreis getrieben,
wo jetzt ahnungsreich die Nacht beginnt?

Wo im ruhelosen Blätterrauschen
meine knospenjunge Welt erklingt,
was bewegte mich, sie einzutauschen
gegen diese, der nichts blüht und singt?

Denkst du noch? Der Himmel wurde klarer,
alles schwebte in den Mond vereint . . .
Immer heller, hör' ich, wunderbarer,
wie im Garten unsre Liebe weint.
(S. 115)
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Lied Abälards

Der weite Weg aus Lust und Leid,
der weite Weg zu dir:
Ich weiß nicht, war er Wirklichkeit
oder träumte er mir?

Durch Sonnenglut und Dunst und Staub
und nachts durch scharfen Reif,
so jagt ich hin, der Sehnsucht Raub,
wie Tauben vor dem Greif.

Du sahst mich an vom Dachgestühl
im Hause unsres Herrn,
erschienst im dichten Marktgewühl
mir nahe bald, bald fern.

Ein jedes flehnde Bettelweib
streckt seine Hand mir hin.
Und tanzte wo ein trunkner Leib,
so sah ich dich erglühn.

Ach, als ich einst im Stift bei Nacht
aufschrak aus schwüler Ruh,
hielt eine gute Schwester Wacht
und sah mich an wie du.

In jedem Winde war dein Hauch,
in jedem Wort dein Laut.
Warst Duft in jedem Weiherauch
und Glück in jeder Braut.

Warst jede Freude, jedes Leid -
Und alles was mir kam,
war Bote deiner Lieblichkeit,
die mich gefangen nahm.
(S. 116-117)
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Schlaflied

Schlaf, der Tod hält uns umfangen,
Kleines Herz, ruh aus!
Was am Tag die Lippen sangen,
Schwebt noch um das Haus.

Bis die Hähne Morgen singen,
Ist die Nacht noch gross.
Manchem Stern noch mags gelingen
Und er löst sich los,

Leuchtend stürzt er sich hinunter,
Fern erlischt der Schein.
Schlafe, morgen bist du munter
Und der Tod schläft ein.
(S. 118)
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Wenn das Laub sich verfärbt

Wenn das Laub sich verfärbt, nimmt es der Wind:
Wer nimmt die Liebe, die zu welken beginnt?

Keiner sie mehr dem Froste entführt,
der in den Nächten rauh sie berührt.

Ach, der Morgen findet sie bleich,
irrend am erfrorenen Teich.

Wenn der Herbst verging deckt alles Weh,
nur nicht die Liebe, der stille Schnee . . .
(S. 119)
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Kirschlese

Am Kirschbaum eine Leiter weiss und schlank,
darauf das Mädchen, pflückend mit Gesang.

Die Purpurfrucht gedieh uns heuer reich.
Beide Arme breitet sie zugleich

Und jeder Ast, den sie herunterbiegt,
sein Laub um ihre braunen Schultern schmiegt.

Die Kirschen küssen leise und versteckt
Den schmalen Leib, der langend hoch sich reckt . . .

Ich, der ich zugetan den schönen Dingen,
sehe zwei Bäume zärtlich sich umschlingen.
(S. 14)
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Fremder Frühling

Nein, lass uns weiterschreiten! Dieser Duft,
der bittersüsse Bote fremden Frühlings,
weht nicht für uns durch schwüle Abendluft

Und nicht für uns, mein Lieb, der Vogel singt
im Buschwerk, zart gewiegt vom linden Dunkel,
das unterm Flügel goldnen Traum ihm bringt.

Nein, bleib nicht stehn, weil aus den Gärten sich
die vollen Blütenzweige sehnend reichen:
Sie blühn für andre, nicht für dich und mich.

Und nicht für uns, mein Lieb, die Kühle weht
vom Brunnen, der geheimnistief ertönt,
nun schon die Nacht an allen Wegen steht.

Für uns ist Dörren nur auf nacktem Stein
und zu den Sternen durstge Blicke heben
und in Erinnrungsweh daheim zu sein.
(S. 55)
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Verborgne Blüte

Vor meinem Fenster knospt der Strauch,
o Grün an Mauerhärte!
So knospen meine Sinne auch,
die dunkel Lust beschwerte.

Das Dächertal im Abend brennt,
die Strassenströme rauschen -
O nur das milde Firmament
mag unserm Liede lauschen.

Wir beben mit dem warmen Wind,
der zärtlich uns umfangen,
beseligt, dass wir blühend sind,
noch eh die Knospen sprangen.
(S. 56)
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Wohin?

Versponnen schweigt die Dämmrung überm Walde.
Wir wollen heimgehn, sieh, der Tag erlischt!
Den dünnen Pfad auf grenzenloser Halde
hat schon das Dunkel da und dort verwischt.

Wir wollen heimgehn, Tau benetzt die Zweige
und Kühle schauert um das dürre Gras.
Die Stille tönt wie eine ferne Geige,
der nahe Abendhimmel schimmert blass.

Ein zartes Raunen, ach ein süss Verlocken
umschwebt die Fernen, die noch matt erglühn.
Bald kommt die Nacht, schon läuten ihre Glocken.
Wir wollen heimgehn, Liebste, ach wohin? - -
(S. 65)
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Stimme aus der Tiefe

Ach, dass ich lebe, fühlend im Lichte,
Schrei geworden im Spruch der Gerichte,
Die ihre Engel niederzusenden,
Erz-geborene Helden blenden.

Wo ist das Schwert, dass ich es schmiede,
Dass ich es schärfe an meinem Liede,
Über dem Schweigen es zu schwingen,
Weg zu spalten bei seinem Singen?

Macht ist mein Leben, und meine Stärke
Schwindet im angefangenen Werke,
Das meine Liebe niemals vollendet,
Willst du es so, der mich hergesendet?
(S. 76)
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Stimme aus der Höhe

Lass die Zeit nur flüchten, stürmen:
Bange nicht, denn einer ist,
Der dich lieben wird und schirmen,
Wenn dich alles einst vergisst.

Aus den blinden Daseinswegen
Führt zu ihm ein dünner Pfad,
Wirst das Haupt zur Ruhe legen,
Das noch nicht gerastet hat.

Deine Hände wirst du falten,
Abgelöst vom Baum der Welt,
Und ein Schlummer wird dich halten,
Wie ein Herz die Liebe hält.
(S. 77)
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Ophelia

Wie leise glitt um dieses Angesicht
die Flut, dass sich so sanft die Lider schlossen!
Ihr Wellen, die ihr traurig sie umschlicht,
wie ist dies Blühen um den Mund entsprossen?

O Morgen, der ihr zartes Schlummern fand
an seinem Ufer, unter blassen Sternen,
o küssest du der süssen Stirne Rand,
dass sie so friedlich schlummern darf uns Fernen?

Die Wasser lösten zärtlich ihr das Haar -
Ich weiss die Weisen, die sie dazu sangen.
Ich ahne, wie ihr Sterben glücklich war - - -
Doch ach, was strafft so herb die fahlen Wangen?
(S. 128)
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Vor dem Spiegel

Es gehen meine Blicke
mit Gram von mir zu dir:
Wie wirst du leiden müssen,
denn ach, bald scheiden wir.

Was drüben dich umarmt hält,
ist nur ein Bild des Scheins
der noch von mir geblieben -
Ein Abglanz meines Seins,

Sinds Tränen, was ich auf den Wangen spür?
Sinds meine oder deine bittern Tränen?
Weit wie aus Nebeln höre ich mein Stöhnen -
Wo bin ich, Liebste? Bist du noch bei mir?
(S. 141)
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Aus: David Goldfeld Der Brunnen Gedichte
Herausgegeben und mit einem Nachwort
von Helmut Braun
Rimbaud Verlagsgesellschaft mbH Aachen 2010

 


Biographie:

David Goldfeld, geboren am 14. Mai 1904 in Czernowitz (Österreich-Ungarn, heute Ukraine), gestorben am 08. Mai 1942 in Czernowitz (Rumänien). Sohn eines Kantors, wuchs in Czernowitz auf, verbrachte während des Ersten Weltkriegs einige Jahre in Böhmen und absolvierte nach der Rückkehr in seine Geburtsstadt das Gymnasium. Infolge einer frühzeitig ausgebrochenen Lungenkrankheit konnte er, ein hochbegabter Tenor, das Konservatorium nicht besuchen und war in Czernowitz und zeitweilig Bukarest als Beamter tätig. Freundschaftliche Beziehungen verbanden ihn mit Alfred Margul-Sperber, Alfred Kittner und Rosa Ausländer, die ihm zwei Gedichte widmete.


 

 


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